TE OGH 1992/9/3 7Ob597/92

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Veröffentlicht am 03.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Egermann, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Helga T*****, infolge Rekurses des früheren Sachwalters Dr.Ernst K*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 14.Juli 1992, GZ 44 R 99,539/92, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 28.Jänner 1991, GZ 17 SW 11/87-167, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß, soweit er nicht hinsichtlich seines Punktes 1 unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Helga T*****wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 10.5.1982 gemäß § 1 Abs.2 EntmO beschränkt entmündigt, Dipl.Sozialarbeiter Günther H*****wurde zu ihrem Kurator und in der Folge zum Sachwalter gemäß § 273 Abs.3 Z 1 ABGB zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt (ON 65). Helga T*****bezieht nach wie vor eine Invaliditätspension einschließlich des Hilflosenzuschusses in Höhe von monatlich ungefähr S 8.000,--. Sie erhält von Edith G*****monatlich S 1.000,-- an Rückzahlung aus einem gewährten Darlehen. Sie ist Alleineigentümerin des Hauses Wien 22., M*****gasse 17, in dem sie eine Substandardwohnung bewohnt. Über weitere Einkünfte oder Vermögen verfügt sie nicht. Sie wird vom sozialen Stützpunkt für den 22.Bezirk betreut. Bisher wurden ihre lebensnotwendigen Auslagen vom Sachwalter beglichen, darüber hinaus erhielt sie ein Taschengeld.

Das Miethaus stellt nach den bisherigen Verfahrensergebnissen einen Vermögenswert von S 3,265.000,-- dar (Bd II AS 103). Es wird von der vom Sachwalter bestellten Hausverwaltung Denk verwaltet, ist aber dringend reparaturbedürftig. Bereits mit Bescheid vom 24.4.1986 erließ die Baupolizei diverse Sanierungsaufträge (ON 59), deren Durchführung von ihrem Gesamtumfang her gesehen aber von einer Mietzinserhöhung nach § 18 MRG unter gleichzeitiger Kreditaufnahme abhängig sind und mangels dieser Maßnahmen bisher nur teilweise durchgeführt wurden.

Mit Beschluß vom 20.6.1990 (ON 122) gab das Rekursgericht dem Rekurs des Sachwalters gegen den erstgerichtlichen Auftrag, Schritte zu einer günstigen Veräußerung des Hauses zu unternehmen und einen entsprechenden Kaufvertrag vorzubereiten, statt und genehmigte die Durchführung der vorgeschlagenen Sanierung des Hauses unter Inanspruchnahme öffentlicher Förderungsmittel bei gleichzeitiger Erhöhung der Mietzinse. Die Baupolizei hat dieses Sanierungskonzept genehmigt, das Amt der Wiener Landesregierung hat mit Schreiben vom 14.8.1980 der Förderungswerberin Annuitätenzuschüsse einem den Bestimmungen des § 22 WSG entsprechend aufzunehmenden Darlehen von S 10,715.000,-- zugesichert, jedoch einen Baubeginn bis 11.3.1991 gefordert (AS 61 f in Bd.II).

Das Haus weist derzeit nur Kategorie D-Wohnungen auf, die zum Teil wegen des fortgeschrittenen Verfalles unvermietet sind. Diese Wohnungen könnten jedoch bei Zusammenlegung und entsprechender Sanierung zu Kategorie A-Wohnungen angehoben werden. Da Helga T*****bei einer Mietzinserhöhung für die leerstehenden Wohnungen herangezogen würde, das Haus auf Jahre hinaus bei einer Belastung keine Erträge mehr liefern würde und auch nicht veräußert werden könnte, schlug der frühere Sachwalter den Verkauf eines Achtelanteiles an Johanna D*****vor, wodurch die bisherige Eigentümerin auch in den Genuß recht beträchtlicher Steuervorteile käme. Das Rekursgericht hat über Rekurs des Sachwalters gegen den diesen Anteilsverkauf nicht genehmigenden erstgerichtlichen Beschluß (ON 145) noch nicht entschieden (ON 146). Nachdem Helga T*****den von ihr gestellten Antrag auf Enthebung des Sachwalters Günther H*****(ON 142) mit Schreiben vom 12.8.1991 (ON 148) zurückgezogen hatte, wobei sie dem Verkauf eines Achtelanteiles zustimmte, pflog das Rekursgericht Erhebungen (ON 154 f), zu denen von Amts wegen ein bisher im Akt nicht aufscheinender Albrecht O*****geladen wurde. Auf einen Telefonanruf hin, den der erhebende Richter des Rechtsmittelsenates als von Helga T*****her stammend qualifizierte (ON 156), in dem sie erneut den Sachwalter H*****ablehnte, trug das Rekursgericht dem Erstgericht auf, vorerst über diesen "Enthebungsantrag" zu entscheiden (ON 159). Das Erstgericht gab jedoch diesem Antrag nicht Folge (ON 165), enthob jedoch in der Folge Günther H*****über dessen eigenen Antrag unter gleichzeitiger Bestellung des vorgeschlagenen Rechtsanwaltes Dr.Ernst K*****zum neuen Sachwalter (ON 167). Erst in der Folge stellte Helga T*****einen Antrag auf Bestellung des Albrecht O*****zum Sachwalter (ON 168). Sie erhob gegen die Bestellung Dris.K***** Rekurs (ON 169).

