TE OGH 1992/5/27 2Ob518/92 (2Ob519/92)

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Veröffentlicht am 27.05.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei ***** Bank Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Nikolaus Topic-Matutin, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte und widerklagende Partei Dr.Barbara P*****, vertreten durch Dr.Johannes Hock sen. und Dr.Johannes Hock jun., Rechtsanwälte in Wien, wegen S 118.518,68 sA und S 135.417,90 sA infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19.November 1991, GZ 11 R 185, 189/91-18, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4.Juni 1991, GZ 19 Cg 215/90-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 10.882,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.813,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte und Widerklägerin (im folgenden: Beklagte) hat im Auftrag der W***** Gesellschaft mbH den Verkauf von Anteilen einer dieser gehörigen Liegenschaft durchgeführt.

Mit Schreiben vom 11.2.1986 (Beilage ./1) ersuchte die W***** Gesellschaft mbH die Beklagte, bei der ***** Sparkasse (im folgenden: Klägerin) ein Treuhandkonto zu errichten und den Käufer zum treuhändigen Erlag des Kaufpreises aufzufordern. Hierauf eröffnete die Beklagte mit Vertrag vom 14.2.1986 (Beilage ./H) bei der Klägerin zu den Geschäftsbedingungen für Anderkonten der Rechtsanwälte (Beilage ./J) das Anderkonto-Nr. 234898 mit der Bezeichnung "Dr.Barbara C*****, Rechtsanwalt, Anderkonto W***** Gesellschaft mbH". In diesen Bedingungen heißt es: " ... 3. Der Kontoinhaber darf Werte, die ihn selbst betreffen, nicht einem Anderkonto zuführen oder auf einem Anderkonto belassen. 4. (1) Die Sparkasse nimmt keine Kenntnis davon, wer bei einem Anderkonto Rechte gegen den Kontoinhaber geltend machen kann. Rechte Dritter auf Leistung aus dem Anderkonto bestehen der Sparkasse gegenüber nicht. Die Sparkasse hält sich demgemäß auch nicht für berechtigt, einem Dritten Verfügungen über das Anderkonto zu gestatten, selbst wenn nachgewiesen wird, daß das Anderkonto seinetwegen errichtet worden ist. Die Sparkasse gibt einem Dritten über das Anderkonto nur Auskunft, wenn er sich durch eine schriftliche Ermächtigung des Kontoinhabers ausweist. (2) Die Sparkasse hat die Rechtmäßigkeit der Verfügungen des Kontoinhabers in seinem Verhältnis zu Dritten nicht zu prüfen. Sie lehnt demnach jede Verantwortung für den einem Dritten aus einer unrechtmäßigen Verfügung des Kontoinhabers entstandenen Schaden ab. 5. Die Sparkasse betrachtet das Anderkonto nicht als geeignete Grundlage für Kreditgewährung. Sie wird demnach bei dem Anderkonto weder das Recht der Aufrechnung noch ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht geltend machen, es sei denn wegen solcher Forderungen, die in bezug auf das Anderkonto selbst entstanden sind. ... 6. (2) Ansprüche aus Anderkonten können nicht abgetreten werden. ...".

