TE OGH 1992/1/15 2Ob508/92

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Veröffentlicht am 15.01.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Gunther B*****, und Birgit B*****, infoge Revisionsrekurses des Vaters Karl B*****, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner und Dr. Walter Müller, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 7.Oktober 1991, GZ 18 R 408/91-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Grein vom 17.Mai 1991, GZ P 33/89-11, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Zugleich wird auch der Beschluß des Erstgerichtes, soweit die Unterhaltsbeträge für den mj. Gunther auf mehr als S 3.000 und für die mj. Birgit auf mehr als S 2.500 erhöht wurden, aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu treffende, Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Eltern von Gunther und Birgit schlossen anläßlich der Ehescheidung im Einvernehmen am 16.11.1989 einen Vergleich, nach welchem die Obsorge für beide Kinder der Mutter zukommt. Der Vater verpflichtete sich, zum Unterhalt des mj. Gunther S 2.500 und der mj. Birgit S 2.000 an monatlichen Beträgen zum Unterhalt zu bezahlen.

Die Jugendwohlfahrt-Außenstelle Grein der Bezirkshauptmannschaft Perg als Unterhaltssachwalter gemäß § 212 Abs.2 ABGB erklärte, der vereinbarten Unterhaltshöhe nicht zuzustimmen, weil der Vater als Hauptschullehrer ein Monatseinkommen incl. Sonderzahlungen von ca. S 20.000 beziehe und daher in der Lage sei, je Kind einen monatlichen Unterhalt von S 3.600 zu leisten (18 % des Monatseinkommens). Die Mutter habe nur deshalb den im Vergleich vereinbarten Unterhaltsbeträgen zugestimmt, um ein Scheitern der Scheidung zu verhindern. Der Vater wäre bei einer höheren Unterhaltsverpflichtung nicht bereit gewesen, in die Scheidung einzuwilligen.

Mit Beschluß vom 2.10.1990, ON 4, genehmigte das Erstgericht den Vergleich hinsichtlich der beiden Kinder pflegschaftsgerichtlich. Es führte aus, die Kindeseltern könnten zwar nicht zu Lasten der mj. Kinder Verzichtserklärungen abgeben. In Anbetracht der Sachlage jedoch, daß auch die Mutter als Hauptschullehrerin ein vergleichbares Einkommen erziele und im Hinblick darauf, daß sie, um die Scheidung zu erreichen, mit den vereinbarten Unterhaltsbeträgen einverstanden gewesen sei, könne daraus nur der zwingende Schluß gezogen werden, daß sie bereit sei, ihrerseits für den Unterhalt aufzukommen, der über die vereinbarten Beträge hinaus notwendig sei, wolle man ihr nicht hinterhältiges Erschleichen eines Einverständnisses zur Scheidung zusinnen. Sollten sich die Verhältnisse ändern, etwa in der Weise, daß die Mutter nicht in der Lage wäre, ihrerseits einen entsprechenden Anteil zum Unterhalt der beiden Minderjährigen beizutragen, müsse zweifelsfrei eine neue Unterhaltsfestsetzung Platz greifen. Solange dies jedoch nicht der Fall sei, sei von der Einigung im Vergleich auszugehen, diesem sei die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zu erteilen.

Am 27.2.1991 beantragte der Unterhaltssachwalter eine Erhöhung der Unterhaltsbeiträge ab 1.3.1991 auf S 3.500 je Kind. Er führte hinsichtlich des mj. Gunther aus, die Mutter habe für notwendige Anschaffungen für den Unterricht im Bundesgymnasium besondere Auslagen für eine Schreibmaschine, Taschenrechner, Schiausrüstung, Schikurs usw. Dazu habe der Vater anteilig beizutragen. Für die mj. Birgit sei ein eigenes Zimmer eingerichtet worden, wodurch ein erhöhter Unterhaltsbedarf gegeben sei, zu dem der Vater beizutragen habe.

Der Vater erklärte sich mit einer Erhöhung des Unterhaltes um S 500 je Kind einverstanden, sprach sich aber gegen eine darüber hinausgehende Unterhaltserhöhung mit der Begründung aus, beim Unterhaltsvergleich sei davon ausgegangen worden, daß die Mutter mehr verdiene als er und zum Unterhalt der Kinder beitrage, weshalb die Unterhaltsbeträge nicht kostendeckend festgesetzt worden seien. Überdies entstünden dem Vater durch die Ausübung des Besuchsrechtes beträchtliche Kosten.

