TE OGH 1992/1/31 16Os66/91

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Veröffentlicht am 31.01.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Jänner 1992 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter und Hon.Prof. Dr. Steininger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rolf Otto S***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 14.Oktober 1991, GZ 11 b Vr 679/91-14, nach Anhörung der Generalprokuratur in

nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Zur Entscheidung über die Berufungen wird der Akt an an das Oberlandesgericht Wien übermittelt.

Rechtliche Beurteilung

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rolf Otto S***** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, von der darüber hinaus auch wegen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB gegen ihn erhobenen Anklage hingegen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegen dieses Urteil haben in Ansehung des Schuldspruchs der Angeklagte und bezüglich des Freispruchs die Staatsanwaltschaft, jeweils gestützt auf Z 9 lit a sowie ersterer zudem auf Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO, Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen.

Beiden Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.

Der eingangs bezeichnete Verbrechenstatbestand fällt dem Angeklagten zur Last, weil er in der Zeit vom August 1989 bis zum 3. April 1990 mit der am 3.April 1976 geborenen Bettina C***** (wiederholt) den außerehelichen Beischlaf unternommen hat.

Nicht stichhältig ist sein mit der Begründung, die Zeugin K***** habe zwar zu Protokoll gegeben, aussagen zu wollen, jedoch (gemeint: solcherart) "entgegen der Vorschrift des § 152 StPO nicht ausdrücklich auf ihr Entschlagungsrecht verzichtet", erhobener Einwand gegen die Verwertung der betreffenden Aussage im Urteil (Z 3). Ist doch eine derartige Verzichtserklärung keineswegs an einen bestimmten Wortlaut gebunden, sodaß die hier relevierte, insoweit unmißverständliche Willensäußerung der genannten Zeugin, die sie nach ihrer Belehrung gemäß § 152 (Abs. 1 Z 1) StPO abgab, den Voraussetzungen eines wirksamen Entschlagungsverzichts vollauf entsprach.

Gleichermaßen versagt der Vorwurf (Z 3), der Beschwerdeführer sei nach der Vernehmung des Tatopfers in seiner Abwesenheit (§ 250 StPO) zwar über dessen Aussage, nicht aber auch darüber informiert worden, daß in jener Verfahrensphase vom Verteidiger ein bestimmtes Lichtbild vorgelegt wurde (S 91).

Denn abgesehen davon, daß der Angeklagte aus den ihm zur Kenntnis gebrachten Bekundungen der Zeugin Bettina C***** doch immerhin auch die Erörterung von Photos als Vernehmungsthema zu entnehmen vermochte und daß es vor allem dem Verteidiger durchaus freigestanden wäre, auch ihn zu dem in Rede stehenden, ersichtlich von ihm selbst zur Verwendung im Beweisverfahren beigestellten Lichtbild zu befragen, hätte seine (nunmehr von ihm vermißte) Vernehmung darüber ohnehin zur Klärung des zwischen ihm und dem Mädchen strittigen Zeitpunktes ihrer ersten sexuellen Beziehungen zueinander nach der Aktenlage augenscheinlich nichts beitragen können, weil darnach sowohl der Zeitpunkt der Aufnahme dieses Photos als auch dessen chronologische Relation zum Beginn der hier aktuellen Sexualkontakte - zu deren zeitlicher Fixierung die Zeugin auf ganz andere Vorgänge abgestellt hat - in keiner Weise objektivierbar gewesen wären. Demgemäß ist jedenfalls unzweifelhaft erkennbar, daß die gerügte Formverletzung keinen dem Beschwerdeführer nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung zu üben vermochte (§ 281 Abs. 3 StPO).

Mit seiner weiteren Verfahrensrüge (Z 4) remonstriert der Angeklagte gegen die Abweisung seiner Anträge auf Vernehmung der Zeugin W***** zum Beweis dafür, daß sich Bettina C***** (erst) nach dem Sommer 1990 auffällig in seiner Nähe bewegt sowie ihn umarmt, "mit Küssen belegt" und aufgefordert habe, "die Beziehung zu unterhalten", wogegen vorher ein solches Verhalten ihrerseits, welches der beantragten Zeugin als Pferdeeinstellerin aufgefallen wäre, nicht erkennbar gewesen sei; sowie ferner auf Vernehmung des Verteidigers darüber, daß er letzterem gegenüber als Beginn seiner inkriminierten geschlechtlichen Beziehungen den Sommer 1990 angegeben habe (S 96).

