TE OGH 1992/4/29 2Ob18/92

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Veröffentlicht am 29.04.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard S*****, vertreten durch Dr.Paul Meyer, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Verband *****, vertreten durch Dr.Hans Kreinhöfner und Dr.Thomas Mader, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,045.428,79 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6.November 1991, GZ 18 R 172/91-74, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26.Juni 1991, GZ 30 Cg 743/89-66, als Teilurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird hinsichtlich der Abweisung eines Teilbetrages von S 100.000 nicht Folge gegeben.

Hinsichtlich der Abweisung eines Teilbetrages von S 30.000 samt Zinsen wird der Revision Folge gegeben. In diesem Umfang wird das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten der Revision sind gleich weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stellte zuletzt folgendes Begehren (ON 50):

1. Schmerzengeld für die Zeit von

Anfang 1977 bis zum 10.Juli 1989              S   760.000,--

2. Entschädigung gemäß § 1326 ABGB            S    30.000,--

3. Vermehrte Aufwendungen, Fahrt-

kosten, sonstige Spesen                       S     2.000,--

4. Verdienstentgang                           S   307.068,79

                                              S 1,045.428,79.

Eine Addition der geltend gemachten Beträge ergibt nicht den Klagsbetrag von S 1,045.428,79, sondern S 1,099.068,79.

Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Betrag von S 302.000 samt Zinsen (S 300.000 Schmerzengeld und S 2.000 für Aufwendungen, Fahrtkosten und Spesen) zu und wies das Mehrbegehren von S 743.428,79 (ausgehend vom Klagebegehren von S 1,045.428,79 richtig berechnet) sowie ein Zinsenmehrbegehren ab.

Die Beklagte bekämpfte den Zuspruch eines Betrages von S 200.000 mit Berufung, der Kläger die Abweisung von S 730.068,79 (S 400.000 Schmerzengeld, S 307.068,79 Verdienstentgang und S 30.000 Verunstaltungsentschädigung samt Zinsen).

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und jener des Klägers nur hinsichtlich des Verdienstentganges von S 307.068,79. Bezüglich dieses Betrages sowie im Kostenpunkt wurde das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Den klagsstattgebenden Teil (S 302.000) sowie die Abweisung eines Betrages von S 460.000 und des Zinsenmehrbegehrens bestätigte das Berufungsgericht mit Teilurteil. Die Summe des bestätigten stattgebenden und abweisenden Teiles sowie des Betrages, der vom Aufhebungsbeschluß betroffen ist, beträgt S 1,069.068,79, also um S 23.640 mehr als das Klagebegehren, allerdings um S 30.000 weniger als die Summe der vom Kläger geforderten Beträge. Das Gericht zweiter Instanz führte in den Entscheidungsgründen zwar die Beträge an, die der Kläger geltend gemacht hat, es legte auch dar, welche Forderungen das Erstgericht als berechtigt und welche es als nicht berechtigt ansah, bei Behandlung der Berufung erörterte das Berufungsgericht allerdings nur das Schmerzengeld und den Verdienstentgang sowie das Zinsenbegehren, die Verunstaltungsentschädigung wurde nicht erwähnt. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision hinsichtlich der Abweisung eines Teilbetrages von S 130.000 (S 100.000 Schmerzengeld und S 30.000 Verunstaltungsentschädigung) und begehrt den Zuspruch eines weiteren Betrages von S 130.000 samt Zinsen. Hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungsantrag.

Die Mitteilung des Obersten Gerichtshofes über die Freistellung der Revisionsbeantwortung (§ 508 a Abs 2 ZPO) wurde dem Vertreter der Beklagten am 5.März 1992 zugestellt. Die Frist für die Revisionsbeantwortung endete daher am 2.April 1992. Die Revisionsbeantwortung wurde am 31.März 1992 zur Post gegeben und langte am 1.April 1992 beim Erstgericht, an das die Sendung adressiert war, ein. Das Erstgericht leitete die Revisionsbeantwortung an den Obersten Gerichtshof weiter, wo sie am 15.April 1992 einlangte. Da gemäß § 508 a Abs 2 ZPO bei einer außerordentlichen Revision die über Auftrag des Obersten Gerichtshofes erstattete Revisionsbeantwortung beim Revisionsgericht einzubringen ist, das Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof aber erst nach Ablauf der für die Revisionsbeantwortung offenstehenden vierwöchigen Frist zugekommen ist, mußte die Revisionsbeantwortung zurückgewiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist teilweise berechtigt. Der Revisionswerber führt zur Entschädigung nach § 1326 ABGB aus, das Erstgericht habe diese Forderung zu Unrecht abgewiesen, das Berufungsgericht habe darüber keine Entscheidung getroffen.

