TE OGH 1992/2/26 9ObA16/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.1992
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Dr. Heinz Nagelreiter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Firma F***** F*****, Inhaber L***** F*****, Kaufmann, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei V***** & Co Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwältin *****, wegen S 20.000,-- sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Oktober 1991, GZ 31 Ra 101/91-25, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. April 1991, GZ 26 Cga 24/91-21, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Dem Kläger (einem unter seiner Firma klagenden Einzelkaufmann) wurde zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung von S 51.025,50 sA gegen den Verpflichteten Ing. F***** W***** die Pfändung und Überweisung des Arbeitseinkommens des Verpflichteten, das diesem gegen zwei Arbeitnehmer, nämlich die Beklagte und die Firma F***** F***** GesmbH (im folgenden kurz: Firma F*****) zusteht, bewilligt. Das Drittverbot wurde beiden Drittschuldnern (am 10. bzw. 11. Juli 1989) zugestellt. Der Verpflichtete war damals (und ist anscheinend nach wie vor) mit einem monatlichen Nettolohn von S 6.644,-- bei der Beklagten und mit einem solchen von S 7.000,-- bei der Firma F***** beschäftigt.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bestehen gegen den Verpflichteten bei diesen beiden Drittschuldnern folgende

Gehaltsexekutionen:

Beklagte:                         Firma F*****

1. Finanzamt Mistelbach           1. Finanzamt Mistelbach

(wegen S 3,106.264,04 )           (wegen S 3,106.264,04)

2. NÖ Gebietskrankenkasse         2. Bauarbeiter-Urlaubs- und

(wegen S 638.851,54)              Abfertigungskasse Wien

3. Fa W*****    3. Sozialversicherungsanstalt

***** AG        der gewerblichen Wirtschaft

4. Bauarbeiter-Urlaubs-           4. Fa W*****

und Abfertigungskasse             ***** AG

5. NÖ Gebietskrankenkasse         5. D***** Versicherungs AG

6. D*****-Rechtsschutzver-        6. Einbringungsstelle des OLG

sicherung (offenbar               Wien

identisch mit dem

Gläubiger gem Punkt 5. rSp)

7. Einbringungsstelle des OLG Wien

8. Sozialversicherungsanstalt

der gewerblichen Wirtschaft.

Das Pfandrecht der Klägerin nimmt (so die Vorinstanzen) den

"7. Rang" ein.

Mit Beschluß vom 11. Oktober 1989 bewilligte das Bezirksgericht Wolkersdorf auf Antrag des Klägers die Zusammenrechnung der Arbeitseinkommen des Verpflichteten und wies die Firma F***** an, die Ermittlung des nach § 5 LPfG relativ unpfändbaren Teils der Bezüge gemäß § 7 Z 1 und 2 LPfG auf Grund der gesamten der Pfändung unterliegenden Bezüge des Verpflichteten von S 13.644,-- vorzunehmen. Die Beklagte wurde angewiesen, die unpfändbaren Beträge nicht mehr in Abzug zu bringen. Dieser Beschluß wurde der Beklagten am 19. Oktober 1989 zugestellt. Die Beklagte hielt sich nicht an diesen Beschluß, sondern zahlte das "Existenzminimum" (weiterhin) dem Verpflichteten aus.

Aus dem vom Erstgericht beigeschafften Akt E 366/89 des BG Wolkersdorf (Fotokopie) ergibt sich ferner, daß auch die dort betreibende Partei (Fa. W***** AG) - und zwar schon am 7. April 1989 - den Antrag auf Zusammenrechnung der Arbeitseinkommen des Verpflichteten gemäß § 7 Z 2 LPfG gestellt hat. Diesem Antrag wurde mit Beschluß vom 5. Juni 1989, E 366/89-12, stattgegeben und die Beklagte auch in diesem Verfahren angewiesen, die unpfändbaren Bezüge nicht mehr in Abzug zu bringen. Die Zustellung dieses Beschlusses an beide Drittschuldner wurde verfügt; (Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß es nur eine unbeachtliche Vermutung des Berufungsgegners sei, daß auch ein dem Kläger im Rang vorausgehender Gläubiger einen Antrag nach § 7 Z 2 LPfG gestellt haben könnte, und daß nach dem Akteninhalt nur ein Antrag vorliege, sind daher aktenwidrig; allerdings haben die Parteien in erster Instanz zu diesem Sachverhalt kein Vorbringen erstattet).

Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von S 20.000,-- sA. Sie hätte aufgrund des Zusammenrechnungsbeschlusses des BG Wolkersdorf vom 11. Oktober 1989 von den Bezügen des Verpflichteten von Oktober 1989 bis Jänner 1990 S 5.000,-- netto monatlich einbehalten und an den Kläger überweisen müssen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger stehe an der 6. Stelle der Gläubiger. Erstrangiger Gläubiger sei das Finanzamt Mistelbach mit einer Forderung von ca 3 Mio S. Der Kläger hätte daher auf keinen Fall etwas bekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Die Rangordnung der einzelnen Pfandrechte werde durch den Antrag des Gläubigers auf Zusammenrechnung nicht verändert. Der Zusammenrechnungsbeschluß komme daher zunächst den Gläubigern zugute, die im Range vor dem Kläger zu befriedigen seien. Obwohl sich die Beklagte nicht an den Zusammenrechnungsbeschluß des Exekutionsgerichtes gehalten und dem Verpflichteten dennoch das Existenzminimum ausgezahlt habe, wäre der Kläger erst nach der Befriedigung der im ersten und zweiten Rang stehenden Forderungen des Finanzamtes Mistelbach und der NÖ Gebietskrankenkasse in Höhe von insgesamt 3,7 Mio S zum Zuge gekommen. Dem Kläger fehle es daher an einer materiellen Beschwer.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Die Vorschrift des § 7 Z 2 LPfG habe den Zweck, dem Verpflichteten nicht von jedem Arbeitseinkommen den vollen Freibetrag zu belassen, sondern nur jenen Betrag, der freizulassen wäre, wenn es sich bei den mehreren Arbeitseinkommen um einen einheitlichen Bezug handelte. Ohne Zusammenrechnung gelte nämlich für jede Exekution auch verschiedener Gläubiger der im jeweiligen Bewilligungsbeschluß festgesetzte Freibetrag. Bis zur Entscheidung über die Zusammenrechnung, die nur auf Antrag erfolge, könne der Drittschuldner nach Maßgabe der Exekutionsbewilligung mit schuldbefreiender Wirkung leisten. Im Zusammenrechnungsbeschluß sei das gesamte pfändbare Arbeitseinkommen des Verpflichteten zu errechnen und zu bestimmen, aus welchem Bezuge dem Verpflichteten die zustehenden Freibeträge zu belassen seien.

Die Zusammenrechnung wirke nur für jene Exekution, für die sie angeordnet wurde. Auf die Belastungen (Pfändungen) sämtlicher Bezüge sei hiebei Bedacht zu nehmen. Eine spätere Zusammenrechnung dürfe keine Nachteile für einen im Rang vorgehenden Gläubiger zur Folge haben.

Lägen Exekutionen mit und ohne Zusammenrechnungsanträge vor, so habe die Zusammenrechnung nur bei jener Exekution, bei der sie beantragt wurde, zu erfolgen. Einem vorrangigen Gläubiger sei nicht mehr zu überweisen, als sich auf Grund seines Exekutionsbewilligungsbeschlusses ergebe. Die Beklagte hätte dem Verpflichteten nach Zustellung des Zusammenrechnungsbeschlusses keine unpfändbaren Beträge mehr ausfolgen dürfen. Diese Beträge seien aber nicht den dem Kläger im Rang vorangehenden Gläubigern zugewachsen, weil sie nur im Rahmen ihrer Exekutionsbewilligung, die nach § 5 LPfG relativ unpfändbaren Teile der Bezüge freiließ, befriedigt werden durften. Diese Beträge durften daher nicht an die dem Kläger im Rang vorausgehenden Gläubiger ausgezahlt werden.