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht unter anderem dem Rekurs der Helga T***** gegen die Bestellung Dris.Ernst K***** zum Sachwalter Folge, enthob diesen und bestellte Albrecht O***** zum neuen Sachwalter für die Vertretung vor Behörden, für privatrechtliche Rechtsgeschäfte und insbesondere für die Sanierung des Hauses M*****gasse 17 "im Zusammenhalt mit der Klärung der Hausverwaltung", weiters für die notwendigen Schritte zur Einleitung des Baubeginnes um die Zusicherung der befristeten Sanierungssubvention nicht zu verlieren. Ferner trug es dem neuen Sachwalter auf, binnen 3 Wochen bekanntzugeben, ob der Antrag auf Genehmigung des Verkaufes von einem Achtelanteil an Johanna D***** "seitens der Betroffenen" sowie der Rekurs des früheren Sachwalters H***** aufrecht erhalten werden. Bei Nichtaufrechterhaltung des Kaufantrages wäre die Rücküberweisung des erlegten Kaufpreises mit inzwischen abgereiften Zinsen durchzuführen. Es erklärte den Revisionsrekurs für unzulässig.

Rechtlich folgerte das Rekursgericht, daß auf Dr.K***** der Vorwurf laste, mit dem früheren Sachwalter H***** in einem Naheverhältnis zu stehen. Der aktenkundigen Pflichtenkollision des neu bestellten Sachwalters Albrecht O*****, dem von Dr.K***** angelastet werde, sich unrechtmäßig in den Besitz einer Wohnung im Haus der Kurandin gesetzt zu haben, werde das Erstgericht durch die Bestellung eines Kollisionskurators zu begegnen haben. Ansonsten bestehe zwischen O***** und Helga T***** ein optimales Vertrauensverhältnis. O***** garantiere die persönliche Obsorge der Helga T***** insbesondere für die Zuführung des Essens und für die persönlichen Bedarfsgegenstände des täglichen Lebens. Dagegen werde Dr. K***** von der Kurandin strikt abgelehnt. Da aber der neu bestellte Sachwalter mit der vorrangig zu betreibenden Sanierung des Hauses vertraut sei, erweise sich seine Bestellung als die günstigste Lösung.

Der vom früheren Sachwalter Dr.K***** erhobene ao. Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung steht einem Kurator ein selbständiges Rechtsmittel gegen seine Enthebung zu (MGA AußStrG2 § 9/163).

