TE OGH 1992/1/23 6Ob18/91

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Veröffentlicht am 23.01.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Firmenbuchsache der Antragsteller 1.) Othmar N*****, Kaufmann, ***** und 2.) R***** AG (vormals C***** GesmbH), ***** beide vertreten durch Dr. Wolfgang und Dr. Dietmar Lirk, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die Antragsgegner 1.) A***** GmbH und

2.) A***** L***** Gesellschaft mbH, beide ***** beide vertreten durch Dr. Reinhard Junghuber, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Vorlage von Gesellschaftsunterlagen und Jahresabschlüssen, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16. September 1991, GZ 6 R 203/91-18, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg vom 30. Juli 1991, GZ HRB 6549-16, in seinem stattgebenden Teil aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes in seinem Punkt 1.) wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Die beiden Antragsteller sind Gesellschafter der Erstantragsgegnerin. Die Erstantragsgegnerin ist die einzige Gesellschafterin der Zweitantragsgegnerin; es besteht Personenidentität der Geschäftsführer beider Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Der Erstantragsteller ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Zweitantragstellerin. Das Geschäftsjahr der Erstantragsgegnerin entspricht dem Kalenderjahr, jenes der Zweitantragsgegnerin dauert vom 1. August bis zum 31. Juli des Folgejahres.

Die Antragsteller brachten vor, es stünden ihnen trotz der förmlichen Selbständigkeit der Zweitantragsgegnerin auch bei dieser als Tochtergesellschaft die aus § 22 Abs 4 GmbHG abgeleiteten umfassenden Einsichts- und Auskunftsrechte zu. Ihr in zwei außerordentlichen Generalversammlungen der Erstantragsgegnerin gestelltes Begehren auf Vorlage der Jahresabschlüsse der Zweitantragsgegnerin, eines Auszuges des bei dieser bestehenden Verrechnungskontos des Erstantragstellers und von Geschäftsunterlagen sei von den übrigen Gesellschaftern der Erstantragsgegnerin mit Beschluß abgelehnt worden. Es wurden folgende Begehren gestellt:

1.) Der Zweitantragsgegnerin wird aufgetragen, den beiden Antragstellern den Jahresabschluß für das Geschäftsjahr 1989 und den Jahresabschluß für das Geschäftsjahr 1990 - soweit noch nicht vorhanden, zumindest einen Status über das halbe Geschäftsjahr 1990 - sowie einen vollständigen Auszug des bei der Zweitantragsgegnerin geführten Verrechnungskontos des Erstantragstellers für die Geschäftsjahre 1989, 1990 und, soweit bisher vorhanden, für das Geschäftsjahr 1991 herauszugeben.

2.) Der Zweitantragsgegnerin wird aufgetragen, den Antragstellern ein unmittelbares Bucheinsichtsrecht in sämtliche Buchhaltungsunterlagen, insbesondere für die Geschäftsjahre 1989, 1990 und 1991, unter Beiziehung eines Buchsachverständigen zu gewähren.

3.) Der Zweitantragsgegnerin wird ferner aufgetragen, dem Erstantragsteller sämtliche Unterlagen über interne Beschlußfassungen der Gesellschaft (insbesondere das Protokollbuch der Gesellschaft) sowie Aktenvermerke darüber, soweit die Antragsteller diesbezüglich bis nun nicht verständigt wurden, in Form einer Abschrift oder Kopie zur Verfügung zu stellen.

Die Antragsgegner bestritten ein Bucheinsichts- und Informationsrecht der Antragsteller bei der Tochtergesellschaft überhaupt, darüber hinaus einen direkten Anspruch gegen diese und führten aus, Ursache für die begehrten Informationen sei nicht die zur Wahrung von Vermögensrechten als Gesellschafter notwendige Information. Es bestehe vielmehr der konkrete Verdacht, daß die Antragsteller die erlangten Informationen nur zu Konkurrenzzwecken verwenden würden. Die Zweitantragsgegnerin betreibe ein medizinisches Projekt, dessen Know-How strenger Geheimhaltung unterliege. Dies betreffe auch Unterlagen, aus welchen sich Rückschlüsse für die Gewinnung von Marktanteilen erzielen ließen. Darunter fielen insbesondere Rechnungen und Auftragsschreiben. Unter der nicht protokollierten Bezeichnung "Austro-Med-Tech" betreibe die Zweitantragstellerin eine medizinische Abteilung, welche sich mit ähnlichen Agenden wie die Zweitantragsgegnerin befasse. Durch die Bewilligung eines umfassenden Informationsrechtes könnte den Antragsgegnern erheblicher Schaden erwachsen.

Die Antragsteller bestritten, daß überhaupt ein Konkurrenzverhältnis bestehe. Dem Erstantragsteller seien das Know-How und die Geschäfte der Zweitantragsgegnerin aus seiner Geschäftsführertätigkeit für die Erstantragsgegnerin bis zu seiner Abberufung im Dezember 1989 ohnedies bekannt; das behauptete Projekt werde nicht mehr betrieben.

