TE OGH 1992/5/27 6Ob513/92

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Veröffentlicht am 27.05.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Igor O*****, Handelsvertreter, ***** vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei C*****, Manifattura *****, vertreten durch Dr. Helga Hönel-Jakoncig und Dr. Veronika Staudinger, Rechtsanwältinnen in Innsbruck, wegen

S 271.389,42 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 3. Jänner 1992, GZ 5 R 268/91-41, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Oktober 1991, GZ 20 Cg 266/91-37, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.565,- (darin S 1.927,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der in Deutschland wohnhafte Kläger ist Handelsagent, besitzt einen österreichischen Gewerbeschein und betreibt nach seinem Vorbringen auch in Österreich eine Handelsagentur. Er hat mit dem Beklagten, der seinen Firmensitz in Italien hat, einen Handelsvertretervertrag geschlossen, nach welchem er mit dessen Alleinvertretung für Österreich und Deutschland betraut ist und der für Rechtsstreitigkeiten als Gerichtsstand den Sitz des (jeweiligen) Klägers vorsieht.

Mit der am 26. 5. 1989 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger aus für den Beklagten in Österreich vermittelten Kaufgeschäften mit österreichischen Unternehmen Provisionen von S 271.389,42. Er stützt seine Klage auf den Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN; der Beklagte habe gegen die Firma Rudolf B***** KG in Graz eine zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch zur Gänze unberichtigte Forderung von S 283.717,20 gehabt, die in der Folge bis auf S 39.172,-

abgedeckt worden sei.

Nachdem der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 6. 6. 1991, 6 Ob 562/91, zur Frage der inländischen Gerichtsbarkeit und der bestehenden Gerichtsstandvereinbarung grundsätzlich Stellung genommen hat, ist nunmehr noch strittig, ob zum Zeitpunkt der Klagseinbringung der Gerichtsstand des Vermögens als Voraussetzung für die inländische Gerichtsbarkeit gegeben war.

Das Erstgericht hob mit Beschluß das Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Es stellte fest, daß der Beklagte gegen die Rudolf B***** KG in Graz aus einer Rechnung vom 1. 4. 1989 eine Forderung in Höhe von S 283.717,20 gehabt habe. Am 20. 5. 1989 stellte die Rudolf B***** KG einen Auslandsscheck über einen Betrag von S 269.950,74 an die Order des Beklagten aus, übergab den Scheck und erteilte ihrer Bank einen Auslandsüberweisungsauftrag für Orderscheckeinlösung. Diese Bank buchte den Scheckbetrag am 13. 6. 1989 vom Konto der Firma Rudolf B***** KG ab.

Rechtlich führte das Erstgericht hiezu aus, grundsätzlich erfolge im kaufmännischen Verkehr die Hingabe eines Schecks zur Tilgung einer Schuld nur zahlungshalber. Für den Zeitpunkt der Zahlung komme es aber auf den Zeitpunkt des Leistungserfolges an. Sei eine Zahlungsfrist vereinbart, so sei die Zahlung selbst dann rechtzeitig, wenn der Schuldner den Scheck innerhalb der Zahlungsfrist aus einem Verfügungsbereich begeben habe, somit nicht erst durch die Aushändigung an den Gläubiger, sondern z.B. schon durch die Übergabe an die Post, soferne der Leistungserfolg eintrete, der Gläubiger den Scheck also annehme und die Bank ihn einlöse. Durch die Abbuchung der S 269.950,74 von der Bank der Rudolf B***** KG am 13. 6. 1989 sei die Forderung des Beklagten mit Hingabe des Schecks am 20. 5. 1989 um diesen Betrag reduziert worden und habe daher bei Einbringung der Klage am 26. 5. 1989 nur noch S 13.766,46 ausgemacht. Dieser Betrag sei aber jedenfalls mit weniger als einem Zwanzigstel des Streitwertes unverhältnismäßig geringer als der Wert des Streitgegenstandes und könne daher einen Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN in Österreich nicht begründen. Die übrigen Inlandsbeziehungen reichten aber nicht aus, die inländische Gerichtsbarkeit herzustellen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers keine Folge. Obwohl die Abbuchung des Scheckbetrages vom Konto des Schuldners erst nach Klagseinbringung erfolgt sei, könne zum Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht von einem Vermögen des Beklagten im Sinne des § 99 JN ausgegangen werden. Die Rudolf B***** KG habe ihrer Bank nämlich bereits vor Gerichtsanhängigkeit der Klage am 20. 5. 1989 den Auslandsüberweisungsauftrag für Orderscheckeinlösung erteilt. Neben den scheckrechtlichen seien daher auch Folgerungen aus diesem Überweisungsauftrag zu ziehen. Geldschulden seien Schickschulden. Die Schuldnerin sei daher berechtigt gewesen, den dem Beklagten zukommenden Betrag durch eine Bank ins Ausland überweisen zu lassen. Da entsprechende bankmäßige Deckung gegeben gewesen sei, habe die Zahlung auf den Zeitpunkt des Überweisungsauftrages zurückgewirkt; maßgeblich sei das Einlangen des Auftrages bei der Bank der Schuldnerin. Der Erfüllungsort sei durch § 905 Abs 1 ABGB mit dem Unternehmenssitz der Schuldnerin vorgegeben gewesen, welche durch den Überweisungsauftrag insoweit sofort belastet gewesen sei, als die von ihr beauftragte Bank hinsichtlich des Betrages von S 269.950,74 nach Bankrecht sogleich für die Durchführung des Auftrages aus dem Kontoguthaben durch Bereitstellung bevorschußt worden sein mußte und lediglich das verbleibende Kontoguthaben als nicht für die Durchführung von Überweisungen oder Auszahlungen bereitzuhaltender "Bodensatz" verblieben sei. Nach dieser rechtlichen, aber auch nach der bei Beurteilung der Voraussetzungen des Vermögensgerichtsstandes erforderlichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei der Gerichtsstand des Vermögens zur Zeit der Klagseinbringung zu verneinen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Voraussetzungen des Gerichtsstandes des Vermögens mit inländischer Gerichtsbarkeit im Falle der Erteilung eines Auslandsüberweisungsauftrages für Orderscheckeinlösung, der vor Klagserhebung liege, gebe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Es entspricht der ständigen neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß mangels gegenteiliger Vereinbarung für die Rechtzeitigkeit bargeldloser Überweisungen der Tag des Einlangens des Überweisungsauftrages beim kontoführenden Institut entscheidend ist, soferne bei diesem entsprechende Deckung vorhanden ist, weil dies der Barzahlung gleichkommt, und daß die Rechtzeitigkeit nur unter der Bedingung des Einlangens des Betrages beim Schuldner bzw. der Kontogutschrift gegeben ist (SZ 57/160 mwN uva). Dem Rekurswerber ist zuzugestehen, daß grundsätzlich die Erfüllung einer Verbindlichkeit erst mit der tatsächlichen Zahlung oder der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers eintritt und daß die oben angeführten Grundsätze zum Zahlungsverzug entwickelt wurden, dies aber auf Grund des immer stärker zunehmenden bargeldlosen Zahlungsverkehres, der eine wirtschaftliche Betrachtungsweise erfordert. Zutreffend hat das Rekursgericht darauf hingewiesen, daß bei der Beurteilung des Gerichtsstandes des Vermögens nach § 99 JN eine wirtschaftliche Betrachtungsweise Platz greifen muß. Denn das gesetzliche Erfordernis von im Verhältnis zum Streitwert ausreichendem Vermögen im Inland soll die Möglichkeit bieten, da Verfahrenskosten und geltend gemachte Forderung aus dem Vermögen im Inland nicht nur zu einem geringfügigen Teil auch abgedeckt werden können. Dies trifft aber dann nicht zu, wenn vor Klagseinbringung dieses Vermögen - das, wenn es in einer Forderung aus Warenlieferungen besteht, die in aller Regel nur eine ganz kurze Zeitspanne überhaupt offen ist - durch Überweisungsauftrag in das Ausland oder Begebung eines Schecks und nachfolgende Gutschrift oder Einlösung wirtschaftlich im Inland nicht mehr verwertbar ist. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise erfordert es daher, die zur Rechtzeitigkeit der Zahlung im bargeldlosen Überweisungsverkehr geltenden Grundsätze auch bei der Beurteilung des Gerichtsstandes des Vermögens anzuwenden (vgl auch Fasching LB2 Rz 311, der darauf hinweist, daß eine bloß zufällige und kurzfristige Anwesenheit des Vermögens in Österreich zur Begründung des Gerichtsstandes des Vermögens nicht ausreicht). Daß der dadurch (nach den Klagsbehauptungen) nur mehr verbliebene Restbetrag im Sinne des § 99 JN unverhältnismäßig geringer ist als der Wert des Streitgegenstandes, bestreitet auch der Kläger nicht.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E28896

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00513.92.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19920527_OGH0002_0060OB00513_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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