Der Umstand, daß das Berufungsgericht über Beträge entschieden hat, die insgesamt um S 30.000 geringer sind als die Summe der vom Kläger geltend gemachten Beträge, könnte zwar dafür sprechen, daß die Verunstaltungsentschädigung tatsächlich nicht Gegenstand der Berufungsentscheidung war. Da das Berufungsgericht aber über Beträge entschieden hat, die höher sind als die mit Berufung bekämpften Teile des Ersturteiles und auch höher als das Klagebegehren, kann nicht davon ausgegangen werden, über einen Teil der Berufung sei nicht entschieden worden. Das Urteil des Berufungsgerichtes kann hinsichtlich der Entschädigung nach § 1326 ABGB nicht überprüft werden, weil es dazu keinerlei Ausführungen enthält. Insoweit ist die Revision aus Gründen des Verfahrensrechtes zulässig, das Urteil mußte hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von S 30.000 aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen werden.

Da die Berufung zulässig ist, hat sich der Oberste Gerichtshof auch mit der Höhe des Schmerzengeldes zu befassen. Dabei ist von folgendem wesentlichen Sachverhalt auszugehen:

Der Kläger erlitt als Folge des Unfalles vom 21.Dezember 1973 eine Verrenkung im linken Hüftgelenk mit Abbruch des hinteren Randes der Gelenkspfanne sowie einen offenen Bruch des linken Unterschenkels. Er wurde von der Unfallstelle in das Krankenhaus eingeliefert, wo er operativ versorgt wurde und bis zum 26. Februar 1974 in stationärer Behandlung verblieb. Die Verrenkung des Hüftgelenkes wurde operativ behoben, der ausgebrochene Pfannenrand mittels Schraube fixiert. Der offene Unterschenkelbruch wurde durch Marknagelung versorgt. Das Osteosynthesematerial wurde bei einem stationären Aufenthalt im Jahre 1977 entfernt. Zufolge der Verletzung des Hüftgelenkes kam es zu ausgedehnten Veränderungen im Gelenksbereich im Sinne einer posttraumatischen Koxarthrose. Es kam zu einer Verkürzung des linken Untergliedmaßes um 1,5 cm und zum Auftreten einer linksseitigen Lähmung des nervus peroneus. Am linken Bein trat Muskelschwund am Ober- und Unterschenkel ein. Vom Unfallszeitpunkt bis 13.Jänner 1977 hatte der Kläger durch 5 bis 6 Tage schwere Schmerzen, durch 32 bis 34 Tage mittlere Schmerzen und durch 101 bis 106 Tage leichte Schmerzen erlitten. Alle Ansprüche des Klägers bis 13.Jänner 1977 wurden im Vergleichswege bereinigt. An Schmerzengeld erhielt der Kläger damals einen Betrag von S 50.000. Die weitere Entwicklung des Gesundheitszustandes des Klägers war damals nicht abzusehen. Der Kläger befand sich neuerlich vom 19.September bis 4.Oktober 1977 in stationärer Behandlung, wobei am 20.September eine Exostoseabmeißelung eines Exophyten am linken Pfannendach erfolgte. Anschließend wurde der Kläger in ambulante Behandlung entlassen. Zufolge auftretender Beschwerden und Schmerzen befand sich der Kläger vom 5. bis 21.Februar 1987 neuerlich im Krankenhaus wegen der Koxarthrose links, die ihm Jahr davor zunehmend hohe Schmerzen im Hüftgelenk verursacht hatte. Im Röntgen konnten damals ausgedehnte Verkalkungen im Bereich des gesamten Hüftgelenkes, eine Kopfdeformierung und -entrundung festgestellt werden. Im Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus war die Hüfte wieder frei beweglich. Der Kläger ist seit 15.Dezember 1984 verheiratet. Die Einstufung der unfallsbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit nach sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen durch die AUVA erfolgte mit 25 %. Dementsprechend bezog der Kläger eine Unfallsrente ab 1974, die er im Dezember 1984 abfinden ließ. In der Zeit vom 13.Jänner 1977 bis 12.Juni 1990 erlitt der Kläger gerafft 300 Tage mittelgradige und ca. 440 Tage leichte Schmerzen. Auf Grund der bestehenden Dauerfolgen ist anzunehmen, daß der Kläger jährlich gerafft 20 bis 24 Tage mittelstarke und 30 bis 35 Tage leichte Schmerzen erleiden wird. Die weitere Entwicklung des Leidenszustandes des Klägers über das Jahr 1990 hinaus kann nicht abgeschätzt werden. Der Kläger ist immer noch als Bauarbeiter tätig.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt rechtlich dahin, unter Berücksichtigung der Geldentwertung sei davon auszugehen, daß das für die Zeit bis 13.Jänner 1977 ermittelte Schmerzengeld von S 50.000 heute einem Betrag von S 85.000 entspricht. Für die Zeit vom 13.Jänner 1977 bis 12.Juni 1990 sei ein Betrag von S 300.000 angemessen.

