TE OGH 1992/9/15 10ObS124/92

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Veröffentlicht am 15.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Oskar Harter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Bayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alfred N*****, ***** vertreten durch Dr.Jörg Hobmeier und Dr.Hubertus Schumacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und Dr.Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. September 1987, GZ 5 Rs 1102/87-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25.Mai 1987, GZ 46 Cgs 1022/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. beschlossen:

Das mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 8.März 1988 10 Ob S 22/88 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Versicherungszuständigkeit unterbrochene Revisionsverfahren wird auf Antrag des Klägers wieder aufgenommen;

2. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 109,76 S Umsatzsteuer mit 1.207,36 S bestimmten halben Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 12.Jänner 1984 bei Reparaturarbeiten an einem Schneeräumgerät einen Unfall, der zur Erblindung des linken Auges führte.

Mit Bescheid vom 3.Oktober 1985 lehnte die Sozialversicherungsanstalt der Bauern die Gewährung einer Leistung aus der Unfallversicherung für die Folgen des genannten Ereignisses ab. Der Kläger habe am Unfallstag einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, dessen Einheitswert 2.000 S nicht erreicht habe. Deshalb sei er nicht in der Unfallversicherung nach dem BSVG pflichtversichert (gewesen).

Dagegen erhob der Kläger zu 1 C 53/85 des damaligen Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Tirol in Innsbruck Klage mit dem Begehren, die Sozialversicherungsanstalt der Bauern zu verurteilen, ihm für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.Jänner 1984 ab Beendigung des Krankenstandes eine Versehrtenrente von 33 1/3 % in der gesetzlichen Höhe zu gewähren. Dazu brachte er vor, er habe den Unfall nicht im eigenen Betrieb, sondern dabei erlitten, als er, um rund um das Landwirtschaftsgebäude seiner Mutter (richtig Schwiegermutter), M***** M*****, Schneeräumarbeiten durchführen zu können, dort einen Schneepflug repariert bzw an einem Transporter angebracht habe. Dieser Vorfall könne nach § 175 Abs 2 Z 5 ASVG (Instandhaltung von Arbeitsgerät), Abs 3 Z 4 leg cit (Nachbarschaftshilfe) oder nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG (kurzfristige Einordnung in den Betrieb der Mutter) als Arbeitsunfall qualifiziert werden. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wendete ein, daß die Schwiegermutter des Klägers am Unfallstag keinen landwirtschaftlichen Betrieb geführt habe, dessen Einheitswert 2.000 S erreicht habe und bestritt, daß es sich bei dem Vorfall um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. In der Tagsatzung vom 20.Jänner 1986 wurde das Verfahren auf Antrag des Klägers, dem die damalige Beklagte "nicht entgegentrat", mit verkündetem Beschluß "zur Frage der allfälligen Leistungszuständigkeit der AUVA unterbrochen" und ausgesprochen, daß es von jeder Partei nach Abklärung dieser Frage auf Antrag fortgesetzt werden könne.

Am 12.März 1986 brachte der Kläger unter Hinweis auf diesen Unterbrechungsbeschluß bei der im vorliegenden Verfahren beklagten Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt hinsichtlich des Unfalls vom 12. Jänner 1984 einen Antrag auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens und bescheidmäßige Absprache ein. Dieser Versicherungsträger sei vor allem nach § 176 Abs 1 Z 6 und § 175 Abs 2 Z 5 ASVG zuständig.

Mit Bescheid vom 19.Jänner 1987 lehnte die AUVA die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des Unfalls vom 12.Jänner 1984 unter Berufung auf § 176 Abs 1 Z 6 ASVG ab, weil der Kläger damals weder für einen gewerblichen noch für einen landwirtschaftlichen Betrieb gearbeitet habe. Überdies betreffe die Schneeräumung wegen des geringen Viehstandes im Betrieb der Schwiegermutter eher den privaten Bereich.

