TE OGH 1992/6/9 1Ob572/92

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Veröffentlicht am 09.06.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Eckart F*****, als besonderer Verwalter für Rechtsstreitigkeiten im Konkurs über das Vermögen der W*****, wider die beklagte Partei D*****, vertreten durch Dr. Peter Karl Wolf, Dr. Felix Weigert und Dr. Andreas Theiss, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,668.331,01 s.A. infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 23. April 1992, GZ 4 R 12/92-14, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 18. Dezember 1991, GZ 4 Cg 49/91-11, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom 3.10.1989 eröffnete das Landesgericht S***** über das Vermögen der auf der Klagsseite genannten Aktiengesellschaft das Ausgleichsverfahren; mit Beschluß vom 28.3.1990 eröffnete es den Anschlußkonkurs und bestellte einen in Salzburg ansässigen Rechtsanwalt zum Masseverwalter, den Kläger aber als besonderen Verwalter für Rechtsstreitigkeiten in diesem Konkurs.

Mit der am 27.3.1991 beim Erstgericht eingelangten Anfechtungsklage begehrte der Kläger 1.) "für den Fall des Erwerbs von Sicherheiten anläßlich oder nach erfolgter Kreditgewährung" die Feststellung, "daß die am 17.8.1989 erfolgte Kreditgewährung der beklagten Partei an die" Gemeinschuldnerin über 1,7 Mio S "gegen allfälligen Erwerb von Sicherheiten, insbesondere in Form von Pfandrechten oder Zessionen oder gegen Zessionsverpflichtung oder den Erwerb einer nachträglichen Sicherheit für diesen Kredit den" Konkursgäubigern gegenüber unwirksam sei, 2.) den Ausspruch, daß die am 30.8.1989 erfolgte Befriedigung der Kreditforderung "der beklagten Partei in Höhe von S 4,668.331,01 mit einem Teilbetrag von S 1,668.331.01 durch Aufrechnung mit einem Auszahlungsguthaben der" Gemeinschuldnerin auf einem näher bezeichneten Konto in gleicher Höhe den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam sei, sowie 3.) die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 1,668.331,01 samt 8 % Zinsen seit 28.3.1990 an den Kläger.

Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, Rechtsgrund der befriedigten Forderung sei nicht Kreditgewährung, sondern grundlose Bereicherung.

Bei der Verhandlungstagsatzung vom 13.6.1991 brachte der Kläger ergänzend vor, "die geltend gemachte Anfechtung" betreffe "die Befriedigung einer Forderung, der geltend gemachte Rechtsgrund für die befriedigte Forderung" sei "ohne Relevanz".

Bei der Verhandlungstagsatzung vom 10.9.1991 ergänzte der Kläger Punkt 2 des Urteilsantrages derart, daß er in dessen Wortlaut nach dem Wort "Kreditforderung" die Wendung "oder sonstige Forderung" einfügte. Die beklagte Partei sprach sich unter Hinweis auf die Befristung der Klage gemäß § 43 Abs.2 KO gegen diese "Ausdehnung" aus und wendete ein, diese "Änderung" wäre nur bei Änderung des Vorbringens möglich, die aber jedenfalls verspätet wäre; die Klagserzählung stütze sich nämlich auf eine "behauptete Kreditforderung", tatsächlich liege aber ein Bereicherungsanspruch vor. Ohne Klagsänderung wäre das neue Begehren unschlüssig. Darauf replizierte der Kläger, er habe am 13.6.1991 einen solchen Sachverhalt wenigstens hilfsweise vorgebracht. Die Rückzahlung sei auch nicht für eine Kreditforderung oder einen Bereicherungsanspruch gewidmet worden; der Anfechtungsanspruch habe die Anfechtung der Befriedigung einer Forderung, unabhängig von deren Rechtsgrund, zum Gegenstand.

Bei der Verhandlungstagsatzung vom 29.10.1991 brachte die beklagte Partei vor, die vom Kläger vorgenommene Klagsänderung wäre - wenn überhaupt - nur innerhalb der Frist des § 43 Abs.2 KO zulässig gewesen. Das ergänzende Vorbringen des Klägers sei aber keine Klarstellung, sondern beinhalte eine Änderung von Begehren und Klagegrund; bisher sei die Klage auf den Rechtsgrund der Kreditforderung gestützt worden, nun berufe sich der Kläger auf den Titel der Bereicherung. Dem hielt der Kläger entgegen, die beklagte Partei habe die Forderung selbst als Kreditüberziehungsforderung bezeichnet; sein ergänzendes Vorbringen diene daher bloß der Klarstellung.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsänderung mittels Ergänzung des Wortes "Kreditforderung" durch die Wendung "oder sonstige Forderung" unzulässig sei. Die Klagefrist gemäß § 43 Abs.2 KO sei am 28.3.1991 abgelaufen. Gegenstand der Anfechtung seien eine Kreditforderung sowie deren teilweise Tilgung. Um das Begehren auch auf "eine sonstige Forderung" stützen zu können, sei eine Änderung des Vorbringens erforderlich, wie das am 13.6.1991 geschehen sei. Die Ausdehnung auf einen anderen Rechtsgrund sei eine Änderung des Klagegrundes und damit eine Klagsänderung, die aber innerhalb der Jahresfrist vorgenommen werden müsse.

Das Gericht zweiter Instanz ließ die begehrte Einfügung der Worte "oder sonstige Forderung" nach dem Wort "Kreditforderung" im Punkt 2 des Urteilsantrages zu und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Frage, ob das ergänzende Vorbringen des Klägers als Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO zu beurteilen sei, könne im gegenwärtigen Verfahrensstadium auf sich beruhen. An sich sei im Konkursanfechtungsprozeß die Klagsänderung bei Zutreffen der allgemeinen Voraussetzungen zulässig. Grundsätzlich sei die Klagsänderung auch tunlichst zuzulassen, um einen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden. Die Klagefrist des § 43 Abs.2 KO sei eine von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Fallfrist, deren Versäumung zur Klagsabweisung führe. Werde eine Klagsänderung nicht innerhalb der Jahresfrist vorgenommen, könne die verspätet vorgenommene Klagserweiterung dem Anfechtungskläger nicht zum Prozeßerfolg verhelfen. Sollte die begehrte Einfügung im Urteilsantrag als Klagsänderung gemäß § 235 ZPO zu beurteilen und nach Ablauf der Klagefrist vorgenommen worden sein, so führe dieser Vorgang jedenfalls zu keiner wesentlichen Verzögerung oder Erschwerung des Verfahrens. Ein Grund, der die Unzulässigkeit der Klagsänderung zur Folge hätte, liege nicht vor. Sollte deshalb eine Klagsänderung vorliegen, sei sie jedenfalls zulässig.

Der von der beklagten Partei gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist zumindest im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei macht darin - wie schon im vorinstanzlichen Verfahren - geltend, die vom Kläger vorgenommene Modifikation seines Urteilsantrages im Punkt 2 sei eine Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO, die im Konkursanfechtungsprozeß nach Ablauf der Jahresfrist des § 43 Abs.2 KO nicht mehr zugelassen werden dürfe.

Diesen Ausführungen kann indessen nicht beigepflichtet werden:

Gemäß § 235 Abs.4 ZPO ist es - unter anderem - nicht als Änderung der Klage (sc. im Sinne der vorstehenden Absätze) anzusehen, wenn die tatsächlichen Angaben der Klage ohne Änderung des Klagegrundes geändert, ergänzt, erläutert oder berichtigt werden. Hat der Anfechtungskläger die angefochtene Rechtshandlung ausreichend individualisiert, kann er sein Begehren im Laufe des Verfahrens näher aufklären, ergänzen oder berichtigen, soweit eine solche Erklärung nur nicht dazu führt, daß nach deren Ergebnis eine andere Rechtshandlung angefochten und das Leistungsbegehren nun aus dieser Rechtshandlung abgeleitet erscheint (ÖBA 1988, 283). Davon kann aber bei der hier in Rede stehenden Ergänzung des Wortlauts in Punkt 2 des Urteilsantrages keine Rede sein:

Gegenstand des Klagebegehrens im Konkursanfechtungsstreit ist eine bestimmte Rechtshandlung, durch die das Vermögen des Schuldners betroffen wird und seine Gläubiger benachteiligt werden; bei den bloß konkursrechtlich relevanten Anfechtungstatbeständen (§§ 30 und 31 KO) ist Streitgegenstand also eine Rechtshandlung, durch die der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger ("par conditio creditorum") gestört wird. Im vorliegenden Fall (Punkt 2 des Klagebegehrens) ist nicht etwa die dort genannte "Kreditforderung", sondern deren Befriedigung durch Aufrechnung gegen eine bestimmte Forderung der (späteren) Gemeinschuldnerin (deren "Auszahlungsguthaben" auf einem von der beklagten Partei geführten Konto) Gegenstand der Anfechtungsklage (in deren Rechtsgestaltungsbegehren). Die befriedigte Forderung ist nach dem Vorbringen der Parteien jedenfalls im Zusammenhang mit einem laufenden Kreditverhältnis entstanden und wurde auch auf dem hiefür geführten Konto gebucht; der Kläger hat den von ihm deshalb angenommenen Rechtsgrund der durch Aufrechnung befriedigten Forderung zur näheren Bezeichnung der getilgten Forderung verwendet, ohne daß dies zur schlüssigen konkursanfechtungsrechtlichen Ableitung des Klagebegehrens aus dem Vorbringen notwendig gewesen wäre. Die mit dem Rechtsgestaltungsbegehren angefochtene Rechtshandlung wäre bei Bedachtnahme auf die Klagserzählung auch ohne Anführung des Rechtsgrundes der befriedigten Forderung ausreichend individualisiert gewesen, die Angaben über den bloß zur Klarstellung im Begehren angeführten Rechtsgrund konnten daher vom Kläger ohne Änderung des Klagegrundes (also der Rechtshandlung und der zur Annahme eines gesetzlichen Anfechtungstatbestandes ausreichenden Tatsachen) geändert oder - wie hier - ergänzt werden. Der Kläger beruft sich auf die Anfechtungstatbestände des § 30 Abs.1 Z 3 und des § 31 Abs.1 Z 2 erster Fall KO, und zwar seinem Vorbringen nach auf die Herbeiführung einer Aufrechnungslage durch die Schuldnerin in Begünstigungsabsicht bzw. nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und den Vollzug der Aufrechnung durch die beklagte Partei in Kenntnis bzw. zumindest in fahrlässiger Unkenntnis der Begünstigungsabsicht bzw. der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin; an diesem Anfechtungstatbestand ändert sich überhaupt nichts, ob nun der beklagten Partei die Rückzahlung aus der Kreditgewährung oder aus einem anderen Rechtsgrund - also auch etwa aus grundloser Leistung - geschuldet wurde. Ist das Gericht schon ganz allgemein an die rechtliche Qualifikation des Sachverhaltes durch die Parteien nicht gebunden, muß dies umso mehr dann gelten, wenn die Qualifikation lediglich der näheren Bezeichnung der durch die angefochtene Rechtshandlung befriedigten Forderung dient, die Forderung aber auch ohne Nennung ihres Rechtsgrundes ausreichend bestimmt bezeichnet wäre.

In der hier zu beurteilenden Klageveränderung (vgl. hiezu Fasching, LB2 Rz 1227) war der Kläger jedenfalls berechtigt, ohne daß er zu dieser Erklärung der Zustimmung des Gegners bedurfte oder vom Prozeßgericht hiezu hätte berechtigt werden müssen. Das Erstgericht hätte deshalb an sich die Einwendungen der beklagten Partei zurückweisen müssen. Da das Gericht zweiter Instanz aber die Klageveränderung der Sache nach ohnehin zuließ - diesem Ausspruch kommt, wie dieses Gericht selbst zutreffend ausführte, nur deklaratorischer Charakter zu -, muß es damit sein Bewenden haben.

Dem Revisionsrekurs könnte aber selbst wenn, wenn die Ergänzung des Urteilsantrages als Klagsänderung im Sinne des § 235 Abs.1 bis 3 ZPO beurteilt werden würde, kein Erfolg beschieden sein. Das Prozeßgericht hat auch Klagsänderungen gegen den Widerspruch des Beklagten zuzulassen, wenn durch sie die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht überschritten wird (was hier gar nicht fraglich sein kann) und aus ihr keine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens zu besorgen ist (§ 235 Abs.3 ZPO). Daß eine solche Erschwerung oder Verzögerung zu gewärtigen wäre, hat die beklagte Partei im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht vorgebracht. Das Erstgericht hat denn auch die Klagsänderung nur deshalb nicht zugelassen, weil der durch diese Erklärung eingeführte "neue" Anspruch gemäß § 43 Abs.2 KO bereits verfristet wäre. Das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die einjährige Klagefrist für Konkursanfechtungsklagen eine materiellrechtliche Fallfrist ist, deren Versäumung zur Klagsabweisung führt. Die Prüfung der Zulässigkeit der Klagsänderung ist aber auf die im § 235 Abs.3 ZPO genannten verfahrensrechtlichen Kriterien zu beschränken; ob der neu ins Prozeßverhältnis eingeführte Anspruch auch sachlich begründet wäre, was bei Versäumung der Klagefrist gewiß zu verneinen wäre, hat dagegen bei der Entscheidung des Prozeßgerichtes über die Zulässigkeit der Klagsänderung außer Betracht zu bleiben (6 Ob 535/90).

Klagsänderungen sind tunlichst zuzulassen (SZ 50/29 uva); schon deshalb wäre die zweitinstanzliche Entscheidung auch dann zu bestätigen, wenn die Ergänzung des Urteilsantrages als Klagsänderung im Sinne des § 235 Abs.1 bis 3 ZPO zu beurteilen wäre. In diesem Zusammenhang kann auch noch darauf verwiesen werden, daß von der Zulassung der Klagsänderung eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens umso weniger zu besorgen wäre, je offenkundiger der neu eingeführte Anspruch sachlich nicht begründet wäre. Den weitwendigen Ausführungen im Revisionsrekurs unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie wäre schon durch diese Erwägung der Boden entzogen.

Dem Revisionsrekurs ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Das wegen der Einwendungen der beklagten Partei gegen die Klagsänderung erforderlich gewordene zusätzliche Verfahren ist, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, als Zwischenstreit anzusehen (1 Ob 531/92; GlUNF 3595; Fasching, Komm II 362).

Anmerkung

E29153

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00572.92.0609.000

Dokumentnummer

JJT_19920609_OGH0002_0010OB00572_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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