TE OGH 1992/4/7 10ObS129/91

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Veröffentlicht am 07.04.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Roman Merth (Arbeitgeber) und Henrike Blatterer (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anna P*****, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ANGESTELLTEN, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Jänner 1991, GZ 12 Rs 159/90-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. Oktober 1990, GZ 5 Cgs 163/89-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin vom 1.11.1989 an eine Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, besteht dem Grunde nach zu Recht.

2. Der beklagten Partei wird aufgetragen, der Klägerin vom 1.11.1989 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von 5.000 S monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Rechtskraft fällig gewordenen vorläufigen Zahlungen binnen vierzehn Tagen, die weiteren an den Monatsersten im vorhinein.

3. Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der Klägerin binnen vierzehn Tagen die einschließlich 907,12 S Umsatzsteuer mit 5.442,72 S bestimmten Kosten erster Instanz, die einschließlich 503,04 S Umsatzsteuer mit 3.018,24 S bestimmten Kosten der Berufung und die einschließlich 603,84 S Umsatzsteuer mit 3.623,04 S bestimmten Kosten der Revision zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 19.7.1989 wies die beklagte Partei den Antrag der am 16.10.1934 geborenen Klägerin vom 23.3.1989 auf Berufsunfähigkeitspension unter Anführung der erhobenen Diagnosen mangels Berufsunfähigkeit iS des § 273 Abs 1 ASVG ab.

Die dagegen rechtzeitig erhobene Klage richtete sich auf eine Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß vom 1.4.1989 an und stützte sich darauf, daß die Arbeitsfähigkeit der Versicherten infolge des im einzelnen dargestellten körperlichen und geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken sei - also auf Berufsunfähigkeit iS des § 273 Abs 1 ASVG -, wobei zur Ausbildung und zu den Kenntnissen und Fähigkeiten nichts vorgebracht wurde. In der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 17.9.1990 ergänzte die Klägerin, daß sie vom 10.8.1970 bis 31.3.1979, seit 1.11.1971 im Angestelltenverhältnis, in der oö Verkaufsniederlassung einer österreichischen Spezialfabrik für elektrische Haushaltsgeräte mit dem Aufgabenschwerpunkt in der Ersatzteile-Lageradministration und Ausgabe der Ersatzteile beschäftigt gewesen sei. Weiters schränkte sie die Klage dahin ein, daß sie die Berufsunfähigkeitspension - offensichtlich nunmehr nach § 273 Abs 3 ASVG - erst vom 1.11.1989 an - das ist der der Vollendung ihres 55.Lebensjahres folgende Monatserste - begehrt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie verwies auf die Begründung des bekämpften Bescheides und wendete ein, die erhobenen Leiden setzten die als Lagerangestellte im Elektroersatzteillager und Hilfsarbeiterin tätig gewesene Klägerin nicht außerstande, ihre bisherige Berufstätigkeit oder eine ähnliche zumutbare Beschäftigung auszuüben.

In der Tagsatzung vom 17.9.1990 stellte die beklagte Partei der Höhe nach eine vorläufige Zahlung von 5.000 S (monatlich) außer Streit, nachdem die Klägerin bereits in der Klage unter Berufung auf ihre - allerdings nicht näher genannten - anrechenbaren Versicherungszeiten, der sich daraus ergebenden Bemessungsgrundlagen und ihrer Familienverhältnisse eine vorläufige Zahlung von 7.500 S monatlich beantragt hatte.

Das Erstgericht wies die eingeschränkte Klage ab.

