TE OGH 1992/9/29 5Ob135/92

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Veröffentlicht am 29.09.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Herta H*****, Angestellte, ***** vertreten durch Heinz Keltner, Funktionär der Mietervereinigung Österreichs, Hickelgasse 5, 1140 Wien, dieser vertreten durch Dr.Michael Peschl, Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs.1 Z 13 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 28.Jänner 1992, GZ 41 R 28/92-19, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 7.Oktober 1991, GZ 6 Msch 35/87-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin begehrt - nach vorausgegangenem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - die Feststellung, die Antragsgegnerin habe ihr gegenüber durch Vorschreibung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages auf Basis der Ausstattungskategorie B das zulässige Zinsausmaß in der Zeit vom 1.10.1983 bis 1.8.1987 um monatlich S 178,94 überschritten; die Antragsgegnerin sei schuldig, der Antragstellerin den Überschreitungsbetrag zurückzuzahlen.

Die Antragsgegnerin bestritt das Vorbringen der Antragstellerin.

Das Erstgericht gab den Anträgen der Antragstellerin statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die von der Antragstellerin gemietete, 44 m2 große Wohnung liegt in der Mansarde eines Hauses der Antragsgegnerin im 13.Wiener Gemeindebezirk. Im Zeitpunkt der Anmietung (15.3.1954) umfaßte der Mietgegenstand einen Vorraum, ein WC, ein Zimmer, ein Kabinett, eine Küche und einen nur von dieser aus durch einen Türdurchbruch (mit einem Türstock versehen) zugänglichen Waschraum. Dieser Waschraum ist etwa um eine Kachelbreite breiter als der Türdurchbruch und etwa 1,5 m lang. Die Wände dieser Waschnische waren mit einem ölfarbenen Anstrich ausgemalt. Darin befand sich auch eine Waschmuschel sowie ein Duschauslauf auf den flüssigkeitsdichten Boden, jedoch keine Brausetasse. Bei einem Brausevorgang verteilte sich daher die Wassermasse vor dem Ablaufen im gesamten Waschraum. Ein Wasseraustritt in die Küche wurde durch einen 5 cm hohen Türstaffel verhindert. Die Versorgung mit Warmwasser erfolgte durch einen in der Küche befindlichen Durchlauferhitzer. In der Waschnische gab es keine Heizmöglichkeit, keine natürliche Belichtung, keine Entlüftung bzw. mechanische Dunstabsaugung, sodaß die beim Betrieb der Waschgelegenheiten entstehende Feuchtigkeit nur über die Küche und das dort befindliche Fenster entweichen konnte. Dieser Zustand entsprach den im Jahre 1954 geltenden Bestimmungen der Bauordnung für Wien.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, es liege mangels Badegelegenheit mit zeitgemäßem Standard eine Wohnung der Ausstattungskategorie C vor. Eine sinnvolle und wirksame Trennung von Bad und Küche liege nicht vor. Durch die vom Bad in die Küche gelangende Feuchtigkeit werde die bestimmungsgemäße Verwendung der Küche erheblich beeinträchtigt. In der abgetrennten Waschnische bestehe auch nicht die Möglichkeit, das Aus- bzw. Ankleiden sowie das Abtrocknen vorzunehmen.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluß in antragsabweisendem Sinn ab und sprach aus, das der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Umstand, daß die beim Baden entstehende Feuchtigkeit hauptsächlich über die Küche entweiche, nehme für sich allein der Badegelegenheit nicht die Qualifikation des für das Jahr 1954 zeitgemäßen Standards, weil eine wirksame Entlüftung auf Grund der direkten Verbindung zur Küche und das dort befindliche Fenster gewährleistet sei. In dem 1,5 m mal 1 m großen Baderaum sei sehr wohl die Möglichkeit des Aus- und Ankleidens sowie des Abtrocknens gegeben. Dies mag dadurch erschwert werden, daß sich während des Duschvorganges das Wasser auf dem gesamten Boden verteile, doch nehme dies der Badegelegenheit nicht die Qualifikation eines für das Jahr 1954 zeitgemäßen Standards. Unter Berücksichtigung der im Jahre 1954 gegebenen sozialen und ökonomischen Situation und des damaligen - im Vergleich zu heute deutlichen niedrigeren - Lebensstandards sei die gegenständliche Badegelegenheit als dem zeitgemäßen Standard entsprechend anzusehen, weil sie der dem Durchschnittsbürger damals zur Verfügung stehenden Badegelegenheit entspricht.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil es sich lediglich um die Entscheidung eines Einzelfalles handle.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Entscheidung der zweiten Instanz dahin abzuändern, daß der Sachbeschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin begehrt primär die Zurückweisung des Revisionsrekurses, eventualiter die Bestätigung des Sachbeschlusses des Rekursgerichtes.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur Zulässigkeit:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (MietSlg 36.321) abweicht, wonach im Falle des Bestehens einer Badenische eine sinnvolle und wirksame Trennung in der Weise bestehen müsse, daß nicht etwa die mit dem Betrieb des Bades verbundene Feuchtigkeit in der Küche bleibt. Andererseits wurde ausgesprochen (MietSlg 35.319/33), daß im Falle einer Badenische zeitgemäßer Standard (im Jahre 1975) dann vorliege, wenn zumindest ein derartig abgetrennter Raumteil gegeben sei, daß dessen bestimmungsgemäße Benützung und die bestimmungsgemäße Verwendung des anderen Raumteiles einander nicht erheblich beeinträchtigen. In der hier zu beurteilenden Rechtssache wird daher eine Weiterführung der in den genannten Entscheidungen ausgesprochenen Grundgedanken unter Berücksichtigung der von der Lehre an der Entscheidung MietSlg 36.321 angebrachten Kritik (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 16 MRG Rz 29) notwendig sein.

