TE OGH 1992/3/10 5Ob18/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.03.1992
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin F***** registrierte Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Rainer Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Hilde *****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Alexander Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 5 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 19. November 1991, GZ 48 R 159/91-15, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 20. November 1990, GZ 5 Msch 20/90-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist eine gemeinnützige Wohnbauvereinigung, die auf der Baurechtsliegenschaft in Wien ***** 111 Wohnungen unter Zuhilfenahme von öffentlichen Förderungsmitteln errichtete. Die Antragsgegnerin ist Nutzungsberechtigte der Wohnung Nr. 8 im zweiten Stock der Stiege 2. Die Antragstellerin sanierte die Wohnhausanlage und erwirkte hiezu eine Erhöhung der Bauerneuerungsrücklage gemäß § 14 Abs 2, 3 und 5 WGG. Diesem Antrag lag eine neue Wärmedämmung der Hausfassade verbunden mit dem Austausch der alten Holzfenster gegen neue Kunststoffenster mit Isolierverglasung zugrunde. Damals waren Fenster in der gleichen Größe wie die bereits vorhandenen Fenster vorgesehen, sogar mit einem 1 cm schmäleren Mittelsteg.

Tatsächlich gab die Antragstellerin nicht die der Entscheidung zur Erhöhung der Bauerneuerungsrücklage zugrundeliegenden Fenster in Auftrag, sondern solche mit höherer Wärmedämmung. Diese wurden in der Zwischenzeit bei einem Großteil der Wohnungen - ausgenommen die Wohnungen der Antragsgegnerin und jenes Teils der Nutzungsberechtigten, die vorher bereits gleichartige Kunststoffenster gegen die Holzfenster getauscht hatten - eingebaut.

Die Antragsgegnerin ist bereit, den der Entscheidung auf Erhöhung der Bauerneuerungsrücklage zugrunde liegenden Fenstertyp auch in ihre Wohnung einbauen zu lassen, nicht aber den von der Antragstellerin tatsächlich bei den anderen Wohnungen verwendeten Fenstertyp, weil damit eine unzumutbare Verringerung des Lichteinfalles verbunden sei.

Die Antragstellerin begehrt daher - nach vorausgegangenem Verfahren bei der Schlichtungsstelle - , die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zutritt zu ihrer Wohnung zwecks Durchführung von Arbeiten zum Austausch der Holzverbundfenster durch einfache Kunststoffenster mit Isolierverglasung, die in Größe und Aussehen den in den übrigen Wohnungen bereits ausgetauschten Fenstern entsprechen, zuzulassen.

Das Erstgericht gab diesem Antrag statt. Es stellte zusätzlich zu den eingangs wiedergegebenen Tatsachen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die in der Wohnung der Antragsgegnerin noch eingebauten alten Holzfenster sind in einem sehr schlechten Zustand und lassen sich nur schlecht schließen. Das Haus hat kein unmittelbares Gegenüber. Ein dreistöckiges Gebäude, das weiter weg liegt, behindert den Lichteinfall nicht. Bei Sonneneinstrahlung ist das Zimmer hell erleuchtet.

Die Fenster sind nicht flächengleich mit der Außenfassade angebracht, sondern etwas zurückversetzt. Durch die nunmehr aufgebrachte Wärmedämmung an der Außenfassade ist das Fenster ca. 13 cm von der Fassadenwand zurückversetzt.

Die Glasfläche beim eingebauten Fenster beträgt

126 cm x 94 cm + 94 cm x 47 cm. Die für die Wohnung der Antragsgegnerin vorgesehenen Fenster weisen eine Fläche von 119 (bis 120) cm x 86 cm + 86 cm x 42 cm auf. Diese Fenster sind zweifach thermoverglast und zusätzlich beschichtet. Durch die aufgebrachte Wärmedämmung an der Fassade ergibt sich eine geringere Architekturlichte und durch die größere Wärmedämmung auch im Rahmen des Fensters eine verringerte Glasfläche. Dadurch kommt es zu einem geringeren Lichteinfall in der Wohnung der Antragsgegnerin. Dafür weisen die Fenster einen K-Wert von mehr als 1,9 W/m2 K und einen Schallschutz von mindestens 38 dB auf. Durch die Silberbedampfung der Außenseite der inneren Glasscheibe wird eine zusätzliche Verbesserung des Wärmeschutzes erreicht.

Die Außenfassade hat ein einheitliches Erscheinungsbild dergestalt, daß sämtliche Fenster von außen gleich aussehen. Nur die derzeit eingebauten Fenster in der Wohnung der Antragsgegnerin haben ein anderes Erscheinungsbild.