Das Erstgericht trug der Erstantragsgegnerin, vertreten durch ihre beiden kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer, auf, die Vorlage des Jahresabschlusses über das Geschäftsjahr 1989/1990 sowie die Vorlage eines vollständigen Auszuges des Verrechnungskontos des Erstantragstellers für das Geschäftsjahr 1989/1990 und - soweit schon vorhanden - für das Geschäftsjahr 1990/1991 bei der Zweitantragsgegnerin zu veranlassen und diese Unterlagen zusammen mit dem Protokollbuch der Gesellschaft den Antragstellern zu Handen ihres Rechtsvertreters auszuhändigen; das Mehrbegehren wies es ab.

Es führte aus, der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 6. 9. 1990 (EvBl 1990/170 = ecolex 1991, 25) ausgeführt, daß dem Gesellschafter einer Gesellschaft mbH zur Unterstützung seiner Leitungs- und Prüfungsrechte sowie seiner gesellschaftsrechtlichen Vermögensrechte ein nicht näher zu begründender, alle Geschäftsangelegenheiten umfassender Informationsanspruch gegen die Gesellschaft zustehe. Dieser Informationsanspruch bestehe bei einer Betriebsaufspaltung auch hinsichtlich der Tochtergesellschaft. Die mit zusätzlichen Kosten verbundene Erstellung eines Status sei im GesmbH-Gesetz nicht vorgesehen. Zur Frage einer Verweigerung der Bucheinsicht oder Herausgabe von Jahresabschlüssen bei Vorliegen eines Konkurrenzverhältnisses hat das Erstgericht keine Stellung bezogen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner - die Antragsteller ließen die Abweisung des Mehrbegehrens unbekämpft - Folge, hob den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtlich führte es aus, der Oberste Gerichtshof habe sich bislang mit der Frage, ob einem Minderheitsgesellschafter Bucheinsichtsrechte auch bei einer Tochtergesellschaft und auch dann zustünden, wenn er ein Konkurrenzunternehmen betreibe, noch nicht befaßt. Eine solche Beschränkung sei insbesondere in der deutschen Literatur zu § 51 a dGmbHG, aber auch von Reich-Rohrwig, "Spezielle Fragen der Bucheinsicht und der Sonderprüfung bei der GmbH" (JBl 1987, 364 ff und 419 ff) bejaht worden, wobei die Meinungen in den zu fordernden Voraussetzungen jedoch divergierten. Bestehe ein Konkurrenzverhältnis, liege darin unter Umständen bereits eine Gefahr für die Gesellschaft. Aus diesem Grunde könne die Einsicht zumindest in "kritische Unterlagen" mit Erfolg verweigert werden. Allerdings stelle sich auch die Frage, ob nach den neuen Vorschriften des Rechnungslegungsgesetzes, nach welchem der Jahresabschluß der Muttergesellschaft ohnedies auch die Beteiligungsverhältnisse der Tochtergesellschaft enthalten müsse, noch ein Bedürfnis nach Einsicht in den Jahresabschluß der Tochtergesellschaft bestehe. Das Erstgericht habe zu dem behaupteten Konkurrenzverhältnis keine Stellung bezogen und kein Bescheinigungsverfahren durchgeführt. Die Verzahnung des Jahresabschlusses der Erstantragsgegnerin mit jenem ihrer Tochtergesellschaft sei unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Gefahr sowie der Weitergabe und Verwertung von Informationen im Interesse eines allfälligen Konkurrenzunternehmens noch zu erörtern, die Entscheidung des Erstgerichtes daher aufzuheben und diesem eine Verfahrensergänzung aufzutragen.

Da eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage, wie weit das Informationsrecht eines Minderheitsgesellschafters, der ein Konkurrenzunternehmen betreibe, bei abstrakter oder konkreter Gefahr für die Gesellschaft eingeschränkt werden könne, bisher ebenso fehle wie dazu, ob sich das Informationsrecht auch auf eine Tochtergesellschaft beziehe - die neuen Bestimmungen des RLG seien auf die hier relevanten Jahresabschlüsse noch nicht anwendbar -, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig, er ist auch berechtigt.

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 6. 9. 1990, 6 Ob 17/90 (EvBl 1990/170 = ecolex 1991, 25 = GesRZ 1990, 222) unter ausführlicher Darstellung der Rechtsentwicklung und der Meinungen zum Informationsrecht des Gesellschafters einer GmbH ausgeführt, daß diesem ein grundsätzlich unbeschränkbarer, alle Angelegenheiten der Gesellschaft umfassender Informationsanspruch als Voraussetzung der sachgerechten Wahrnehmung der dem Gesellschafter zufallenden Prüfungs- und Leitungsaufgaben zusteht und eine Einschränkung oder gar ein Ausschluß der Informationsansprüche, "soweit diese im Einzelfall nur zur Unterstützung bei der Wahrung von Vermögensrechten geltend gemacht werden", nicht schlüssig zu begründen wäre.

