TE OGH 1992/2/25 10ObS312/91

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Veröffentlicht am 25.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Gerhard Gotschy (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J***** E*****, Pensionist, ***** vertreten durch den Sachwalter Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage infolge Revision beider Teile gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juni 1991, GZ 31 Rs 67/91-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 5.Dezember 1990, GZ 5 Cgs 41/90-8, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem abweisenden Teil bestätigt, sodaß es einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles als Teilurteil insgesamt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger für die Zeit vom 1.11.1989 bis 31.12.1989 eine monatliche Ausgleichszulage von 1.892,40 S und ab 1.1.1990 eine monatliche Ausgleichszulage von 2.200,80 S, ab 1.7.1990 eine solche von monatlich 2.253,10 S und ab 1.10.1990 eine solche von monatlich 2.200,80 S zu zahlen. Das Begehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger für die Zeit vom 1.11.1989 bis 31.12.1989 die Ausgleichszulage in einer den Betrag von 1.892,40 S übersteigenden Höhe, für die Zeit vom 1.1.1990 bis 30.6.1990 in einer den Betrag von 2.200,80 S und ab 1.7.1990 in einer den Betrag von 2.348,10 S übersteigenden Höhe zu gewähren, wird abgewiesen."

2.) den Beschluß

gefaßt:

a) Die Revision der beklagten Partei wird, soweit sie die Abweisung des Klagebegehrens auf Zahlung eines 1.658,10 S übersteigenden Betrages an monatlicher Ausgleichszulage bis zu einem Betrag von monatlich 2.200,80 S ab 1.10.1990 begehrt, zurückgewiesen.

b) Im übrigen (Gewährung der Ausgleichszulage ab 1.7.1990 in der Höhe von 2.348,10 S, soweit dieser Betrag 2.253,10 S und ab 1.10.1990 2.200,80 S übersteigt) wird der Revision der beklagten Partei Folge gegeben und das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger befindet sich seit 23.10.1989 in einem Landespensionistenheim. Er ist zumeist bettlägerig und kann nur in der Form mobilisiert werden, daß er mit fremder Hilfe und mit einem sogenannten Rollator Gehversuche auf ebenem Boden von 100 bis 200 m Länge unternimmt. Seine Frau besucht ihn nicht regelmäßig und beteiligt sich nicht an den Mobilisierungsversuchen. Die Entlassung des Klägers in häusliche Pflege ist in absehbarer Zeit nicht möglich, zumal seine Ehefrau gar nicht bereit ist, ihn nach Hause zu nehmen. Der Kläger bezog von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter 1989 eine Pension von 774,-- S monatlich und bezieht 1990 eine solche von 766,30 S. Von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern bezog er 1989 eine Erwerbsunfähigkeitsrente von 3.045,60 S, 1990 bezieht er eine solche von 3.046,90 S.