In gebotener Anwendung des § 509 Abs.3 ZPO auch auf das Rechtsmittelverfahren vor den Rekursgerichten muß den Parteien - und im vorliegenden Fall vertritt der enthobene Sachwalter die Interessen der Kurandin - zur Wahrung des rechtlichen Gehörs Gelegenheit gegeben werden, zu den Ergebnissen der Erhebungen oder Beweisaufnahmen Stellung zu nehmen. Falls die Parteien oder ihre Repräsentanten nicht zu einer Vernehmung geladen werden, sind ihnen die Ergebnisse der Erhebungen zur Kenntnis zu bringen und ihnen eine Frist zur Stellungnahme zu setzen (SSV-NF 4/151; SSV-NF 3/77 = JBl. 1990, 335 mit eingehender Begründung uwN). Damit erweist sich der Vorwurf des Revisionsrekurswerbers, vom Bescheinigungsverfahren gesetzwidrig ausgeschlossen worden zu sein, als grundsätzlich berechtigt. Das Rekursgericht hat es unterlassen, Dr.K***** zur Behauptung O*****, eine rechtsverbindliche Zusage für die Inanspruchnahme der zweiten Wohnung zu haben, Stellung nehmen zu lassen, dies umso mehr, als der vernehmende Richter des Rekursgerichtes sich keine schriftliche Unterlage für die behauptete baupolizeiliche Genehmigung eines Mauerdurchbruches zwischen den beiden Wohnungen vorweisen ließ (AS 283 in Bd II). Dem aufgezeigten schweren Verfahrensmangel kommt aber keine Bedeutung zu, weil die Frage der Sachwalterbestellung bereits aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse entscheidungsreif ist. Die Verzögerung der Sanierung des Hauses M*****gasse 17 und die dadurch verursachten Fristversäumnisse gebieten eine sofortige und effektive Abwicklung der damit verbundenen Schritte. Sollte die Förderungszusage des Landes Wien noch aufrecht zu erhalten sein, wird es erforderlich sein, die von den Professionisten vorgeschlagenen Preise zu halten und sofort den Beginn der Bauarbeiten planvoll zu organisieren, damit der zwischenzeitig eingetretene, möglicherweise noch durch eine Zeit lang sich fortsetzende Mietzinsverlust für die Kurandin in erträglichen Grenzen hält. Diese Situation erfordert mehr als bei einem Durchschnittsbürger vorhandene Kenntnisse. Die Bestellung eines Rechtsanwaltes, der in solchen Angelegenheiten doch berufsbedingte Erfahrungen sammeln konnte, erscheint daher dringend geboten. Damit kommt aber eine Bestellung des O***** zum Sachwalter nicht mehr in Frage. Jedenfalls hat in der gegenwärtigen Situation die Abwendung eines drohenden Verkaufes der Liegenschaft zufolge einer wirtschaftlich nicht mehr möglichen Sanierung des Hauses Vorrang gegenüber persönlichen Sympathien der Besachwalteten zu einem Mieter des Hauses. Der Vorwurf Dris.K***** stehe in einem Naheverhältnis zum früheren Sachwalter, der im übrigen äußerst verdienstvoll wirkte, ist inhaltsleer und erfordert daher nicht einmal eine Überprüfung auf dessen Richtigkeit. Da sonst keine weiteren Einwände gegen Dr. K***** aktenkundig sind, spricht alles dafür, diesen bereits eingearbeiteten Sachwalter auch weiterhin mit der Sachwalterschaft zu betrauen. Im übrigen sind die gegen die Bestellung des Albrecht O***** zum Sachwalter vorhandenen Bedenken vom Rekursgericht keineswegs befriedigend aufgeklärt worden, konnte O***** doch dem vernehmenden Rekursrichter keinen tauglichen Rechtstitel für sein Vorgehen anbieten und keine Angaben über den nunmehr für die zusammengelegten Wohnungen zu bezahlenden Mietzins einer Wohnung der Kategorie A machen, sodaß der Verdacht, der Besachwalteten drohe durch das Vorgehen O***** wieder ein nicht unbedeutender Mietzinsverlust, von dem durch diesen Beschluß wiederbestellten Sachwalter Dr. K***** genau geprüft werden muß. Schließlich ist es auch nicht zweckmäßig, jemanden zum Sachwalter zu bestellen, der ein bestrittenes Recht gegen den Kuranden behauptet, was zwangsläufig zu mit der Bestellung eines Kollisionskurators verbundenen Mehrkosten führen muß. Im übrigen darf die Vorgangsweise des Rekursgerichtes bei der Nichterledigung des Rechtsmittels des früheren Sachwalters H***** gegen den vom Erstgericht versagten Verkauf von einem Achtelanteil nicht unbeanstandet bleiben, weil dieser Vorschlag des früheren Sachwalters ein Teil des Sanierungskonzeptes war und unbedingt vor der Entscheidung über die Sachwalterbestellung zu erledigen gewesen wäre. Im Spannungsfeld zwischen der Beurteilung der Rentabilität der Sanierung eines alten Mietshauses und der vom Gesetz her gebotenen Erhaltung der Substanz des Vermögens des Kuranden kommt dem vom früheren Sachwalter erhobenen Anteilsverkauf besondere Bedeutung zu, enthält er doch einen sinnvollen Vorschlag der Kurandin für die Dauer der Ertraglosigkeit und der Unmöglichkeit einer Weiterveräußerung des Hauses einen finanziellen Rückhalt zu verschaffen.

Aus all diesen Erwägungen war daher die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen und dem Rekursgericht eine umgehende Entscheidung über den Rekurs ON 148 aufzutragen.

Anmerkung

E30447

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00597.92.0903.000

Dokumentnummer

JJT_19920903_OGH0002_0070OB00597_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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