Mit Schreiben vom 24.3.1986 (Beilage ./3) übermittelte die Klägerin der Beklagten ein undatiertes Schreiben der W***** GmbH (Beilage ./4), mit welchem diese die Beklagte "unwiderruflich beauftragte", "nach Einlangen des Geldes und Erfüllung folgender Voraussetzungen, nämlich a. Vorliegen der entsprechenden Baubewilligung bzw Kenntnisnahme der Bauanzeige, b. dem Vorliegen der Freilassungs- bzw Löschungserklärung betreffend der Anteile von Herrn F***** und c. nach Unterfertigung eines Gesuches um Anmerkung der Rangordnung der beabsichtigten Veräußerung, ebenfalls betreffend die Anteile von Herrn F***** in beglaubigter Form durch uns, auf unser Konto-Nr. 234253 bei der ***** Sparkasse zu überweisen." Mit Schreiben vom 25.3.1986 (Beilage ./A) teilte die Beklagte hierauf der Klägerin mit, daß sie zur Kenntnis nehme, daß der Restkaufpreis auf das Konto-Nr. 234153 zu überweisen sein wird. Mit Brief vom 27.3.1986 (Beilage ./5) an die Klägerin hielt die Beklagte fest, daß sie den auf dem Anderkonto Nr. 234898 eingehenden Betrag zu treuen Handen übernommen habe und der W***** GmbH nach Abzug von für Freilassungs- bzw Löschungserklärungen für auf den Liegenschaftsanteilen haftenden Geldlasten zu entrichteten (gemeint wohl: zu entrichtenden) Beträgen und Kosten zur freien Verfügung stellen könne. Mit Telex vom 2.4.1986 (Beilage ./6) teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß nach Abwicklung ihres Treuhandauftrages aus dem auf ihrem Treuhandkonto derzeit erlegten Betrag von S 284.814 nach Abzug von für Freilassungserklärungen für auf den Liegenschaftsanteilen haftenden Geldlasten zu entrichtenden Beträgen und Kosten und nach Durchführung sämtlicher im Kaufvertrag vorgesehenen Voraussetzungen rund S 124.000 an die W***** GmbH ausbezahlt werden.

Mit Zessionsvertrag vom 23.6.1987/10.6.1987 (Beilage ./E) trat die W*****GmbH der Klägerin ihre Forderungsrechte gegen die Beklagte aus den Kaufverträgen der Firma W***** GmbH mit Uwe F***** im Betrag von restlichen S 124.814 ab. Vor der schriftlichen Zession erfolgte keine mündliche.

Mit den Schreiben vom 13. bzw 21. und 22.5.1987, Beilagen ./7, ./8 und./9, stellte die Beklagte der W***** GmbH die Beträge von S 7.916,75 (Beilage ./7), S 204.421,75 (Beilage ./8), S 12.289,51, S 908,60, S 240,35, S 157,30, S 2.067,60, S 148,50 und S 7.821 (alle unter Bezeichnung Beilage ./9) in Rechnung.

Laut dem als richtig anerkannten Kontoauszug Beilage ./0 weist das Anderkonto zum 31.12.1990 einen Guthabensstand von S 135.417,90 auf.

Die Klägerin stellte das Begehren, die Beklagte sei schuldig, den auf dem Anderkonto erliegenden Betrag von S 118.518,68 auf das Konto der W***** GmbH, Konto-Nr. 23415-3, beide Konten geführt bei der ***** Sparkasse, zu bezahlen. Die Klägerin brachte vor, sie habe gegen die W***** GmbH eine vollstreckbare, aber uneinbringliche Forderung. Sie habe der W***** GmbH ein Darlehen gewährt, das durch die Abtretung des vom später erfolgenden Verkauf von Liegenschaftsanteilen verbleibenden Kaufpreisrestes besichert gewesen sei. Hiezu sei bereits Ende Februar 1986 eine Zessionsvereinbarung zwischen der Klägerin und der W***** GmbH geschlossen und der Beklagten telefonisch mitgeteilt worden. Die Beklagte verweigere die Auszahlung des auf dem Anderkonto befindlichen Guthabens unter Berufung auf § 19 RAO. Einer Aufrechnung oder Verrechnung nach dieser Gesetzesstelle stehe aber die Zweckbestimmung entgegen, daß die W***** GmbH den Erlag auf dem Anderkonto ausdrücklich zugunsten der Klägerin gewidmet habe. Durch ihre ohne Vorbehalt und Bedingung abgegebene Verpflichtungserklärung, den verbleibenden Restkaufpreis an die Klägerin zu überweisen, habe die Beklagte auf die Inanspruchnahme ihrer aus § 19 RAO erfließenden Rechte konkludent verzichtet. Die Klägerin sei sowohl als Begünstigte aus dem der Beklagten erteilten Auftrag als auch zufolge der Zession legitimiert, den Klagsbetrag zu fordern. Die Honorarforderung der Beklagten sei auch verjährt.

Die Beklagte wendete ein, sie habe an dem Treuhanderlag im Zeitpunkt seines Einlanges im Frühjahr 1986 gemäß § 19 RAO ein Pfandrecht für ihre Honorarforderung erworben. Das Pfandrecht sei lediglich durch die ausdrückliche Widmung, nämlich die Erwirkung der Lastenfreistellung, beschränkt. Dem Treuhandauftrag sei die Beklagte nachgekommen. Sie habe ihre Honrarnoten über S 124.628 der W***** GmbH mit der Mitteilung übersandt, daß sie gemäß § 19 RAO die aus dem Treuhanderlag verbleibenden Gelder zur Abdeckung ihrer Honorarforderung einbehalte. Die W***** GmbH habe die Honorarforderung weder dem Grunde noch der Höhe nach bestritten.

Mit ihrer Widerklage stellt die Beklagte nach Klagsausdehnung das Begehren, die Klägerin sei schuldig, ihr den Betrag von S 135.417,90 samt 4 % Zinsen aus S 131.418,56 vom 8.1. bis 31.12.1990 sowie 4 % Zinsen aus S 135.417,90 seit 1.1.1991 zu bezahlen. Die Klägerin weigere sich, der Beklagten das Guthaben auf dem Anderkonto auszuzahlen.

Das Erstgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Es beurteilte den Sachverhalt dahin, daß sich die Beklagte zu Unrecht auf § 19 RAO berufe. Für den von Uwe F***** auf das Anderkonto überwiesenen Kaufpreis liege eine Zweckbestimmung laut Beilage ./4 vor, die die Anwendung des § 19 RAO ausschließe. Die Beklagte habe das in ihrem Schreiben Beilage ./A, ./5 und ./6, anerkannt. Bei den in den Beilagen ./5 und ./6 genannten Kosten handle es sich nach dem klaren Wortlaut nicht um ihr Honorar, sondern um die für Freilassungs- und Löschungserklärungen zu entrichtenden Beträge und Kosten, wobei in Beilage ./6 ausdrücklich ein auszuzahlender Betrag von rund S 124.000 genannt werde.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Begehren der Klägerin abgewiesen, der Widerklage aber stattgegeben wurde. Das Gericht zweiter Instanz erklärte in beiden Rechtssachen die ordentliche Revision für zulässig. Es führte zur Widerklage aus, die Klägerin könne aufgrund der Geschäftsbedingungen für Anderkonten der Rechtsanwälte bei Anderkonto weder das Recht der Aufrechnung noch ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht geltend machen, es sei denn wegen solcher Forderungen, die in bezug auf das Anderkonto entstanden seien. Die Klägerin habe daher der Verfügung der Beklagten als Kontoinhaberin, den auf dem Anderkonto erliegenden Betrag an sie auszufolgen, unbedingt nachzukommen. Falls sie den Erlag auf dem Anderkonto entgegen Punkt 5. 1. Satz der Geschäftsbedingungen zur Grundlage einer Kreditgewährung an die W***** GmbH genommen habe, sei dies jedenfalls auf ihr eigenes Risiko geschehen und ohne Rechtswirkung gegenüber der Beklagten. Eine ihr sicherungs- oder zahlungshalber von der W***** GmbH abgetretene Forderung gegen die Beklagte könne sie mit deren Anspruch auf Auszahlung des Guthabens auf dem Anderkonto nicht aufrechnen. Ob die Beklagte nach standesrechtlichen Vorschriften - selbst wenn diese unmittelbare zivilrechtliche Wirkungen im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und Klienten hätten - verpflichtet sei, den ihr auszuzahlenden Betrag sofort gerichtlich zu hinterlegen, sei in diesem Zusammenhang nicht zu untersuchen, weil die Klägerin hier der Beklagten wegen des Aufrechnungsverbotes nicht als Klientin, sondern nur als kontoführendes Institut gegenüberstehe. Ob sich die Beklagte zu Recht auf § 19 RAO berufe, sei daher für dieses Rechtsverhältnis ebenso ohne Belang wie ein allfälliger Verstoß der Beklagten gegen Punkt 3. der Geschäftsbedingungen, die hiefür keine Sanktion vorsähen.

Zum Begehren der Klägerin führte das Berufungsgericht aus, Gelder, die dem Anwalt vom Klienten zur Berichtigung von Schulden oder zur Verwahrung für seine Gläubiger anvertraut worden seien, dürften niemals für Kostenforderungen verwendet oder zurückbehalten werden. Insoferne liege also eine Zweckbestimmung vor, die der Berufung des Anwaltes auf § 19 RAO entgegenstehe. Dieser Grundsatz werde auch auf Gelder anzuwenden sein, welche im Fall einer mehrseitigen Treuhandschaft dem Rechtsanwalt als Treuhänder mit einer bestimmten Zweckbestimmung, etwa wie hier der Erwirkung der Lastenfreistellung von Liegenschaften, übergeben worden seien. Unbestritten sei, daß die Beklagte dem Treuhandauftrag voll entsprochen habe, die betreffenden Liegenschaftsanteile lastenfrei gestellt und ins Eigentum des Käufers übertragen worden seien, sodaß es sich beim restlichen Erlag um den der W***** GmbH zustehenden, durch Barzahlung berichtigten Kaufpreis handle. Dieser Titel könne aber nicht mit einer die Anwendung des § 19 RAO ausschließenden Zweckbestimmung gleichgesetzt werden. Anderenfalls könnte der Rechtsanwalt nur an titellosen Leistungen, solchen somit, welche in der Praxis kaum vorkommen und in der Regel zurückgefordert werden können, ein Aufrechnungsrecht oder gesetzliches Pfandrecht erwerben, womit diese Ansicht wohl hinreichend ad absurdum geführt worden sei. Bei dem für die W***** GmbH bei der Beklagten eingelangten Kaufpreis, vermindert im Sinne des Treuhandauftrages um die zur Lastenfreistellung verwendeten Beträge, handle es sich somit um eine für die Partei eingegangene Barschaft im Sinne des § 19 Abs 1 RAO. Daran vermöge auch der von der W***** GmbH der Beklagten mit Schreiben Beilage ./4 erteilte Auftrag, das Geld auf ihr Konto zu überweisen, nichts zu ändern. Das Begehren des Klienten auf Ausfolgung der für ihn eingelangten Barschaft stelle keine solche Zweckbestimmung dar, die den Rechten des Anwaltes nach § 19 RAO Abbruch tun könnte. Andernfalls wären solche Rechte schlechthin illusorisch. Eine Zweckbestimmung stehe sohin der Ausübung der der Beklagten nach § 19 RAO zustehenden Rechte nicht entgegen. Dem Rechtsanwalt stehe allerdings zugunsten bestrittener Honorarforderungen das Recht nach § 19 Abs 1 RAO, von der eingegangenen Barschaft die Summe seiner nicht durch Vorschüsse gedeckten Auslagen und seines Verdienstes in Abzug zu bringen, nicht zu. Die Klägerin hätte in diesem Fall kein Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrecht gehabt. Da das Erstgericht nicht festgestellt habe, ob die Honorarforderungen der Beklagten gegen die W***** GmbH von dieser bestritten worden seien, treffe das Berufungsgericht nach Beweisergänzung folgende weitere Feststellungen:

Nachdem die Beklagte der W***** GmbH ihre Honorarnoten Beilagen ./7 bis 9 gelegt hatte, erkundigte sich deren Geschäftsführer Ing.Peter B*****, wie es zu der Gesamtsumme gekommen sei, und verlangte ein detailliertes Leistungsverzeichnis. Bei diesem Gespräch wies die Beklagte darauf hin, daß sie ihm bereits durch Pauschalierung des Honorares laut Beilage ./8 entgegengekommen sei. Sie übersandte Ing.B***** ein detailliertes Leistungsverzeichnis unter Angabe der einzelnen Leistungen, der entsprechenden Tarifposten des Rechtsanwaltstarifes und der Honoraransätze. Eine Bestreitung des Honoraranspruches der Beklagten erfolgte seitens der W***** GmbH nicht.

Aus diesen Gründen sei das Begehren der Klägerin abzuweisen gewesen.

