TE OGH 1992/2/19 1Ob542/92

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Veröffentlicht am 19.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann Paul S*****, vertreten durch Dr. Gertraud Gürtler, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Helene Maria S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 100.000 S), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 30. September 1991, GZ 43 R 2055/91-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. April 1991, GZ 8 C 6/90b-23, idF des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Mai 1991, GZ 8 C 6/90b-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren,

"1. Es werde festgestellt, daß durch Zahlung der Monatsrate von 2.000 S am 11. Mai 1983 in Ansehung des Vergleichstextes gemäß Punkt 2 des Vergleiches kein Terminsverlust eingetreten sei (Vergleich vom 18. Februar 1983, 27 Cg 322/82 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien);

2. die Beklagte sei schuldig, dem Kläger die Kosten des Prozesses zu bezahlen, dies alles binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution",

abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 19.091,10 S (darin 3.181,85 S Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz, die mit 12.528,80 S (darin 1.414,80 S Umsatzsteuer und 4.040 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 10.094 S (darin 849,-- S Umsatzsteuer und 5.000 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen vor einer einvernehmlichen Scheidung nach § 55 a EheG am 18. Februar 1983 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 27 Cg 322/82 (ex 23 Cg 56/78) einen Vergleich, dessen hier relevante Punkte lauten:

"2.) Der Zweitantragsteller (Kläger) verpflichtet sich, der Erstantragstellerin (Beklagte) .... einen Restbetrag von 350.000 S in monatlichen Raten a 2.000 S, beginnend mit 1. März 1983, die weiteren Raten jeweils am 1. eines jeden der darauffolgenden Monate, bei Terminsverlust, bei Verzug von drei Raten und einem Respiro von 14 Tagen zu bezahlen.

3.) Dieser Betrag wird in der Weise wertgesichert, .... Es wird

weiters vereinbart, daß für den Fall des Verzuges der Rückstand

mit 6 % ab Eintritt der Säumnis zu verzinsen ist.

......."

Der Kläger bezahlte die erste Rate von 2.000 S ohne Zinsen ungewidmet mittels Banküberweisung vom 11. Mai 1983. Die vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Beschluß vom 9. Juni 1983, GZ 27 Cg 322/82-8, gegen den Kläger aufgrund der Behauptung der Beklagten, Terminsverlust wäre eingetreten, bewilligte Gehaltsexekution zur Hereinbringung eines Betrages von 350.000 S samt 6 % Zinsen seit 2. Mai 1983 und Kosten von 3.850,10 S wurde am 13. Juni 1987 infolge Ausscheidens des Klägers aus seinem Dienstverhältnis beendet.

Der Kläger begehrte gegenüber der Beklagten die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung.

Die Beklagte wendete, soweit hier relevant im wesentlichen ein, Terminsverlust sei eingetreten, ihre damalige Exekutionsführung sei gerechtfertigt gewesen. Dem Kläger fehle das Feststellungsinteresse.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Zum Zeitpunkt der Zahlung von 2.000 S am 11. Mai 1983 sei noch kein Terminsverlust iS des Scheidungsvergleiches eingetreten, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt erst mit zwei Raten in Verzug gewesen sei. Es werde nicht die bloße Feststellung von Tatsachen begehrt, sondern ein konkret ausgeformtes Rechtsverhältnis, nämlich das Bestehen einer nicht durch Terminsverlust betroffenen Verpflichtung.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im wesentlichen aus dessen Gründen. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Das Vorliegen des Feststellungsinteresses als Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruches (SZ 54/126 ua) ist auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu beachten (Arb. 9.927; SZ 51/124; JBl. 1975, 94 ua). Richtig ist, daß Tatsachen, mögen sie auch rechtserheblich oder rechtserzeugend sein, nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein können (3 Ob 507/91; Fasching III 60 f und Lehrbuch2 Rz 1094). Maßgebend ist aber nicht der Wortlaut, sondern der Sinn des Begehrens (SZ 51/124; 4 Ob 128, 129/81; Fasching III 61). Der Kläger strebt mit der begehrten Feststellung, Terminsverlust sei nicht eingetreten, entgegen der Auffassung der außerordentlichen Revision, nicht die Feststellung von Tatsachen, sondern die Klärung des zwischen den Streitteilen strittig gewordenen, noch bestehenden Rechtsverhältnisse aufgrund des Vergleiches an.