In der dagegen erhobenen Klage begehrt der Kläger, die AUVA zu verurteilen, ihm für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.Jänner 1984 ab Beendigung des Krankenstandes bzw ab der 27. Woche eine Versehrtenrente von 33 1/3 % und ab 1.Februar 1985 eine Dauerrente von 25 % in der gesetzlichen Höhe zu gewähren. Seine Schwiegermutter, M***** M*****, betreibe in ***** N*****, ***** eine kleine Landwirtschaft, in der durchschnittlich zwei bis drei Kühe, Schweine und Federvieh gehalten würden. Weil die Schwiegermutter schon mehr als 60 Jahre alt sei, helfe er ihr während des ganzen Jahres bei verschiedenen landwirtschaftlichen Arbeiten und unterstütze sie auch seit Jahren bei den Schneeräumarbeiten rund um den Bauernhof, zu denen sie nicht mehr in der Lage wäre. Bei der Reparatur des Schneeräumgerätes am 12.Jänner 1984 habe er eine Augenverletzung erlitten, die zur Erblindung des linken Auges geführt habe. Der Kläger stützte seine Klage auf alle schon in der Klage 1 C 53/85 geltend gemachten Rechtsgründe, insbesondere aber auf § 176 Abs 1 Z 6 ASVG. Der landwirtschaftliche Betrieb seiner Schwiegermutter sei zwar klein, doch sei sie wegen ihrer kleinen Rente auf dessen Ertrag angewiesen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Dem Kläger sei am 12.Jänner 1984 bei der Reparatur eines ua auch im Bereich der Kleinlandwirtschaft seiner Schwiegermutter verwendeten Schneeräumgeräte in der bei seinem Wohnhaus befindlichen Garage ein Eisensplitter in das in der Folge erblindete linke Auge geraten. Der Einheitswert der Kleinlandwirtschaft der Schwiegermutter liege unter 2.000 S, weshalb sie in der Unfallversicherung nach dem BSVG nicht pflichtversichert sei. Auch der Kläger sei nicht der Pflichtversicherung nach diesem Gesetz unterlegen. Die Tiroler Gebietskrankenkasse habe ausgesprochen, daß die unfallgegenständliche Tätigkeit des Klägers nicht der Versicherungspflicht nach dem ASVG unterliege. Bei der regelmäßigen, nicht unbedeutenden Mithilfe des Klägers in der Landwirtschaft der Schwiegermutter handle es sich um keine betriebliche Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG versicherter Dienstnehmer ausübe, weil diese Zwerglandwirtschaft kein landwirtschaftlicher Betrieb iS der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen liegt der Einheitswert der im wesentlichen aus 3.000 m2 Feld bestehenden kleinen Landwirtschaft der Schwiegermutter des Klägers, auf der etwa drei Stück Vieh gehalten werden, unter 2.000 S, weshalb die Schwiegermutter bei der SVA der Bauern nicht versichert ist. Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt hauptsächlich aus ihrer Pension und aus der Vermietung von sechs Fremdenbetten und verwendet die Erträgnisse der kleinen Landwirtschaft darüberhinaus zur Abdeckung ihres Eigenbedarfs. Dies war auch am 12.Jänner 1984 so. Da die Schwiegermutter aus Altersgründen ihre Kleinstlandwirtschaft nicht selbst betreiben kann, stehen ihr die Familienmitglieder, darunter der Kläger, regelmäßig zur Seite. Der Kläger verrichtete insbesondere die maschinellen Arbeiten. Er mähte das kleine Feld mit dem Handmotormäher, erledigte mit dem Schlepper das Heuen und Mistführen und mit einem von ihm dazu adaptierten und auch auf seiner benachbarten eigenen Liegenschaft verwendeten Kleinfahrzeug die Schneeräumung. Als er dieses im Hof seines Wohnhauses abgestellte Räumfahrzeug am 12.Jänner 1984 reparierte, sprang ihm bei Schweißarbeiten ein kleiner Eisensplitter ins linke Auge, wodurch dieses erblindete. Der Kläger "ist im Hinblick auf seine Tätigkeit auf der Kleinstlandwirtschaft seiner Schwiegermutter nicht unfallversichert", sondern im Rahmen seiner Beschäftigung als Baggerfahrer bei der beklagten Partei versichert.

In der rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht einen Arbeitsunfall iS des § 175 Abs 2 Z 5 und Abs 3 Z 4 und des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG, weil sich der Unfall in einem landwirtschaftlichen Zwergbetrieb ereignet habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, in der nur die rechtliche Beurteilung bekämpft wurde, nicht Folge.