Der durchgeführte Lokalaugenschein ergab, daß die Helligkeit der Wohnung der Antragsgegnerin keine andere ist als die in einer vergleichbaren Wohnung, in der gleiche Kunststoffenster, wie für die Wohnung der Antragsgegnerin vorgesehen, bereits eingebaut wurden. Die Einholung eines Gutachtens über die Lichteinfallsverringerung ist nicht notwendig, weil die Umsetzung der in einem solchen Gutachten genannten Zahlen ins Vorstellungsvermögen nicht möglich ist.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Ersetzung der schadhaften Holzverbundfenster durch die konkret vorgesehenen Kunststoffenster wegen der damit verbundenen erhöhten Wärme- und Schalldämmung bei bloß geringfügiger Verringerung des Lichteinfalles, wodurch die Wohnung der Antragsgegnerin keineswegs düster werde, insgesamt eine Verbesserung darstelle. Es sei daher dem auf § 8 Abs 2 Z 1 MRG gestützten Antrag der Antragstellerin stattzugeben gewesen.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluß und sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses aus. Rechtlich führte es folgendes aus:

Die Antragsgegnerin mache als Feststellungsmangel geltend, daß das Erstgericht die Größe der Glasflächen der ursprünglich geplanten Kunststoffenster nicht festgestellt habe. Hätte das Erstgericht diese Feststellung getroffen, so wäre es zum Ergebnis gelangt, daß es auf dem Markt sehr wohl Kunststoffenster gäbe, die in das Objekt hätten eingebaut werden können und deren Glasfläche zumindest gleich groß wie die der derzeit eingebauten alten Holzfenster gewesen wäre; ferner hätte sich unzweifelhaft ergeben, daß es keinerlei technischen oder auch wirtschaftlichen Grund dafür gäbe, daß die Antragstellerin die ursprünglich geplanten und genehmigten Fenster gegen andere mit wesentlich geringerer Glasfläche austausche. Da es wohl als unbestritten gelten könne, daß jegliche Verringerung der Glasfläche eines Fensters auch zu einer Verringerung des Lichteinfalles führe, hätte die Antragstellerin, die gemäß § 8 Abs 3 MRG unter "möglichster Schonung" des Mietrechtes des betroffenen Mieters vorzugehen habe, jedenfalls die Fenstervariante mit der größeren Glasfläche wählen müssen. Bei diesen Überlegungen übersehe die Rekurswerberin, daß sich aus der Bestimmung des § 8 Abs 3 MRG kein dem Mieter eingeräumtes Gestaltungsrecht über allgemeine Teile des Hauses ableiten läßt. Die Bestimmung des § 8 Abs 3 MRG sehe das Schonungsprinzip nur in der Form vor, daß die vom Vermieter ins Auge gefaßten Arbeiten so durchzuführen seien, daß eine möglichste Schonung des Mietrechtes des betroffenen Mieters gewährleistet sei. Dies könne aber nur so verstanden werden, daß der Mieter bei Durchführung der Arbeiten nur soweit gestört werden dürfe, als dies aufgrund der vorzunehmenden Arbeiten unerläßlich sei. Es ließen sich daher aus § 8 Abs 3 MRG die von der Rekurswerberin für sich in Anspruch genommenen Rechte nicht ableiten.

Da die vom Vermieter durchzuführenden Arbeiten wegen des vom Erstgericht festgestellten Zustandes der alten Fenster jedenfalls Erhaltungsarbeiten - bzw. allenfalls auch Verbesserungsarbeiten - an allgemeinen Teilen des Hauses (vgl MietSlg 37.262/56) darstellten, statuiere § 8 Abs 2 Z 1 MRG für den Fall der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit solcher Arbeiten eine unbedingte Duldungsverpflichtung des Mieters. Zutreffend habe das Erstgericht im Rahmen der Prüfung der Zweckmäßigkeit erwogen, daß der Nachteil gegenüber den jetzt eingebauten Holzfenstern durch den etwas geringeren Lichteinfall der geplanten Fenster vernachlässigt werden könne, wenn die durch die geplanten Fenster gegebene bessere Wärmedämmung und bessere Schalldichtung berücksichtigt werde. Zusätzlich zu den Überlegungen des Erstgerichtes wäre auch noch zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin ein Recht hat, daß die Fassaden - und so auch die Fenster - im wesentlichen einheitlich gestaltet werden.

Die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses sei gegeben, weil zur Auslegung des § 8 Abs 3 erster Halbsatz MRG sowie zum Umfang des Schonungsprinzipes eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Antrag der Antragstellerin abgewiesen werde.