Durch die Ablehnung der damit angebotenen Beweisaufnahme ist aber der Beschwerdeführer deshalb in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt worden, weil das Schöffengericht von den damit unter Beweis gestellten Gegebenheiten ohnedies ausgegangen ist (S 98, US 8 f.); daß es dem früheren Unterbleiben eines ähnlich auffälligen Verhaltens des Tatopfers (wie im Jahr 1990) und der den Tatzeit-Beginn betreffenden Information des Angeklagten an den Verteidiger keinen zur Erschütterung der darauf bezogenen Darstellung der Minderjährigen ausreichenden Beweiswert beimaß, ändert daran nichts.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider findet aber auch die Urteilsfeststellung, daß der Beschwerdeführer bei seinem ersten Geschlechtsverkehr mit der Unmündigen deren Alter kannte (US 9), in deren Aussage gleichwie in den Bekundungen der Zeugin Elisabeth C***** in Verbindung mit seiner eigenen Verantwortung (S 72 f., 84, 89, 94) durchaus zureichend Deckung.

Die Rechtsrüge des Angeklagten (Z 9 lit a) schließlich läßt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil er bei der Geltendmachung eines Feststellungsmangels zur subjektiven Tatseite des § 206 Abs. 1 StGB die zuletzt relevierte Konstatierung - die ungeachtet dessen, daß sie in dem der rechtlichen Beurteilung gewidmeten Teil der Urteilsbegründung aufscheint, unmißverständlich eine Tatfrage betrifft - übergeht; materiellrechtliche Fehlbeurteilungen indessen können nur durch einen Vergleich des gesamten maßgebenden Urteilssachverhalts mit den darauf angewendeten Strafbestimmungen dem Gesetz entsprechend dargetan werden.

Gleiches gilt für die Nichtigkeitsbeschwerde der Anklagebehörde, die ihrerseits mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a) eine zusätzliche Verurteilung des Angeklagten wegen des Vergehens nach § 212 Abs. 1 StGB "im Sinne des Punktes II. der Anklage" anstrebt, wonach er die seiner Aufsicht unterstandene minderjährige Bettina C***** in der Zeit von Ende Juli oder Anfang August 1989 bis Anfang 1991 (durch wiederholten Geschlechtsverkehr mit ihr auch) unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber als Reitlehrer zur Unzucht mißbraucht habe.

Denn zum einen sind die Beschwerdeausführungen der Staatsanwaltschaft überhaupt nur auf die Feststellungen über den ersten sexuellen Kontakt zwischen dem Angeklagten und der Unmündigen gemünzt, ohne daß ihnen zu entnehmen wäre, inwiefern das Unterbleiben eines auch insoweit anklagekonformen Schuldspruchs in bezug auf den gesamten übrigen Tatzeitraum dem Gesetz widersprechen sollte; in diesem Umfang ist demnach das nunmehr aktuelle Rechtsmittel mangels Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.

Mit Beziehung auf den in Rede stehenden ersten Sexualkontakt aber setzt sich die Beschwerdeführerin im Bestreben darzutun, daß der Angeklagte dabei angesichts des Urteilssachverhalts doch seine Stellung als Autoritätsperson gegenüber dem Tatopfer ausgenützt habe, jedenfalls auf der subjektiven Tatseite über die ausdrückliche Konstatierung hinweg, das Beweisverfahren habe keine konkreten Hinweise darauf ergeben, daß er bei seinem inkriminierten Tatverhalten seine Autorität eingesetzt hätte (US 10); ein solcherart vorsätzlicher Einsatz der Täterautorität als für das Gelingen eines geschlechtlichen Mißbrauchs kausales Druckmittel indessen ist zur Verwirklichung des Tatbestands nach § 212 Abs. 1 StGB durch die dort erfaßte zweite Tätergruppe in subjektiver Hinsicht unumgänglich (vgl hiezu Pallin im WK § 212 Rz 6, 15; SSt 54/10, 52/24 ua).

Zu den die objektive Tatseite betreffenden Beschwerdeargumenten kann es demgemäß mit dem Hinweis darauf das Bewenden haben, daß bei der zweiten durch diese Strafbestimmung erfaßten Tätergruppe im gezielten Gegensatz zur ersten aus dem Bestehen eines der damit umschriebenen Autoritätsverhältnisse zwischen Täter und Opfer allein nicht schon auf dessen Mißbrauch geschlossen, letzterer also nicht gleichsam präsumiert werden darf (vgl Foregger-Serini StGB4 § 212 Anm V; SSt 42/42 ua). Das dementgegen bei dieser Tätergruppe zur Tatbestandsverwirklichung speziell erforderliche Ausnützen ihrer Autoritätsstellung gegenüber dem Tatopfer freilich kann - worin der Anklagebehörde beizupflichten ist - nach Lage des Falles und mit Bedacht auf die konkrete Tatsituation gewiß auch bereits in einer bloßen Aufforderung zur Unzucht gelegen sein: die Frage indessen, ob jene Prämisse hier in objektiver Hinsicht vom Erstgericht mit Recht und auf zureichender Feststellungsgrundlage verneint wurde, bedarf deswegen keiner Erörterung, weil es (wie schon gesagt insoweit unbekämpft) jedenfalls einen darauf gerichteten Vorsatz des Angeklagten nicht als erwiesen annahm.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen fällt dementsprechend in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E27961

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0160OS00066.91.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19920131_OGH0002_0160OS00066_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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