TE OGH 1992/3/10 4Ob131/91

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Veröffentlicht am 10.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard Sch*****, vertreten durch DDr.Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Eva M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Manfred Schwindl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 470.000) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 24.Oktober 1991, GZ 1 R 164/91-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 28. Juni 1991, GZ 38 Cg 232/91-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hingegen endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile erzeugen und vertreiben Kennzeichenhalter für Kraftfahrzeuge. Die Beklagte verwendete auf der Verpackung ihrer "E*****"-Kennzeichenhalter ua folgende Werbeangaben:

"Kennzeichenbefestigung ohne Bohren und Schrauben" und "Kein Anbohren des Kennzeichens"; in einem Zeitungsinserat warb sie neben diesen die Montage der Kennzeichen betreffenden Hinweisen auch mit der Angabe, daß ihre Kennzeichenhalter "gesetzeskonform" bzw "absolut gesetzeskonform" seien.

In einem Gutachten der Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge wurde dem Kennzeichenhalter der Beklagten die Eignung bescheinigt, eine dauernde feste Verbindung mit dem Fahrzeug zu gewährleisten; die Kennzeichentafel könne nicht ohne Werkzeug bzw ohne den beigegebenen "ETS-Schlüssel" demontiert werden. Tatsächlich können jedoch die Schnappverschlüsse der Kennzeichenhalterung ohne besondere Schwierigkeit und ohne besonderen Kraftaufwand aus ihren Einrastungen am Grundrahmen gelöst werden; die Verwendung eines Hilfsmittels ist dazu nicht erforderlich.

Die erforderliche Sichtbarkeit, Lesbarkeit oder Beleuchtbarkeit des Kennzeichens wird durch die Verwendung des Kennzeichenhalters der Beklagten nicht beeinträchtigt.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, ihre "E*****"-Kennzeichenhalter wahrheitswidrig als "gesetzeskonform" oder gleichsinnig zu bezeichnen und/oder nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Kennzeichenhalter mit Hinweisen auf der Verpackung und/oder in sonstigen Werbeankündigungen, daß die Kennzeichen "ohne Bohren oder Schrauben" zu befestigen seien und daß "kein Anbohren des Kennzeichens" erforderlich sei, oder mit gleichsinnigen Hinweisen anzubieten oder zu vertreiben, wenn nicht ausdrücklich klargestellt wird, daß diese Kennzeichenhalter den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere § 49 Abs 7 KFG, nicht entsprechen.