Mit Bescheid vom 22.11.1989 stellte die beklagte Partei die dem Kläger gebührende Ausgleichszulage ab 1.11.1989 mit 1.892,40 S neu fest.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger, vertreten durch einen Sachwalter, die beklagte Partei zur Gewährung einer höheren Ausgleichszulage zu verpflichten. Ungeachtet seiner Unterbringung im Landespensionistenheim sei bei Berechnung der Ausgleichszulage von dem Richtsatz auszugehen, der im Gesetz für Pensionisten vorgesehen sei, die mit ihrem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt leben.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Im Hinblick darauf, daß sich der Kläger auf Dauer im Landespensionistenheim befinde, sei davon auszugehen, daß die Haushaltsgemeinschaft mit seiner Ehegattin aufgelöst sei. Der Berechnung der Ausgleichszulage sei daher der Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb zugrunde zu legen.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger ab 1.11.1989 eine Ausgleichszulage von 1.892,40 S und ab 1.1.1990 eine solche von 2.200,80 S zu leisten; das Mehrbegehren wurde wohl nicht spruchgemäß abgewiesen, doch ergibt sich aus den Gründen der Entscheidung, daß das Erstgericht das übersteigende Begehren für nicht berechtigt erachtete. Es folgte dabei dem Rechtsstandpunkt der beklagten Partei. Die Haushaltsgemeischaft zwischen dem Kläger und seiner Ehegattin sei seit dem Zeitpunkt der Unterbringung des Klägers im Landespensionistenheim aufgehoben. Es sei daher der Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb zugrundezulegen. Ausgehend davon, daß nach einem rechtskräftigen Bescheid der beklagten Partei vom 22.8.1989 das Nettoeinkommen des Sohnes des Klägers Hans Peter den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24.Lebensjahres übersteige, während das Nettoeinkommen des Sohnes Frank diesen Richtsatz nicht erreiche, erachtete das Erstgericht die Voraussetzungen für den Anspruch auf die Erhöhung des Richtsatzes für ein Kind als gegeben. Unter Berücksichtigung des Pensionsbezuges aus der Bundesrepublik Deutschland und des Erhöhungsbetrages für ein Kind gebühre dem Kläger ab 1.11.1989 die Ausgleichszulage nur in der bescheidmäßigen Höhe. Ab 1.1.1990 erhöhe sich dieser Betrag im Hinblick auf die mit diesem Zeitpunkt erfolgte Richtsatzerhöhung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, bestätigte das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich der Zuerkennung von Ausgleichszulagenbeträgen von 1.862,40 S vom 1.11.1989 bis 31.12.1989 sowie von 2.200,80 S vom 1.1.1990 bis 30.6.1990, erkannte dem Kläger ab 1.7.1990 eine Ausgleichszulage von monatlich 2.348,10 S zu und wies das Mehrbegehren (Differenz zwischen der zuerkannten Ausgleichszulage und dem Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit aa) ab. Nach ständiger Rechtsprechung setze nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der gemeinsame Haushalt eine auf längere Zeit berechnete Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus. Ein gemeinsamer Haushalt liege also nur vor, wenn und solange die Ehegatten gemeinsam wohnen und die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigen. Dies treffe nicht zu, wenn einer der beiden Ehegatten im Altersheim lebe und mit der Wiederaufnahme der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft aus welchen Gründen immer nicht zu rechnen sei. Das Begehren des Klägers, die Ausgleichszulage ausgehend vom Richtsatz für Pensionisten, die mit den Ehegatten im gemeinsamen Haushalt leben, zu bemessen, sei daher nicht berechtigt. Der Berufung komme nur insoweit Berechtigung zu, als für die Zeit ab 1.7.1990 die in diesem Zeitpunkt wirksam gewordene Richtsatzerhöhung zu berücksichtigen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die beklagte Partei zur Leistung der Ausgleichszulage auf Grund des Richtsatzes gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit aa ab 1.7.1989 in der Höhe von 4.112,40 S, ab 1.1.1990 in einer solchen von 4.550,80 S und ab 1.7.1990 in einer solchen von 4.758,10 S zu leisten.

Die beklagte Partei begehrt mit ihrer auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Kläger ab 1.7.1990 nur eine Ausgleichszulage in der Höhe von 2.253,10 S und ab 1.10.1990 eine solche von 1.658,10 S zuerkannt werde.

Der Kläger beantragt, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet.