Es stellte fest, daß die Klägerin, welche die Volksschule abgeschlossen hat, von 1949 bis Juli 1970 als Landarbeiterin, Küchenhilfe, Hausgehilfin, Hilfskraft, Hilfsarbeiterin, Glasschleiferin und neuerlich Hilfsarbeiterin und von August bis Dezember 1970 als Arbeiterin, von Jänner 1971 bis März 1979 als Angestellte bei der EB(GesmbH) in Linz beschäftigt war. Dort lag ihr Aufgabenschwerpunkt in der Ersatzteillageradministration und in der Ausgabe der Ersatzteile für Haushaltsgeräte, (und zwar) Waschmaschinen, Gefriertruhen etc. Sie mußte diese Ersatzteile aus dem Lager holen, deren Entnahme in eine Kartei eintragen und die Ersatzteile den Kunden aushändigen. Wenn diese nicht bar zahlten, hatte sie einen Lieferschein auszustellen und in der Buchhaltung abzugeben. Bei Barzahlung gab sie einen Zettel mit, nahm aber kein Geld entgegen bzw kassierte nicht. Sie händigte auch von Kundendienstmitarbeitern benötigte Ersatzteile aus. Weiters hatte sie die Kleingeräte, und zwar Brotschneidemaschinen, Kaffeemaschinen uä, "über". Beim Verkauf solcher Geräte kamen die Kunden mit einem entsprechenden Lieferschein zur Klägerin, die ihnen auf Grund des Lieferscheins die Geräte aus dem Lager aushändigte. Verkaufsgespräche wurden von der Klägerin nicht geführt. Sie mußte allerdings auch das Ersatzteilelager für diese Kleingeräte führen. Anhand der ihr überbrachten Lieferscheine hatte sie auch Ersatzteile für den Versand vorzubereiten. Sie mußte jedoch keine Lieferscheine oder Rechnungen schreiben. Die eingelangten Lieferungen hatte sie in entsprechende Regale einzuordnen. Dabei mußte sie, insbesondere bei Waschmaschinenmotoren, die etwa 17 kg wogen, auch schwere Lasten heben. Solche Motore wurden regelmäßig alle vierzehn Tage geliefert, eine Lieferung bestand aus etwa 30 bis 40 Motoren. Die Klägerin hatte aber auch andere schwere Geräte einzuräumen, und zwar Waschmaschinentrommeln und Flansche für Nachtspeicheröfen. Beim Einräumen der Regale oder Holen von Ersatzteilen aus den Regalen mußte sie auch auf Leitern steigen und über Kopf arbeiten. Zum Tragen der schwereren Lasten standen ihr keine Hilfsgeräte zur Verfügung. Die Karteiarbeiten, bei denen sie sitzen konnte, benötigten etwa eine halbe Stunde pro Tag. Bei den übrigen Arbeiten, zu denen auch Reinigungsarbeiten gehörten, mußte sie gehen und stehen. Seit April 1979 war die Klägerin nicht mehr berufstätig.

Aus orthopädischer Sicht ist die Klägerin für leichte und fallweise mittelschwere Arbeiten geeignet, die abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen und zur Vermeidung von Nässe, Kälte und Zugluft unbedingt in geschlossenen Räumen geleistet werden sollten. Das Heben bis zehn, fallweise bis 25 kg schwerer Gegenstände und das Tragen bis 5, fallweise bis 13 kg schwerer Gegenstände ist zumutbar. Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten und langes, durchgehendes Stehen an Maschinen sollte vermieden werden; Fließbandarbeiten sind unzumutbar. Unter diesen Bedingungen ist eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden ohne zusätzliche Unterbrechungen zumutbar.

Von interner Seite ist die Klägerin für leichte, nach exakter, ihr zumutbarer Blutdruckeinstellung auch für mittelschwere Arbeiten ohne weitere Einschränkungen belastbar.

Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht kann die Klägerin leichte, fallweise auch mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen verrichten. Dabei sind keine Unterbrechungen, die das arbeitsübliche Ausmaß übersteigen, erforderlich. Auszuschließen sind Arbeiten, die mit häufigem Bücken, mit der Extremhaltung der Wirbelsäule und einem überdurchschnittlichen Zeitdruck verbunden sind. Bezüglich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bzw der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bestehen keine Einschränkungen.

Die Klägerin ist nicht umschulbar, aber anlernbar, unterweisbar und einordenbar. Sie kann keine Arbeiten leisten, die schriftliche Fertigkeit voraussetzen oder Konzentration im schriftlichen Bereich verlangen. Auszuschließen sind auch Arbeiten mit starker psychischer Belastung, wie Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit, Tätigkeiten, die Eigeninitiative fordern oder mit besonderer Verantwortung einhergehen.

Auf Grund dieses medizinischen Leistungskalküls ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, die zuletzt bei der EB(GesmbH) bis 1979 ausgeübte Tätigkeit zu verrichten.

