TE OGH 1992/6/10 3Ob565/91

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Veröffentlicht am 10.06.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem ***** 1991 verstorbenen, ***** wohnhaft gewesenen Geschäftsmannes Ing.Emil *****, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten 1. Elfriede C*****, ***** und 2. Margarete H*****, ***** beide vertreten durch Dr.Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 22.August 1991, GZ R 266/91-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Aspang vom 8.Mai 1991, GZ A 63/91-11, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß über den Antrag der mit der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses betrauten erbserklärten Erbinnen als Verlassenschaftsprovisorium zum Vertreter des ruhenden Nachlasses in Bezug auf die Ausübung der Gesellschafterrechte in der Kommanditgesellschaft "Elektrizitäts- und Sägewerk K***** Brüder E***** Dr.Erich Kadlec, Rechtsanwalt, Schwarzenbergstraße 8, 1010 Wien, bestellt wird.

Text

Begründung:

Zum Nachlaß des Erblassers erklärten sich seine beiden durch Testament berufenen Töchter zu Erben. Der Erblasser war persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, deren einziger weiterer Komplementär etwa zwei Monate vor ihm verstorben war. Die Erbinnen beantragten, ein Verlassenschaftsprovisorium zu errichten und ihren Rechtsanwalt für die Dauer der Abhandlung insbesondere zur Ausübung der der Verlassenschaft "zugehenden Gesellschaftsrechte bezüglich der Kommanditgesellschaft und zur Vertretung der Gesellschaft" zu bestellen.

Das Erstgericht nahm die bedingte Erbserklärung der beiden Töchter an und überließ ihnen gemeinsam die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses. Den Antrag, ihrem Rechtsanwalt zum Vertreter der Verlassenschaft und der Kommanditgesellschaft zu bestellen, wies es mit der Begründung zurück, daß es ihnen freistehe, ihrem Rechtsanwalt Vollmacht zur Vertretung der Verlassenschaft zu erteilen, daß aber zur Bestellung eines Verlassenschaftsprovisoriums nicht das Verlassenschaftsgericht sondern das Firmenbuchgericht zuständig sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Erbinnen nicht Folge und bestätigte den angefochtenen Beschlußpunkt mit der Maßgabe, daß der Antrag abgewiesen werde, soweit er auf Bestellung des Rechtsanwalts zur Ausübung der von der Verlassenschaft geltend zu machenden Gesellschafterrechte in der Kommanditgesellschaft gerichtet war. Das Rekursgericht sprach aus, daß der diesbezügliche Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Mit der Überlassung der Besorgung und der Verwaltung des Nachlasses könnten sich die Erbinnen eines gemeinsamen bevollmächtigten Vertreters bedienen. Dazu bedürfe es im Rahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes keiner Mitwirkung des Verlassenschaftsgerichtes. Zur Eintragung eines gemeinsamen Vertreters des Nachlasses im Firmenbuch, der für die Verlassenschaft vertretungsbefugt sei, bedürfe es wohl eines Einschreitens des Abhandlungsgerichtes, das auf Antrag einen provisorischen Vertreter bestellen könne, doch reiche die nach § 145 AußStrG an die Erbgemeinschaft erteilte Befugnis zur Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft, die wieder durch einen mit Vollmacht ausgestatteten Vertreter handeln könne, aus. Eine weitere Bestellung durch das Abhandlungsgericht sei überflüssig. Diesen aber zu ermächtigen, die Kommanditgesellschaft zu vertreten, sei nicht Sache des Verlassenschaftsgerichtes. Dadurch würde in unzulässiger Weise in die im Gesellschaftsvertrag geregelten Befugnisse zur Vertretung der Personenhandelsgesellschaft eingegriffen. Diese sei im Gesellschaftsvertrag dahin geregelt, daß zwei Gesellschafter gemeinsam oder der Gesamtprokurist gemeinsam mit einem der kollektiv vertretungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter vertreten. Die Tätigkeit des Abhandlungsgerichtes habe sich auf die Gesellschafterrechte des Erblassers zu beschränken, nicht aber eine Änderung der gesellschaftsvertraglichen Stellung der Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft zu umfassen. Die Zulassung des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit dem Hinweis auf unterschiedliche Ansichten in der Lehre und auf SZ 28/110, wonach das Abhandlungsgericht Anordnungen über die Ausübung der Gesellschafterrechte treffen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Erbinnen ist berechtigt.

Die Bemängelung, daß das Rekursgericht in Wahrheit den auf Unzuständigkeit beruhenden Zurückweisungsbeschluß abänderte, geht deshalb ins Leere, weil seit der Neuordnung des Rechtsmittelzuges im Verfahren außer Streitsachen durch die WGN 1989 in der Anfechtbarkeit keine Unterscheidung zwischen einem bestätigenden und einem abändernden Beschluß des Rekursgerichtes mehr besteht. Die Einrichtung des sogenannten Verlassenschaftsprovisoriums als Gebilde der Praxis zur Überbrückung der Zeit bis zur Abgabe und Annahme der Erbserklärung durch die Erben hat einem Bedürfnis nach der Regelung der Ausübung der Gesellschafterrechte eines verstorbenen Gesellschafters einer Personalhandelsgesellschaft entsprochen. Nach § 32a Abs 2 HGB idF BGBl 1991/10 ist das in das Firmenbuch einzutragende Verlassenschaftsprovisorium (§ 4 Z 3 FBG) gesetzlich dahin erfaßt, daß nach dem Tod eines Einzelkaufmannes oder eines vertretungsbefugten Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft des Handelsrechts auf Antrag in das Firmenbuch einzutragen ist, wenn das Verlassenschaftsgericht zum Vertreter des ruhenden Nachlasses in Bezug auf die Führung des Unternehmens oder die Ausübung der Gesellschafterrechte bestellt hat. Nach der Übergangsregelung des Art XXIII Abs 1 FBG kommt die neue Vorschrift des § 4 Z 3 FBG über die Eintragung noch nicht zur Anwendung. Die Praxis hat sich aber schon bisher über den Mangel, daß bis zur Annahme der Erbserklärung das Vertretungsrecht des verstorbenen Gesellschafters nicht mehr ausgeübt werden kann, dadurch hinweggesetzt, daß bis zum Wegfall des Hindernisses eine zur Vertretung bis auf weiteres berechtigte Person in das Handelsregister/Firmenbuch eingetragen wird (Krummel, Das Verlassenschaftsprovisorium nach dem verstorbenen Inhaber oder Gesellschafter, NZ 1961, 25). Dieses Abhandlungsprovisorium kennzeichnet einen handelsregisterlichen Vermerk des Inhaltes, daß der Inhaber des Unternehmens gestorben ist und daß zur Vertretung und Firmenzeichnung bis auf weiteres eine bestimmte Person befugt ist, wobei als Provisorialvertreter auch die Erben, denen die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft überlassen wurde, eingetragen werden können (Schuhmacher in Straube, HGB, § 27 Rz 5 und Rz 6; Demelius, Das kaufmaännische Nachlaßverfahren in Österreich, 138; SZ 23/150; SZ 26/297; SZ 28/110). Das Verlassenschaftsgericht hat an sich den ausgewiesenen Erben die Verwaltung der Verlassenschaft zu übertragen (Harrer, Folgeprobleme des Todes eines Gesellschafters einer OHG, GesRZ 1982, 44; Schuhmacher in Straube, HGB, § 27 Rz 6). Soweit die Erbinnen die Bestellung ihres bevollmächtigten Rechtsanwaltes zur Vertretung der Kommanditgesellschaft anstrebten, stellen sie nun klar, daß sie nicht etwa einen Eingriff in die gesellschaftsvertragliche Regelung der Gesellschaftsvertretung, sondern nur erreichen wollen, daß auch sie entsprechend der Vertretungsregelung an der Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft beteiligt werden. Die aktenkundige räumliche Entfernung ihres Aufenthaltsortes vom Sitz der Kommanditgesellschaft rechtfertigt den gemeinschaftlichen Antrag auf Bestellung eines Vertreters des Nachlasses zur Ausübung der diesem zukommenden Gesellschafterrechte, worauf schon im Antrag hingwiesen wurde. Es ist dem ruhenden Nachlaß sonst erschwert, die ihm zukommenden Rechte in Bezug auf die Gesellschafterstellung persönlich auszuüben (vgl Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht3, 80; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 194; BGHZ 3, 354), weil seine zur Vertretung Befugten nur gemeinsam und nur mit Zustimmung der anderen Gesellschafter durch einen Bevollmächtigten auftreten dürften.

Auch nach der Aufnahme der Vorschriften über die Eintragung des Verlassenschaftsprovisoriums (§ 32 a Abs 2 HGB und § 4 Z 3 FBG) ist nicht geregelt, wen das Abhandlungsgericht zum Vertreter des ruhenden Nachlasses zu bestellen hat. Immerhin billigt der Gesetzgeber im § 32 a HGB idF FBG, daß bei Tod eines vertretungsbefugten Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft das Verlassenschaftsgericht für den ruhenden Nachlaß einen Vertreter in Bezug auf die Ausübung der Gesellschafterrechte bestellt. Wenn es auch sonst ausreichen mag, daß den ausgewiesenen Erben die Verwaltung der Verlassenschaft übertragen wird (Schuhmacher in Straube, HGB § 27 Rz 6; Welser in Rummel, ABGB2 Rz 23 zu § 531 Anh), so besteht kein Grund, das einvernehmliche Verlangen der Erben nach der Bestellung eines Vertreters abzulehnen, wenn die mit dem Aufenthalt im Ausland verbundenen Erschwernisses bei der Ausübung der Gesellschafterrechte des Nachlasses das Einschreiten eines im Inland wohnhaften Vertreters als zweckmäßig erkennen lassen. Hier geht es auch nicht darum, von Wünschen der Beteiligten abzugehen (SZ 28/110), sondern dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die mit der Verwaltung betrauten Erbinnen wegen ihres Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Frankreich die Durchsetzung der Gesellschafterrechte des Nachlasses anders nur schwer erwirken könnten.

In Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen ist daher der Vertreter zu bestellen, allerdings nach der im Revisionsrekurs erfolgten Klarstellung nicht "zur Vertretung der Kommanditgesellschaft", weil die Befugnis nur zur Vertretung des Nachlasses erteilt werden kann (Welser aaO Rz 22; Koppensteiner in Straube, HGB, § 39 Rz 11; SZ 23/316; SZ 28/110).

Anmerkung

E31054

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00565.91.0610.000

Dokumentnummer

JJT_19920610_OGH0002_0030OB00565_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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