Weil Ansprüche nach § 175 ASVG ein versicherungspflichtiges Verhältnis voraussetzten, das hier nach § 3 Abs 1 Z 2 und Abs 2 BSVG fehle, könnte sich ein allfälliger Leistungsanspruch des Klägers nur nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG ergeben, der jedoch eine betriebliche Tätigkeit voraussetze. In einem landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Einheitswert unter 2.000 S liege, müsse jede betriebliche Tätigkeit notwendigerweise als vom Betriebsführer selbst und nicht von einem Dienstnehmer ausgeübt angesehen werden, weil die Betriebsorganisation die Tätigkeit von Dienstnehmern grundsätzlich ausschließe. Im übrigen habe es sich bei der Maschinenreparatur eher um einen Werkvertrag als um eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gehandelt.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Auf die verspätete Revisionsbeantwortung, die entgegen § 507 Abs 2 ZPO nicht binnen der Notfrist von vier Wochen ab der Zustellung der Revisionsschrift beim Prozeßgericht erster Instanz, sondern zunächst beim Landesgericht Salzburg eingebracht wurde und erst nach Ablauf der genannten Frist beim Erstgericht einlangte, war nicht Bedacht zu nehmen.

Mit Beschluß des erkennenden Senates vom 8.März 1988 10 Ob S 22/88 SSV-NF 2/22 = ZAS 1989, 210 wurde das (Revisions)Verfahren wegen einer später nicht aufrecht erhaltenen Rechtsansicht (SSV-NF 4/100) bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Versicherungszuständigkeit unterbrochen und die Einleitung des Verfahrens beim Landeshauptmann für Tirol zur Entscheidung über die Frage der Versicherungszuständigkeit angeregt.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21.April 1992 GZ Vd-3633/8 wurde diese als "Antrag" bezeichnete Anregung des Obersten Gerichtshofes zurückgewiesen.

Deshalb war das unterbrochene Revisionsverfahren auf Antrag des Klägers hiemit aufzunehmen (§ 74 Abs 1 ASGG und §§ 164 ff ZPO) und über die Revision zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 28 Z 1 ASVG ist die beklagte AUVA zur Durchführung der Unfallversicherung sachlich zuständig, soweit nicht einer der unter Z 2 und 3 leg cit genannten Versicherungsträger zuständig ist.

Ein Anspruch kann daher nur gegen den Versicherungsträger mit Erfolg geltend gemacht werden, dem in der genannten Gesetzesstelle dafür die Durchführung der Unfallversicherung übertragen ist. Wird der Anspruch gegen einen anderen, sachlich nicht zuständigen Versicherungsträger erhoben, fehlt diesem die passive Klagelegitimation, weil er zur Durchführung der Unfallversicherung und daher auch zur Befriedigung des Anspruches nicht verpflichtet ist (SSV-NF 4/100).

Der Unfall vom 12.Jänner 1984 ist schon deshalb kein Arbeitsunfall iS des § 175 ASVG, weil er sich nicht im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die - von der hier beklagten AUVA durchzuführende - Versicherung begründenden Beschäftigung des Klägers als Baggerfahrers ereignet hat. Seine regelmäßige, aber nicht hauptberufliche Tätigkeit in der Landwirtschaft seiner Schwiegermutter begründete jedenfalls keine von der AUVA durchzuführende Unfallversicherung. Der Kläger kann daher aus dieser Gesetzesstelle gegen den genannten Träger der Unfallversicherung keinen Anspruch ableiten. Er hat auch in der Berufung und in der Revision insoweit nichts vorgebracht und seinen Anspruch in den Rechtsmitteln nur mehr auf § 176 Abs 1 Z 6 ASVG gestützt.

Für einen aus der letztgenannten Gesetzesstelle abgeleiteten Anspruch wäre die beklagte AUVA sachlich legitimiert (vgl SSV-NF 4/100); die Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.

Nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG sind den Arbeitsunfällen (iS des § 175 leg cit) Unfälle gleichgestellt, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes muß es sich bei einer solchen betrieblichen Tätigkeit um eine - wenn auch nur kurzfristige - ernstliche, dem Unternehmen dienende Arbeit handeln, die dem ausdrücklichen oder nach der Sachlage zu vermutenden Willen des Unternehmens entspricht und für ihn von wirtschaftlicher Bedeutung ist. Unter einer ernstlichen Arbeit sind Handlungen zu verstehen, die sonst in dem Betrieb anfallen und üblicherweise von einem Arbeitnehmer im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses iS des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichtet werden. Erforderlich ist auch, daß der Verunglückte in den fremden Betrieb wie ein Arbeitnehmer eingegliedert war, ohne daß ein Verhältnis persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder Weisungsgebundenheit bestehen müssen. War der Helfer mit den im Rahmen seiner Hilfstätigkeit auszuführenden Arbeiten so vertraut, daß er keiner Weisung mehr bedurfte, so stellt sich die den innerbetrieblichen Gepflogenheiten entsprechende Tätigkeit als "betriebliche" iS des Gesetzes dar (SSV-NF 1/17, 2/133, 3/16 und 28).