Sie stünden aber auch dem Kläger nicht im vollen Ausmaß zu. Zunächst sei der pfändbare Teil des Bezuges des Verpflichteten bei der Beklagten und dann der sich aufgrund der Zusammenrechnung ergebende pfändbare Teil der zu einer Einheit zusammengefaßten beiden Bezüge zu ermitteln. Die Differenz zwischen diesen pfändbaren Teilen stehe dem Kläger zu. Den vorrangigen Gläubigern bringe dies keinen Nachteil, weil sie ohnehin den ihnen auf Grund ihrer Exekutionsbewilligung zustehenden Betrag erhielten. Auf den gesamten pfändbaren Teil der Bezüge hätten sie aber keinen Anspruch, weil sie keinen Zusammenrechnungsantrag gestellt hätten.

Nach diesen Grundsätzen bedürfe es noch der Berechnung, welcher Teil der gepfändeten Bezüge dem Kläger gebühre.

Diesen Aufhebungsbeschluß bekämpft die Beklagte mit Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Urteil des Erstgerichtes "zu bestätigen" (gemeint: wiederherzustellen).

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 7 Z 2 LPfG gilt für die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens ua folgendes:

Mehrere Arbeitseinkommen sind zusammenzurechnen. Der unpfändbare Grundbetrag ist in erster Linie dem Arbeitseinkommen zu entnehmen, das die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Verpflichteten bildet. Das Gericht, bei dem die Bewilligung der Exekution beantragt wurde, und nach Beginn des Exekutionsvollzuges das Exekutionsgericht, hat auf Antrag eines Beteiligten zu bestimmen, mit welchem Betrag der der Pfändung unterliegende Teil auf die einzelnen Arbeitseinkommen aufzuteilen ist (ähnlich in Zukunft § 292 Abs 2 und 3 EO idF der EO-Nov 1991). Der Regelungszweck dieser Bestimmung liegt darin, daß der Gesetzgeber dem Verpflichteten nicht von jedem Arbeitseinkommen erneut den vollen Freibetrag nach § 5 LPfG (künftig: § 291 a EO) unpfändbar belassen wollte, sondern nur jenen Betrag, der auch pfändungsfrei wäre, wenn der Verpflichtete nicht mehrere Bezüge, sondern ein einheitliches Arbeitseinkommen hätte (Heller-Berger-Stix Komm z EO 2050 = Lohnpfändung 108; JBl 1988, 123). Nach herrschender Ansicht in Österreich und in der BRD ( - da die Bestimmungen des Lohnpfändungsgesetzes auf der LohnpfändungsV vom 30. Oktober 1940 DRGBl I 1451 beruhen und dessen Regelungen in der BRD im wesentlichen in die ZPO (§§ 850 a bis 850 i dZPO) aufgenommen wurden, können bei der Anwendung des Lohnpfändungsgesetzes Schrifttum und Judikatur der BRD vergleichsweise herangezogen werden (Heller-Berger-Stix Komm z EO 1939 ff = Lohnpfändung 6; JBl 1988, 123) findet die Zusammenrechnung nach § 7 Z 2 LPfG auch mit solchen Arbeitseinkommen statt, auf die nicht Exekution geführt wird

(Heller-Berger-Stix Komm z EO 2052 = Lohnpfändung 110; Mohr

EO-Nov 1991, ecolex special 75; SZ 39/68 = EvBl 1967/71;

JBl 1988, 123; in der BRD! Stöber, Forderungspfändung7, 492 Rz 1147; Stein-Jonas, ZPO20, 853 Rz 21 zu § 850 e; Zöller, ZPO17, 2037 Rz 9 und 10; Thomas-Putzo, ZPO12, 1400; Schmidt-von Rhein in Luchterhand Alternativkomm z ZPO (1987), 2052, Rz 6 zu § 850 e; Grunsky, Probleme des Pfändungsschutzes bei mehreren Arbeitseinkommen des Schuldners, ZIP 1983, 908 (909)), doch dehnt die Zusammenrechnung die Pfändung nicht auf dieses pfandfreie Arbeitseinkommen aus (Stöber aaO 492; Stein-Jonas aaO 853, Zöller aaO 2037; Schmidt-von Rhein aaO 2052).

