TE OGH 1992/4/28 10ObS83/92

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Veröffentlicht am 28.04.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Göstl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alfred Klair (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Edith G*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Thomas Furherr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 1991, GZ 31 Rs 175/91-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7. Mai 1991, GZ 7 Cgs 139/90-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1. April 1990 gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß die am 22. Juni 1939 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernte und in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag als Hilfsarbeiterin beschäftigt war, auf Grund ihres Gesundheitszustandes noch leichte Arbeiten in jeder Körperhaltung in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen verrichten könne, geistige Arbeiten allerdings nur einfacher Art. Ausgeschlossen sind ständiger besonderer Zeitdruck, Arbeiten an gefährdenden Maschinen und auf erhöhten Plattformen. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß die Klägerin beispielsweise als Garderobe- und Badewartin, Wartefrau, Tagesportierin, Bürobotin oder Saaldienerin tätig sein könne, so daß die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG nicht vorlägen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen des gerügten Verfahrensmangels, billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und trat auch dessen rechtlicher Beurteilung bei. Da es ausreiche, daß die Klägerin rein abstrakt eine bestimmte Verweisungstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die in ausreichender Anzahl vorhanden sei, ausüben könne, komme es nicht auf die konkrete Arbeitsmarktlage aber auch nicht darauf an, ob die Klägerin einen konkreten Arbeitsplatz finden könne. Das Erstgericht habe zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 255 Abs 3 ASVG verneint.

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor. Die Frage, ob ein gerichtliches Sachverständigengutachten die getroffenen Feststellungen rechtfertigt, gehört ebenso wie jene, ob ein Gutachten erschöpfend ist, in das Gebiet der irrevisiblen Beweiswürdigung (SSV-NF 3/160 ua). Folgen die Tatsacheninstanzen einem Sachverständigengutachten, das weder gegen zwingende Denkgesetze noch gegen Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstößt, so können deren Feststellungen im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden (SSV-NF 3/14 ua). Ein Mangel des Berufungsverfahrens wäre insoweit nur dann gegeben, wenn sich das Berufungsgericht mit dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung überhaupt nicht befaßt hätte (SZ 43/205; EFSlg. 44.103; SSV-NF 1/49 ua.; jüngst 10 Ob S 228/91, 10 Ob S 11/92). Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht mit der in der Berufung enthaltenen Beweisrüge eingehend auseinandergesetzt. Es verwies darauf, daß die Beurteilung vorhandener Leiden und ihrer Auswirkungen auf das Leistungskalkül Sache der medizinischen Sachverständigen sei und daß deren fachkundige Schlüsse nicht durch eine laienhafte, wenn auch lebensnahe Würdigung widerlegt werden könne, sofern die Gutachten als solche schlüssig und widerspruchsfrei seien. Die Berufung begründe nicht, warum eine Klumpfußbildung und thrombotische Veränderungen Arbeiten im Gehen und Stehen ausschließen müßten. Daß die Klägerin Beschwerden habe, sei ohne weiteres glaubhaft, jedoch führe der Sachverständige aus, daß bei der Versorgung mit orthopädischem Schuhwerk eine wenn auch nicht kalkülsändernde Besserung zu erwarten wäre. Die zweifellos gegebenen subjektiven Beschwerden könnten daher die Gutachten und die getroffenen Feststellungen nicht in Zweifel ziehen. Die Ausführungen der Revisionswerberin in ihrer Mängelrüge, Bewegungseinschränkungen in den Hüft- und Kniegelenken und ein Herzmuskelschaden mit Neigung zum Herzjagen stünden im Widerspruch zu dem Schluß, daß leichte Arbeiten in jeder Körperhaltung verrichtet werden könnten, ist inhaltlich eine im Revisionsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die noch nicht 55 Jahre alte Klägerin, die keinen Beruf erlernte und als Hilfsarbeiterin tätig war, nach dem festgestellten medizinischen Leistungskalkül noch auf eine Reihe von geistig einfachen, körperlich leichten Tätigkeiten verwiesen werden kann und daher die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension nach dem für sie maßgebenden § 255 Abs 3 ASVG nicht erfüllt, ist zutreffend.

Ergänzend ist der Rechtsrüge, die im wesentlichen die Unvollständigkeit der Sachverhaltsgrundlagen wegen Fehlens von Feststellungen über die Anforderungen in den Verweisungsberufen bemängelt und insoweit auch eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit behauptet, entgegenzuhalten, daß es solcher Feststellungen nicht bedarf, wenn die Anforderungen in den Verweisungsberufen offenkundig sind (SSV-NF 2/77 uva). Dies muß auf Grund der besonderen Zusammensetzung der sozialgerichtlichen Senate bei weit verbreiteten Tätigkeiten, deren Anforderungen allgemein bekannt sind, angenommen werden (SSV-NF 2/109 uva) und trifft auch auf die vom Erstgericht beispielsweise genannten Verweisungstätigkeiten einer Garderobefrau, Bürobotin, Saaldienerin und dgl. zu. Daß die Klägerin häufigere und längere Krankenstände zu erwarten hätte, wurde nicht festgestellt und ergibt sich auch nicht aus den ärztlichen Gutachten; die Revision geht insoweit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Warum eine Ungleichbehandlung der Klägerin darin zu erblicken wäre, daß auf eine gemindert arbeitsfähige Person dieselben Regeln angewendet würden, wie auf eine voll arbeitsfähige Person, ist nicht einsichtig. Kann ein Versicherter zumutbare Verweisungstätigkeiten ohne jede Einschränkung, also wie ein körperlich und geistig gesunder Versicherter ausüben, dann ist nicht daran zu zweifeln, daß er durch die Verweisungstätigkeit das Entgelt erwerben kann, das jeder andere dafür voll geeignete Arbeiter regelmäßig zu erzielen pflegt, wobei es nicht darauf ankommt, ob das Entgelt kollektivvertraglich geregelt ist (SSV-NF 4/33 ua). Insgesamt vermag die Klägerin eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache nicht darzutun.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. b ASGG (SSV-NF 1/19, 2/26, 27 uva).

Anmerkung

E29420

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00083.92.0428.000

Dokumentnummer

JJT_19920428_OGH0002_010OBS00083_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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