TE OGH 1992/3/19 7Ob519/92

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Veröffentlicht am 19.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der kündigenden Partei Dr. Friedrich H*****, vertreten durch Dr. Filip Sternberg, Rechtsanwalt in Wien, wider die gekündigte Partei Botho H*****, vertreten durch Dr. Günther Hummer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revisionsrekurses der kündigenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 24. Oktober 1991, GZ 41 R 633/91-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8.August 1991, GZ 48 K 36/91-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung aufgetragen.

Die Rekurs- und die Revisionsrekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt wurde dem Gekündigten die Aufkündigung vom 8.3.1991 nach einem ersten erfolglosen Zustellversuch am 14.3.1991, bei dem im Postbrieffach des Gekündigten die Aufforderung hinterlassen wurde, am 15.3.1991 anwesend zu sein, nach neuerlichem Nichtantreffen des Gekündigten und unter Hinterlassung einer Hinterlegungsanzeige wiederum im Postbrieffach des Gekündigten noch am gleichen Tag durch Hinterlegung beim Zustellpostamt 1010 Wien zugestellt und der Beginn der Hinterlegungsfrist mit 15.3.1991 bestimmt. Der Gekündigte war am 14.3.1991 in der Früh um ca. 6 Uhr nach Kärnten zu einem Geschäftspartner gefahren und hielt sich bei diesem zwei Tage auf. Er kam am 16.3.1991 (einem Samstag) gegen Mittag nach Wien zurück, fuhr aber direkt zu seiner Tochter nach Wien 21., Schippergasse 61 und hielt sich dort bis Montag (früh?) am 18.3.1991 auf. Er fuhr an diesem Tag nach Prag, von wo er in der Nacht vom 19. auf den 20.3.1991 wieder in die aufgekündigte Wohnung zurückkehrte. Jedenfalls vor einer neuerlichen Abreise nach Prag am 23.3.1991 hat der Gekündigte die Post aus dem Hausbrieffach behoben. Den beiden Zustellern war die Ortsabwesenheit des Gekündigten nicht bekannt. Sie haben die Verständigung und die Hinterlegungsanzeige so in das Hausbrieffach des Gekündigten hineingelegt, daß sie zuoberst, sohin über der sonstigen Post, die zumeist aus Werbematerial bestand, lag. Ein Hineinrutschen der Anzeige in die Werbeprospekte war nicht möglich. Bei Würdigung der Bescheinigungsmittel hielt das Erstgericht fest, "daß auch der Umstand, daß der Gekündigte beide Anzeigen nicht vorgefunden haben will, ein allfälliges Hineinrutschen der beiden Anzeigen (in das Werbematerial) noch unwahrscheinlicher macht". Das Erstgericht wies daher die vom Gekündigten am 25.7.1991 mit der Begründung, er habe zuvor von der gesetzwidrig erfolgten Zustellung der Aufkündigung keine Kenntnis gehabt, erhobenen Einwendungen als verspätet zurück. Die ursprünglich gesetzwidrige Zustellung infolge Ortsabwesenheit des Gekündigten sei am 20.3.1991 geheilt worden.