Die Zusammenrechnung erfolgt nur auf Antrag (ebenso § 850 e dZPO). Ein amtswegiges Verfahren ist nicht vorgesehen. Der Zusammenrechnungsbeschluß nach § 7 Z 2 LPfG wirkt nach einhelliger Ansicht in Österreich (Heller-Berger-Stix Komm z EO 2056 = Lohnpfändung 114) und in der BRD (siehe unten) nur für jene Exekutionen, für die die Zusammenrechnung angeordnet wurde. Dies hat vor allem in dem vom Gesetzgeber nicht besonders geregelten Fall, daß mehrere betreibende Gläubiger - sei es auf alle oder nur einzelne Arbeitseinkommen des Verpflichteten - Lohnpfändung erwirken, aber nur einer (oder einzelne von ihnen) die Zusammenrechnung der Arbeitseinkommen für die Berechnung des pfändbaren Teiles beantragen, weittragende Bedeutung. Nur für den Gläubiger, der einen Zusammenrechnungsbeschluß erwirkt hat, ist der Pfändungsfreibetrag (bzw der Lohnabzug) unter Zugrundelegung der (im Antrag genannten) mehreren Arbeitseinkommen zu berechnen. Für die übrigen Gläubiger bleibt es beim Lohnabzug aus den Einzeleinkommen (Stöber aaO 488; Stein-Jonas aaO 854 f Rz 32 und 37; Zöller aaO 2037; Grunsky aaO 913).

Daraus folgern Stein-Jonas (aaO 855), daß dann, wenn nur einer von mehreren Gläubigern die Anordnung der Zusammenrechnung erwirkt, er den Vorteil hat, daß er seinen Anteil auch unter Beachtung des zweiten Bezuges erhält, während dem (den) anderen die Zusammenrechnung nicht zugute kommt. Der andere Gläubiger könne aber noch nachträglich die Zusammenrechnung auch für sich erwirken. Wenn dadurch der erste Antragsteller wieder ungünstiger gestellt werde, so könne er sich nicht auf seinen zeitlichen Vorrang berufen, da die Anordnung keine mit Prioritätsrechten ausgestatteten Bindungswirkungen habe. Nach Stöber (aaO 488) kann der Zusammenrechnungsbeschluß nur dem Gläubiger, auf dessen Antrag (bzw in dessen Vollstreckungsverfahren) er erlassen worden ist, einen weitergehenden Pfändungszugriff an seiner Rangstelle ermöglichen, nicht aber einen früheren Pfändungszugriff schmälern und damit den Rang der vollstreckenden mehreren Gläubiger ändern.

Eine ähnliche, jedoch (materiellrechtlich weitergreifende) Ansicht, vertritt jetzt auch Mohr (aaO 76) zum künftigen § 292 EO idF der EO-Nov 1991: Sei ein Bezug für mehrere Gläubiger gepfändet, jedoch nur hinsichtlich eines Gläubigers die Zusammenrechnung ausgesprochen worden, so bedeute dies, "daß ein Teil des Bezugs lediglich für diesen Gläubiger pfändbar ist." Er bekomme daher diesen Teil des Bezuges auch dann, wenn sein Pfandrecht einen späteren Rang als das eines anderen Gläubigers habe, für diesen jedoch (mangels Antrages) keine Zusammenrechnung ausgesprochen wurde. Werde zugunsten eines rangmäßig früheren Gläubigers später die Zusammenrechnung bewilligt, so müsse mangels einer anderen Anordnung über den Rang auch hiefür das ursprüngliche Rangverhältnis wiederhergestellt werden. Die Zusammenrechnung sei daher in diesem Sinne nicht rangbegründend.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Soweit die Ansicht von Mohr darauf hinausläuft, daß der durch die Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen für den antragstellenden Gläubiger erübrigte Mehrbetrag "lediglich für diesen Gläubiger pfändbar" (gemeint wohl: gepfändet) ist, kann dem nicht beigepflichtet werden. Folgte man dieser Ansicht, so müßte dieser "Mehrbetrag" eine "Sondermasse" bilden, die dann dauernd ein vom übrigen gepfändeten Arbeitseinkommen verschiedenes Schicksal hätte; die Rangordnung der Befriedigungsrechte aus dieser Masse müßte sich nach der Priorität ihrer Inanspruchnahme durch die Antragstellung nach § 7 Z 2 LPfG richten. Eine solche Rangordnung könnte dann auch durch den später gestellten Zusammenrechnungsantrag eines rangälteren Gläubigers nicht mehr rückgängig gemacht werden. Ähnliche Konsequenzen müßten sich künftig beispielsweise auch aus einer Antragstellung nach § 292 b Z 3 EO idF der EO-Nov 1991 mit dem Effekt ergeben, daß womöglich noch eine weitere "Sondermasse" mit anderen Rangordnungen entstünde.