Wenn § 176 Abs 1 Z 6 ASVG eine "betriebliche Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt", verlangt, so bedeutet dies, daß die Arbeit in einem oder für einen Betrieb geleistet werden muß, ansonsten bleibt der Helfer (nach dieser Gesetzesstelle) ungeschützt (Tomandl, Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 37; ders, in Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 291f). Auch nach Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 48 bezieht sich diese Gesetzesstelle auf die Mithilfe im Betrieb eines anderen.

Dafür spricht auch die in SSV-NF 3/28 dargestellte historische Entwicklung dieser Bestimmung, bei der trotz des Überganges zur Personenversicherung der Begriff des Betriebes weiterhin beachtlich blieb und die Risikosphäre der Unfallversicherung absteckte (Tomandl, Der Schutzbereich der Unfallversicherung ZAS 1975, 123 [127]). Auch die Redaktoren des ASVG verwiesen in der RV im besonderen auf Nachbarn, Erntehelfer und Sommergäste, die vorübergehend in landwirtschaftlichen Betrieben aushelfen (599 BlgNR 7. GP 11). Tomandl, Der Schutzbereich aaO 131 weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß in der Formulierung des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG die ursprüngliche Funktion noch einmal anklingt: geschützt wird nur eine "betriebliche Tätigkeit", wie sie sonst ein Vollversicherter ausübt. Das sei ein deutlicher Hinweis auf die seinerzeitige Gefährdungshaftungsidee.

Richtig ist, daß land- und fortwirtschaftliche Betriebe nach § 27 Abs 1 ASVG Betriebe iS der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl 287 .... sind. Nach § 5 Abs 1 des bezogenen Gesetzes sind Betriebe der Land- und Fortwirtschaft iS dieses Bundesgesetzes Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, ....., ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen ..... Eine Legaldefinition des Begriffes "Betrieb" findet sich auch im § 34 Arbeitsverfassungsgesetz BGBl 1974/22. Danach gilt als Betrieb jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb deren eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht.

In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht Wien als damals letzte Instanz in Leistungsstreitsachen in der in MGA ASVG 51. ErgLfg 252 § 27 FN 1 zit E 30. 4. 1957 11 R 119/57 SVSlg 4756 an sich - nach der damaligen Rechtslage - zutreffend festgestellt, daß eine fortgesetzte Tätigkeit nicht von einem bestimmten Umfang landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder einer bestimmten Betriebsart abhängig ist. Auch eine Zwergwirtschaft, die alle Merkmale eines Unternehmens aufweise, sei als Betrieb anzusehen. Daran ändere auch nichts, wenn die Bewirtschaftung der Grundstücksflächen überwiegend dem Eigenbedarf diene, weil auch die Produktion zum Zwecke der Deckung eigener Bedürfnisse eine dauernde und nicht bloß gelegentliche Einnahmequelle darstelle.

Nunmehr darf aber § 3 Abs 2 BSVG nicht übersehen werden, wonach die Pflichtversicherung (in der Unfallversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes) gemäß Abs 1 nur besteht, wenn es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb handelt, dessen zuletzt iS des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellter Einheitswert den Betrag von 2000 S erreicht oder übersteigt oder für den ein Einheitswert aus anderen als den Gründen des § 25 Z 1 des Bewertungsgesetzes nicht festgestellt wird. Handelt es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, dessen Einheitswert den Betrag von 2000 S nicht erreicht, so besteht die Pflichtversicherung der betreffenden Person, vorausgesetzt, daß sie aus dem Ertrag des Betriebs überwiegend ihren Lebensunterhalt bestreitet .......

Dem zit § 3 Abs 2 BSVG entsprach bis 31. 12. 1978 (Inkrafttreten des BSVG) im wesentlichen § 8 Abs 4 ASVG, welcher Absatz durch die 31. ASVGNov BGBl 1974/775 eingefügt wurde.