Die von § 49 Abs 7 KFG geforderte dauernde feste Verbindung der Kennzeichentafeln mit den Kraftfahrzeugen sei durch die Kennzeichenhalter der Beklagten nicht gewährleistet; diesem Erfordernis könne nur durch Anschrauben oder Annieten Rechnung getragen werden. Die Behauptung der Beklagten, daß ihre Kennzeichenhalter gesetzeskonform seien, entspreche daher nicht der Wahrheit. Die Kennzeichenhalter der Beklagten entsprächen aber auch nicht dem Gebot des § 49 Abs 6 KFG, wonach die Kennzeichen von Kraftfahrzeugen vollständig sichtbar, gut lesbar und ausreichend ausleuchtbar sein müssen. Ebenso wettbewerbswidrig sei der Hinweis, daß die Kennzeichen ohne Bohren und Schrauben befestigt werden könnten, wenn dabei nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werde, daß diese Art der Befestigung nicht den Vorschriften des KFG entspreche. Da die Beklagte somit wahrheitswidrige Angaben zu verantworten habe, komme es nicht darauf an, daß sie - allenfalls auf Grund eines Gutachtens - selbst geglaubt habe, daß ihre Kennzeichenhalter gesetzeskonform seien.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Richtig sei zwar, daß bei Verwendung ihrer Kennzeichenhalter die Kennzeichentafeln nicht angebohrt und mit den Kraftfahrzeugen weder mit Schrauben noch mit Nieten verbunden werden; dennoch ermögliche die Konstruktion ihres Kennzeichenhalters eine dauernde feste Verbindung mit dem Kraftfahrzeug, weil die Kennzeichentafeln ohne Verwendung eines Werkzeuges, nämlich des sogenannten "ETS-Schlüssels", nicht wieder entfernt werden könnten. Das habe die Bundesprüfungsanstalt für Kraftfahrzeuge der Beklagten in einem Gutachten bestätigt. Außerdem sei der Beklagten für ihren Kennzeichenhalter das Austria-Gütezeichen verliehen worden; auch davor seien ihre Kennzeichenhalter neuerlich geprüft worden. Die beanstandeten Werbeankündigungen seien daher wahr.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Eine feste Verbindung iS des § 49 Abs 7 KFG liege nur dann vor, wenn die Verbindung zwischen Kennzeichentafel und Kraftfahrzeug mit Schrauben oder Nieten bewerkstelligt wird. Da die Befestigung mit dem Kennzeichenhalter der Beklagten ohne derartige Hilfsmittel erfolgt, ja nach den Montagehinweisen der Beklagten gerade ohne "Bohren und Schrauben" möglich sei, und der Halter jederzeit ohne besonderes Geschick wieder geöffnet werden könne, habe die Beklagte mit ihren Hinweisen auf die Gesetzeskonformität ihrer Kennzeichenhalter unrichtige Angaben iS des § 2 Abs 2 UWG gemacht. Auf ihre Gutgläubigkeit komme es dabei nicht an.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Eine dauernde feste Verbindung zwischen Kennzeichentafel und Kraftfahrzeug sei bei Verwendung der Kennzeichenhalter der Beklagten ausreichend gewährleistet; sie liege schon dann vor, wenn die Verbindung ohne äußere Einflüsse nicht verlorengehe. Eine Erschwerung von Diebstählen durch die Art der Anbringung des Kennzeichens werde von § 49 Abs 7 KFG nicht gefordert. Die in einem Erlaß des BMfV geäußerte Ansicht, daß eine feste Verbindung nur dann vorliege, wenn die Kennzeichentafeln angeschraubt oder angenietet sind, nicht aber dann, wenn sie mit Draht befestigt werden, sei für die Gerichte nicht bindend; auch die von diesem Erlaß geforderten Befestigungsarten seien aber nicht geeignet, Diebstähle von Kennzeichen zu erschweren oder gar zu verhindern. Jedenfalls erfülle der Kennzeichenhalter der Beklagten ein allfälliges derartiges Erfordernis in gleicher Weise wie das Anschrauben oder Annieten der Kennzeichentafeln. Da die Kennzeichenhalter der Beklagten auch nicht die Sichtbarkeit, Lesbarkeit und Beleuchtbarkeit von Kennzeichen beeinträchtigten, somit auch in diesem Punkt dem KFG entsprächen, habe die Beklagte in ihrer Werbung keine unrichtigen Angaben gemacht.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen, hilfsweise der Beklagten zumindest die Werbeangabe "absolut gesetzeskonform" zu verbieten.

Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht weist der Revisionsrekurs darauf hin, daß die Kennzeichenhalter der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. Gemäß § 49 Abs 7 KFG müssen Kennzeichentafeln mit dem Fahrzeug dauernd fest verbunden sein; Probe- oder Überstellungskennzeichen hingegen dürfen auch bloß behelfsmäßig mit dem Fahrzeug verbunden werden. Diese Vorschrift dient der Sicherung des durch § 48 Abs 1 KFG - wonach für jedes Kraftfahrzeug und jeden Anhänger bei der Zulassung ein eigenes Kennzeichen zuzuweisen ist - verfolgten Zwecks, der Behörde mit dem Kennzeichen die Möglichkeit zu eröffnen, an Hand der Zulassungskartei jederzeit den Zulassungsbesitzer eines bestimmten Kraftfahrzeuges oder Anhängers zu ermitteln (RV 186 BlgNR 11.GP, abgedruckt in Grubmann, KFG3 Anm 1 zu § 48). In den Schutzbereich des § 49 Abs 7 KFG fällt daher auch die Verhinderung oder zumindest Erschwerung der Verwendung eines Kraftfahrzeuges, für das die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht besteht (ZVR 1972, 190). Die Befestigung soll daher auch einen gewissen Schutz vor unbefugter Abnahme der Kennzeichentafeln bieten. Offenbar ähnlichen Erwägungen folgend hat auch der BMfV mit Erlaß vom 16.5.1984, Zl 70.303/13-IV/3-84 (abgedruckt in Grubmann aaO Anm 7 zu § 49) ausgesprochen, daß eine feste Verbindung der Kennzeichentafeln mit dem Fahrzeug nur dann vorliege, wenn die Kennzeichentafel angeschraubt oder angenietet wurde; die Verwendung mit Draht entspreche nicht dem Erfordernis der festen Verbindung. Wenngleich die nunmehr häufiger verwendeten Kennzeichenhalter in diesem Erlaß nicht ausdrücklich erwähnt wurden, müssen auch sie - im Gegensatz zur Befestigung der bloß für den kurzen Gebrauch vorgesehenen Probe- und Überstellungskennzeichen - eine dauernde feste Verbindung zwischen dem Kennzeichen und dem Kraftfahrzeug gewährleisten. Ein Anschrauben oder Annieten der Kennzeichentafel an das Kraftfahrzeug wird dazu zwar nicht in jedem Fall erforderlich sein; Kennzeichenhalter aber, die - ohne Zuhilfenahme eines Werkzeuges oder eines sonstigen technischen Hilfsmittels und ohne besondere Geschicklichkeit oder Kraftanstrengung - das jederzeitige Abnehmen der Kennzeichentafeln von einem Kraftfahrzeug erlauben, dieses also nicht einmal in einer gewissen Weise erschweren, entsprechen nicht dem gesetzlichen Erfordernis einer dauernden festen Verbindung.

Die Werbeankündigungen der Beklagten, daß ihre Kennzeichenhalter "gesetzeskonform" oder "absolut gesetzeskonform" seien, entsprechen daher nicht der Wahrheit; sie und ähnliche Bezeichnungen müssen daher der Beklagten - ungeachtet ihres Vertrauens auf die Gesetzmäßigkeit ihrer

Kennzeichenhalter - verboten werden.

Mit den Ankündigungen "Kennzeichenbefestigung ohne Bohren und Schrauben" und "Kein Anbohren des Kennzeichens" weist die Beklagte auf Vorteile ihrer Kennzeichenhalter hin, die in Wahrheit nicht gegeben sind. Jede Irreführung über irgendwelche Vorzüge einer Ware ist aber grundsätzlich unerlaubte Reklame im Sinne des § 2 UWG (SZ 18/82; ÖBl 1953, 19). Kunden der Beklagten, die auf den angekündigten Vorteil vertrauen, müssen gewärtigen, wegen der gesetzwidrigen Befestigung ihrer Kennzeichentafeln beanstandet zu werden. Grundsätzlich waren somit der Beklagten auch diese Ankündigungen zur Gänze zu verbieten. Der Kläger hat aber dieses Verbot in zulässiger Weise darauf beschränkt, daß die Beklagte die beanstandete Ankündigung nicht mit der zusätzlichen Aufklärung verbindet, daß eine solche Art der Befestigung von Kennzeichentafeln nicht dem KFG entspricht. Die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes war auch im Umfang dieses Anspruches wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens des Klägers gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, über jene der Beklagten auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E28324

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00131.91.0310.000

Dokumentnummer

JJT_19920310_OGH0002_0040OB00131_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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