Die Antragstellerin begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt. Da der von der Antragstellerin beabsichtigte Fenstertausch in anderer Weise erfolgen soll, als es Grundlage der Entscheidung der Schlichtungsstelle nach § 14 Abs. 2, 3 und 5 WGG war, ist die Frage der Bindungswirkung dieser Entscheidung nicht weiter zu untersuchen. Jedoch wird durch die jetzt beabsichtigten Arbeiten - Fenstertausch entsprechend den erstgerichtlichen Feststellungen in gleicher Weise, wie es bei einem Großteil der anderen Wohnungen dieses Hauses bereits geschah, sodaß bei allen Wohnungen ausgenommen derjenigen der Antragsgegnerin Kunststoffenster nahezu gleicher Art gegeben sind - eine Verbesserung im Sinne des gemäß § 1 Abs 1 letzter Satz MRG auch für genossenschaftliche Nutzungsverträge anzuwendenden § 8 Abs 2 Z 1 MRG aus folgenden Gründen bewirkt:

"Verbesserungsarbeit" strebt an, aus dem bestehenden Zustand einen besseren, vorteilhafteren, aus verschiedenen Gründen positiver bewerteten zu machen (Krejci in: Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 238). Dies kann nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung aller im Einzelfall die Erreichung dieses Zustandes fördernden oder hindernden Umstände beurteilt werden. Insofern ist im Begriff "Verbesserungsarbeit" implizit auch die Zweckmäßigkeit mitenthalten, wie sich auch aus den im wesentlichen gleichlautenden §§ 4 Abs 1 und 2 MRG und 14 b Abs 1 und 2 WGG ergibt: Die Absätze 2 dieser Gesetzesbestimmungen machen die Qualifikation durchzuführender Arbeiten als Verbesserung vom Vorliegen der in den Absätzen 1 dieser Paragraphen geforderten Zweckmäßigkeit abhängig.

Ergibt die Abwägung der mit einer konkreten Maßnahme verbundenen Vor- und Nachteile unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein Überwiegen der Vorteile, so liegt eine Verbesserungsarbeit vor, die der Mieter bzw Nutzungsberechtigte nach § 8 Abs 2 Z 1 MRG zu dulden hat, ohne daß eine weitere Interessenabwägung zu erfolgen hätte (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 8 MRG Rz 8).

In dem hier zu beurteilenden Fall liegt die Verbesserung offenkundig in der besseren Wärme- und Schalldämmung, wogegen ein Nachteil in der Verkleinerung der lichtdurchlässigen Fläche gelegen sein könnte. Tatsächlich ist aber darin kein Nachteil gelegen, weil nach den Ergebnissen des Ortsaugenscheins eine mit den menschlichen Sinnen wahrnehmbare Verminderung der Helligkeit der Wohnung nicht gegeben ist. Die mit der Verkleinerung der lichtdurchlässigen Flächen notwendigerweise verbundene Verminderung des Lichteinfalles braucht daher - entgegen dem Standpunkt der Antragsgegnerin - nicht näher untersucht werden, weil eine in nicht wahrnehmbarem Bereich gelegene Veränderung der Beleuchtung der Wohnung durch Sonnenlicht bei der Abwägung, ob eine Verbesserung vorliegt, nicht negativ ins Gewicht fällt.

Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin kommt es auch nicht darauf an, daß die Verbesserung des Schall- und Wärmeschutzes auch durch den Einbau von Kunststoffenstern mit größeren Glasflächen erfolgen könnte. Die Duldungspflicht der Antragsgegnerin ist nicht davon abhängig, daß die Antragstellerin die bestmögliche Verbesserung durchführt, sondern daß sie überhaupt eine Verbesserungsarbeit durchführt. Die Auswahl der Verbesserungsarbeiten bleibt im Rahmen der oben dargestellten Beurteilungsgesichtspunkte der Antragstellerin vorbehalten.

Auch aus der Bestimmung des § 8 Abs 3 MRG ist für den Standpunkt der Antragsgegnerin nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung sieht nämlich vor, daß die Verbesserungsarbeiten, die die Antragsgegnerin zuzulassen hat, so durchzuführen sind, daß eine möglichste Schonung des Mietrechtes des betreffenden Mieters gewährleistet ist. Durch dieses sogenannte Schonungsprinzip soll gewährleistet werden, daß bei der Durchführung der zu duldenden Arbeiten nicht mehr in das Recht des Mieters bzw Nutzungsberechtigten eingegriffen wird, als zur Durchführung der Arbeiten unbedingt notwendig ist.

Diese Norm regelt nur die Vorgangsweise bei der Durchführung der Arbeiten, die ein Mieter oder Nutzungsberechtigter nach den oben dargelegten Grundsätzen zu dulden hat, nicht aber, welche Arbeiten der Mieter zu dulden hat. Der klare Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung schließt also aus, daß durch die Anwendung dieser Bestimmung eine bei Durchführung von Verbesserungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses nach § 8 Abs 2 Z 1 MRG nicht vorgesehene Interessenabwägung doch wieder eingeführt würde.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E28601

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00018.92.0310.000

Dokumentnummer

JJT_19920310_OGH0002_0050OB00018_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten