TE OGH 1992/9/2 9ObA146/92

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Veröffentlicht am 02.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Mag.Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.J***** U*****, praktischer Arzt und Kurarzt, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Stiftung B*****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen 945.942,26 S (Revisionsstreitwert 760.942,26 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Februar 1992, GZ 13 Ra 58/91-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Jänner 1991, GZ 17 Cga 119/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

"Der Revision wird nicht Folge gegeben."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 19.771,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.295,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei als Hausarzt beschäftigt. Dieses Dienstverhältnis wurde von der beklagten Partei mit Schreiben vom 26.August 1986 zum 31.Oktober 1986 gemäß § 32 Abs 2 lit a und f VBG gekündigt. Mit am 6.Oktober 1986 beim Erstgericht eingelangter Klage begehrte der Kläger die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses und in der Folge die Zahlung eines Betrages von 482.775,98 S brutto samt 8 % stufenweisen Zinsen. Dieses Begehren wurde vom Erstgericht abgewiesen. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger habe durch mehrfaches Zuspätkommen trotz Abmahnung seine Dienstpflicht gröblich verletzt. Das Berufungsgericht änderte nach Beweiswiederholung das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens ab, wobei es davon ausging, daß eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Dienstbetriebes durch die Pflichtverletzungen des Klägers nicht erwiesen sei, so daß eine gröbliche Verletzung der Dienstpflicht nicht vorliege. Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht erachteten den Einwand des Klägers, der Beschluß der Verwaltungskommission der beklagten Partei über die Kündigung des Klägers sei nicht rechtmäßig zustandegekommen, als unbegründet; das Berufungsgericht führte dazu aus, daß die Kündigungserklärung nach außen wirksam abgegeben und jedenfalls durch die nachträgliche Zustimmung aller Kommissionsmitglieder saniert worden sei. Mit Urteil vom 14.Juni 1989, 9 Ob A 160/89, bestätigte der Oberste Gerichtshof die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit der abweichenden Begründung, der Beschluß der Verwaltungskommission über die Kündigung des Klägers sei nicht wirksam zustandegekommen; der Beschluß sei im Umlaufweg unter Übergehung von zumindest zwei der sieben Mitglieder der Verwaltungskommission gefaßt worden. Eine Sanierung durch nachträgliche Zustimmung der übergangenen Mitglieder komme nicht in Betracht, weil durch den Ausspruch der Kündigung unmittelbar Rechtswirkungen ausgelöst würden. Das Urteil des Obersten Gerichtshofes wurde den Parteien am 9.August 1989 zugestellt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Ersatz von Schäden, den er durch die unrechtmäßige Kündigung erlitten habe. Infolge dieser