TE OGH 1992/2/18 5Ob10/92

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Veröffentlicht am 18.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerinnen 1.) Monika R*****, Angestellte, ***** Wien, W*****gasse 14/II/I/4 und 5, und

2.) Hilda U*****, Pensionistin, ***** Wien, W*****gasse 14/II/I/4 und 5, beide vertreten durch Dr. Michael Göbel und Dr. Markus Groh, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner

1.) Ing. Johannes H*****, Hauseigentümer, ***** Wien, W*****gasse 14, und 2.) Ing. Othmar D*****, Hauseigentümer, ***** Wien, W*****gasse 14, beide vertreten durch Dr. Otto Kern und Dr. Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien, wegen Duldung von Veränderungen und Verbesserungen des Mietgegenstandes (§ 37 Abs 1 Z 6 MRG) infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 17. Oktober 1991, GZ 48 R 257/91-7, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 11. März 1991, GZ 9 Msch 5/91-3, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben

Text

Begründung:

Die Antragstellerinnen behaupten, Hauptmieter der Wohnungen top. 4 und 5 des Hauses W*****gasse Nr. 14 in Wien zu sein, das im Eigentum der Antragsgegner steht. Zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses im Jahr 1939 hätten diese Wohnungen die Ausstattungskategorie D aufgewiesen; nunmehr wäre eine der Wohnungen (top. 5) in die Ausstattungskategorie C einzustufen.

Die beiden Wohnungen hätten ursprünglich zusammengehört und seien durch eine Tür verbunden gewesen. Bei der Trennung habe man zwar den Türstock belassen, die Türöffnung jedoch mit Ziegeln zugemauert. Da die Zweitantragstellerin pflegebedürftig sei und die Wohnung top. 4 wegen der Zumauerung des Abwasserstranges praktisch nicht mehr bewohnt werden könne, seien die Antragsgegner schuldig zu erkennen, das Entfernen der Ziegel und das Wiedereinfügen eines Türblattes an der Verbindungstüre zwischen den Wohnungen top. 4 und 5 des Hauses W*****gasse 14 in Wien auf Kosten der Antragstellerinnen zu dulden.

Die Antragsgegner sind diesem Begehren mit dem Einwand entgegengetreten, daß es sich bei den Wohnungen top. 4 und 5 ihres Hauses schon immer (jedenfalls seit 1925) um getrennte Objekte gehandelt habe, sodaß das Begehren der Antragstellerinnen in keiner Weise gerechtfertigt sei. Außerdem fehle der Erstantragstellerin die Aktivlegitimation, weil sie gar nicht Mieterin der Wohnungen top. 4 und 5 sei und sich dort höchstens als Besucherin der Zweitantragstellerin aufhalte.

Das Erstgericht gewann aus einer informativen Befragung der Zweitantragstellerin die Feststellung, daß die Wohnungen top. 4 und 5 schon von jeher getrennt geführt wurden und wies das Begehren der Antragstellerinnen ohne Beweisaufnahmen ab, weil es weder in § 4 MRG noch in § 5 MRG oder § 9 MRG gedeckt sei. § 5 MRG zähle zwar die Zusammenlegung zweier Wohnungen zu den nützlichen Verbesserungen, komme jedoch nur zur Anwendung, wenn eine der Wohnungen frei wird; § 9 MRG sehe eine solche Verbesserungsmaßnahme gar nicht vor.

Das Rekursgericht hob diesen Sachbeschluß auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurück.

Auch das Rekursgericht sei der Ansicht, daß das Begehren der Antragstellerinnen in §§ 4, 5 MRG keine Deckung finde, weil nützliche Verbesserungen nur von der Mehrheit der Hauptmieter durchgesetzt werden könnten und auch aus § 5 Abs 1 MRG keine für den Mieter durchsetzbaren Ansprüche ableitbar seien. Zu überprüfen sei das Begehren der Antragstellerinnen allerdings im Hinblick auf § 9 MRG. Dazu bedürfe es vorerst der Klarstellung, wer von den Antragstellerinnen welche Wohnung gemietet hat, oder ob beide Mieter beider Wohnungen sind. Sollten die Antragstellerinnen je nur eine Wohnung gemietet haben, so komme § 9 MRG gar nicht zur Anwendung, weil dessen Absatz 1 ausdrücklich von wesentlichen Veränderungen (Verbesserungen) "des Mietgegenstandes" spricht. Darunter sei jedenfalls keine Veränderung oder Verbesserung zu verstehen, die sich auf den Mietgegenstand eines anderen Mieters erstreckt. Wäre hingegen eine der Antragstellerinnen sowohl Mieterin von top 4 als auch top 5 oder wären beide Antragstellerinnen Mitmieter beider Wohnungen, könnte ihr Begehren unter § 9 MRG subsumiert werden, was wiederum zur Überprüfung der in Abs 1 Z 1 - 7 leg.cit. genannten Voraussetzungen führen müßte. Bei der solcherart notwendigen Verfahrensergänzung werde das Erstgericht auf die Beiziehung der übrigen Hauptmieter zu achten haben, weil auch deren Interessen zu wahren sind (vgl. Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 52 zu § 37 MRG; MietSlg 38.534/13).