Die RV 1286 BlgNR 13 GP 12 begründete diese Einfügung damit, daß nach der bis dahin geltenden Rechtslage des § 8 Abs 1 Z 3 lit b ASVG alle selbständig Erwerbstätigen, die einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führten, in der Unfallversicherung teilversichert waren. Hinsichtlich des Begriffes "land- und forstwirtschaftlicher Betrieb" enthalte zwar § 27 ASVG einen Hinweis auf das Landarbeitsgesetz, doch finde sich dort lediglich eine Umschreibung hinsichtlich der Art, nicht aber hinsichtlich der Größe des Betriebes. Dies habe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Oberlandesgerichtes Wien dazu geführt, daß jede land(forst)wirtschaftliche Fläche ohne Rücksicht auf ihre Größe als land(forst)wirtschaftlicher Betrieb zu betrachten sei, wobei es unerheblich sei, ob aus dieser Fläche überhaupt ein nennenswerter Ertrag erwirtschaftet werden kann bzw wird. Seit der Neuregelung der Beiträge in der Unfallversicherung der Bauern durch die 29. ASVGNov habe die Frage des Vorliegens eines landwirtschaftlichen Betriebes bereits im Beitragsrecht Bedeutung, weil die SVA der Bauern verpflichtet sei, von allen nach § 8 Abs 1 Z 3 lit b ASVG versicherten Betriebsführern den sog Betreibsbeitrag einzuheben. Dadurch hätten zahlreiche Besitzer kleiner und kleinster Grundstücke, Schrebergärten, Bauplätze usw, die oft nicht einmal regelmäßig bewirtschaftet worden seien, Beitragsvorschreibungen erhalten. Der Umstand, daß durch die Beitragsneuregelung ein Personenkreis für die Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung erfaßt werde, der mit der Landwirtschaft oft überhaupt keine Beziehung mehr habe, lasse es zweckmäßig erscheinen, den Begriff des Betriebs, der in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung geschützt werden soll, nach unten hin abzugrenzen, und zwar mit einer Grenze, unter der im landläufigen Sinn nicht mehr von einem landwirtschaftlichen Betrieb gesprochen werden könne. Als jene Grenze biete sich der Einheitswert von 2000 S an, unter dem nach § 25 Z 1 Bewertungsgesetz eine Bewertung durch die Finanzbehörden nicht erfolge. Führer von Betrieben mit einem unter dieser Grenze liegenden Einheitswert sollten nur dann der Versicherungspflicht unterliegen, wenn sie aus dem Ertrag des Betriebs überwiegend ihren Lebensunterhalt bestritten.

Nach den maßgeblichen Feststellungen erreicht der Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes der Schwiegermutter des Klägers, aus dessen Ertrag diese ihren Lebensunterhalt nicht überwiegend bestreitet, nicht 2000 S, so daß für die Betriebsführerin nach § 3 Abs 2 BSVG keine Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach diesem Bundesgesetz gemäß Abs 1 leg cit besteht.

Wenn aber nicht einmal die Person, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen solchen Zwergbetrieb führt oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Zwergbetrieb geführt wird und deren im § 3 Abs 1 Z 2 BSVG bezeichnete Familienangehörigen, wenn sie in diesem Betrieb tätig sind, in der Unfallversicherung nach dem BSVG pflichtversichert sind, dann kann in einem solchen Fall zur Vermeidung von unvertretbaren Wertungsunterschieden nicht mehr davon gesprochen werden, daß jemand, der in einem oder für einen solchen Zweigbetrieb Dienste verrichtet, eine betriebliche Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG (Voll)Versicherter ausübt, leisten würde. Ein solcher Zwergbetrieb ist eben, wie in der RV zur 31. ASVGNov zutreffend ausgeführt wurde, im landläufigen, aber auch im versicherungsrechtlichen Sinn kein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb.

Deshalb hat das Berufungsgericht die Frage, ob der Unfall des Klägers vom 12. 1. 1984 nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG einem Arbeitsunfall gleichgestellt ist, ohne Rechtsirrtum verneint.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Wegen der rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens war dem auch im Revisionsverfahren zur Gänze unterlegenen Kläger nach § 77 Abs 1 Z 2 ASGG ein Anspruch auf Ersatz der halben Revisionskosten zuzubilligen.

Anmerkung

E30292

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00124.92.0915.000

Dokumentnummer

JJT_19920915_OGH0002_010OBS00124_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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