TE OGH 1992/6/16 5Ob516/92

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Veröffentlicht am 16.06.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Björn P*****, geb. am 15.April 1986, und Romina P*****, geb. am 11.November 1988, infolge ao Revisionsrekurses der Minderjährigen Romina P*****, vertreten durch ihre Mutter Annemarie A*****, geborene G*****, ***** Bregenz, A*****straße 9, diese vertreten durch Dr.Wilhelm Winkler und andere Rechtsanwälte in Bregenz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 12.März 1992, GZ 1a R 111/92-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 2.Jänner 1992, GZ P 193/86-14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes vom 2.1.1992, ON 14, wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 2.1.1992, P 193/86-14, wurden die Geldunterhaltsansprüche der Minderjährigen Björn und Romina P*****gegen ihren Vater, Gerhard P*****, antragsgemäß mit je S 2.500,-- monatlich bemessen. Dabei wurde als erwiesen angenommen, daß der Vater als Eisenleger ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 23.005,-- bezieht und keine weiteren Sorgepflichten hat.Einem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters gab das Gericht zweiter Instanz teilweise statt und setzte den Geldunterhalt der Minderjährigen Romina P***** - bei unveränderten Bemessungsgrundlagen - mit monatlich S 2.200,-- fest. Dieser Betrag erscheine ausreichend, weil er sicherstelle, daß die Minderjährige "noch angemessen an den Lebensverhältnissen ihres Vaters teilnimmt". Der für die Deckung des durchschnittlichen Bedarfs von Kindern im Alter zwischen 3 und 6 Jahren erforderliche Betrag liege nämlich bei rund S 2.130,-- im Monat. Zur Leistung dieses Unterhaltsbetrages (sowie der weiteren S 2.500,-- monatlich für den Minderjährigen Björn P*****) sei der Vater bei seinem durchschnittlichen Nettoeinkommen von rund S 23.000,-- monatlich in der Lage.

Rechtliche Beurteilung

Zu diesen Ausführungen ist anzumerken, daß der Rekurs des unterhaltspflichtigen Vaters erst am 17.2.1992, vordergründig also nach Ablauf der 14-tägigen Rechtsmittelfrist des § 11 Abs 1 AußStrG, zu Protokoll gegeben wurde. (Der Beschluß des Erstgerichtes war nach einem vergeblichen Zustellversuch am 30.1.1992 beim zuständigen Postamt hinterlegt und ab 31.1.1992 zur Abholung bereitgehalten woren.) Dennoch war es richtig, den Rekurs als rechtzeitig zu behandeln, weil der Rechtsmittelwerber bereits am 5.2.1992 beim Erstgericht erschienen war und erklärt hatte, gegen den Beschluß vom 2.1.1992 Rekurs zu erheben. Damals wurde ihm wegen einer Verhinderung des Richters mitgeteilt und in einem AV festgehalten, daß zur Protokollierung des Rekurses ein Termin festgesetzt wird. Noch am selben Tag hat dann der Richter die Ladung des Rechsmittelwerbers für den 17.2.1992 verfügt (ON 15).

Eine derartige Terminisierung der Aufnahme eines Protokollarrekurses darf den Rechtsmittelwerber nicht schlechter stellen, als wäre ihm für die Verbesserung eines mangelhaften (in diesem Fall inhaltsleeren) Rechtsmittels eine Frist gesetzt worden, die über die gesetzliche Rechtsmittelfrist hinausreicht. Selbst eine gesetzwidrig verlängerte Verbesserungsfrist hätte nämlich zur Folge, daß das Rechtsmittel nicht mehr als verspätet zurückgewiesen werden kann, wenn die solcherart eingeräumte Verbesserungsmöglichkeit genützt wird (vgl SZ 41/18 ua; zuletzt 10 Ob S 93/91; 8 Ob 553/91). Damit war die zweite Instanz nicht gehindert, den Rekurs des unterhaltspflichtigen Vaters materiell zu behandeln.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den nicht weiter begründeten Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig sei.

Im nunmehr vorliegenden ao Revisionsrekurs macht die Unterhaltsberechtigte vor allem geltend, daß es ein Abweichen von der höchstgerichtlichen Judikatur bedeute, den Unterhaltsanspruch eines Kindes nur am Regelbedarf und nicht auch an der Leistungsfähigkeit bzw den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen auszurichten. Die Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzmethode, die auch diese Komponente berücksichtige, würde monatlich S 3.450,-- ergeben, sodaß keinesfalls unter den vom Erstgericht zuerkannten Betrag gegangen werden könne. Dementsprechend zielt der Revisionsrekursantrag auf eine Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Zutreffend weist die Rechtsmittelwerberin darauf hin, daß eine Unterhaltsbemessung, die sich nur am Regelbedarf der jeweiligen Altersgruppe orientiert und nicht auch die Lebensverhältnisse der Eltern berücksichtigt, dem klaren Gesetzeswortlaut des § 140 Abs 1 ABGB widerspricht (JBl 1991, 40; RZ 1991/26 ua). Das scheint auch das Rekursgericht erkannt zu haben, weil es in den Gründen seiner Entscheidung anmerkte, die Minderjährige nehme mit dem zugesprochenen Unterhaltsbetrag angemessen an den Lebensverhältnissen ihres Vaters teil. Tatsächlich läuft jedoch die zweitinstanzliche Unterhaltsbemessung darauf hinaus, daß nur am Regelbedarf von Kindern zwischen 3 und 6 Jahren Maß genommen wurde, weil der Zuschlag von rund S 70,-- monatlich auf den für die Deckung des Durchschnittsbedarfs als notwendig erkannten Betrag von S 2.130,-- monatlich nicht ernstlich als Beteiligung an den überdurchschnittlich guten Lebensverhältnissen des Vaters reklamiert werden kann. Zum selben Ergebnis käme man nämlich bei einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von rund S 14.700,--, würde man den Geldunterhaltsanspruch der Revisionsrekurswerberin nach der Prozentsatzmethode ermitteln, die sich bei durchschnittlichen Verhältnissen als brauchbar erwiesen hat und vom Obersten Gerichtshof als Orientierungshilfe für die Gleichbehandlung ständig wiederkehrender Bemessungsfragen auch gebilligt wird (vgl JusExtra 954; RZ 1992, 124/48; 5 Ob 1514/92; 4 Ob 512/92 ua).

Demnach hat das Rekursgericht die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach sich die Lebensverhältnisse der Eltern auf die Höhe des Geldunterhaltsanspruches auswirken müssen, nur scheinbar berücksichtigt. Ein solcher Fehler in der Rechtsanwendung rechtfertigt gemäß § 14 Abs 1 AußStrG die Anrufung des Obersten Gerichtshofes, weil er in Wahrheit ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung bedeutet und so die Rechtssicherheit gefährdet (vgl ecolex 1991, 383; WoBl 1992, 76/60). Der Revisionsrekurs ist daher als zulässig zu behandeln.

In der Sache selbst ist auf das zutreffene Argument der Revisionsrekurswerberin zurückzukommen, daß schon der Vergleich des vom Rekursgericht erzielten Ergebnisses mit dem nach der Prozentsatzmethode ermittelten Unterhaltsbetrag eine offenkundige Vernachlässigung der Lebensverhältnisse des Vaters (seiner überdurchschnittlichen finanziellen Leistungsfähigkeit) indiziert. Die in § 140 Abs 1 ABGB geforderte angemessene Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Eltern und der Bedürfnisse des Kindes verbietet es zwar, die Prozentkomponente voll auszuschöpfen, wenn der Unterhaltspflichtige mehr leisten könnte, als der Unterhaltsberechtigte zur Sicherung entsprechender Lebensverhältnisse tatsächlich braucht (vgl EFSlg 64.660; RZ 1991, 99 ua; zuletzt 9 Ob 1751/91 und 8 Ob 602/91), doch kann davon bei den geforderten S 2.500,-- monatlich ohnehin keine Rede sein. Die erstgerichtliche Unterhaltsbemessung, die den Geldunterhaltsanspruch der Minderjährigen Romina P***** nicht mit dem Regelbedarfbegrenzt, sondern sie mit rund S 300,-- an den gehobenen Lebensverhältnissen des Vaters teilhaben läßt, ist daher nicht zu beanstanden. Daß der zweieinhalb Jahre ältere Björn P***** einen gleich hohen Geldbetrag erhält, weil für ihn nicht mehr beantragt wurde, hätte das Rekursgericht nicht dazu veranlassen dürfen, einen seiner Meinung nach gerechtfertigten Unterschied zu schaffen. Abgesehen davon, daß sich der Minderjährige Björn im Zeitpunkt der Unterhaltsbemessung ebenfalls in der Altersgruppe der drei- bis sechsjährigen (also vorschulpflichtigen) Kinder befand, war Maß an den Bedürfnissen des Kindes und den Lebensverhältnissen der Eltern, nicht jedoch an den effektiven Geldunterhaltsleistungen für die Geschwister zu nehmen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Anmerkung

E34089

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00516.92.0616.000

Dokumentnummer

JJT_19920616_OGH0002_0050OB00516_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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