TE OGH 1992/2/25 4Ob5/92

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Veröffentlicht am 25.02.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien

1) Johann J***** Gesellschaft mbH & Co KG; 2) Johann J*****, beide vertreten durch Dr.Werner Pennerstorfer, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 410.000 S; Rekursinteresse: 210.000 S) infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12.September 1991, GZ 5 R 91/91-15, womit das Urteil des Landes- als Handelsgerichtes St.Pölten vom 28.Dezember 1990, GZ 2 Cg 265/90-10, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Unternehmensgegenstand des Betriebes sowohl der Klägerin als auch der Erstbeklagten ist (ua) der Vertrieb von Hühnereiern; der Zweitbeklagte ist der Geschäftsführer der Erstbeklagten.

Die Klägerin etikettiert ihre Eierverpackungen wie folgt:

Abbildung nicht darstellbar!

(Erste Zeile: gelb mit feiner roter Umrandung

zweite Zeile: gelb

dritte und vierte Zeile: blau

letzte Zeile: weiß mit feiner Rotumrandung; Siegel: weiß

Untergrund: links (Kommode mit geöffneter Lade): gelb- bis

dunkelbraun; rechts: schwarz

Huhn: weiß)

Die Erstbeklagte verwendet für ihre Eierverpackungen nachstehende

Etiketten:

Abbildung nicht darstellbar!

(Erste Zeile: grellgelb mit breitem (perspektivischem) Schlagschatten in rot

zweite und dritte Zeile: gelb

vierte Zeile: rot

Gütezeichen: rot-weiß-rot mit weißer Schrift auf schwarzem

Querbalken

Untergrund der gesamten Etikette: schwarz

Korb (Schwinge): hellbeige mit leicht rosa Einschlag

Huhn: braun mit weißen Flügel- und Schwanzfedernspitzen)

Mit der Behauptung, die Erstbeklagte habe mit ihren Etiketten diejenigen der Klägerin bewußt nachgeahmt und so die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt, begehrt die Klägerin (ua), den Beklagten im geschäftlichen Verkehr bei der Kennzeichnung der von der Erstbeklagten vertriebenen Eier die Verwendung einer bildlichen Darstellung zu verbieten, die jener der Klägerin gemäß der obigen Abbildung verwechselbar ähnlich ist; weiters begehrt die Klägerin die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in je einer Samstagausgabe von insgesamt sieben österreichischen Tageszeitungen. Sie verwende ihre Etiketten zumindestens seit 1981. Deren bildliche Darstellung sei einerseits durch die prägnante Farbgebung und andererseits durch die Abbildung eines Huhnes in einem Nest auf der linken Hälfte und eines Emblems rechts unten gekennzeichnet. Durch die bewußte Nachahmung dieser bildlichen Darstellung der Klägerin habe die Erstbeklagte gegen § 1 UWG verstoßen, wären doch andersartige Gestaltungen ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung (auch) dieses Klagebegehrens. Nicht sie hätten das Verkaufsetikett der Klägerin sklavisch nachgeahmt, sondern die Klägerin habe ihr Etikett demjenigen der Erstbeklagten angepaßt, weil sie die Blickrichtung des darauf abgebildeten Huhns von ursprünglich nach links auf nunmehr nach rechts geändert habe.

Das Erstgericht wies (auch) dieses Klagebegehren ab. Die beanstandeten Etiketten seien denen der Klägerin nicht verwechselbar ähnlich. Für die Gestaltung von Eierverpackungsetiketten stehe nur ein begrenzter Spielraum zur Verfügung. Die - in diesem Zusammenhang wenig

originelle - Darstellung eines Huhns in einem Nest weiche von derjenigen auf den Etiketten der Klägerin erheblich ab; auch die Art der Beschriftung sei in beiden Fällen unterschiedlich. Form und Größe der Etiketten seien durch die Eierverpackungen vorgegeben. Die ähnliche Farbgebung wäre nur bei Verkehrsgeltung geschützt; eine solche habe die Klägerin aber nicht einmal behauptet.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil in diesem Umfang auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und das Verfahren erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei. Der Gesamteindruck beider Etiketten sei durch die übereinstimmende Abbildung eines Huhns in einem Nest und eines Emblems sowie durch den rot-gelben Schriftzug auf schwarzem Untergrund verwechselbar ähnlich. Zur Prüfung der Frage, ob die Erstbeklagte das Etikett der Klägerin sittenwidrig nachgeahmt habe, seien daher noch Feststellungen darüber erforderlich, welche der beiden Etiketten früher auf dem Markt erschienen ist.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß wendet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil (auch) in diesem Umfang wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Klägerin - ebenso wie die Erstbeklagte - die Verpackungen der von ihr vertriebenen Hühnereier mit einer bestimmten Etikette ausstattet, gehört diese zu den in § 9 Abs 3 UWG genannten "Einrichtungen", die unter der Voraussetzung ihrer - hier aber nicht einmal behaupteten - Verkehrsgeltung Ausstattungsschutz genießen. Ein Recht auf Ausstattungsschutz gemäß § 9 Abs 3 UWG hat aber die Klägerin gar nicht geltend gemacht; sie hat vielmehr ihren Anspruch ausschließlich auf den Vorwurf einer gegen die guten Sitten (§ 1 UWG) verstoßenden Nachahmung ihrer Etiketten durch die Erstbeklagte beschränkt. Voraussetzung für eine über die Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs 3 UWG hinausreichende Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG ist aber auch bei der Nachahmung der Ausstattung von Warenverpackungen - wie in den sonstigen Fällen einer sogenannten sklavischen Nachahmung eines fremden Produktes oder fremder Werbung -, daß die Nachahmung bewußt erfolgt, daß dadurch die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wurde und eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre (ÖBl 1981, 154 mwN;

