TE OGH 1991/12/19 8Ob615/91

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Veröffentlicht am 19.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr.Hans Perner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. I***** H*****, 2. R***** P***** und 3. M***** S*****, alle vertreten durch Dr.Johannes Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Zustimmungserklärung, infolge Rekurses beider Teile gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 11.Juni 1991, GZ 48 R 285/91-17, womit aus Anlaß der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 7.Jänner 1991, GZ 5 C 2291/89-10 und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der angefochtene Beschluß wird ersatzlos aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Nichtigkeitsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das auf Punkt VI des Mietvertrages der Parteien gestützte Klagebegehren der Hauptmieterin, die beklagten Vermieter seien schuldig, dem Um- und Ausbau des im Erdgeschoß gelegenen Geschäftslokals nach dem Bauansuchen und den Einreichplänen die Zustimmung zu erteilen, ab. Zur Entscheidungsbegründung führte es an:

Die begehrten Umbauarbeiten am Bestandgegenstand dienten der Errichtung eines Fleischverarbeitungsraumes. Nach Punkt VI des Mietvertrages dürfe die Mieterin aber die Bestandräumlichkeiten nur im Rahmen der Führung eines Handelsgewerbes mit Waren aller Art umgestalten und bauliche Veränderungen nur zur Erreichtung dieses Verwendungszweckes durchführen.

Aus Anlaß der Berufung der klagenden Partei hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil und das erstinstanzliche Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Die klagende Partei stütze ihren Klageanspruch auf Punkt VI Absatz 5 des Mietvertrages, demzufolge sie während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses berechtigt sei, im Bestandobjekt und am Portal, unter Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften , auf ihre Kosten Veränderungen vorzunehmen und Investitionen zu tätigen. Nunmehr begehre sie die Zustimmung zu konkreten Änderungen. Schon aus diesem Klagevorbringen ergebe sich die Unzulässigkeit des Rechtsweges zur Durchsetzung dieses Anspruchs. Ansprüche des Hauptmieters auf Duldung einer Veränderung des Mietgegenstandes oder auf Abgabe von Erklärungen des Vermieters seien ausschließlich im besonderen außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG geltend zu machen. Auf Vereinbarungen gestützte Ansprüche seien hingegen im Rechtsweg durchzusetzen. Behaupte der Mieter bloß eine grundsätzliche Zustimmung des Vermieters zu Umbauten, ohne daß über die Einzelheiten bereits Einigkeit erzielt worden wäre, so sei der Anspruch ausschließlich im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Rekurse beider Teile, mit dem Antrag, diesen Beschluß ersatzlos aufzuheben und dem Berufungsgericht die sachliche Erledigung der Berufung aufzutragen; hilfsweise stellen die Parteien auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten verweisen zu Recht darauf, daß auch sie einen Anspruch auf Sachentscheidung haben. Beide Teile bringen übereinstimmend im wesentlichen vor, der Rechtsweg sei zulässig, weil die begehrte Zustimmung zu den Umbauarbeiten auf eine vertragliche Vereinbarung, nämlich auf Punkt VI des Mietvertrages, gestützt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Einschränkung zulässig (4 Ob 505/91, 6 Ob 547/91 ua) und auch berechtigt.

Gemäß § 37 Abs 3 MRG hat der Außerstreitrichter über Anträge in allen Angelegenheiten der in § 9 MRG genannten Veränderungen, insb Verbesserungen des Mietgegenstandes zu entscheiden. Hievon werden jedoch nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung (SZ 57/13; RZ 1986, 8; 1991, 141 uva) vertragliche Ansprüche des Mieters auf die Vornahme baulicher Veränderungen nicht erfaßt. Solche Ansprüche sind im streitigen Verfahren geltend zu machen. Aus § 9 MRG kann nicht erschlossen werden, daß der Gesetzgeber bei Durchsetzung vertraglicher Ansprüche den streitigen Rechtsweg ausschließen und auch darüber im Verfahren außer Streitsachen entscheiden lassen wollte. Ist dem Mieter das Recht zur Veränderung oder Verbesserung vertraglich zugesichert, braucht er sich die gesetzlichen Beschränkungen des MRG (zB § 9 Abs 1 Z 5 und 6 MRG) nicht entgegenhalten lassen; es kann deshalb auch nicht ins Treffen geführt werden, die Berufung auf das vertraglich eingeräumte Recht diene lediglich der Umgehung der vom Gesetz vorgeschriebenen Verfahrensart (SZ 57/13 ua).

Da für die Beurteilung, welche Art des Verfahrens anzuwenden ist, der Inhalt des Entscheidungsbegehrens und ihr Sachvorbringen maßgeblich sind (7 Ob 668/90 ua), und die klagende Partei ihr Begehren ausdrücklich auf vertragliche Ansprüche stützt - die über die Ansprüche nach § 9 MRG hinausgehen, weil sie keine der Beschränkungen im Sinn des § 9 Abs 1 Z 5 und 6 MRG enthalten -, hat sie diese Ansprüche zu Recht im streitigen Verfahren geltend gemacht. Darauf, wie konkret die vertraglichen Vereinbarungen betreffend die zulässigen Veränderungen und Verbesserungen sind, kommt es nicht an. Wurden dem Mieter generell die Veränderungen des Mietobjektes nach seinen Bedürfnissen oder für bestimmte Zwecke gestattet, ist im Wege der Vertragsauslegung im streitigen Rechtsweg zu prüfen, in welchem Umfang der Vermieter dem Mieter Veränderungen gestattet hat. Ein Grund, weshalb bei generell gefaßten Berechtigungen zu baulichen Veränderungen diese vertraglichen Ansprüche im Außerstreitverfahren geltend zu machen wären, ist nicht erkennbar. Die vom Berufungsgericht für seine Meinung - wenn auch nur vergleichsweise - herangezogene E 5 Ob 16/90 liegt ganz auf dieser Linie: soweit das Begehren auf Vertrag gestützt werde, sei es im streitigen Verfahren, soweit es auf § 9 MRG gestützt werde, im außerstreitigen Verfahren zu verfolgen.

Es ist daher der angefochtene Beschluß ersatzlos aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der Klägerin aufzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E28117

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00615.91.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19911219_OGH0002_0080OB00615_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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