Die ***** Sparkasse Bank Aktiengesellschaft, *****, bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß ihrer Klage stattgegeben, die Widerklage aber abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen und die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung, die Revision sei von einer hiezu nicht legitimierten Person eingebracht worden, verfehlt sind. Richtig ist zwar, daß in der Klage und im bisherigen Verfahren die ***** Sparkasse als Klägerin aufgetreten ist, die Revision hingegen von der ***** Sparkasse Bank AG erhoben wurde. Die Revisionswerberin führt jedoch aus, sie sei Rechtsnachfolger der ***** Sparkasse gemäß § 8 a KWG und legt beglaubigte Abschriften aus dem Firmenbuch vor, aus denen sich ergibt, daß die ***** Sparkasse ihr gesamtes bankgeschäftliches Unternehmen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die ***** Sparkasse Bank AG eingebracht hat. Die Firma der ursprünglich klagenden Partei lautet nun "***** Sparkasse Anteilsverwaltung", Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung ihres Vermögens. Das Vermögen besteht aus den Anteilen an der ***** Sparkasse Bank Aktiengesellschaft, ***** sowie den daraus erfließenden Erträgnissen. Aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge ist somit nunmehr die ***** Sparkasse Bank AG Klägerin (vgl Fasching III 102). Die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung, der Beklagtenvertreter habe beim Firmenbuch erfahren, daß die ***** Sparkasse nach wie vor existiere, sind nicht zielführend. Daß die einbringende Sparkasse bestehen bleibt und ihr Gegenstand hinsichtlich des eingebrachten bankgeschäftlichen Betriebes auf die Vermögensverwaltung beschränkt ist, ist im § 8 a Abs 9 KWG angeordnet. Dies ändert aber nichts an der aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge eingetretenen Parteiänderung.

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Der Rechtsanwalt ist gemäß § 19 Abs 1 RAO berechtigt, von den für seine Partei an ihn eingegangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seines Verdienstes, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt ist, in Abzug zu bringen, ist jedoch schuldig, sich hierüber sogleich mit seiner Partei zu verrechnen.

Auch Beträge, die der Rechtsanwalt von einem Dritten als Treuhänder für seine Partei übernimmt, und die er aufgrund der Treuhandvereinbarung an seine Partei weiterzuleiten hat, sind bei ihm eingegangene Barschaften im Sinne des § 19 Abs 1 RAO, er kann daher seine Kostenforderung hievon in Abzug bringen. Dies gilt auch, wenn die Beträge auf ein Anderkonto, also eine besondere Form eines Treuhandkontos (Iro in Avancini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht, Rz 4/164) des Rechtsanwaltes eingezahlt werden. Kontoinhaber ist der Rechtsanwalt, nur er steht in einer Vertragsbeziehung zur Bank und ist verfügungsberechtigt (Iro aaO, Rz 4/158). Nicht zielführend ist der in der Revision enthaltene Hinweis darauf, daß es sich beim Anderkonto um Fremdgeld handle, denn auch Barschaften, die bei einem Rechtsanwalt für seine Partei direkt eingehen, sind Fremdgeld. Durch § 19 Abs 1 RAO soll eben der Rechtsanwalt berechtigt werden, für seine Kosten Geld, das nicht für ihn bestimmt ist, sondern für seine Partei, heranzuziehen. Auch die Vorschrift des § 1440 ABGB steht der Anwendung des § 19 Abs 1 RAO nicht entgegen. Der Rechtsanwalt ist im Verhältnis zum Treugeber allerdings an die Treuhandvereinbarung gebunden (Iro aaO Rz 4/151), er war im vorliegenden Fall also verpflichtet, die Lastenfreistellung zu erwirken und den auf dem Treuhandkonto verbleibenden Betrag auf das Konto der W***** GmbH zu überweisen. Dies ändert aber nichts an dem ihm nach § 19 Abs 1 RAO zustehenden Recht, seine Kosten in Abzug zu bringen. Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht wird dadurch die Stellung des Rechtsanwaltes als Treuhänder nicht in Frage gestellt. Das Recht der Klägerin konnte auch durch den Auftrag der W***** GmbH, das Geld nach seinem Einlangen und Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auf ihr Konto bei der Klägerin zu überweisen, nicht berührt werden, noch durch die im Juni 1987 - also nach der Kostenabrechnung und Geltendmachung des Rechtes nach § 19 RAO - erfolgte Abtretung der Rechte der W***** GmbH an die Klägerin. Die Beklagte mußte Aufträge der W***** GmbH und der Zessionarin hinsichtlich des erhaltenen Betrages nur insoweit befolgen, als dieser über ihren Kostenanspruch hinausging. Die Beklagte hat ihre Kosten der W***** GmbH im Mai 1987 bekanntgegeben und hat dabei ausgeführt, von der Möglichkeit des § 19 RAO Gebrauch zu machen und ihre Gegenforderung von dem bei der für die W***** GmbH erliegenden Geldbetrag aus der Angelegenheit Uwe F***** in Abzug zu bringen. Die Beklagte hat somit im Sinne des § 19 Abs 1 RAO sogleich mit der W***** GmbH verrechnet.