Kündigung habe er vom 1.November 1986 bis einschließlich 16. Oktober 1989 im Badehospitz keinen Dienst gemacht, wobei in den Monaten September und Oktober 1989 Urlaubstage konsumiert worden seien. Im einzelnen begehrt der Kläger die Differenz zwischen den ihm zustehenden Bruttobezügen für die Zeit vom Jänner 1988 bis Dezember 1989 jeweils zuzüglich 8 % Zinsen ab Fälligkeit, abzüglich der erhaltenen Nettobeträge von insgesamt 641.657,38 S. Die beklagte Partei habe im Vorverfahren eine 8 %ige Verzinsung anerkannt; überdies sei die von ihr vorgenommene Umrechnung von Brutto- auf Nettobeträge unrichtig. Ferner begehrte der Kläger einen Betrag von 775.942,26 S samt 8 % Zinsen ab Klagstag. Der Kläger habe im Rahmen seiner vertraglichen Tätigkeit als Kurarzt kurative Behandlungen der Kurpatienten vorgenommen. Durch den Wegfall dieser Verdienstmöglichkeit habe er in der Zeit vom 1.Juni 1987 bis 31.März 1990 einen Verdienstentgang von 233.820 S an Honoraren der Gebietskrankenkasse und von 82.360 S an Honoraren der BVA erlitten. Ferner habe der Kläger infolge des Ausfalls der Bezüge als Kurarzt seine Kredite aufstocken und schließlich umschulden müssen. Durch den Zahlungsverzug der beklagten Partei seien dem Kläger (anteilige) Kreditspesen von 372.750,26 S sowie Kosten von 378.628 S für den im Rahmen der Umschuldung tätig gewordenen Treuhänder erwachsen. Auf den Gesamtbetrag von 1,067.558 S sei der anderweitige Verdienst des Klägers im Kurhaus W***** anzurechnen, und zwar 113.335 S im Jahre 1988 und 178.281 S im Jahre 1989.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe dem Kläger die den nachzuzahlenden Bruttobezügen von Jänner 1988 bis August 1989 entsprechenden Nettobeträge samt 4 % Zinsen ab Fälligkeit gezahlt und dem Kläger auch Lohnabrechnungen übermittelt. Ab September 1989 habe der Kläger die Bezüge nach Maßgabe der Fälligkeit erhalten. Für die rückständigen Bezüge habe der Kläger nur Anspruch auf eine Verzinsung von 4 %, weil der beklagten Partei hinsichtlich des Zahlungsverzuges kein grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei. Der Kläger habe auch keine Bevorschussung der Dienstbezüge verlangt. Mit der Außerstreitstellung der Verzinsung von 8 % im Vorprozeß - in dem die Bezüge bis Dezember 1987 geltend gemacht worden seien - sei diese Verzinsung nicht auch für spätere Zeiträume anerkannt worden. Zwischen der Nichtbezahlung der Bezüge und der Aufnahme weiterer Kredite durch den Kläger sowie der Umschuldung bestehe kein Zusammenhang. Darüber hinaus werde der Kreditaufwand mit dem Zinsenbegehren und dem Begehren auf Ersatz der Kreditkosten doppelt geltend gemacht. Auch hiefür gelte, daß über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehender Schadenersatz nur bei grob fahrlässigem Zahlungsverzug begehrt werden könne. Die mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung erlittenen Schäden seien verjährt. Der anderweitig erzielte Verdienst von 291.616 S wäre vom rückständigen Gehalt abzuziehen gewesen; nur die Differenz sei für die Fremdfinanzierung kausal gewesen.

Die Behandlung von Kurpatienten der beklagten Partei durch den Kläger auf Krankenscheine sei nicht Gegenstand des Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen gewesen. Dem Kläger sei diese Tätigkeit bereits seit Mai 1986 durch die Gebietskrankenkasse untersagt worden. Der Entfall des Verdienstes aus Krankenscheinen sei daher keine Folge des Unterbleibens der Tätigkeit des Klägers als Kurarzt. Zwischen dem Entgang an Honorar ab September 1989 und der Kündigung bestehe keinerlei Zusammenhang.

Mit Teilurteil wies das Erstgericht den die gesetzlichen Verzugszinsen von 4 % übersteigenden Teil des Zinsenbegehrens im Ausmaß von weiteren 4 % Zinsen aus den Bruttobezügen für die Jahre 1988 und 1989 (Pkt 1.) sowie ein weiteres Begehren von 675.942,26 S samt 8 % Zinsen ab 7.Juni 1990 (Pkt 2.) ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Außerstreitstellung des Zinsenbegehrens im Vorverfahren nur für die dort geltend gemachten Beträge gegolten habe. Nach § 1333 ABGB werde der Schaden, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die Verzögerung der bedungenen Zahlung zufüge, durch die gesetzlichen Zinsen vergütet. Einen höheren Zinsenanspruch habe der Gläubiger nach bürgerlichem Recht nur im Falle der von ihm zu beweisenden bösen Absicht oder auffallenden Sorglosigkeit des Schuldners, insbesondere im Falle einer Prozeßführung in Verzögerungsabsicht. In dem umfangreichen und schwierigen Vorprozeß habe das Erstgericht anders als das Berufungsgericht das Vorliegen von Kündigungsgründen bejaht; weiters seien Erst- und Berufungsgericht von der formellen Wirksamkeit der Kündigung ausgegangen. Die Wirksamkeit der Kündigung sei letztlich vom Obersten Gerichtshof aus formalrechtlichen Gründen verneint worden, wobei unterschiedliche Rechtsmeinungen zu dieser Frage vertretbar seien. Die beklagte Partei habe daher mit dem Ausspruch der Kündigung und der Prozeßführung nicht grob fahrlässig gehandelt. Sie treffe daher keine über die Pflicht zur Zahlung der gesetzlichen Zinsen hinausgehende Schadenersatzpflicht. Dem eingeklagten Verdienstausfall durch Entgang von Krankenscheinen sei der in diesem Zeitraum erzielte anderweitige Verdienst von 291.616 S gegenüberzustellen. Bei beiden Beträgen handle es sich um Einkünfte aus einander ablösenden Verdienstmöglichkeiten. Es verbleibe daher nur die Differenz von 24.564 S an sonstigem Verdienstentgang. Berücksichtige man den daraus allenfalls abzuleitenden Schaden aus Kreditaufstockung, Verzinsung und Umschuldung verbleibe ein Gesamtbetrag von höchstens 100.000 S. Das Mehrbegehren von 675.942,26 S sei daher abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, daß ein die Verzugszinsen übersteigender Verzögerungsschaden nach bürgerlichem Recht nur bei Vorsatz oder auffallender Sorglosigkeit des Schuldners zu ersetzen sei. Eine ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, welche Anforderungen an die Auflösung von Arbeitsverhältnissen durch juristische Personen als Arbeitgeber zu stellen seien, habe nicht bestanden. In einer Vorentscheidung sei die Auffassung vertreten worden, es berühre nur das Innenverhältnis des Arbeitgebers, ob ein Kündigungsbeschluß satzungsgemäß zustandegekommen sei; in dem Außenverhältnis sei entscheidend, ob die Kündigung dem Arbeitnehmer gegenüber vom zuständigen Organ des Arbeitgebers ausgesprochen worden sei. Die Einlassung in den Vorprozeß sei daher nicht als auffallende Sorglosigkeit zu qualifizieren. Was die Kündigungsgründe angehe, hätten sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht drei der insgesamt zehn geltend gemachten Verfehlungen als erwiesen angenommen, doch habe das Berufungsgericht das Verhalten des Klägers milder beurteilt. Der beklagten Partei könne daher nicht vorgeworfen werden, sie habe wider besseres Wissen Kündigungsgründe behauptet, die sich im Verfahren als haltlos erwiesen hätten, um den Kläger aus unsachlichen Gründen loszuwerden. Die Gehaltsabrechnung sei von der beklagten Partei nach Abschluß des Verfahrens in angemessener Frist erstellt worden; hiebei sei zu berücksichtigen, daß allenfalls ein anderweitiger Verdienst des Klägers anzurechnen gewesen wäre. Es verbleibe daher nur der mit 316.180 S geltend gemachte Verdienstentgang. Darauf sei der gesamte anderweitige Verdienst von 291.616 S anzurechnen; eine unzulässige Neuerung sei das Vorbringen, die Tätigkeit des Klägers im Kurhaus W***** sei erst im April 1988 begonnen worden, es fehle die zeitliche Kongruenz zwischen diesem Verdienst und dem behaupteten Verdienstentgang. Es sei daher nur mehr die Differenz zwischen dem geltend gemachten Verdienstentgang und dem vom Kläger selbst behaupteten anderweitigen Verdienst von 24.564 S zu prüfen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Gegenstand der Entscheidung bildenden Teiles des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Revisionswerber gegen die vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertretene Rechtsauffassung (zuletzt SZ 63/114) wendet, ein die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigender Vermögensschaden stehe dem Gläubiger nur dann zu, wenn er behaupte und beweise, daß dem Schuldner grobe Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit dem Zahlungsverzug zur Last falle - die vom Revisionswerber dagegen vorgebrachten Argumente sind nicht überzeugend - genügt es, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG).

"Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO."

Anmerkung

E32212

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00146.92.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19920902_OGH0002_009OBA00146_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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