Auch das Berufungsgericht hielt einen Betrag von S 300.000 für angemessen. Es führte aus, eine Bemessung in Teilbeträgen dürfe nicht dazu führen, daß der Verletzte mehr erhalte als bei einer einmaligen Globalbemessung. Bei der Schmerzengeldbemessung sei auch auf Zusprüche in ähnlich gelagerten Fällen Bedacht zu nehmen.

Nach Ansicht des Revisionswerbers sei auf Schmerzengeldzusprüche in ähnlich gelagerten Fällen nicht Bedacht zu nehmen, es sei auch keine Relation zu den bisher zugesprochenen Höchstbeträgen an Schmerzengeld herzustellen, Bedacht zu nehmen sei lediglich auf die tatsächlich erlittenen Schmerzen und das Ungemach, diese Umstände würden einen Betrag von S 400.000 rechtfertigen.

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei Bemessung des Schmerzengeldes die Art und Schwere der Körperverletzung, die Art, Intensität und Dauer der Schmerzen, auch wenn sie unterbrochen waren, sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Verletzten überhaupt und ferner die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen (Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld5 176 mwN). Es ist grundsätzlich zwar auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, doch darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (Jarosch-Müller-Piegler, aaO; ZVR 1982/392; ZVR 1989/121 ua). Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht daher der Hinweis des Berufungsgerichtes auf Schmerzengeldzusprüche in ähnlichen Fällen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Grundsätzlich ist das Schmerzengeld in einem einmaligen Globalbetrag zuzusprechen, ist eine Globalbemessung aber nicht möglich, dann darf eine ergänzende Schmerzengeldbemessung nicht dazu führen, daß der Verletzte insgesamt mehr zugesprochen bekommt als bei einer einmaligen Globalbemessung (ZVR 1989/134 uva). Da im vorliegenden Fall eine Beurteilung der zukünftigen Entwicklung nicht möglich ist, ist die Bemessung in Teilbeträgen zulässig. Zu berücksichtigen ist, daß die bis 13.Jänner 1977 eingetretenen Unfallsfolgen bereits abgegolten wurden, und zwar auch durch Bezahlung eines Schmerzengeldes und daß der nunmehr zugesprochene Betrag noch immer keine endgültige Abfindung darstellt, sondern nur einen Teilbetrag für die Zeit vom 13. Jänner 1977 bis 12.Juni 1990. Der von den Vorinstanzen für diesen Zeitraum zuerkannte Betrag von S 300.000 ist im Hinblick auf die festgestellten Unfallsfolgen angemessen, der Revisionswerber vermag keine stichhältigen Gründe aufzuzeigen, die den Zuspruch eines höheren Betrages rechtfertigen würden.

Aus diesen Gründen war der Revision lediglich hinsichtlich der Entschädigung nach § 1326 ABGB Folge zu geben, bezüglich des Schmerzengeldes war ihr ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E28617

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00018.92.0429.000

Dokumentnummer

JJT_19920429_OGH0002_0020OB00018_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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