TE OGH 1991/12/12 8Ob643/91

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Veröffentlicht am 12.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes

Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****BANK*****, vertreten durch Dr. Sylvia Groß-Stampfl, Rechtsanwältin in Leoben, wider die beklagten Parteien

1.) Gerhard M*****, und 2.) Margit M*****, vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen

S 238.658,-- s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. Juni 1991, GZ 6 R 300/90-61, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 4. Oktober 1990, GZ 6 Cg 365/87-55 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden derart abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von

S 238.658,-- samt 11,25 % Zinsen seit 1. Juli 1987 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 126.628,70 bestimmten Prozeßkosten (einschließlich S 17.486,70 Ust und S 21.709,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Bank hat der nunmehr in den USA lebenden Eleonore A***** in den Jahren 1980 bis 1983 mehrere Kredite eingeräumt, aus denen zum 15. Juni 1983 noch eine Schuld von

S 340.316,-- unberichtigt aushaftete. In dem an diesem Tage mit Eleonore A***** als Verkäuferin über deren Frisiersalon in G***** abgeschlossenen Kaufvertrag verpflichteten sich die beklagten Käufer gegenüber der Verkäuferin zur Abdeckung des vereinbarten Kaufpreises von S 340.000,-- im Wege des Schuldbeitrittes und zur Schad- und Klagloshaltung der Verkäuferin in Ansehung ihrer Kreditverbindlichkeiten bei der klagenden Bank. Sie erklärten in diesem Vertrag, als Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin Schuldübernehmer zu sein und verpflichteten sich zur fristgerechten Zahlung an die nun klagende Bank. Tatsächlich haben die beiden Beklagten in der Folge an die Klägerin auch mehrere Zahlungen geleistet, der eingeklagte Betrag von

S 238.658,-- haftet jedoch aus diesen Krediten noch unberichtigt aus.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Bank die Verurteilung der beiden Beklagten zur Zahlung des vorgenannten Betrages aus dem Titel der Unternehmensübernahme sowie deswegen, weil sie nicht nur gegenüber Eleonore A*****, also gegenüber der Schuldnerin der klagenden Bank, sondern auch gegenüber der klagenden Bank selbst ihre Zahlungsverpflichtung anerkannt und Zahlung zugesagt hätten.

Die beiden Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, daß es sich bei der Klageforderung um keine Geschäftsschuld der Eleonore A***** handle und daß von ihnen gegenüber der klagenden Bank niemals ein Schuldanerkenntnis abgegeben worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte u.a.

fest, daß Eleonore A***** seit 1. September 1974 für ihr schon

damals und in der Folge bis zum Verkauf verpachtetes Geschäft

keinerlei Aufwendungen oder Investitionen mehr gemacht hat

(Urteil S. 7, 11), und daß der nunmehrigen Beklagtenvertreter

namens und auftrags der nunmehrigen beiden Beklagten der

klagenden Bank mit Schreiben vom 3. Oktober 1983 Beilage./B

mitteilte: es hätten sich die beiden Beklagten "im

Innenverhältnis gegenüber Eleonore A***** verpflichtet ..... ,

die zu den Kreditkonten ..... bei Ihrem geschätzten Institut

aushaftenden Beträge zur Abzahlung zu bringen. Die Ehegatten Margit und Gerhard M***** haben daher vereinbarungsgemäß diese Zahlungen für Frau Eleonore A***** bereits geleistet und werden diese in Hinkunft entsprechend den Fälligkeiten weiter leisten."

Die beklagten Parteien stellten ihre Zahlungen für Eleonore A***** in der Folge deswegen ein, weil hinsichtlich der ihnen von Eleonore A***** übertragenen Bestandrechte Streitigkeiten mit dem Vermieter auftraten und weil das zuständige Finanzamt gegenüber den beiden Beklagten Steuerschulden der Eleonore A***** geltend machte.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die beiden Beklagten hätten durch das Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 3. Oktober 1983 und die folgenden Zahlungen eine Schuldverpflichtung gegenüber der klagenden Bank in der Höhe der Klageforderung konstitutiv anerkannt, sodaß diese zu Recht bestünde.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und erklärte die Revision nicht für zulässig. In seiner Entscheidungsbegründung vertrat es gleich dem Erstgericht die Ansicht, in dem Schreiben der beiden Beklagten vom 3. Oktober 1983 sei ein Anerkenntnis ihrer Zahlungspflicht zu erblicken; es würde darin abschließend von ihnen der klagenden Bank ausdrücklich zugesichert, daß sie die in Betracht kommenden Zahlungen für Frau Eleonore A***** in "Hinkunft entsprechend den Fälligkeiten weiter leisten werden". Bedenke man den Gesamtzusammenhang und den Umstand, daß das Schreiben an eine Bank gerichtet wurde, der gegenüber die Beklagten nach ihrem Prozeßstandpunkt zu keiner Erklärung veranlaßt gewesen seien, und nehme man Bedacht darauf, wie die klagende Bank diese Erklärung nach Treu und Glauben im redlichen Geschäftsverkehr habe auffassen dürfen, so gelange man zum Ergebnis, daß dieses Schreiben ein Zahlungsanerkenntnis gegenüber der klagenden Bank darstelle.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erheben die beiden Beklagten außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Annahme und Abänderung der vorinstanzlichen Urteile durch Abweisung des Klagebegehrens. Sie bringen vor, aus dem Wortlaut des Schreibens vom 3. Oktober 1983 gehe keinesfalls eine Verpflichtungserklärung ihrerseits gegenüber der klagenden Bank hervor; nach dem völlig unzweifelhaften Wortsinn sei vielmehr das Gegenteil der Fall und daher die Annahme eines Schuldbeitrittes ausgeschlossen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne der folgenden Ausführungen zulässig und gerechtfertigt.