Die Mutter gab hiezu an, sie habe aus der finanziellen Auseinandersetzung anläßlich der Ehescheidung beträchtliche Verpflichtungen, insbesondere Kredite von mehr als S 500.000, sie lebe keineswegs in rosigen Verhältnissen und sei auf die Beträge laut den Unterhaltserhöhungsanträgen angewiesen. Zu den im Vergleich festgesetzten Beträgen sei es gekommen, weil der Vater sein Einkommen fälschlich mit S 14.500 angegeben habe.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsbeiträge je Kind auf monatlich S 3.000 und wies das Mehrbegehren von je S 500 ab. Der Vater beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von S 18.750, was unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen eine Bemessungsgrundlage von S 21.875 ergebe. Die nunmehr festgesetzten Unterhaltsbeträge von je S 3.000 entsprächen den derzeitigen Regelbedarfssätzen für Kinder zwischen 10 und 15 Jahren (S 3.020), wobei kein Grund bestehe, die Beträge höher als den Regelbedarf anzusetzen, zumal auch die Unterhaltssätze bei der Ehescheidung etwa dem Regelbedarf entsprochen hätten, wenn sie nicht sogar darunter gelegen seien. Die Mutter sei beim Vergleichsabschluß über das tatsächliche Einkommen ihres Ehemannes informiert gewesen.

Die Mutter bekämpfte den Beschluß des Erstgerichtes mit - vom Unterhaltssachwalter genehmigten - Rekurs und beantragte Abänderung dahin, daß die Unterhaltsbeträge auf monatlich S 3.900 je Kind erhöht werden. Der Vater focht den erstgerichtlichen Beschluß insoweit an, als für die mj. Birgit ein Unterhaltsbetrag von mehr als S 2.500 festgesetzt wurde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Den Rekurs der Mutter wies es, soweit darin eine Erhöhung der Unterhaltsleistung über S 3.500 je Kind begehrt werde, zurück. Im übrigen wurde dem Rekurs der Mutter Folge gegeben und der Beschluß des Erstgerichtes dahin abgeändert, daß die monatlichen Unterhaltsbeträge mit S 3.500 je Kind festgesetzt wurden. Das Gericht zweiter Instanz erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs nicht für zulässig und führte aus, der Rekurs der Mutter sei, soweit damit ein höherer Unterhalt als in erster Instanz begehrt, angestrebt werde, unzulässig. Im übrigen sei davon auszugehen, daß seit der Unterhaltsvereinbarung eineinhalb Jahre verstrichen seien und daher eine Unterhaltserhöhung wegen Bedürfnissteigerung der Kinder gerechtfertigt sei. Bei einer wegen geänderter Verhältnisse durchzuführenden Neufestsetzung des Unterhaltes sei eine völlige Neubemessung durchzuführen, und zwar unabhängig vom bestehenden Unterhaltsvergleich, weil bei diesem die Unterhaltsbeträge zu keiner Bemessungsgröße in Relation gesetzt worden seien, sodaß dem Unterhaltsvergleich keine Bemessungsgrundsätze zu entnehmen seien. Die vom Vater hiezu zitierte anderslautende zweitinstanzliche Rechtsprechung werde vom Rekursgericht nicht aufgegriffen, sondern vielmehr die - in EFSlg.59.519 veröffentlichte - Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes übernommen. Gemäß § 140 ABGB hätten die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse der Kinder nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Die Mutter leiste dadurch, daß sie den Haushalt führe, in dem sie die Kinder betreue, ihren Beitrag, sodaß den Vater die Verpflichtung zur Leistung eines Geldunterhaltes treffe. Die Auslagen, die dem Vater zufolge der Ausübung des Besuchsrechtes erwachsen, könnten auf seine Unterhaltspflicht nicht angerechnet werden, weil dieses Besuchsrecht nicht eine ununterbrochene Zeit von 4 Wochen übersteige. Bei der Unterhaltsbemessung komme es im wesentlichen auf die Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten sowie auf die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen an. Der Durchschnittsbedarf von Kindern im Alter zwischen 10 und 15 Jahren betrage seit 1.7.1990 S 3.020. Der Vater verdiene monatlich S 21.875 netto und habe neben den beiden Kindern keine weiteren Sorgepflichten. Bei dieser Sach- und Rechtslage erweise sich die Unterhaltserhöhung auf S 3.500 für jedes Kind im Sinne des § 140 ABGB als den Lebensverhältnissen der Eltern angemessen. Dem Vater verbleibe nach Abzug der Unterhaltsbeträge noch immer ein Einkommen von rund S 15.000 zur Bestreitung seines eigenen Unterhaltes, weshalb ihm die Unterhaltsbeträge von je S 3.500 wirtschaftlich zugemutet werden könnten. Andererseits ermöglichten diese Beträge den Minderjährigen ein amgemessenes Teilhaben an den Lebensverhältnissen ihres Vaters.