Das Rekursgericht hob mit der angefochtenen Entscheidung diesen Beschluß auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Es ging aufgrund der vom Erstgericht aufgenommenen Bescheinigungsmittel davon aus, daß der Gekündigte bei Behebung seiner Post aus dem Hausbrieffach zwischen dem 20. und 23.3.1991 weder eine Hinterlegungsanzeige noch eine Ankündigung für einen zweiten Zustellversuch vorgefunden hat. Es sei durchaus plausibel, daß nach dem 15.3.1991 in das Postfach des Gekündigten Werbematerial gelegt worden sei, was dazu geführt habe, daß der Gekündigte die Aufforderung und die Hinterlegungsanzeige infolge der gerichtsbekannt geringen Auffälligkeit dieser Nachrichten nicht entdeckt habe. Rechtlich folgerte das Rekursgericht, daß eine trotz Ortsabwesenheit erfolgte Zustellung durch Hinterlegung dann geheilt werde, wenn der Empfänger von ihr innerhalb der Abholfrist rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte und dem Empfänger ausreichend Zeit bleibe, die Sendung zu beheben oder den ihm mit der Zustellung bekannt gegebenen Termin wahrnehmen könne. Als Richtschnur für die Rechtzeitigkeit sei der Zeitraum heranzuziehen, der einem ortsanwesenden Empfänger zur Verfügung stehe, dem nur wegen seiner untertags berufsbedingten Abwesenheit von der Abgabestelle eine Gerichtssendung durch Hinterlegung zugestellt worden sei und dem dann am Folgetag noch ausreichend Zeit zur Verfügung stehe, auf diese Sendung zu reagieren. Eine rechtzeitige Rückkehr des Gekündigten liege aber nicht bei der im vorliegenden Fall durch eine Geschäftsreise bedingten längeren Ortsabwesenheit vor, weil der Adressat durch mehrere Tage hindurch nicht mehr zu seiner Abgabestelle zurückgekehrt sei. Darüber hinaus habe der Gekündigte aufgrund der ergänzend getroffenen Feststellungen des Rekursgerichtes keine Kenntnis vom gesetzwidrig erfolgten Zustellvorgang erlangt. Es habe daher keine Heilung eintreten können.

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der kündigenden Partei ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst wäre die Auffassung des Rekursgerichtes zu teilen, daß Hinterlegungen nach § 21 Abs. 2 ZustG nach den Vorschriften des § 17 ZustG zu erfolgen haben (vgl. SZ 60/132). Nicht beigepflichtet werden kann der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß ein Adressat keine Kenntnis vom Zustellvorgang erhalten hat, wenn er die Aufforderung bei einem weiteren Zustellversuch anwesend zu sein und die Hinterlegungsanzeige zufolge des reichlich in sein Postfach eingelegten Reklamematerials übersehen hat, weil diese amtlichen Mitteilungen nur schwer auffällig seien. Ein Übersehen der Zustellaufforderung und der Hinterlegungsanzeige könnte unter Umständen höchstens einen Wiedereinsetzungsgrund bilden.

