TE Vwgh Erkenntnis 2006/1/31 2003/05/0167

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Veröffentlicht am 31.01.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §33 Abs3;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §44 Abs2 idF 1998/I/158;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz, als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Gertrude Schuster in 7535 Neuberg, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 26, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 25. Juli 2003, Zl 5-BB-100-373/1-3, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Neuberg im Burgenland), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Burgenland Aufwendungen in Höhe von EUR 381, 90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 6. Februar 2003 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Schotterbox sowie eines Geräteabstellplatzes auf dem Grundstück Nr. 297/4, KG Neuberg, zur zentralen Schotterlagerung. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Grundparzellen 297/2 und 297/ 3, KG Neuberg. Die Grundparzelle 297/2 grenzt unmittelbar an das gegenständliche Grundstück an.

Mit Kundmachung der gemäß der Verordnung LGBl. Nr. 42/1998 zuständigen Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 24. Februar 2003 wurde für den 12. März 2003, 8.00 Uhr, unter Hinweis auf das Projekt eine mündliche Verhandlung im Gemeindeamt Neuberg anberaumt. Die Ladung enthielt nachstehende Belehrung: "Gemäß § 42 AVG verlieren Personen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Bezirkshauptmannschaft Güssing oder während der Verhandlung Einwendungen erheben, ihre Stellung als Partei".

Die Beschwerdeführerin, der die Ladung am 25. Februar 2003 zugestellt worden war, erhob durch ihren Rechtsvertreter mit einem an die Bezirkshauptmannschaft Güssing "per Fax 03322/42326 4670" gerichteten Schriftsatz vom 11. März 2003, eingelangt per Fax bei der Bezirkshauptmannschaft Güssing am 12. März 2003 um 3:05 Uhr, Einwendungen. Sie sprach sich gegen die Erteilung einer Baubewilligung aus, weil durch die Lagerung, den An- und Abtransport von Schotter, von Gerätschaften und Alteisen, eine massive nicht ortsübliche Beeinträchtigung durch Immissionen, wie Lärm, Abgase, Partikelflug sowie Erschütterungen durch den Zubringerverkehr zu erwarten sei. Sie erklärte, dass sie aus terminlichen Gründen an der Verhandlung nicht teilnehmen könne.

Bei der mündlichen Verhandlung waren nach der Verhandlungsschrift keine Anrainer anwesend und wurden auch keine Einwendungen gegen das gegenständliche Bauvorhaben erhoben; das genannte Fax der Beschwerdeführerin findet keine Erwähnung. Der Amtssachverständige führte anlässlich der Verhandlung aus, dass die maßgeblichen baupolizeilichen Interessen, nämlich die Einhaltung der Bestimmungen des Bgld. BauG, der Bgld. Bauverordnung, die Ausführung gemäß dem Stand der Technik nach Maßgabe des Verwendungszweckes, die Vermeidung der Gefährdung oder das ortsübliche Ausmaß überschreitender Beeinträchtigungen der Nachbarn sowie die verkehrsmäßige Erschließung und Ver- und Entsorgung durch das gegenständliche Bauvorhaben nicht verletzt seien.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 13. Mai 2003 wurde der mitbeteiligten Partei die begehrte Baubewilligung erteilt und es wurden die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwendungen als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass durch das gegenständliche Bauvorhaben mit einer das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Beeinträchtigung der Nachbarn nicht zu rechnen sei.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der Bescheid erster Instanz mit der Maßgabe bestätigt, dass die Einwendungen der Anrainerin als unzulässig zurückgewiesen wurden. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass die schriftlich am Verhandlungstag eingebrachten Einwendungen verspätet gewesen seien. Aufgrund des Verhandlungsprotokolls stehe fest, dass die am Verhandlungstag um 3:05 Uhr eingelangten Einwendungen dem Verhandlungsleiter (vor der Verhandlung) nicht zugekommen seien. Da die Beschwerdeführerin rechtzeitig und persönlich zur mündlichen Verhandlung geladen worden sei und die Kundmachung durch die Behörde ordnungsgemäß erfolgt sei, habe dies zur Folge gehabt, dass die Beschwerdeführerin infolge Nichterhebung von Einwendungen bis zum Verhandlungstag bzw. während der Verhandlung ihre Parteistellung verloren habe. Mit dem Verlust der Parteistellung verliere die Beschwerdeführerin alle Rechte, die an die Parteistellung geknüpft seien, insbesondere das Recht zur Erhebung einer Berufung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde im Wesentlichen vor, sie habe ihre Einwendungen am Tag der Verhandlung um 3:05 Uhr sowohl an die Baubehörde erster Instanz als auch, was aus dem Schreiben nicht hervorgeht, an den Verhandlungsort gefaxt. Sie habe daher annehmen dürfen, dass der Verhandlungsleiter von den Einwendungen Kenntnis erlangen werde. Überdies sei nicht ersichtlich, weshalb dem Verhandlungsleiter die Einwendungen nicht zugekommen seien, und hätte die belangte Behörde diesbezüglich Feststellungen treffen müssen. Die Einwendungen seien ja auch Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheids gewesen. Es komme nicht darauf an, ob der Verhandlungsleiter von den Einwendungen Kenntnis hatte, allerdings hätte geprüft werden müssen, warum die bereits bei der Behörde vorhandenen Einwendungen dem Verhandlungsleiter nicht zur Kenntnis gelangt sind.

§ 42 AVG i.d.F. BGBl. I. Nr. 158/1998 lautet auszugsweise:

"(1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, daß eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, daß ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

..."

Beim "Tag vor Beginn der Verhandlung" handelt es sich um den Kalendertag, der dem Verhandlungstag vorausgeht; der Ansicht der Beschwerdeführerin, es handle sich um den Morgen des Verhandlungstages, ist entgegenzuhalten, dass diese Wendung dann überflüssig wäre, weil das Ergebnis einer solchen Interpretation schon durch die weitere Wendung "oder während der Verhandlung" erreicht würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1984, 84/07/0258, 259, zu dem mit der Wortfolge "spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung" gleichlautenden § 42 Abs. 1 AVG 1950, ausgesprochen, dass schriftliche Einwendungen spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde eingelangt sein müssen und somit die Tage des Postenlaufes die Frist nicht im Sinne des § 33 Abs. 3 AVG verlängern.

Während im Fall des Erkenntnisses vom 3. Februar 2000, 99/07/0191, VwSlg. 15342/A, am Verhandlungstag die schriftliche Eingabe dem Verhandlungsleiter übergeben wurde, der sie verlesen und der Verhandlungsniederschrift als Beilage angeschlossen hat, wird im Beschwerdefall nicht einmal behauptet, der Verhandlungsleiter hätte Kenntnis von den Einwendungen gehabt.

Davon ausgehend waren die am Tag der Verhandlung bei der Behörde eingelangten und dem Verhandlungsleiter laut der Verhandlungsschrift nicht zur Kenntnis gebrachten Einwendungen der Beschwerdeführerin jedenfalls verspätet. Daran vermag auch der Umstand, dass die Behörde erster Instanz über die Einwendungen der Beschwerdeführerin inhaltlich abgesprochen hat, nichts zu ändern. Die Berufungsbehörde ist iSd § 66 Abs. 4 AVG i.d.F. BGBl. I 158/1998 berechtigt, sowohl im Spruch als auch in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäss den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Aus welchen Gründen dem Verhandlungsleiter die Einwendungen nicht bekannt waren, ist ebenso unerheblich wie die Frage, ob die Beschwerdeführerin darauf vertrauen durfte, dass die Einwendungen dem Verhandlungsleiter rechtzeitig zukommen, sodass insofern kein Verfahrensmangel erkennbar ist.

Da die Beschwerde sich somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr.2003/333.

Wien, am 31. Jänner 2006

Schlagworte

Auslegung Diverses VwRallg3/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003050167.X00

Im RIS seit

27.02.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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