Der Vater bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit ao. Revisionsrekurs und beantragt die Herabsetzung der Unterhaltsbeträge für den mj. Gunther auf S 3.000 und für die mj. Birgit auf S 2.500 monatlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hat die Neubemessung eines vergleichsweise geregelten Unterhaltsanspruches nicht völlig losgelöst von dieser Regelung zu erfolgen (EFSlg.37.611, 40.623, 43.715, 48.150, 53.731; 1 Ob 509/91; 1 Ob 566/91 ua). Dies entspricht auch der Entscheidung 1 Ob 621/89, die in EFSlg.59.518 und 59.519 (vom Rekursgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht zitiert) nur teilweise veröffentlicht wurde. Auf die vergleichsweise Regelung ist nur dann nicht weiter Bedacht zu nehmen, wenn sich die Absicht der Parteien bei Abschluß des Vergleiches von vornherein nur auf eine einvernehmliche Ausmittlung des aktuellen gesetzlichen Anspruches ohne vorsätzliche Vernachlässigung oder Überbewertung einzelner Bemessungfaktoren beschränkt (EFSlg. 44.893/5; 10 Ob 506/87).

Im vorliegenden Fall haben die Eltern der Kinder in dem anläßlich der Ehescheidung geschlossenen Vergleich Unterhaltsbeträge vereinbart, die im Hinblick auf die Höhe des Einkommens, das der Vater damals bezog, verhältnismäßig gering waren. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes im Beschluß über die Unterhaltserhöhung war der Mutter - entgegen ihrer Behauptung - die Höhe des Einkommens des Vaters auch bekannt. Trotzdem hatte das Erstgericht den Vergleich gegen den Antrag des Unterhaltssachwalters seinerzeit mit der Begründung genehmigt, die Mutter sei, um die Scheidung zu erreichen, bereit gewesen, ihrerseits für den Unterhalt aufzukommen, der über die vereinbarten Beträge hinaus notwendig sei.

Gingen die Eltern der Kinder aber bei Vergleichsabschluß davon aus, daß auch die Mutter neben der Haushaltsführung und der Betreuung der Kinder (§ 140 Abs.2 ABGB) zum Unterhalt beiträgt und genehmigte das Pflegschaftsgericht diesen Vergleich, dann ist darauf auch bei der Neubemessung des Unterhaltes Rücksicht zu nehmen, solange dadurch das Kindeswohl nicht gefährdet und der den Kindern insgesamt gebührende gesetzliche Unterhalt nicht geschmälert wird (EFSlg.40.623).

Der den Kindern nach dem Gesetz gebührende Unterhalt wäre dann geschmälert, wenn die Mutter nicht mehr in der Lage wäre, zum Unterhalt finanziell beizutragen. Ob dies der Fall ist, kann aufgrund der Aktenlage noch nicht beurteilt werden. Wegen der Behauptung der Mutter, sie lebe nicht in rosigen Verhältnissen und sei auf die Unterhaltserhöhung angewiesen, ist es erforderlich, die wirtschaftliche Lage der Mutter zu überprüfen. Erst wenn Feststellungen darüber getroffen wurden, kann beurteilt werden, in welchem Ausmaß das Unterhaltserhöhungsbegehren gerechtfertigt ist.

Aus diesen Gründen mußten der angefochtene Beschluß und die Entscheidung des Erstgerichtes, soweit diese nicht in Rechtskraft erwachsen ist, aufgehoben werden. Dem Erstgericht war eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Anmerkung

E27996

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00508.92.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19920115_OGH0002_0020OB00508_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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