a) Zur Revision des Klägers:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der vom Kläger vertretenen Auslegung des § 293 ASVG kann nicht beigetreten werden. Der Gesetzgeber stellt damit, daß er als Voraussetzung für den Anspruch auf den höheren Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit aa fordert, daß ein gemeinsamer Haushalt der Ehegatten bestehe, auf die tatsächlichen Verhältnisse ab. Leben die Ehegatten nicht zusammen, so kommt es auf die Gründe nicht an. Das Gesetz bietet keine Möglichkeit, Fälle, in denen der gemeinsame Haushalt ohne Verschulden und ohne freiwilligen Entschluß der Ehegatten aufgehoben wurde, anders zu behandeln, als solche, in denen das Zusammenleben auf Grund des Entschlusses eines Partners oder im gegenseitigen Einvernehmen beendet wurde. Die Voraussetzungen für die Gewährung des höheren Richtsatzes liegen nur dann vor, wenn zwischen den Ehegatten tatsächlich ein gemeinsamer Haushalt besteht. Ist dies nicht der Fall, so ist der Ermittlung der Ausgleichszulage der Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a lit bb zugrundezulegen, ohne daß es auf die Gründe der Beendigung der Hausgemeinschaft ankäme. Der Begriff des gemeinsamen Haushaltes wird im § 293 ASVG nicht näher umschrieben. Die Lehre (Schrammel in Tomandl System 5.ErgLfg 126 f) führt dazu aus, aus den gesetzlichen Bestimmungen, die ein Fortbestehen der Hausgemeinschaft vorsehen, obwohl eindeutig keine Wohnungsgemeinschaft mehr vorliege, ergebe sich, daß der Wohnungsgemeinschaft allein keine überragende Bedeutung zukomme. Wesentlich sei das Bestehen einer Wirtschafts- und finanziellen Interessengemeinschaft, wobei es keine Rolle spiele, ob die Mittel von einem oder beiden Gemeinschaftern getragen werden. Bezug genommen wird dabei auf die Bestimmungen des § 123 Abs 1 letzter Satz und § 252 Abs 1 letzter Satz ASVG. Nach diesen Bestimmungen, die die Voraussetzungen für die Kindeseigenschaft nach den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen normieren, gelten uneheliche Kinder eines Versicherten, dessen Vaterschaft durch Urteil oder Anerkenntnis festgestellt ist, und Stiefkinder unter anderem unter der Voraussetzung als Kinder im Sinn des ASVG, wenn sie mit dem Versicherten in ständiger Hausgemeinschaft leben. Nach dem letzten Satz des § 123 Abs 1 bzw. § 252 Abs 1 ASVG besteht die ständige Hausgemeinschaft in diesem Sinn weiter, wenn sich das Kind nur vorübergehend oder wegen schulmäßiger (beruflicher) Ausbildung oder zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Das gleiche gilt, wenn sich das Kind auf Veranlassung des Versicherten und überwiegend auf dessen Kosten oder auf Anordnung der Jugendfürsorge oder des Vormundschafts(Pflegschafts)gerichtes in Pflege eines Dritten befindet. Hier hat der Gesetzgeber zwar vorerst die ständige Hausgemeinschaft zur Tatbestandsvoraussetzung gemacht, in der Folge jedoch anders als im § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG Ausnahmetatbestände normiert, die für diese Fälle eine Bedachtnahme auf die Gründe, die zur Aufhebung der Wohnungsgemeinschaft führten, gestatten. Daraus kann abgeleitet werden, daß der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgeht, daß die im § 123 Abs 1 letzter Satz und § 252 Abs 1 letzter Satz ASVG genannten Umstände das Bestehen einer ständigen Hausgemeinschaft ausschließen; anders wäre die ausdrückliche Normierung der Ausnahmetatbestände nicht erklärbar. Die von der Lehre zur Frage der Hausgemeinschaft entwickelten Grundsätze, die im wesentlichen auf diesen Ausnahmetatbeständen basieren, können auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragen werden, weil § 293 ASVG solche Ausnahmetatbestände nicht vorsieht.

§ 293 Abs 1 lit a sublit aa knüpft die dort genannten Leistungen abweichend von § 123 Abs 1 letzter Satz und § 252 Abs 1 letzter Satz ASVG nicht an das Bestehen einer "ständigen Hausgemeinschaft" sondern daran, daß die Ehegatten "im gemeinsamen Haushalt" leben. Die Bestimmung hat damit eine etwas weitere Fassung. Während die Begriffe Hausgmeinschaft und ständiger Haushalt weitgehend als ident anzusehen sind, fehlt im § 293 Abs 1 lit a sublit aa das Merkmal der Ständigkeit als Tatbestandsvoraussetzung. Dies kann aber nur dahin verstanden werden, daß kürzerfristige Unterbrechungen des Zusammenlebens bei grundsätzlich aufrechtem gemeinsamen Wohnsitz und gemeinsamer Wirtschaftsführung auf den Anspruch ohne Einfluß sein soll. Wird die Wohnungsgemeinschaft der Ehegatten jedoch für einen längeren nicht absehbaren Zeitraum aus welchen Gründen immer aufgehoben, so kann nicht vom Bestehen einer Hausgemeinschaft ausgegangen werden.

Hier steht fest, daß sich der Kläger seit 23.10.1989 im Landespensionstenheim befindet, wo er gepflegt wird. Er ist weitgehend bettlägerig und seine Entlassung in häusliche Pflege ist in absehbarer Zeit nicht möglich. Unter diesen Umständen besteht ab dem Zeitpunkt seiner Unterbringung im Landespensionistenheim, deren nicht absehbare Dauer bereits damals augenscheinlich war, kein gemeinsamer Haushalt zwischen dem Kläger und seiner Gattin, sodaß die Voraussetzungen des § 293 Abs 1 lit a sublit aa nicht vorliegen.