ÖBl 1982, 64; ÖBl 1983, 70 und 134; ÖBl 1984, 95; ÖBl 1985, 24;

ÖBl 1986, 43; ÖBl 1987, 156; ÖBl 1988, 10 und 41; ÖBl 1989, 39 uva). Hinsichtlich des Nachahmungsgegenstandes sind daher wettbewerbliche Eigenart und damit zusammenhängend - zumindest in der Regel - eine gewisse Verkehrsbekanntheit erforderlich. Wettbewerbliche Eigenart setzt voraus, daß der Nachahmungsgegenstand gewisse Gestaltungen und Merkmale aufweist, die dem Geschäftsverkehr seine Unterscheidung von gleichartigen Erzeugnissen oder Einrichtungen anderer Herkunft ermöglichen. Es ist daher - anders als beim Ausstattungsschutz nach § 9 Abs 3 UWG - zwar keine Verkehrsgeltung, aber doch eine gewisse Verkehrsbekanntheit des Nachahmungsgegenstandes erforderlich (ÖBl 1987, 156; ÖBl 1989, 39 ua; zuletzt etwa 4 Ob 164/90). Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, muß jedoch bei der Beurteilung sowohl der wettbewerblichen Eigenart von Verpackungsetiketten für Hühnereier als auch deren verwechselbarer Ähnlichkeit mit Rücksicht darauf, daß hier Abbildungen sowohl des Produktes "Ei" als auch des natürlichen "Produzenten" "Huhn" typisch sind und daher allgemein vorausgesetzt werden, ein erhebliches Freihaltebedürfnisses des Verkehrs angenommen und schon deshalb ein strenger Maßstab angelegt werden. Dazu kommt, daß nicht einmal durch die Registrierung einer Bildmarke deren Bildmotiv als solches geschützt wäre (ÖBl 1986, 129 mwN); ebensowenig kann die bloße Werbeidee als solche geschützt werden (Friedl, Der gesetzliche Schutz von Werbemaßnahmen und Werbemitteln nach österreichischem Recht, ÖBl 1965, 55 ff (59); Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 572 Rz 523 zu § 1 dUWG). Wettbewerbliche Eigenart kann demnach immer nur der Gesamtheit der wesentlichen Elemente eines Verpackungsetiketts für Hühnereier zukommen, also der jeweiligen bildlichen Darstellung des Huhns im oder neben dem "Eiernest" in Verbindung mit einer chrakteristischen Farbgebung und Raumaufteilung zwischen Bild, Text und sonstigen Zeichen.

Unter diesem Gesichtspunkt kommt aber den - jedenfalls schon längere Zeit auf dem Markt befindlichen - Verpackungsetiketten der Klägerin nicht nur die erforderliche wettbewerbliche Eigenart zu, sondern die Etiketten der Erstbeklagten sind ihnen auch verwechselbar ähnlich, so daß das Berufungsgericht die Möglichkeit einer "vermeidbaren Herkunftstäuschung" (Schönherr in ÖBl 1980, 70; Baumbach-Hefermehl aaO 541 ff Rz 450 zu § 1 dUWG) im Ergebnis zutreffend bejaht hat:

Das Verpackungsetikett der Klägerin weist eine charakteristische Farb- und Raumkombination von Bild, Text und Prüfsiegel auf; es ist daher seiner Natur nach geeignet, als betriebliches Herkunftszeichen zu wirken (Baumbach-Hefermehl aaO 558 Rz 485 zu § 1 dUWG). Gerade diese wesentlichen Gestaltungselemente kehren aber auf den Etiketten der Erstbeklagten wieder, auch wenn diese im Detail Abweichungen enthalten. Entgegen der Meinung der Beklagten ist ja bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht eine zergliedernde Betrachtung der einzelnen Bestandteile (Gestaltungselemente) vorzunehmen, sondern es kommt immer auf den Gesamteindruck an, den ein wenigstens nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der Eile des Geschäftsverkehrs empfängt; dabei dürfen an die Kritikfähigkeit und Aufmerksamkeit des Durchschnittsinteressenten keine allzu großen Anforderungen gestellt werden (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 50 f). Der Gesamteindruck beider Etiketten wird aber einerseits durch die im Farbton nahezu völlig übereinstimmende schwarze Grundfarbe beherrscht, andererseits durch die weitgehend identische räumliche Gestaltung, nämlich die jeweils die linke Hälfte des Etiketts bestimmende - wenn auch im Detail unterschiedliche - Abbildung eines Huhns im oder am "Eiernest" und die durch gelbe Schrift hervorspringenden ersten Textzeilen sowie den Aufdruck eines Gütesiegels oder -zeichens rechts unten. Mag auch die annähernd gleiche Größe der Etiketten durch die Verpackungen vorausbestimmt sein, wird doch der Gesamteindruck beider Etiketten durch ihre - ohne zwingenden Grund - weitgehend übereinstimmende Farbkombination in Verbindung mit der beinahe identischen räumlichen Anordnung von Bild, Text und Prüf- bzw Gütezeichen bestimmt. Da somit zwischen den beiden Verpackungsetiketten in der Eile des Geschäftsverkehrs Verwechslungsgefahr besteht, liegt eine gegen § 1 Abs 1 UWG verstoßende vermeidbare Herkunftstäuschung vor, wenn sich die Erstbeklagte bewußt an die - zeitlich früher auf dem Markt erschienene - Aufmachung der Etiketten der Klägerin angelehnt hat.

Da somit der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes berechtigt war, mußte dem Rekurs der Beklagten ein Erfolg versagt bleiben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E28643

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00005.92.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19920225_OGH0002_0040OB00005_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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