Zu den Angelegenheiten der Gesellschaft und zur Wahrung von Vermögensrechten des Gesellschafters zählt aber jedenfalls auch eine 100 %-ige Beteiligung der Gesellschaft an einer Tochtergesellschaft, welche hier überdies dieselbe

Geschäftsführung aufweist, denn der Wert der dieselbe

Geschäftsführung aufweist, denn der Wert der Beteiligung der GmbH an einem solchen Unternehmen und der Gewinnanspruch werden dadurch einschneidend berührt. Die Angelegenheiten der Tochtergesellschaft werden in einem solchen Fall vom herrschenden Unternehmen entscheidend beeinflußt; überdies kommt hier auch eine Beeinträchtigung von Rechten Dritter (nur am Tochterunternehmen beteiligter Gesellschafter) nicht in Betracht (vgl hiezu Reich-Rohrwig GesmbH-Recht 558; Hachenburg Großkommentar8 Rz 25 zu § 51 a dGmbHG, Koppensteiner in Rowedder GmbH-Gesetz2 Rz 6 zu § 51 a mwN). Der Gesetzgeber hat zwar die Informationsrechte eines Gesellschafters und die Rechte auf Verweigerung von Auskunft und Einsicht auch anläßlich des Rechnungslegungsgesetzes 1991, dessen Anliegen und Ziel die Neuordnung des Rechnungswesens war, nicht ausdrücklich geregelt, doch ergibt sich auch aus dessen Vorschriften über den Konzernabschluß und Konzernlagebericht (§ 244 f HGB), welche ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in der Weise vermitteln sollen, als ob der Konzern ein Unternehmen wäre (Erl I zu § 244 HGB), daß dem Gesellschafter der Muttergesellschaft Auskunfts- und Einsichtsrechte hinsichtlich des Tochterunternehmens zustehen müssen.

Aus dem dargelegten Grundsatz, daß die Auskunfts- und Einsichtsrechte des Gesellschafters der Unterstützung und Wahrnehmung der Prüfungs- und Leitungsaufgaben und der Wahrung von Vermögensrechten dienen, ist aber auch abzuleiten, daß ein Verweigerungsrecht der Gesellschaft nicht nur dann besteht, wenn der Informationsanspruch Rechtsmißbrauch wäre oder einem gesetzlichen Verbot zuwiderliefe, sondern im Sinne einer aus dem Grundsatz der Gesellschaftstreue und Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Wertung auch dann, wenn der Verwendungszweck der begehrten Information gesellschaftsfremd ist und daraus der Gesellschaft oder einem ihr verbundenen Unternehmen ein Schaden zu erwachsen droht. Dies kann im Einzelfall, wenn der Gesellschafter ein Konkurrenzunternehmen betreibt oder an einem solchen maßgeblich nicht nur mit einer Kapitaleinlage beteiligt ist, bei strenger Prüfung der vorhandenen Umstände für einzelne begehrte Informationen durchaus zutreffen. Das Berufungsgericht hat bei seiner aufhebenden Entscheidung jedoch nicht berücksichtigt, daß die Abweisung des über die Vorlage der Jahresabschlüsse der Tochtergesellschaft, des Protokollbuches und eines Auszuges des Verrechnungskontos des Erstantragstellers hinausgehenden Einsichtsbegehrens der Antragsteller in Rechtskraft erwachsen ist. Die nicht näher konkretisierte oder bescheinigte Behauptung der Antragsgegner, die Antragsteller beabsichtigten, sich zu Konkurrenzzwecken zum Schaden der Gesellschaft geheimes Know-How über ein medizinisches Projekt anzueignen und könnten Rückschlüsse zur Gewinnung von Marktanteilen ziehen, ist aber von vornherein und ohne weitere Erhebungen in keiner Weise geeignet, eine Verweigerung der Vorlage der allein noch entscheidungsgegenständlichen Unterlagen zu rechtfertigen. Hinsichtlich der Vorlage der Jahresabschlüsse besteht in § 22 Abs 3 GmbHG nicht nur eine positiv rechtliche Regelung, sondern sogar - soferne für die Gesellschaft nicht ein Aufsichtsrat zu bestellen ist - ein ausdrückliches Verbot der Beschränkung. Daß die Vorlage eines Auszuges des den Erstantragsteller direkt betreffenden Verrechnungskontos, aber auch des Protokollbuches, geheimes Know-How und Marktanteile zum Schaden der Gesellschaft preisgeben könnte, kann mangels entsprechend konkretisierter Behauptungen der Antragsgegner ohne nähere Prüfung verneint werden.

Da zur Entscheidung der Rechtssache somit ein weiterer Verfahrensaufwand entbehrlich ist, war der Beschluß des Erstgerichtes, soweit er nicht schon in Rechtskraft erwachsen ist, wiederherzustellen.

Anmerkung

E28389

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00018.91.0123.000

Dokumentnummer

JJT_19920123_OGH0002_0060OB00018_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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