Sie ist jedoch unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ua noch als Raumpflegerin in Büros und Kanzleien, Abserviererin und Tischabräumerin in Selbstbedienungsrestaurants und Gemeinschaftsküchen, Geschirrspülerin und Küchenhilfe und Bürohilfskraft einsetzbar, wofür es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl gibt.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes habe die Klägerin mit geringen Ausnahmen Arbeitertätigkeiten verrichtet. Sie bleibe zwar der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten leistungszugehörig und letztere leistungszuständig, doch sei der Eintritt des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit inhaltlich nach § 255 ASVG zu prüfen. Sowohl bei einem Stichtag 1.4.1989 als auch 1.11.1989 liege insbesondere die Voraussetzung des Abs 4 lit c dieser Gesetzesstelle nicht vor. Die Klägerin sei seit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zur EB(GesmbH) im Jahre 1979 nicht mehr berufstätig gewesen. Bei einem Stichtag 1.11.1989 reiche der "Bemessungszeitraum" (richtiger: Beobachtungszeitraum) (vom 1.11.) 1974 bis 1.11. (richtig: 31.10.) 1989. Während dieser Zeit habe die Klägerin nur in fünf Jahren Beitragsmonate erworben und damit nicht in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit ausgeübt. Die Minderung ihrer Arbeitsfähigkeit sei daher nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen und wegen der Verweisungsmöglichkeiten zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der wegen eines Feststellungsmangels und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge.

Die vermißte Tatsachenfeststellung, daß die Klägerin zum Stichtag 1.11.1989 180 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben habe, fehle zwar im Sachverhaltsteil, sei aber in der rechtlichen Beurteilung nachgetragen worden.

Auch bei den § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG nachgebildeten Bestimmungen des § 255 Abs 4 lit c und § 273 Abs 3 lit c leg cit komme es darauf an, daß die den Berufsschutz auslösende Tätigkeit während des Beobachtungszeitraumes auch tatsächlich überwiegend ausgeübt worden sei. Entscheidend sei also nicht, daß in den Beobachtungszeitraum nur Beitragsmonate einer gleichen oder gleichartigen Berufsausübung fielen, sondern, daß die Beschäftigung während des Beobachtungszeitraumes die Zeiten einer anderen Tätigkeit oder Zeiten ohne Ausübung eines Berufes überwiege. Es könne nämlich keinen Unterschied machen, ob der Versicherte während des Beobachtungszeitraumes überwiegend eine andere Beschäftigung ausgeübt habe, was den Berufsschutz für die kürzer ausgeübte Tätigkeit ausschließe, oder ob er überwiegend keiner Beschäftigung nachgegangen sei. Ansonsten käme man zu dem unhaltbaren Ergebnis, daß ein Pensionswerber, der im Beobachtungszeitraum nur einen einzigen Beitragsmonat durch eine bestimmte, vorher von ihm noch nie ausgeübte Arbeit erworben habe, für diese Tätigkeit Berufsschutz erwerben könnte. Diese zugegebenermaßen vom Wortlaut des § 255 Abs 4 lit c ASVG her mögliche Auffassung widerspreche den Intentionen des Gesetzgebers.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 255 Abs 4 lit c bzw § 273 Abs 3 lit c ASVG gilt der Versicherte auch als invalid bzw berufsunfähig, wenn er

a)

das 55.Lebensjahr vollendet hat,

b)

am Stichtag 180 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben hat,

              c)              in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs 2) eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit ausgeübt hat und

              d)              infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch diese Tätigkeit (lit c) wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch einen solche Tätigkeit zu erzielen pflegt.

Daß die Klägerin das 55.Lebensjahr vollendet hat und am Stichtag 1.11.1989 180 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben hat, ist nicht strittig.

Entgegen der Meinung der Vorinstanzen hat sie aber auch in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit ausgeübt. In diesem Beobachtungszeitraum liegen 50 Beitragsmonate der Pflichtversicherung, nämlich die der Beschäftigung bei der EBGesmbH in Linz, in der die Klägerin eine gleiche Tätigkeit im Ersatzteilelager ausgeübt hat, und 13 Ersatzmonate vor.

Daß der Gesetzgeber in den §§ 255 Abs 4 lit c und 273 Abs 3 lit c, aber auch im § 255 Abs 2 ASVG von Beitragsmonaten spricht, ist kein Versehen. In der letztgenannten Gesetzesstelle wurde erst durch die

25. ASVGNov BGBl 1970/385 das ursprüngliche Wort "Versicherungsmonate" durch das Wort "Beitragsmonate" ersetzt, weil befürchtet wurde, daß durch die damals eingeführten Ersatzzeiten Versicherte des besonderen, im § 255 Abs 2 ASVG begründeten leistungsrechtlichen Schutzes verlustig gehen könnten (AB 225 BlgNR 12. GP 4). Als in der RV zur 32.ASVGNov im § 245 Abs 3 ASVG die Bestimmung, daß Versicherungsmonate, die mehr als zehn Jahre vor dem Stichtag liegen, bei der Beurteilung der Leistungszugehörigkeit nur zur Hälfte zählen, fallen gelassen wurde, schlug der Ausschuß vor, in Anpassung an diese Änderung solle auch im Rahmen des Invaliditätsbegriffes bei der Beurteilung der überwiegend ausgeübten Berufstätigkeit die mindere Gewichtung der mehr als zehn Jahre vor dem Stichtag liegenden Beitragsmonate entfallen (AB zur 32. ASVGNov 388 BlgNR 14.GP 10).

Die Auslegung des Berufungsgerichtes, wonach ein Versicherter nach den §§ 255 Abs 4 lit c bzw 273 Abs 3 lit c ASVG die gleiche oder gleichartige Tätigkeit in mindestens der Hälfte der Kalendermonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt haben müßte, scheitert daran, daß der äußerste mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung absteckt (Larenz, Methodenlehre6 324, 343; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I8, 21), und - wie sich insbesondere aus den zit. Materialien zur 25. und 32. ASVGNov ergibt - kein Grund ersichtlich ist, daß sich der Gesetzgeber bei der Wahl des Begriffes "Beitragsmonate" vergriffen hätte.

Der erkennende Senat hat zwar in anderem Zusammenhang wiederholt ausgesprochen, daß Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung nicht als solche gewertet werden können, in denen eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit iS des § 255 Abs 4 lit c oder des § 273 Abs 3 lit c ASVG ausgeübt wurde (SSV-NF 3/17, 4/87, 4/107). Dabei wurde aber darauf hingewiesen, daß diese Bestimmungen den Erwerber freiwilliger Beitragszeiten nicht grundsätzlich schlechter stellen als einen Versicherten, der nach Beendigung der Beschäftigung innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag keine Beiträge leistet. Der Erwerb weiterer Versicherungszeiten (durch freiwillige Beitragsmonate) führt nämlich in der Regel dazu, daß die Versicherungsleistung überhaupt erst ermöglicht oder zumindest der Höhe nach verbessert wird (SSV-NF 4/87). Für eine einschränkende Auslegung dahin, daß unter Beitragsmonaten iS der zit Gesetzesstellen nur solche aus einer Pflichtversicherung gemeint seien, fanden sich keine Anhaltspunkte (SSV-NF 4/107). Anderseits besteht aber auch, wie schon ausgeführt, keine Möglichkeit, den Begriff "Beitragsmonate" korrigierend iS von "Kalendermonate" zu interpretieren (im Ergebnis ebenso OLG Wien 29.4.1983 SSV 23/52).

Der vom Berufungsgericht dargestellte Extremfall eines Pensionswerbers, der im Beobachtungszeitraum nur einen einzigen Beitragsmonat erworben hat, muß ebenso wie der Fall der Klägerin als Ausnahme von üblichen Versicherungsverläufen gesehen werden, wobei der Nichterwerb weiterer Beitragsmonate häufig auf vom Versicherten nicht zu beeinflussenden Gründen beruhen wird. Die gesetzliche Regelung kann zwar in Einzelfällen - wie dem vom Berufungsgericht gewählten Beispiel - zu unbilligen Ergebnissen führen, ist jedoch für die Regelfälle noch als sachgerecht anzusehen, weshalb der erkennende Senat die Bedenken der Revisionsgegerin gegen die Verfassungsgemäßheit dieser Bestimmungen nicht teilt.

Damit erfüllt die Klägerin auch die in den §§ 255 Abs 4 lit c bzw 273 Abs 3 lit c ASVG genannte Voraussetzung.

Daß sie infolge ihres körperlichen und geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch die in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübte Tätigkeit im Ersatzteilelager wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt, ergibt sich aus den unbestrittenen Feststellungen, so daß auch die in den §§ 255 Abs 4 lit d bzw 273 Abs 3 lit d ASVG genannte Voraussetzung erfüllt ist.

Damit gilt die Klägerin vom 1.11.1989 an als invalid bzw berufsunfähig iS der §§ 255 Abs 4 bzw 273 Abs 3 ASVG, weshalb sie nach § 272 Abs 1 leg cit Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension hat.

Daraus ergibt sich, daß das auf diese Geldleistung im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klagebegehren vom genannten Tag an in einer zahlenmäßig noch nicht bestimmten Höhe gerechtfertigt ist. Der Rechtsstreit kann daher nach § 89 Abs 2 ASGG wie aus dem Spruch ersichtlich erledigt werden, wobei hinsichtlich des Ausmaßes der vorläufigen Zahlung die diesbezügliche Außerstreitstellung in der Tagsatzung vom 17.9.1990 berücksichtigt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.

Anmerkung

E29409

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00129.91.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19920407_OGH0002_010OBS00129_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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