Ein konstitutives Anerkenntnis, dessen Vorliegen hier von den Vorinstanzen zu unrecht angenommen wurde, ist ein, einen neuen selbständigen Verpflichtungsgrund bildender Feststellungsvertrag, in dem eine Partei durch einseitiges Nachgeben das von der anderen Partei behauptete, von ihr aber bestrittene oder bezweifelte Recht in vollem Umfang zugesteht

(Koziol-Welser8 I 274; Bydlinski in Klang2 IV/2 399 f; Ertl in Rummel ABGB II Rz 6 zu § 1380; JBl 1981, 90 uva).

Zur Zeit der Abgabe der behaupteten Verpflichtungserklärung der Beklagten vom 3. Oktober 1983 lag zwischen den Parteien dieses Rechtsstreites kein rechtlicher Verpflichtungsgrund vor, der durch ein streit- oder zweifelbereinigendes Anerkenntnis konstitutiv festgestellt werden konnte. Eine Verbindlichkeit auf Grund eines bloß abstrakten Schuldversprechens, also ohne causa, kann nach österreichischem Recht in der Regel nicht bestehen (vgl. Koziol-Welser aaO weiters S 97; Bydlinski aaO; Ertl aaO; SZ 48/55; JBl 1986, 175; 8 Ob 581/89 ua). Ob beim Schuldbeitritt das Akzessorietätserfordernis die nötige Prüfung der Beziehung Schuldner/Gläubiger und damit der causa ermöglicht (siehe Rummel in Rummel ABGB2 I Rz 32 zu § 859), sodaß ein Schuldbeitritt kein abstraktes Schuldversprechen darstellt (vgl. 5 Ob 647/77; 7 Ob 561/78) muß hier aber nicht weiter erörtert werden. Es ist nämlich den Revisionsausführungen darin zu folgen, daß die vorinstanzliche Auslegung des Wortlautes des Schreibens vom 3. Oktober 1983 als einer Verpflichtungserklärung der beiden Beklagten gegenüber der klagenden Bank jedenfalls verfehlt ist, weil sie - und dies begründet auch die Zulässigkeit der Revision (MietSlg XXXVIII/32; 7 Ob 1535/88; 2 Ob 600/89) - mit den bestehenden Auslegungsregeln und den Sprachregeln in Widerspruch steht.

Gemäß den §§ 914 ff ABGB ist bei der Auslegung einer

Willenserklärung im Sinne der Lehre und Rechtsprechung zwar nicht

am Buchstaben zu kleben, doch muß zunächst vom erklärten

Ausdruck, dh vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung

ausgegangen werden, denn jeder Vertragspartner ist berechtigt,

der Erklärung den Sinn beizumessen, den sie nach der Sachlage

notwendigerweise für ihn - aus seiner Sicht - haben mußte. Erst

wenn solcherart kein eindeutiger Sinn ermittelt werden kann, sind

die weiteren Auslegungsmittel heranzuziehen.

In dem an die klagende Bank gerichteten Schreiben vom 3. Oktober 1983 hat der Beklagtenvertreter erklärt, daß sich die beiden nunmehrigen Beklagten "im Innenverhältnis gegenüber Eleonore A***** verpflichtet haben ", deren offene Kreditschuld bei der klagenden Bank abzustatten, daß sie "daher vereinbarungsgemäß diese Zahlungen für Eleonore A***** geleistet haben" und daß sie "diese in Hinkunft entsprechend den Fälligkeiten weiterleisten werden". Der klare Wortsinn ergibt hier, daß die Beklagten lediglich auf Grund ihrer im Innenverhältnis (mit Eleonore A*****) bestehenden Verpflichtung und entsprechend eben dieser mit Eleonore A***** getroffenen Vereinbarung weiter Zahlung an die klagende Bank leisten werden. Ein Anhaltspunkt für die Übernahme einer Zahlungsverpflichtung der beiden Beklagten auch unmittelbar gegenüber der klagenden Bank ist aus dem Text der Erklärung in seinem Zusammenhang - dem Halbsatz: "und werden diese in Hinkunft entsprechend den Fälligkeiten weiter leisten," kommt keine selbständige Bedeutung zu - in keiner Weise erkennbar. Aus ihm geht vielmehr völlig eindeutig die mit Eleonore A***** getroffene Zahlungsvereinbarung als ausschließlicher Zahlungsgrund der beklagten Parteien gegenüber der klagenden Bank hervor.

Somit fehlt es aber an dem von der klagenden Bank behaupteten und von den Vorinstanzen der Klagestattgebung zugrundegelegten Schuldversprechen der beiden Beklagten. Der weitere auf § 1409 ABGB gestützte Klagegrund kann das Klagebegehren im Hinblick auf die von der klagenden Bank in ihrer Berufungsbeantwortung unbekämpft gelassenen und daher zugrundezulegenden (1 Ob 1528/88; 8 Ob 1579/91; JBl 1986, 121 ua) erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen S.7 und 11, wonach die streitgegenständliche Kreditschuld der Eleonore A***** bei der klagenden Bank nicht mit deren Unternehmensführung in Zusammenhang steht, ebenfalls nicht rechtfertigen.

In Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen war das Klagebegehren daher abzuweisen.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E28099

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00643.91.1212.000

Dokumentnummer

JJT_19911212_OGH0002_0080OB00643_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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