TE OGH 1992/3/10 5Ob17/92

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Veröffentlicht am 10.03.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin GEMEINNÜTZIGE M*****-AG, ***** vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wider die Antragsgegner 1.) Alois R*****, 2.) Alfred S*****, 3.) Aloisia R*****, 4.) Walter W*****, und 5.) Erika S*****, sämtliche wohnhaft *****, wegen § 14 WGG infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 11. November 1991, GZ R 627/91-7, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Bruck/Mur vom 19. März 1991, GZ Msch 17/91-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen, die im übrigen als unangefochten unberührt bleiben, werden insoweit aufgehoben, als sie sich auf die Abweisung des Begehrens auf Erhöhung der Bauerneuerungsrückstellung um weitere 1,42 S je m2 Wohnfläche beziehen.

Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Das Begehren der Antragstellerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Eigentümerin und Verwalterin der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Haus *****. Die Antragsgegner sind Mieter von Bestandobjekten in diesem Haus. Die Bestandverhältnisse unterliegen hinsichtlich der Mietzinsbildung dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG).

Die Antragstellerin begehrte (vorbehaltlich der Endabrechnung), die im Mietzins enthaltene Bauerneuerungsrückstellung von 2,08 S je m2 Wohnnutzfläche für die Zeit vom 1.5.1991 bis 30.4.2001 wegen der im einzelnen angeführten notwendigen Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten um 41,37 S je m2 Wohnnutzfläche monatlich zu erhöhen. In der Berechnung des Gesamterfordernisses (insgesamt 1,845.182,96 S bei einer Mietzinsreserve von 98.593,56 S) machte sie 3 % Bauverwaltungskosten (49.895,64 S), 2 % Bauaufsicht (24.142,07 S) und an Kosten für "Büroleistungen gemäß GOA" 58.061,68 S geltend.

Das Erstgericht stellte den Antrag jedem Antragsgegner zu eigenen Handen zu; die Antragsgegner beteiligten sich jedoch am Verfahren nicht.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Antragstellerin mit Ausnahme des für die "Büroleistungen gemäß GOA" begehrten Betrages im Sinne einer Erhöhung des bisher eingehobenen Betrages um 39,95 S je m2 Wohnnutzfläche pro Monat statt und wies das darauf gestützte Mehrbegehren (Erhöhung um weitere 1,42 S je m2 Wohnnutzfläche) ab. Es sei zwar gerichtsbekannt, daß die Antragstellerin innerbetrieblich eine eigene Abteilung besitze, die sich mit Planung, Aufsicht und Verwaltung von Bauvorhaben bzw. Renovierungsarbeiten befasse; die Kosten dieser Abteilung als ständigen innerbetrieblichen Elements würden aber bereits durch die Einhebung eines angemessenen Entgelts im Sinne des § 13 Abs.1 WGG berücksichtigt und gedeckt. Die Bestimmung des § 9 der EntgRV nehme in ihrem 4.Absatz lediglich Bezug auf angemessene Beträge für Bauverwaltung und Bauüberwachung, die im Fall einer schwierigen technischen Vorbereitung oder Koordinierung mehrerer Auftragnehmer gebührten und höchstens 5 % der Baukosten betragen dürften. Die Arbeiten der technischen Abteilung dienten offensichtlich der technischen Vorbereitung der Erhaltungs- bzw. Verbesserungsarbeiten, weshalb das begehrte zusätzliche Entgelt für Planung nicht Bestandteil des "Gesamterfordernisses" sein könne. Der Berechnung des monatlichen Deckungserfordernisses sei daher der um die begehrten Kosten von 58.061,68 S für Planung reduzierte Betrag zugrundezulegen gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragstellerin gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Sachbeschlusses nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Vor Eingehen in die Rekursausführungen brachte das Rekursgericht die Begriffsinhalte der "Verwaltungskosten", der "Bauverwaltung", der "örtlichen Bauaufsicht" sowie der "Büroleistungen laut GOA" zur Darstellung. In die Berechnung des Entgeltes gemäß § 14 Abs.1 WGG bzw. in eine nach § 14 Abs.2 WGG zu begehrende Erhöhung des Betrages nach § 14 Abs.1 Z 5 WGG flössen - so führte das Rekursgericht weiters aus - kraft ausdrücklicher Anordnung ein der im Sinne der Grundsätze des § 23 WGG gerechtfertigte Betrag zur Deckung der Verwaltungskosten (§ 14 Abs.1 Z 6 WGG) sowie zufolge § 9 Abs.4 EntgRV unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten der Bauverwaltung und der Bauüberwachung. Von Kosten der Büroleistung sei nirgends die Rede. Auszugehen sei davon, daß der Gesetzgeber zur Vermeidung von Mißbräuchen um eine möglichst detaillierte Regelung der Entgeltvorschriften bemüht gewesen sei. Da eine gemeinnützige Bauvereinigung Einfluß auf das Ausmaß und die Häufigkeit anfallender "Generalsanierungen" nehmen könne, anderseits aber zu ihren Aufgaben ständige kleinere Instandhaltungsarbeiten gehörten, müsse verhindert werden, daß durch die vermehrte Inanspruchnahme bzw. Verrechnung von "Büroleistungen" (dazu seien unter anderem die notwendigen Entwürfe, die Einreichung, die Kostenberechnung und das Erstellen von Ausführungszeichnungen sowie die technische und geschäftliche Oberleitung zu zählen) eine finanzielle Besserstellung der gemeinnützigen Bauvereinigung bei größeren Sanierungsarbeiten erfolge. Bei den erwähnten Büroleistungen handle es sich um einen durchaus geläufigen, allseits bekannten und auch in der GOA geregelten Kostenfaktor. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß auch die "normale" Verwaltung sehr wohl Planungen, Einreichungen, Berechnungen, Kontrollen und ähnliche Leistungen im Zusammenhang mit laufenden Instandhaltungsarbeiten umfasse. Folgerichtig könne aus dem Stillschweigen des Gesetz- und Verordnungsgebers zu den Büroleistungen nur der Schluß gezogen werden, daß er eine zusätzliche bzw. gesonderte Überwälzung auf die Mieter im Zuge eines Verfahrens nach § 14 Abs.2 WGG nicht gewollt habe. Ein Verstoß gegen das "Kostendeckungsprinzip" könne unter diesen Umständen verneint werden; dies vor allem dann, wenn man die betreffenden Leistungen der "normalen" Verwaltungstätigkeit zuordne, für die ohnehin ein Entgelt entrichtet werde. Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 14 WGG oder gegen die Gesetzmäßigkeit der Entgeltrichtlinienverordnung bestünden nicht. Das Rekursgericht teile daher die Auffassung des Erstgerichtes, daß wegen der rechtlichen Gegebenheiten eine Einbeziehung der Büroleistungen in das Gesamterfordernis nicht möglich sei.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit dem Fehlen einer höchstgerichtlichen Judikatur zu der behandelten Rechtsfrage.