In Wahrheit wird aber das Rangprinzip durch Änderungen in den Pfändbarkeitsvoraussetzungen nicht durchbrochen. Die Exekution auf Geldforderungen des Verpflichteten erfolgt durch Pfändung (§ 294 Abs 1 EO) "und Überweisung" (künftige Fassung des § 294 Abs 1 EO). Die Pfändung ist mit der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen (§ 294 Abs 3 EO). Die Rangordnung mehrerer Pfandgläubiger richtet sich gemäß § 300 Abs 2 EO nach dem Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner. Das Gesetz gestattet es dem betreibenden Gläubiger, im Wege der Forderungspfändung auch auf die Einkünfte des Verpflichteten aus einem (privat-rechtlichen oder öffentlich-rechtlichen) Arbeitsverhältnis zu greifen und dabei auch das künftig fällig werdende Arbeitseinkommen zu pfänden. Nach § 290 EO unterliegt aber dieses Arbeitseinkommen der Pfändung nur in dem durch das Lohnpfändungsgesetz 1985 (künftig §§ 290 ff EO idF der EO Nov 1991) festgesetzten Umfang. Der Umfang des Pfandrechts reicht somit jeweils nur so weit, als nicht gesetzliche Beschränkungen entgegenstehen. Der Rang eines am Arbeitseinkommen begründeten Pfandrechts wird aber selbst dann nicht beeinträchtigt, wenn das gesamte gegenwärtige Einkommen im Zeitpunkte der Pfandrechtsbegründung mangels Übersteigens des unpfändbaren Freibetrags ("Existenzminimum") zur Gänze pfändungsfrei ist, weil infolge der möglichen Änderung der gesetzlichen Pfändbarkeitsvoraussetzungen oder anderer Bestimmungsgrößen (Höhe des Einkommens, Art der Bezüge, Zahl der Personen, denen der Verpflichtete Unterhalt gewährt) künftige Teile des Einkommens pfändbar werden können. Änderungen in den Pfändbarkeitsvoraussetzungen berühren somit grundsätzlich den Pfandrang nicht. Da § 290 EO auf den Umfang des Pfändungsschutzes nach dem LPfG in seiner Gesamtheit verweist, gilt dies auch für gesetzlich vorgesehene Änderungen in den (Un-)Pfändbarkeitsvoraussetzungen, die nicht unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, sondern von einer (rechtsgestaltenden) Entscheidung des Exekutionsgerichtes abhängig sind.

Das kann aber, wenn man am bisher unbestrittenen Grundsatz, daß der Zusammenrechnungsbeschluß nur für das Exekutionsverfahren gilt, für das er beantragt wurde, nichts daran ändern, daß dem durch einen Zusammenrechnungsbeschluß begünstigten Antragsteller vorübergehende Vorteile dadurch erwachsen können, daß vorrangige Gläubiger diesen Antrag nicht gestellt haben. Der diesbezüglichen Ansicht von Stein-Jonas (aaO 854 f) ist beizupflichten.

Haben die vorrangigen Gläubiger, die keinen Zusammenrechnungsantrag stellten, nur einen der mehreren Bezüge des Verpflichteten gepfändet, so greift die Begünstigung des nachrangigen Antragstellers durch die zu seinen Gunsten bewilligte Zusammenrechnung in den Rang der vorausgehenden Gläubiger schon begrifflich nicht ein. Da sich der Gesetzgeber eindeutig für das Antragsprinzip entschieden und besondere Vorschriften für den Fall einer Mehrheit betreibender Gläubiger nicht erlassen hat, kann eine erweiterte Rechtskraftwirkung des Zusammenrechnungsbeschlusses zugunsten vorrangiger Gläubiger nicht angenommen werden. Ebensowenig kann und darf allerdings der Zusammenrechnungsbeschluß (durch Anordnungen, daß Freibeträge in einem größeren Umfang als bisher einem der mit Vorpfandrechten belasteten Einkommen zu entnehmen sind) in die Rechtsstellung vorrangiger Gläubiger eingreifen. (Heller-Berger-Stix Komm z EO 2056 = Lohnpfändung 114). Die Bewilligung der Zusammenrechnung für einen nachrangigen Gläubiger kann daher nicht zur Folge haben, daß der pfändbare Mehrbetrag ohne weiteres den im Pfandrang vorausgehenden Gläubigern zuwächst, weil sie eine solche Art der Berechnung des Freibetrages nicht beantragt haben.

Denkbar wäre freilich, den Zusammenrechnungsbeschluß für die Beteiligten erst von dem Zeitpunkt an wirken zu lassen, zu dem für den nachrangigen betreibenden Gläubiger, der die Zusammenrechnung erwirkt hat, Abzüge vorzunehmen sind, also erst "an seiner Pfandstelle". Eine solche Vorgangsweise widerspräche aber dem Gesamtinteresse aller Gläubiger. Vorrangige Gläubiger sind durch den Vorteil, den der nachrangige Antragsteller nach § 7 Z 2 LPfG (vorübergehend) erlangt, bei korrekter Durchführung der Zusammenrechnung in ihrer bisherigen Rechtsstellung nicht beeinträchtigt, wozu noch kommt, daß sie sich die Vorteile erweiterter Zugriffsmöglichkeiten auf das Arbeitseinkommen des Verpflichteten jederzeit durch nachträgliche Antragstellung nach § 7 Z 2 LPfG in ihrem Pfandrang verschaffen können. Durch ein "Sistieren" der Wirksamkeit des Zusammenrechnungsbeschlusses würden aber die Interessen jener Gläubiger beeinträchtigt, die dem rangältesten Antragsteller nach § 7 Z 2 LPfG im Rang nachgehen; sie würden in ihren Befriedigungsmöglichkeiten (selbst dann, wenn auch sie die Zusammenrechnung erwirkt haben) beeinträchtigt, weil sie erst später zum Zuge kämen.

Der Ansicht des Berufungsgerichtes ist daher zuzustimmen. Zum Schutz des Drittschuldners ist es allerdings erforderlich, den Zusammenrechnungsbeschluß so zu fassen, daß daraus deutlich hervorgeht, daß die Abzüge entsprechend den normalen Freibeträgen weiterhin nach der geltenden Rangordnung vorzunehmen sind und nur der sich aus dem Zusammenrechnungsbeschluß ergebende pfändbare Mehrbetrag (bis zu einer gegenteiligen Anordnung des Exekutionsgerichtes) an den Antragsteller abzuführen ist (vgl den künftigen § 292 j EO). Diesem Erfordernis hat der Zusammenrechnungsbeschluß, auf den sich der Kläger stützt, nicht entsprochen, doch kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, weil sie die durch Zusammenrechnung freigewordenen Beträge nicht etwa an den erstbetreibenden Gläubiger ausgefolgt, sondern weiterhin dem Verpflichteten ausgezahlt hat.

Der Aufhebungsbeschluß ist daher zu bestätigen. Sollte die Beklagte auf ihr Vorbringen in der Berufungsbeantwortung zurückkommen, wird das Erstgericht Feststellungen über den von der Firma W***** AG zu E 366/89 des BG Wolkersdorf erwirkten Zusammenrechnungsbeschluß sowie über die Höhe der offenen Forderung dieses betreibenden Gläubigers zu treffen haben. Die Beschränkung des § 496 Abs 2 ZPO steht dem nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E28141

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00016.92.0226.000

Dokumentnummer

JJT_19920226_OGH0002_009OBA00016_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten