TE OGH 1991/12/18 1Ob623/91

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Tirol, vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr.Walter K*****, vertreten durch Dr.Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 112.357 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. September 1991, GZ 4 R 114/91-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 15. Feber 1991, GZ 7 Cg 168/87-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.789,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 15.10.1973 bewilligte die Tiroler Landesregierung der Mutter des Beklagten die Pflegebeihilfe. Die dessen Mutter im Rahmen dieser Pflegebeihilfe gewährte Unterstützung durch "Essen auf Rädern" sowie durch Hauskrankenpflege besorgte der Magistrat der Stadt Innsbruck; die Stadt Innsbruck war berechtigt, die der Mutter des Beklagten erbrachten Leistungen der klagenden Partei anzulasten.

Die Mutter des Beklagten starb am 24.10.1984. Im Verlassenschaftsverfahren meldete die Stadt Innsbruck namens und auftrags der klagenden Partei die Forderung von S 118.840 als Ersatz von Sozialhilfeleistungen an. Im eidesstättigen Vermögensbekenntnis wies der Beklagte als unbedingt erbserklärter Alleinerbe eine Eigentumswohnung der Erblasserin sowie ein Guthaben von S 1.947,90 als Aktiva aus. Diese Eigentumswohnung war von der Erblasserin seit 1955 benützt worden. Unter die Passiven stellte der Beklagte unter anderem die Forderung des Stadtmagistrats Innsbruck aus den Sozialhilfeleistungen im Betrag von S 118.840 ein. Auf diese Forderung leistete der Beklagte Zahlungen von S 3.007 und S 3.476. Der Restbetrag von S 112.357 war der Stadt Innsbruck von der klagenden Partei erstattet worden.

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Erstattung des von ihr aufgewendeten Betrages von S 112.357. Im Verlassenschaftsverfahren habe dieser als unbedingt erbserklärter Erbe nach der im Rahmen der Pflegebeihilfe unterstützten Person die von der klagenden Partei angemeldete Forderung im eidesstättigen Vermögensbekenntnis unter die Passiven eingestellt und die unbedingte Erbserklärung abgegeben. Dieser Vorgang sei insgesamt als Anerkenntnis der Klagsforderung zu beurteilen.

Der Beklagte wendete ein, die Erstattung sei ausschließlich damit begründet worden, daß die Erblasserin eine Eigentumswohnung besessen habe. Der klagenden Partei sei diese Tatsache jedoch schon von vornherein bekannt gewesen. Die begehrte Erstattung sei deshalb gemäß § 1432 ABGB ausgeschlossen. Durch die Einstellung der Forderung ins eidesstättige Vermögensbekenntnis sei die Klagsforderung nicht anerkannt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach der Tiroler Sozialhilfeverordnung sei ein kleines Eigenheim bei der Entscheidung über die Gewährung der Sozialhilfe außer acht zu lassen gewesen. Überdies sei in der Einstellung der Forderung in das eidesstättige Vermögensbekenntnis kein Anerkenntnis zu erblicken.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es stellte ergänzend fest, der klagenden Partei sei bei Erbringung der Sozialhilfeleistungen bekannt gewesen, daß die Mutter des Beklagten eine Eigentumswohnung besessen habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, der Klagsanspruch werde ausdrücklich auf § 8 Tir SozialhilfeG und auf ein von der klagenden Partei behauptetes Anerkenntnis gestützt. In der Aufnahme einer Forderung in das eidesstättige Vermögensbekenntnis liege jedoch kein Anerkenntnis. Ein solches Vermögensbekenntnis äußere keine anderen Wirkungen, als daß es der Abhandlungspflege zugrundezulegen sei. Gemäß § 8 Tir SozialhilfeG sei der Empfänger der Sozialhilfe zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt oder wenn nachträglich bekannt wird, daß er zur Zeit der Gewährung der Sozialhilfe hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte. Mit der Berufung auf diese Gesetzesstelle habe die klagende Partei klargestellt, daß sie keine aus den persönlichen Verhältnissen des Beklagten abgeleitete, sondern nur eine auf ihn als Gesamtrechtsnachfolger übergegangene Verpflichtung seiner Mutter geltend mache. Es sei daher unerheblich, ob die Verwertung der zum Nachlaß gehörigen Eigentumswohnung als Härte im Sinne des § 7 Abs 3 lit c Tir SozialhilfeV zu beurteilen sei oder lediglich den Erbteil des Beklagten schmälere; entscheidend sei vielmehr, ob der Empfängerin der Sozialhilfeleistung - also der Mutter des Beklagten - gegenüber ein Ersatzanspruch bestanden habe. Bei ihr habe aber keiner der beiden Fälle des § 8 Abs 1 Tir SozialhilfeG zugetroffen. Abgesehen davon, daß die Eigentumswohnung kein hinreichendes Vermögen im Sinne des § 7 Abs 3 lit c Tir SozialhilfeV gewesen sei, sei das Vermögen auch nicht erst nachträglich bekannt geworden. Die Mutter des Beklagten sei deshalb auch nicht nachträglich zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Nach wie vor beharrt sie auf ihrem Standpunkt, die Einstellung der eingeklagten Ersatzforderung unter den Passiven des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses im Verlassenschaftsverfahren nach der Mutter des Beklagten sei als konstitutives Anerkenntnis zu beurteilen, das einen selbständigen Verpflichtungsgrund schaffe. Die klagende Partei verkennt jedoch mit diesen Ausführungen das Wesen eines solchen Vertrages:

Das konstitutive Anerkenntnis ist ein Feststellungsvertrag, mit dem der Schuldner das von ihm bezweifelte Recht des Gläubigers - im Gegensatz zum Vergleich - durch einseitiges Nachgeben zugesteht; es bildet, ebenso wie der Vergleich, einen neuen, vom bisher behaupteten Rechtsgrund unabhängigen Verpflichtungsgrund. Das konstitutive Anerkenntnis bedarf als Rechtsgeschäft übereinstimmender Willenserklärungen und unterscheidet sich deshalb vom Rechtsgeständnis (deklaratorischen Anerkenntnis), mit dem der Schuldner bloß bekanntgibt, daß seines Wissens die Forderung des Gläubigers zu Recht besteht. Das deklaratorische Anerkenntnis schafft keinen neuen Verpflichtungsgrund, sondern bildet bloß ein neues Beweismittel (Koziol-Welser, Grundriß I8 274 mwN).

Die Aufnahme einer Forderung in das eidesstättige Vermögensbekenntnis könnte schon deshalb nicht als konstitutives Anerkenntnis beurteilt werden, weil dieses Vermögensbekenntnis bloß eine einseitige Erklärung des (unbedingt erbserklärten) Erben ist, sodaß von einem Feststellungsvertrag keine Rede sein kann. Im übrigen hat das eidesstättige Vermögensbekenntnis nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung (EvBl 1974/226; SZ 42/55 uva; Welser in Rummel, ABGB2 § 801 Rz 2; Eccher in Schwimann, ABGB § 801 Rz 10) keine andere Folge, als daß es der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde zu legen ist (§ 114 Abs 2 AußStrG), ohne daß es vom Gericht auf seine Richtigkeit geprüft werden dürfte; eine über das Verlassenschaftsverfahren hinausreichende, insbesondere auch eine schuldbegründende Wirkung kommt ihm dagegen nicht zu (so insbesondere 4 Ob 598/79).

Daran ändert auch nichts, daß der Beklagte weder im Verlassenschaftsverfahren noch sonst Zweifel gegen den Bestand der Klagsforderung geäußert haben soll. Der Beklagte war trotz seiner Rechtskundigkeit zur Bestreitung der Forderung erst genötigt, als ihn die klagende Partei klageweise in Anspruch nahm. Die unterlassene "Bestreitung" vor dem Prozeß könnte nur dann als - stillschweigendes - Anerkenntnis beurteilt werden, wenn der Beklagte aus besonderen Gründen nach Treu und Glauben zum Reden verpflichtet gewesen wäre (SZ 57/142 uva). Davon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein; die klagende Partei hat außerdem solche Umstände gar nicht behauptet.

Aber auch nach den §§ 8 ff Tir SozialhilfeG kann der Beklagte als Erbe nach seiner Mutter zum Ersatz der Kosten nicht verhalten werden. In der Revision wird in diesem Zusammenhang nur mehr der Standpunkt vertreten, der Sozialhilfeempfänger sei bei Vorhandensein hinreichenden Vermögens im Zeitpunkt der Gewährung der Sozialhilfe dann zum Kostenersatz verpflichtet, wenn die Verwertung für ihn eine Härte dargestellt hätte, dieser "Härtefall" jedoch - mit dem Ableben des Empfängers - wegfalle. Nach § 8 Abs 1 des genannten Gesetzes ist der Empfänger der Sozialhilfe zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten (nur dann) verpflichtet, wenn er entweder zu hinreichendem Einkommen und Vermögen gelangt oder wenn nachträglich bekannt wird, daß er zur Zeit der Gewährung der Sozialhilfe hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte. Die Mutter des Beklagten besaß - was der klagenden Partei bei Erbringung der Sozialhilfeleistungen bekannt war - eine Eigentumswohnung; dennoch wurde ihr die Pflegebeihilfe zuerkannt, wohl weil die klagende Partei diese Wohnung als Vermögen ansah, das gemäß § 7 Abs 3 lit c Tir SozialhilfeV bei der Bestimmung des Ausmaßes der Sozialhilfe außer Ansatz zu lassen war. Demgemäß war aber die Mutter des Beklagten weder - nach der Gewährung der Sozialhilfeleistungen - zu hinreichendem Vermögen gelangt, noch wurde erst nachträglich bekannt, daß sie schon bei deren Gewährung hinreichendes Vermögen besessen hatte. Das wäre aber Voraussetzung für die Ersatzpflicht des Erben im Sinne des § 8 Abs 3 Tir SozialhilfeG.

Überdies wären die Ersatzansprüche der klagenden Partei bei Klagseinbringung (am 23.10.1987) auch bereits zum größten Teil erloschen gewesen. Gemäß § 10 Abs 1 Tir SozialhilfeG können solche Ansprüche, soweit sie - wie hier - nicht grundbücherlich sichergestellt sind, nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe gewährt worden ist, mehr als drei Jahre verstrichen sind. Da diese Bestimmung auf den Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe gewährt wurde, abstellt, beginnt diese dreijährige Frist für den Ersatzanspruch mit dem Ablauf eines jeden Kalenderjahres für die darin gewährten Leistungen zu laufen. Demnach wären die Ersatzansprüche für alle seit 1973 bis zum Ablauf des Jahres 1983 an die Mutter des Beklagten gewährten Sozialhilfeleistungen wegen Verfristung erloschen. Auf diesen besonderen Erlöschensgrund wäre schon von Amts wegen Bedacht zu nehmen (vgl SZ 54/81), doch hat der Beklagte ohnedies Verjährung eingewendet.

Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E27984

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00623.91.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19911218_OGH0002_0010OB00623_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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