Auch die Bedenken des Revisionswerbers gegen die Verfassungsmäßigkeit der letztgenannten Bestimmung vermag der Senat nicht zu teilen. Der Revisionswerber selbst weist zutreffend auf das Ineinandergreifen versicherungsmäßiger und sozialer Komponenten der Pensionsversicherung im Ausgleichszulagenrecht und auf den fürsorgeähnlichen Charakter der Ausgleichszulage hin, der auch in der Subsidiarität der Leistung zum Ausdruck kommt. Das geltende Pensionsversicherungssystem bringt es mit sich, daß bei kurzer Versicherungsdauer oder sehr niedriger Bemessungsgrundlage die Pension nicht mehr das konventionelle Existenzminimum deckt. Dieses wird sozialrechtlich nach dem sogenannten Ausgleichszulagenrichtsatz generell festgelegt. Erreichen Bruttopensionen und sonstige Nettoeinkommen des Pensionisten und seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten diesen Richtsatz nicht, erhält der Versicherte einen Rechtsanspruch auf eine Ausgleichszulage in der Höhe der Differenz zwischen diesem Gesamteinkommen und dem Richtsatz (Tomandl, Grundriß des österr. Sozialrechtes4, 143). Für Pensionsbezieher wird sohin das vom Gesetz vorgesehene Existenzminimum durch die Ausgleichszulage gesichert. Andere Personen sind bezüglich der Sicherung ihrer existentiellen Bedürfnisse auf Ansprüche aus der Sozialhilfe verwiesen. Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, werden vom Gesetzgeber als Wirtschaftsgemeinschaft behandelt; mit Rücksicht darauf, daß bestimmte fixe Kosten auch bei gemeinsamer Lebensführung nur einfach auflaufen, liegt der Familienrichtsatz auch nicht unerheblich unter der Summe der Richtsätze für zwei getrennt lebende Personen. Die Sicherung des Existenzminimums für beide Ehegatten erfolgt damit, sofern zumindest einer von beiden eine Pension bezieht, in diesem Fall im Weg der Ausgleichszulage. Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber die Maßnahme auf den Fall beschränkt, in dem die Ehegatten im gemeinsamen Haushalt leben. Diese Vorgangsweise ermöglicht auch die Berücksichtigung des Einkommens des anderen Ehegatten in den Fällen, in denen der Familienrichtsatz zur Anwendung kommt. Er trägt auch dem Umstand Rechnung, daß dann, wenn die Ehegatten getrennt leben, die Höhe der Bedürfnisse jedes einzelnen höher liegt, als der Hälfte des Familienrichtsatzes entspricht. Die Regelung ist auch weitgehend mit dem Sozialhilferecht abgestimmt. Sowohl der Kläger wie seine Gattin leben in Niederösterreich. § 9 des NÖ-Sozialhilfegesetzes (NÖ-SHG 9200-1 idF 9200-8) bestimmt, daß Hilfe zum Lebensbedarf dem zu gewähren ist, der den notwendigen Lebensunterhalt für sich und seine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend selbst beschaffen kann und nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Die gesetzliche Regelung des Sozialhilferechtes stellt daher ebenfalls auf den gemeinsamen Haushalt ab. In § 1 Abs 1 der gemäß § 12 NÖ-SHG erlassenen Verordnung über Sozialhilfe vom 5.6.1974, 98/74, 9200/1-0 idF 9200/1-21 betragen die monatlichen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Alleinstehende 5.048,-- S, für Haushaltsvorstände 4.435,-- S und für Haushaltsangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe 2.389,-- S (§ 1 Abs 1 lit a, c und d). Leben Ehegatten getrennt, so stehen jedem von beiden, sofern die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe gegeben sind, Leistungen in der im § 1 Abs 1 lit a der genannten Verordnung bezeichneten Höhe zu. Leben zwei Ehegatten getrennt, bezieht jedoch nur einer von beiden eine Pension, so hat dieser Anspruch nur auf den Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb, für den anderen Ehegatten ist durch die Richtsätze nach dem NÖ-SHG für den Bezug des Existenzminimums vorgesorgt, sodaß auch dessen notwendige Bedürfnisse gesichert sind. Zwischen dem Fall, in dem zwei Ehegatten im gemeinsamen Haushalt leben und dem Fall, in dem Ehegatten, aus welchen Gründen immer, getrennt leben, bestehen wesentliche Unterschiede im tatsächlichen, die eine unterschiedliche gesetzliche Regelung rechtfertigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier anzuwendende Regelung bestehen daher nicht.

Der Revision des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Zur Revision der beklagten Partei:

Die Revision ist teilweise berechtigt. Das Erstgericht, das die Verhandlung am 19.11.1990 schloß, hat die Feststellung getroffen, daß der Kläger im Jahr 1990 von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern eine Erwerbsunfähigkeitsrente im Betrag von monatlich 3.046,90 S bezog und hat die beklagte Partei zur Gewährung einer Ausgleichszulage in der bescheidmäßigen Höhe ab 1.11.1989 und in der Höhe von 2.200,80 S ab 1.1.1990 verpflichtet. Dieses Urteil wurde nur von der klagenden Partei mit Berufung bekämpft und ist daher in seinem stattgebenden Teil in Rechtskraft erwachsen. Soweit die beklagte Partei mit ihrer Revision die Festsetzung der Ausgleichszulage mit einem geringeren Betrag als 2.200,80 S begehrt, läßt sie Rechtskraft dieses Zuspruches außer acht; der Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage in dieser Höhe unterliegt nicht mehr der Überprüfung im Revisionsverfahren. In diesem Umfang war daher die Revision zurückzuweisen.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Kläger ab 1.7.1990, ausgehend von der mit diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Richtsatzerhöhung, eine monatliche Ausgleichszulage von 2.348,10 S zuerkannte. Diese Entscheidung bekämpft die beklagte Partei mit Revision, wobei sie ausführt, daß das Berufungsgericht bei dieser Entscheidung unberechtigterweise von einem Rentenbezug von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern im Betrag von 3.046,90 S (442,80 DM) ausgegangen sei; tatsächlich habe sich die Rente, die der Kläger aus der BRD beziehe, ab 1.7.1990 erhöht und betrage seither 465,60 DM.

Die beklagte Partei hat mit dem angefochtenen Bescheid nur über die Gewährung der Ausgleichszulage ab 1.11.1989 abgesprochen. Dessenungeachtet hat sich die Entscheidung des Gerichtes auf den gesamten Zeitraum bis Schluß der Verhandlung (hier 19.11.1990) zu erstrecken und Sachverhaltsänderungen bis zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen (SSV-NF 2/131). Erforderlich dafür ist, daß Feststellungen über alle verfahrensgegenständlichen Umstände vorliegen, die für die Beurteilung des Anspruches bis Schluß der Verhandlung erforderlich sind. Die Feststellungen reichen jedoch in diesem Punkt zur Beurteilung des Ausgleichszulagenanspruches des Klägers für den strittigen Zeitraum nicht hin. Es entspricht der Natur von Renten- und Pensionsansprüchen aus der Sozialversicherung, daß ihre Höhe nicht für längere Zeiträume konstant bleibt, sondern bedingt durch Anpassungen laufenden Änderungen unterliegt. Die pauschale Feststellung über die Höhe des Rentenbezuges in einem bestimmten Jahr wird den notwendigen Bestimmtheitserfordernissen nicht gerecht, zumal der Ausgleichszulagenanspruch für jedes einzelne Monat zu prüfen ist. Es sind vielmehr Feststellungen über die Höhe der anderweitigen Einkünfte für jeden Monat des fraglichen Zeitraumes erforderlich. Nur auf dieser Grundlage kann über den Ausgleichszulagenansprch entschieden werden.

Weiters ist auch die Frage der Richtsatzerhöhung für den Sohn Frank nicht geklärt. Der Richtsatz erhöht sich iSd § 293 Abs 1 letzter Satz ASVG, wenn das Kind (§ 252) lediglich ein den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24.Lebensjahres nicht übersteigendes Nettoeinkommen bezieht. Auch zu dieser Frage fehlen taugliche Feststellungen. Das Erstgericht hat sich bezüglich des Einkommens des Sohnes des Klägers darauf beschränkt, den Inhalt eines mehr als ein Jahr zuvor ergangenen Bescheides der beklagten Partei inhaltlich wiederzugeben. Über welches Nettoeinkommen der Sohn des Klägers bis Schluß der Verhandlung erster Instanz verfügte, blieb jedoch ungeklärt.

In diesen Punkten erweist sich das Verfahren ergänzungsbedürftig, wobei jedoch auf Grund der hiezu getroffenen Feststellungen im fortgesetzten Verfahren nur mehr über den noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Teil des Ausgleichszulagenanspruches des Klägers zu entscheiden ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E29403

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00312.91.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19920225_OGH0002_010OBS00312_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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