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen im Sinne der vollständigen Stattgebung des Erhöhungsbegehrens und Zuspruch von Anwaltskosten für den Revisionsrekurs abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisionsrekurs ist im Sinne seines Aufhebungsbegehrens berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei der sachlichen Erledigung des Erhöhungsbegehrens ist - wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. WoBl 1992, 37/34; 5 Ob 92/91, 5 Ob 106/91, 5 Ob 136/91 ua) - von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Die Entscheidung über ein Erhöhungsbegehren nach § 22 Abs.1 Z 8 WGG ist rechtsgestaltender Natur. Die Pflicht der Mieter zur Zahlung des erhöhten Entgelts wird erst durch die Rechtskraft dieser Entscheidung konstitutiv bewirkt. Dies hat zur Folge, daß das Gericht bei der Entscheidung über das Erhöhungsbegehren von dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Normenbestand auszugehen hat, im konkreten Fall daher auch von der EntgRV 1986 idF BGBl. 1991/292, deren § 8 a und neu formulierter § 9 Abs.4 gemäß § 16 Abs.8 der genannten Verordnung am 1.Juli 1991 in Kraft traten (vgl. Fasching IV 330; derselbe, Lehrbuch2 Rz 1927). Dies gilt sowohl für Fälle, bei welchen die Arbeiten bereits durchgeführt sind als auch dann, wenn dem Erhöhungsbegehren erst in Zukunft zu erbringende, bei der Entgeltberechnung zu berücksichtigende Leistungen zugrundeliegen.

Gemäß § 8 a EntgRV gehören zu den Kosten von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten unter anderem auch die Kosten der Planung und örtlichen Bauaufsicht sowie die Bauverwaltungskosten gemäß § 9 Abs.4 EntgRV.

Gemäß § 9 Abs.4 EntgRV darf nur bei umfangreichen Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten ein angemessener Betrag für die Bauverwaltung und Bauüberwachung angerechnet werden, wenn diese Tätigkeiten über die im Rahmen der ordentlichen Verwaltung regelmäßig anfallenden Leistungen hinausgehen, so zB wenn die Durchführung der Arbeiten eine schwierige technische Vorbereitung oder die Koordinierung mehrerer Auftragnehmer erfordert. Für die Bauverwaltung und Bauüberwachung dürfen zusammen höchstens 5 vH der Baukosten angerechnet werden. Dieser Höchstsatz vermindert sich auf 3 vH, wenn die Kosten der Bauüberwachung im Rahmen der Kosten der örtlichen Bauaufsicht geltend gemacht werden.

