TE OGH 1992/3/11 3Ob513/92

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Veröffentlicht am 11.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Franz Z*****, Pensionist, Klosterneuburgerstraße 45/1/7, 1200 Wien, infolge Revisionsrekurses des zum Kollisionskurator bestellten Dr. Heinz-Volker S*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4.Dezember 1991, GZ 44 R 1041/91-256, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 11.Oktober 1991, GZ 13 SW 21/91-253, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert und der Punkt 4) des erstrichterlichen Beschlusses ersatzlos behoben.

Der Rechtsmittelwerber hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 19.Oktober 1989 wurde Dr. Johannes R***** dem Betroffenen als Sachwalter bestellt und mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person betraut. Der Sachwalter legte für die Zeit vom 1.Oktober 1990 bis 30.September 1991 Rechnung und beanspruchte seine Belohnung.

Das Erstgericht genehmigte die Rechnung, entlastete den Sachwalter, bestimmte seine Belohnung einschließlich der Barauslagen und der Umsatzsteuer mit S 9.600,-- und bestellte im Punkt 4) seines Beschlusses den Rechtsmittelwerber zum Kollisionskurator für die Festsetzung der Sachwalterbelohnung für die vom Sachwalter für den Rechnungszeitraum angesprochenen Betrag.

Das Rekursgericht gab dem nur gegen seine Bestellung erhobenen Rekurs des Kollisionskurators nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Vorschrift des § 271 ABGB sei allgemein in Fällen einer Interessenkollision anzuwenden, wenn ein Interessenwiderspruch zwischen dem Pflegebefohlenen und seinem gesetzlichen Vertreter vorliege. Der seine Belohnung ansprechende Sachwalter könne die behinderte Person in dieser Angelegenheit nicht vertreten, weil er eigene Interessen verfolge. Es reiche nicht aus, daß das Erstgericht die Interessen des Betroffenen wahre, wenn keine Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht möglich sei, weil der Sachwalter gegen die Zuerkennung seiner Belohnung in der Regel keinen Rekurs erheben werde.

Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Kollisionskurator mit seinem Revisionsrekurs. Er stellt die Sinnhaftigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators in Frage und meint, es bedürfte einer weiteren Vertretung des Pflegebefohlenen nicht, weil mit der Kontrolle durch den Erstrichter das Auslangen zu finden wäre. Der Pflegebefohlene werde mit den Kosten des Kollisionskurators belastet, und für deren Überprüfung müßte neuerlich ein Kollisionskurator bestellt werden.

Der Revisionsrekurs ist nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig. Die Bestellung eines Kollisionskurators betrifft weder den Kostenpunkt (§ 14 Abs 2 Z 2 AußStrG), noch handelt es sich dabei um einen Streitgegenstand vermögensrechtlicher Natur (§ 14 Abs 3 AußStrG), sondern um die Fürsorge für die unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehende Person (§ 21 Abs 1 ABGB).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Daß die behinderte Person, der ein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt ist, ihre Rechtsposition im Verhältnis zum Sachwalter nicht durchsetzen könnte, weil dieser von der Vertretung in eigenen Angelegenheiten ausgeschlossen ist, bedeutet noch nicht, daß es der Einschaltung eines Kollisionskurators bedarf. Der Begriff "Geschäfte" im § 271 ABGB ist zwar nicht zu eng auszulegen. Wenn ein objektiver Tatbestand vorliegt, bei dem die Interessen auch eines pflichtbewußten gesetzlichen Vertreters den Interessen des von ihm vertretenen Pflegebefohlenen zuwiderlaufen können (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu §§ 271, 272; NZ 1973, 95; SZ 53/136), kann der Sachwalter den Betroffenen nicht vertreten. Nach den §§ 282 und 266 ABGB hat der Sachwalter einen Anspruch auf Belohnung (neben Aufwandersatz), über den vom Gericht zu entscheiden ist, das ihn bestellt hat (Wentzel-Piegler in Klang2 I/2, 493; Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu §§ 266, 267; EFSlg 39.764 ua). Dabei ist ein Widerstreit der Interessen des Behinderten und seines Sachwalters gegeben, so daß der Sachwalter insoweit von der Vertretung des Betroffenen ausgeschlossen ist. Die Wahrung des rechtlichen Gehörs (vgl. auch Art 6 Abs 1 MRK) ist aber dadurch gesichert, daß der Richter nicht nur im außerstreitigen Verfahren zur Wahrung der Interessen des Betroffenen verpflichtet ist, sondern überdies die Bestimmung der Belohnung seines pflichtgemäßen Ermessens obliegt. Die vom Rekursgericht in Übereinstimmung mit Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu §§ 266, 267, vertretene Meinung (vgl. auch WR 393), die Bestellung eines Kollisionskurators sei in einem solchen Fall nicht zu vermeiden, wird nicht geteilt. Im Regelfall genügt die amtswegige Prüfung der Ansprüche des Sachwalters unter Bedachtnahme auf das Wohl des Leistungspflichtigen, dem nicht in übergroßer Vorsicht durch Bestellung eines weiteren Kurators, auf den die ohnedies unter der Sanktion einer Amtshaftung stehende Amtspflicht abgeschoben wird, eine zusätzliche Belastung mit Kuratorkosten auferlegt werden soll (vgl. § 2 Abs 2 Z 11 AußStrG).

Es ist daher im allgemeinen entbehrlich, allein zur Vertretung des Betroffenen im Verfahren zur Festsetzung der Sachwalterbelohnung einen Kollisionskurator zu bestellen, der bei pflichtgemäßem Vorgehen - insbesondere Einbringung von Rechtsmitteln in diesem sich periodisch wiederholenden Vorgang - erneut Ansprüche auf eine Honorierung stellen könnte. (Diese Honorierung müßte überdies wieder durch einen Kurator geprüft werden, wobei eine gegenseitige Prüfung mit dem Sachwalter eine neue Kollision befürchten ließe.) Es genügt deshalb, daß die Interessen des Betroffenen bei der amtswegigen Prüfung der Belohnungsansprüche vom Richter gewahrt werden. Dieser Ansicht ist der Vorzug zu geben (Wentzel-Piegler in Klang I/2, 493; Knell, Kuratoren, 232 und 246; JBl 1936, 282).

Wenn aus besonderem Anlaß, etwa bei besonders hohen, den Aufwand rechtfertigenden Ansprüche auf Belohnung und Aufwandersatz oder in Fällen, in denen eine vom Rekursgericht für erforderlich gehaltene Geltendmachung von Verzicht oder Verjährung geboten ist und der Betroffene auch außerstande ist, seine Rechtsposition selbst vorzutragen, die Notwendigkeit der Bestellung eines Kurators besteht, bedeutet dies nicht, daß im Regelfall ebenso vorzugehen ist. Im zu beurteilenden Fall sind keine Umstände erkennbar, daß die Rechte des Betroffenen nur durch einen Kollisionskurator gewahrt werden könnten und die amtswegige Wahrnehmung des Wohls des Betroffenen seine Interessen nicht ausreichend wahren würde.

Die Kollisionskuratorbestellung hat deshalb zu entfallen.

Der Revisionsrekurswerber hat Kosten seines Rechtsmittels verzeichnet. Im Verfahren außer Streitsachen besteht aber abgesehen von besonderen Regelungen (etwa § 234 AußStrG oder § 45 KartG) keine Kostenersatzpflicht (Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen, MGA2, 22 Anm 7 zu § 2 AußStrG).

Anmerkung

E28708

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00513.92.0311.000

Dokumentnummer

JJT_19920311_OGH0002_0030OB00513_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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