Trotz der anzunehmenden Kenntnis des Gekündigten vom Zustellversuch durch postamtliche Hinterlegung am 20.3.1991 wäre nach den bisherigen Erhebungen der Zustellvorgang dennoch gesetzwidrig erfolgt. Nach § 17 Abs. 3 4. Satz ZustG gelten Sendungen nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter iS des § 13 Abs. 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Wie in der Entscheidung SZ 57/34 = JBl. 1985, 115 = EvBl. 1984/101 ausgeführt wurde und auf deren Begründung, soweit sie nicht hier wiedergegeben wird, verwiesen wird, hatte der Gesetzgeber bei Erlassung der angeführten Bestimmungen die bisherige Judikatur im Auge, derzufolge eine periodische kurzfristige Abwesenheit tagsüber nicht als Ortsabwesenheit galt, sondern eine in ihrer Dauer entweder unbestimmte oder aber eine, wenn auch kurzfristige, doch unregelmäßige und nicht vorhersehbare Abwesenheit gefordert wurde. Daraus hat die Judikatur abgeleitet, daß die bloß berufsbedingte Abwesenheit untertags ein Zustellhindernis auch dann nicht begründe, wenn der Empfänger am Tag des Zustellversuches nicht mehr in der Lage war, die Sendung zu beheben. Insbesondere wurde hiebei auch ausgeführt, daß eine Ortsabwesenheit, die einer Zustellung durch Hinterlegung entgegensteht, selbst dann nicht anzunehmen ist, wenn sich der Empfänger untertags nicht in der Gemeinde der Zustellung, sondern außerhalb dieser aufgehalten hat (7 Ob 763/82). Eine Auslegung der Bestimmung des § 17 Abs. 3 ZustG ist daher dahin vorzunehmen, daß der Empfänger von der Zustellung dann nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, wenn er nicht in der Lage war, auf die Sendung zum selben Zeitpunkt zu reagieren, zu dem ein Empfänger üblicherweise reagieren hätte können, dem nach dem Willen des Gesetzgebers durch Hinterlegung zugestellt werden durfte. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muß die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden. Der zitierten Entscheidung lag eine Ortsabwesenheit von nur einem Tag zugrunde. Ob sich die in ihr aufgezeigten Konsequenzen auch auf eine zwei- bis dreitägige Abwesenheit erstrecken, muß hier nicht geprüft werden.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kam der am 14.3.1991 gegen 6 Uhr früh nach Kärnten verreisende Gekündigte gegen Samstag mittag, den 16.3.1991 zurück, wobei er direkt in die Wohnung seiner Tochter in Wien 21., Schipperstraße 61 fuhr und von dort am Montag, den 18.3.1991 direkt nach Prag aus geschäftlichen Gründen weiterreiste. Diese kurzfristige Anwesenheit in Wien verpflichtete ihn aber nicht zu einer Rückkehr an die Abgabestelle zur Kontrolle seines Postbrieffaches, zumal er nicht mit dem Erhalt einer amtlichen Sendung rechnen mußte. Vielmehr ist sein kurzfristiger Aufenthalt bei seiner Tochter in Wien der schon vorher begründeten und nachher fortgesetzten Ortsabwesenheit gleichzuhalten. Sieht man von der durch die Größe Wiens bedingten großen Entfernungen zwischen der Abgabestelle und dem Wohnsitz der Tochter des Gekündigten ab, die bei den sonst in Österreich gegebenen Gemeindegrößen zweifellos dazu führt, daß die beiden Wohngelegenheiten in zwei verschiedenen Orten liegen, ab, wäre ein derartig kurzer Aufenthalt im gleichen Ort nicht der Wiederaufnahme des persönlichen und wirtschaftlichen Schwerpunktes in den Räumen der Abgabestelle gleichzuhalten, entspricht doch eine derartige Rückkehr nicht der beschriebenen allabendlichen Heimkehr nach der Arbeitstätigkeit und auch nicht des fallweisen Verbringens einer oder zweier Nächte außerhalb seiner Wohnung. Geht man aber von einer Ortsabwesenheit vom 14.3.1991 bis 20.3.1991 aus, so wäre eine solche nicht mehr jenen Zeiträumen gleichzuhalten, die vom Gesetzgeber mit der berufsbedingten Abwesenheit untertags von der Abgabestelle bei der Formulierung des § 17 Abs. 3 ZustG erfaßt werden sollten.

Der gerügte Verfahrensmangel liegt jedoch vor. In aus verfassungsrechtlichen Erwägungen gebotener Anwendung des § 509 Abs. 3 ZPO auch auf das Rechtsmittelverfahren vor den Rekursgerichten muß den Parteien zur Wahrung des rechtlichen Gehörs Gelegenheit gegeben werden, zu den Ergebnissen der Erhebungen oder Beweisaufnahmen Stellung zu nehmen. Falls sie nicht zu einer Vernehmung geladen werden, sind ihnen die Ergebnisse der Erhebungen zur Kenntnis zu bringen und ihnen eine Frist zur Stellungnahme zu setzen (SSV-NF 4/151; SSV-NF 3/77 = JBl. 1990, 335 mit eingehender Begründung uwN).

Damit kommt dem Vorwurf des Revisionswerbers, vom Bescheinigungsverfahren gesetzwidrig ausgeschlossen worden zu sein, Bedeutung zu. Das Erstgericht hat es unterlassen, die zur Klärung der Ortsabwesenheit des Gekündigten notwendigen weiteren Erhebungen durchzuführen. Das dem angefochtenen Beschluß vorangegangene Verfahren leidet daher an wesentlichen Mängeln, die eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Ortsabwesenheit des Gekündigten verhindern.

Es waren daher die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E28734

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00519.92.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19920319_OGH0002_0070OB00519_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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