Die Abgrenzung dieser Kostenbereiche sowohl zueinander als auch von den Büroleistungen im Sinne der GOA, die von der Antragstellerin im Rahmen des Gesamterfordernisses geltend gemacht werden, ist - unter Berücksichtigung der in der Gebarungsrichtlinienverordnung 1979, BGBl. 1979/523, insbesondere in deren Anhang A (für die Buchführung vorgeschriebener Kontenrahmen) und Anhang B (Gestaltung des Betriebsabrechnungsbogens zur Zuordnung der aufgelaufenen Kosten zu den einzelnen Kostenstellen) verwendeten, von betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geprägten Terminologie (siehe dazu Korinek-Funk-Scherz-Weinberger-Wieser, WGG, Handbuch und Kommentar, Anm.11 und 12 zu § 5 GRV) - wie folgt vorzunehmen:

Unter Bauverwaltung sind alle nicht technischen, also die organisatorischen, administrativen und kommerziellen Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Arbeiten, unter Bauüberwachung die technischen Tätigkeiten in diesem Zusammenhang zu verstehen (MietSlg 37.691/40). Diese technischen Leistungen können örtliche Bauaufsicht oder Büroleistungen sein.

Zur örtlichen Bauaufsicht gehört die Überwachung der Herstellung des Werkes auf die Übereinstimmung mit den Plänen, auf Einhaltung der technischen Regeln, der behördlichen Vorschriften und des Zeitplanes, die Abnahme von Teilleistungen und die Kontrolle der für die Abrechnung erforderlichen Abmessungen, die Führung des Baubuches etc (vgl Korinek-Funk ua, aaO, Anm.11), also alle jene Kontrolltätigkeiten, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt beziehen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen auf der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt werden können. Alle anderen zur Bauüberwachung gehörenden Tätigkeiten sind nicht örtliche Bauaufsicht.

Büroleistungen im Sinne der GOA sind a) der Vorentwurf, b) der Entwurf, c) die Einreichung, d) die Kostenberechnung, e) die Ausführungszeichnungen, f) die Teilzeichnungen, g) die künstlerische Oberleitung und h) die technische und geschäftliche Oberleitung (§ 34 GOA). Die unter a) bis f) genannten Tätigkeiten können dem Begriff "Planung" im Sinne des § 8 a EntgRV unterstellt werden, während die künstlerische und technische Oberleitung zur Bauüberwachung, die geschäftliche Oberleitung zur Bauverwaltung gehört.

Ausgehend von dem in § 13 Abs 1 WGG normierten Kostendeckungsprinzip dürfen den Mietern bzw Nutzungsberechtigten unter den genannten Titeln (Planung, örtliche Bauaufsicht, Bauverwaltung, Bauüberwachung) keine höheren als die den tatsächlichen Kosten entsprechenden angerechnet werden. Insbesondere darf eine bestimmte Leistung nur einmal, nicht aber mehrmals, zB einmal als Bestandteil eines Pauschalbetrages (Bauverwaltung und Bauüberwachung), das andere Mal unter dem Titel örtliche Bauaufsicht oder Planung verrechnet werden.

Die notwendigen Kosten für die durch eigene Leute der Antragstellerin durchgeführte Planung und örtliche Bauaufsicht dürfen nach § 8 a EntgRV ohne sonstige Beschränkung im Gesamterfordernis berücksichtigt werden. Ihre Höhe richtet sich - wie bei Fremdleistung - nach der GOA.

Die Kosten für Bauverwaltung und Bauüberwachung können im Gesamterfordernis bei Vorliegen der in § 9 Abs 4 EntgRV hiefür normierten Voraussetzungen (Vorliegen von Tätigkeiten, die über die im Rahmen ordentlicher Verwaltung regelmäßig anfallenden Leistungen hinausgehen) mit ihrem tatsächlichen Ausmaß (MietSlg 37.691/40), höchstens aber mit 5 vH der Baukosten berücksichtigt werden. Dieser Prozentsatz vermindert sich auf 3 vH, wenn die Kosten der Bauüberwachung im Rahmen der örtlichen Bauaufsicht geltend gemacht werden.

Eine gesetzesgemäße Entscheidung erfordert daher die konkrete Feststellung der von der Antragstellerin zu erbringenden Leistungen und der damit verbundenen Kosten, deren Zuordnung zu einer der oben genannten Kostengruppen und die Berücksichtigung jeder dieser Kostengruppen mit dem hiefür zulässigen Ausmaß im Gesamterfordernis. Bei Abgrenzungsschwierigkeiten im tatsächlichen Bereich wird gegebenenfalls das Gutachten eines geeigneten Sachverständigen einzuholen sein. Erst dann wird beurteilt werden können, ob zusätzlich zu der bereits rechtskräftig bewilligten Erhöhung (um 39,95 S je m2 Wohnnutzfläche) noch eine weitere Erhöhung der Bauerneuerungsrückstellung gerechtfertigt ist.

Dies alles erfordert aber eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz und dementsprechend - im Sinne des Eventualantrages - die Aufhebung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs.3 Z 19 MRG iVm § 22 Abs.4 WGG. Da jetzt schon feststeht, daß die Voraussetzungen für den Zuspruch von - allein - verzeichneten Anwaltskosten nicht gegeben sind, war ein Kostenvorbehalt bezüglich der Kosten des Revisionsrekursverfahrens nicht auszusprechen.

Anmerkung

E28373

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00017.92.0310.000

Dokumentnummer

JJT_19920310_OGH0002_0050OB00017_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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