Die Behauptung, Terminsverlust sei nicht eingetreten, ist ein Impugnationsgrund, der während eines anhängigen Exekutionsverfahrens mit Klage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO (Eintritt der für die Fälligkeit des Gesamtanspruches maßgeblichen Tatsachen) geltend zu machen ist. Während der gegen ihn geführten Drittschuldnerexekution erhob der Kläger keine Impugnationsklage. Solange auf Grund eines vollstreckbaren Titels noch nicht Exekution bewilligt worden ist, kann der Titelschuldner das (gänzliche oder teilweise) Erlöschen des Anspruches oder dessen Hemmung nach § 228 ZPO feststellen lassen (JBl. 1956, 453; Heller-Berger-Stix, EO4 422). Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung wird, sofern der Titelgläubiger diese Rechtslage bestreitet, immer gegeben sein. Denn es kann dem Titelschuldner nicht zugemutet werden, es auf die Exekution ankommen zu lassen und erst dann einen Oppositionsprozeß zu führen (Heller-Berger-Stix aaO). Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, daß sie zu einer Erklärung, derzeit wegen behaupteten Terminsverlustes vom Vergleich keinen exekutionsmäßigen Gebrauch zu machen, bereit sei. Nach herrschender Auffassung liegt das rechtliche Interesse des Klägers für die negative Feststellungsklage darin, daß die Berühmung des Gegners zu einer Gefährdung der Rechtstellung des Klägers führt und dieser in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird (JBl. 1986, 666; SZ 32/89; Fasching III 67 und Lehrbuch2 Rz 1105 mwN). Der Kläger ist aus seinem Dienstverhältnis, das Gegenstand der auf Geldzahlung gerichteten Exekutionsführung durch die Beklagte war, ausgeschieden, damit ist die weitere Exekutionsführung durch die Beklagte aussichtslos, der Kläger kann daher derzeit eine Impugnationsklage nicht erheben. Es bestehen aber keine Bedenken, dem Titelschuldner die Berechtigung zur Feststellungsklage auch dann zuzubilligen, wenn der Titelgläubiger bereits mit der Behauptung, Terminsverlust sei eingetreten, Exekution geführt hat, weil jederzeit neuerlich mit derselben Behauptung (bei einem anderen Dienstgeber des Verpflichteten) Drittschuldnerexekution geführt werden könnte. Das Feststellungsinteresse ist demgemäß dem Kläger nicht abzusprechen.

Terminsverlust bedeutet als eine Art Verwirkungsabrede das vereinbarte Recht auf sofortige Geltendmachung einer Forderung trotz vereinbarter späterer Fälligkeit, somit die vorzeitige Fälligkeit, etwa bei der Nichterfüllung einer oder mehrerer Teilleistungen einer Schuld ungeachtet der bedungenen Ratenfälligkeiten (SZ 51/103 = EvBl. 1979/112; EvBl. 1979, 188;

3 Ob 31/84, 3 Ob 32/84 ua; Stanzl in Klang2 IV/1 698; Bydlinski in Klang2 IV/2 503; Reischauer in Rummel2, § 904 ABGB Rz 14;

Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht AT3, 375 mwN; Koziol-Welser, Grundriß8 I 201 f mwN in FN 18). Eine den beiderseitigen Interessen entsprechende Vertragsauslegung von Punkt 3.) des Vergleiches ergibt, daß dem Kläger für die Zahlung der einzelnen Raten ein 14tägiges Respiro - hier als eine die Fälligkeit ändernde Stundung (Koziol-Welser aaO 215) - eingeräumt war. Die Beklagte gesteht dies in ihrer außerordentlichen Revision auch zu. Wenn auch der vereinbarte Terminsverlust nach dem vorliegenden Vergleich erst bei Verzug mit drei Raten unter Einräumung eines 14tägigen Respiros eintreten sollte, waren die Zinsen als Teil der geschuldeten Leistung "ab Eintritt der Säumnis", das heißt bereits dann fällig, wenn die Raten nicht mit Ablauf der 14tägigen Respirofrist bezahlt wurden. Terminsverlust trat daher entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ein, weil der Kläger zwar am 11. Mai 1983 2.000 S mittels bargeldloser Banküberweisung geleistet hatte, aber nicht die für den Fall der Säumnis bedungenen 6 % Zinsen für die im März und April 1983 fälligen Raten. Bis zur ersten Zahlung des Klägers waren daher neben den Raten für März, April und Mai 1983 auch die bedungenen Zinsen für die März- und die April-Rate 1983 offen. Mangels Widmung der Zahlung des Klägers vom 11. Mai 1983 sind diese Zinsen gemäß § 1416 ABGB vorweg als getilgt anzusehen, sodaß am 15. Mai 1983 der Kläger mit zwei Raten (April und Mai 1983) ganz und mit einer Rate (März 1983) teilweise im Rückstand war. Damit waren die bedungenen Voraussetzungen für den Eintritt des Terminsverlustes gegeben.

Die Nichtzahlung der Zinsen kann auch nicht als bloß geringfügige, nicht zum Terminsverlust führende (RdW 1989, 301 ua; Mayrhofer aaO, 377 mwN in FN 43 wegen Verstoß gegen Treu und Glauben) Ungenauigkeit des Leistungsausmaßes gesehen werden.

Der außerordentlichen Revision ist demnach Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO, für das Rechtsmittelverfahrens iVm § 50 ZPO. Bei den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens unterlief dem Beklagtenvertreter ein Additionsfehler.

Anmerkung

E28288

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00542.92.0219.000

Dokumentnummer

JJT_19920219_OGH0002_0010OB00542_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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