TE OGH 1992/5/27 2Ob522/92

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Veröffentlicht am 27.05.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Johannes S*****, geboren am *****, und Stefan S*****, geboren am *****, in Obsorge der Mutter Gundila S*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Johann S*****, vertreten durch Dr. Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 11. Dezember 1991, GZ R 1169/91-46, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 15. November 1991, GZ P 20/85-43, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht setzte die vom Vater Johann S***** für seine mj ehelichen Kinder zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeträge vom 19. Dezember 1989 bis 30. November 1990 mit S 2.550,-- für den mj. Johannes und mit S 2.000,-- für Stefan sowie ab 1. Dezember 1990 bis auf weiteres mit S 3.020,-- für Johannes und S 2.630,-- für Stefan fest.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es ging von folgendem Sachverhalt aus:

Die Ehe der Eltern der Kinder wurde mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 25. November 1986, 2 Cg 192/86, aus dem alleinigen Verschulden des Mannes geschieden. Johann S***** hatte im Herbst 1984 seine Familie verlassen und sich in der Folge ab Februar 1985 im Ausland aufgehalten, ohne daß er der Familie seinen Aufenthaltsort bekanntgegeben hätte. Seither befinden sich die Kinder in Pflege und Erziehung der Mutter Gundila S***** und werden von dieser in deren Haushalt in der früheren Ehewohnung in B*****, betreut und versorgt.

Die Ehegatten S***** hatten während aufrechter Ehe diese Liegenschaft gekauft. Johann S***** betrieb dort in den Jahren 1977/78 ein Antiquitätengeschäft und eröffnete eine Galerie. Er besaß den Gewerbeschein für Kunst- und Antiquitätenhandel. Zuerst hatte er eine Ausbildung an der Akademie für Bildende Künste zum akademischen Bildhauer absolviert. Er arbeitete auch als freischaffender Künstler und war in der Sachverständigenliste des Kreisgerichtes Wels als gerichtlich beeideter Sachverständiger eingetragen. In dem Haus in B***** benützte er ein Atelier mit Werkstättenräumen.

Die Mutter Gundila S***** betrieb zunächst im genannten Haus eine Boutique. Nach dem Auszug des Ehemannes vermietete sie die Räume ihrer bisherigen Boutique. Sie erwarb am 17. Jänner 1986 ebenfalls eine Gewerbeberechtigung und betreibt seither selbst das Antiquitätengeschäft.

Im Ehescheidungsverfahren des Kreisgerichtes Wels erwirkte Gundila S***** eine einstweilige Verfügung, mit der Johann S***** bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens und der nachfolgenden vermögensrechtlichen Auseinandersetzung verboten wurde, die Wohnung und die Geschäftsräume im Haus E***** zu betreten. Diese einstweilige Verfügung ist nach wie vor aufrecht, das Aufteilungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Seit Erlassung der einstweiligen Verfügung disponiert Gundila S***** über das Haus E***** allein und verwaltet auch die Einnahmen. Aus dem Mietzins von S 12.000,-- für die Boutique und den Einnahmen aus dem Antiquitätenhandel bestreitet sie ihren Unterhalt und den ihrer Kinder.

Johann S***** ist wieder verheiratet und lebt seit April 1987 als freischaffender Künstler in Italien. Er erzielt keine nennenswerten Einkünfte, weil ihm angeblich der Verkauf seiner Kunstwerke nicht gestattet ist. Seinen Lebensunterhalt bestreitet im wesentlichen seine Frau.

Bis kurz vor dem Verlassen der Ehewohnung durch den Ehemann im November 1984 besaßen die Ehegatten S***** zwei Sparbücher bei der Volksbank S***** oder bei der Volksbank S*****, Filiale *****, mit einem Einlagestand von rund S 150.000,--. Ein Sparbuch wurde von der Mutter noch im November 1984 aufgelöst. Das Realisat wurde auf ein neuangelegtes Sparbuch bei der Sparkasse ***** transferiert, welches per 30. November 1984 einen Guthabenstand von S 141.784,-- aufwies. Auf diesem Sparbuch wurden seither laufend Abhebungen und Einzahlungen durchgeführt; per 11.März 1991 betrug der Guthabenstand S 933,39. Es konnte nicht festgestellt werden, daß der Vater dieses Sparbuch der Mutter mit der Auflage überlassen hätte, dieses ausschließlich für den Unterhalt der Kinder zu verwenden. Nicht feststellbar ist weiters, ob das zweite Sparbuch vom Vater selbst noch vor seinem Wegzug zur Gänze realisiert wurde oder ob auch dieses in der Gewahrsame der Mutter blieb und entsprechend einer vom Vater erklärten Widmung ausschließlich für den laufenden Unterhalt der ehelichen Kinder herangezogen werden sollte.

Rechtlich war das Rekursgericht der Ansicht, daß das Rechtsverhältnis der Ehegatten als Miteigentümer auf den Unterhaltsanspruch der Kinder gegenüber dem Vater keinen Einfluß haben könne. Die von der Mutter erzielten Mieteinnahmen von S 12.000,-- monatlich könnten nicht als Unterhaltsleistung des Vaters für die Kinder berücksichtigt werden. Eine derart fiktive Beurteilung dahin, was allenfalls die Mutter dem Vater an Erträgen seines Miteigentums vorenthalten habe und Wertung eines solchen Beitrages als Unterhaltsleistung des Vaters an die Kinder, scheide daher aus. Dem Vater sei auch nicht der Beweis gelungen, daß er durch die Überlassung zweier Sparbücher eine Unterhaltsvorauszahlung vorgenommen habe. Die dem Vater auferlegten Unterhaltsbeiträge überstiegen im übrigen nicht die statistisch ermittelten Bedarfssätze für Kinder dieser Altersgruppe. Der Vater sei somit entsprechend "anzuspannen", da er in einem Zeitraum von mehr als fünf Jahren durchaus geeignete Maßnahmen zur Erzielung eines seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Einkommens treffen hätte können. Berücksichtige man die nach seiner Version außergewöhnlichen Fähigkeiten und Erfolge des Vaters in künstlerischer Hinsicht, könne es nicht zweifelhaft sein, daß dieser bei Ausschöpfung seiner Möglichkeiten zumindest ein durchschnittliches Einkommen erzielen und damit auch angemessen für den Unterhalt seiner beiden noch unversorgten ehelichen Kinder sorgen könne.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß abzuändern und den Antrag auf Zahlung von Unterhaltsbeiträgen abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt:

Der Vater vertritt den Standpunkt, er erfülle seine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt für die Kinder dadurch, daß er den ihm als Miteigentümer gebührenden Ertragsanteil an der Liegenschaft den Kindern zuwende. Seine Ausführungen sind dahin zu verstehen, daß er mit der Mutter zumindest stillschweigend vereinbart habe, diese solle den ihm zustehenden Ertragsanteil als seinen Geldunterhalt für die Kinder verwenden. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in seiner in RZ 1991/88 veröffentlichten Entscheidung dahin erkannt, daß die Frage, ob und welche wechselseitigen Ansprüche der Miteigentümer und geschiedene Ehegatte aufgrund der nunmehr alleinigen Benützung des Hauses durch die Mutter als Miteigentümerin habe, allein das Rechtsverhältnis der Eltern betrifft und auf den Kindesunterhalt keinen Einfluß hat; er hat dies aber nur im Zusammenhang mit der Gewährung von Naturalunterhalt verstanden (vgl auch 1 Ob 629/90). Der gleiche Senat des Obersten Gerichtshofes hat in der Folge in der Entscheidung 1 Ob 551/91 die dargelegten Grundsätze dahin eingeschränkt, daß bei der Bestreitung von Wohnungsbenützungskosten durch den anderen Ehegatten Naturalunterhalt geleistet wird. In der Entscheidung 1 Ob 633/90 hat er schließlich eindeutig klargestellt, daß in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem behauptet wird, daß Unterhalt in Form der Überlassung von aus dem Miteigentumsanteil fließendem Benützungsentgelt geleistet wird, diese Vereinbarung auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen ist. Es ist zwar richtig, daß der Unterhaltsanspruch rasch durchsetzbar sein soll (vgl RZ 1991/87), dies ändert aber nichts daran, daß dann, wenn behauptet wird, der Unterhalt werde durch tatsächliche und ständige finanzielle Zuwendungen ohnedies gedeckt, dieser Einwand einer zielführenden Überprüfung zugeführt werden muß. Dabei wird allerdings davon auszugehen sein, daß der Vater hiefür beweispflichtig ist und daß demnach unaufgeklärt gebliebene Umstände nicht zu Lasten des Kindesunterhaltes berücksichtigt werden können. Da aber im vorliegenden Fall zumindest nach dem bisherigen Verfahrensstand davon auszugehen ist, daß das im Miteigentum der geschiedenen Ehegatten stehende Haus in B***** mit einem Verkehrswert von 4,7 Mill. S beträchtliche Zinserträge abwirft und diese mit Zustimmung des Vaters für die Kinder verwendet werden oder werden sollen, kann die Überprüfung dieser Frage nicht mit dem Argument der raschen Flüssigmachung von Unterhaltsmittel im Unterhaltsstreit unterbleiben.

Demgemäß waren in Stattgebung des Revisionsrekurses des Vaters die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben; dem Erstgericht war die Ergänzung des Sachverhaltsbildes im dargelegten Sinn und eine neue Entscheidung aufzutragen.

Anmerkung

E29175

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00522.92.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19920527_OGH0002_0020OB00522_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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