Zutreffend hat das Berufunggericht auch einen Verzicht der Beklagten auf die Geltendmachung ihrer Rechte aus § 19 RAO verneint. Im Schreiben vom 25.3.1986 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie nehme zur Kenntnis, daß der Restkaufpreis auf das Konto der W***** GmbH zu überweisen sein werde. Daraus ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt für ein Anerkenntnis, zumal unter "Restkaufpreis" auch jener verstanden werden kann, der nach Abzug der Rechtsanwaltskosten verbleibt. Im Schreiben vom 27.3.1986 ist angeführt, was vom einlangenden Kaufpreis abgezogen werde, und zwar werden hier auch Kosten erwähnt. Ob darunter auch die Kosten der Beklagten zu verstehen sind, ist nicht klar. Der Ansicht der Revisionswerberin, die undeutliche Äußerung gehe zum Nachteil der Beklagten, die diese Formulierung gebraucht habe, ist entgegenzuhalten, daß sich die Klägerin auf einen Verzicht beruft und sie daher einen solchen beweisen müßte. Mit Telex vom 2.4.1986 teilte die Beklagte der Klägerin zwar mit, nach Abwicklung ihres Treuhandauftrages und Durchführung sämtlicher im Kaufvertrag vorgesehener Voraussetzungen werde ein Betrag von rund S 124.000 an die W***** GmbH ausbezahlt werden. Darin kann aber weder ein Verzicht auf die Geltendmachung der Rechte des § 19 RAO noch ein Anerkenntnis bezüglich eines Betrages von S 124.000 erblickt werden. Ausdrücklich wurde damit weder ein Verzicht noch ein Anerkenntnis erklärt. Eine konkludente Erklärung hätte gemäß § 863 ABGB aber zur Voraussetzung, daß kein vernünftiger Grund bestünde, am Willen der Beklagten zu zweifeln. Diesem Erfordernis entspricht das Telex vom 2.4.1986 aber nicht.

Nicht zielführend sind auch die Revisionsausführungen, der Beklagten seien die Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der W***** GmbH (Kreditgewährung) bekannt gewesen. Diesem Umstand kommt nämlich für die Entscheidung dieses Rechtsstreites keinerlei Bedeutung zu.

Die Beklagte war somit, als sie ihre Kosten der W***** GmbH im Mai 1987 bekanntgab, berechtigt, ihre Kosten von dem auf dem Anderkonto erliegenden Betrag in Abzug zu bringen und daher ist auch der Einwand der Klägerin, die Kostenforderung sei verjährt, verfehlt. Ob die Beklagte aufgrund der Geschäftsbedingungen verpflichtet gewesen wäre, den Betrag, den sie als ihre Kosten in Anspruch nahm, vom Anderkonto zu beheben, braucht nicht erörtert zu werden, weil auch ein Verstoß gegen Punkt 3. der Geschäftsbedingungen die Rechte der Beklagten nicht berühren würde.

Aus diesen Gründen hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte den auf dem Anderkonto erliegenden Betrag auf das Konto der W***** GmbH überweist, das Begehren war daher abzuweisen. Die Beklagte ist hingegen berechtigt, von der Klägerin die Auszahlung des auf dem Anderkonto befindlichen Guthabens zu begehren. Der in der Revision enthaltene Hinweis auf Iro aaO Rz 4/167, die Bank dürfe Verfügungen nicht durchführen, die offensichtlich gegen die Treuhandbindung verstoßen, ist verfehlt, weil kein Verstoß gegen die Treuhandvereinbarung vorliegt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E29173

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00518.92.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19920527_OGH0002_0020OB00518_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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