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, ob unter Berufung auf § 9 MRG die Zusammenlegung zweier Wohnungen begehrt werden kann.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der vorliegende Rekurs der Antragsgegner, die meinen, daß ein Hauseigentümer nicht gezwungen werden könne, der Zusammenlegung eigenständiger, vor allem auch rechtlich völlig getrennter Wohneinheiten zuzustimmen. Ihr Rekursantrag geht dahin, die erstinstanzliche Entscheidung wieder herzustellen.

Die Antragstellerinnen haben in ihrer Rekursbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels, allenfalls die Bestätigung des rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses beantragt.

Der Rekurs ist aus dem von der zweiten Instanz angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 9 MRG legt die Voraussetzungen fest, unter denen ein Vermieter im Anwendungsbereich des MRG selbst wesentliche Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstandes durch den Hauptmieter hinnehmen muß, gesteht also dem Hauptmieter von vornherein ein Veränderungsrecht zu. Mit derartigen Veränderungen sind - wie das Klammerzitat zeigt - in erster Linie Verbesserungen gemeint, doch sind dem Hauptmieter nach der eigentümlichen Wortwahl des Gesetzgebers, die sich deutlich von den Formulierungen in §§ 3 - 6 MRG abhebt, auch Veränderungen gestattet, die weder als Erhaltungs- noch als Verbesserungsarbeiten qualifiziert werden können (Krejci, Die mietvertraglichen Rechte und Pflichten nach den §§ 3 - 10 MRG, in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 239; WoBl. 1991, 78). Grundsätzlich ist daher auch die Zusammenlegung von Wohnungen dem § 9 MRG zu unterstellen und zu prüfen, ob die dort normierten Voraussetzungen für die Duldungspflicht des Vermieters vorliegen. Daß sich dies mit den Wertungen des Gesetzgebers vereinbaren läßt, zeigt § 5 Abs 1 MRG, wonach in einem anderen, aber keineswegs fremdartigen Sachzusammenhang die Vereinigung und bautechnische Umgestaltung zweier oder mehrerer Wohnungen als nützliche Verbesserung gilt.

Freilich kann § 9 MRG nicht so verstanden werden, daß er auch die Veränderung des Umfangs des Mietgegenstandes deckt. Nur in Einzelfällen sind dem Hauptmieter auch Änderungen außerhalb des "eigentlichen" Mietgegenstandes erlaubt, etwa im Fall des § 9 Abs 2 Z 5 MRG; weder im Wortlaut des Mietrechtsgesetzes noch in den Materialien findet sich jedoch ein Anhaltspunkt dafür, daß § 9 MRG generell mehr als Veränderungen innerhalb des Mietgegenstandes betreffen sollte (SZ 63/14; vgl. auch MietSlg. 23.140; Würth in Rummel I2, Rz 6 zu § 1098 ABGB). Eine Ausdehnung der dem Hauptmieter zustehenden Rechte auf ein anderes Mietobjekt fällt daher nicht mehr unter § 9 MRG und wäre bei fehlender Zustimmung des Vermieters nur unter den (hier nicht vorliegenden) Voraussetzungen des § 5 MRG durchzusetzen.

Folgerichtig hat das Rekursgericht ergänzende Feststellungen darüber verlangt, ob die Antragstellerinnen Hauptmieter beider Wohnungen sind. Zu erheben wird in diesem Zusammenhang aber auch sein, ob die beiden Wohnungen ein einheitliches Mietobjekt bilden, weil sich die Duldungspflicht des Vermieters gemäß § 9 MRG - wie ebenfalls schon das Rekursgericht erkannte - nur auf Veränderungen "des Mietgegenstandes" bezieht. Ob diese Voraussetzung vorliegt, hängt vom Parteiwillen ab, die in Bestand gegebenen Sachen als Einheit zu behandeln, wobei der Abschluß eines einzigen homogenen Bestandvertrages über mehrere Sachen die subjektive Einheit ebenso indizieren kann wie die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der Objekte (vgl. Würth aaO, Rz 15 zu §§ 1092 - 1094 ABGB). Erst wenn diese Umstände geklärt sind, wird beurteilt werden können, ob die Antragstellerinnen überhaupt die Veränderung ihres Mietgegenstandes anstreben oder unzulässigerweise eine Erweiterung ihrer Bestandrechte durchzusetzen versuchen.

Sollte demnach die Anwendbarkeit des § 9 MRG feststehen, wird - wie vom Rekursgericht gefordert - zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1 - 7 MRG vorliegen. Erörterungsbedürftig erscheint vor allem ob die angestrebte Veränderung der Übung des redlichen Verkehrs entspricht und ob sie eine Beeinträchtigung wichtiger Interessen der Vermieter befürchten läßt (vgl. SZ 60/195; 5 Ob 81/89). Ersteres werden erforderlichenfalls die Antragstellerinnen nachzuweisen haben (5 Ob 34/88; 5 Ob 1081/91), letzteres die Antragsgegner (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 12 zu § 9 MRG). In beiden Punkten geht es letztlich um Tatfragen, die das Rekursgericht auf Grund einer zutreffenden Rechtsansicht als erörterungsbedürftig erachtete, weshalb der Oberste Gerichtshof dem Auftrag zur Verfahrensergänzung gar nicht entgegentreten kann.

Anmerkung

E28355

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00010.92.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19920218_OGH0002_0050OB00010_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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