b) Zur Sachentscheidung:

Die in der Wohnung der Antragstellerin eingebaute Badegelegenheit entspricht den im Jahre 1954 geltenden Bauvorschriften, also jedenfalls dem gesetzlichen Mindeststandard. Bei Beantwortung der Frage, was unter einem zeitgemäßen Standard einer Badegelegenheit zu verstehen ist, sind sowohl die im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Bauvorschriften (MietSlg 36.321) und Förderungsrichtlinien (MietSlg 36.326) als auch die in diesem Zeitpunkt herrschenden Verkehrsauffassungen zu berücksichtigen (MietSlg 40.340/28). Während das Wohnbauförderungsgesetz 1968 (BGBl 1967/280) - entsprechend dem Fortschritt in den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen - auf normal ausgestattete Wohnungen abstellt (§ 2 Abs 1 Z 2 Wohnbauförderungsgesetz 1968) und diese Normalausstattung im Verordnungsweg (für Wien: LGBl 1968/7) näher umschrieben wurde, sah das Wohnbauförderungsgesetz 1954 (BGBl 1954/153) als förderungsbewürdig nur einfach ausgestattete Wohnungen vor (§ 2 Z 3 Wohnbauförderungsgesetz 1954). Es entspricht also im hier maßgebenden Zeitpunkt schon eine einfach ausgestattete Wohnung dem zeitgemäßen Standard. Dies läßt sich auch unschwer mit den damals - noch in der Aufbauphase nach Kriegsende - gegebenen Verkehrsauffassungen in Einklang bringen. Damals war ein Großteil der Wohnungen überhaupt noch nicht mit einer Badegelegenheit ausgestattet, sodaß schon der Einbau einer kleinen, aber doch von der Küche separierten Badenische eine bedeutende Hebung des Wohnniveaus darstellte (vgl die in MietSlg 41.266 über die qualitative Entwicklung des Wohnungsbestandes angeführten statistischen Daten - sogar noch für einen späteren Zeitpunkt).

Das Gesetz läßt zur Erfüllung der Voraussetzungen der Ausstattungskategorie B nicht nur Baderäume, sondern auch Badenischen, also nicht allseitig von einem anderen Raum abgetrennte (MietSlg 36.321) Badegelegenheiten zu. Dies hat zwingend zur Folge, daß durch die verbleibende Öffnung Feuchtigkeit in den angrenzenden Raum gelangen kann. Die Anbringung von Absaugvorrichtungen mit den dazu notwendigen Schächten bzw. Rohren entsprach damals bestimmt nicht zeitgemäßer Bauweise für einfach ausgestattete Wohnungen. Die Feuchtigkeit muß in einem solchen Fall eben durch das Fenster im angrenzenden Raum entweichen, soweit sie nicht zum Großteil zunächst in dem nach oben geschlossenen, als Badenische verwendeten Raum verbleibt und langsam im Wege normaler Luftzirkulation sich verflüchtigt. Die Entscheidung MietSlg 36.321 spricht davon, daß die Feuchtigkeit nicht in dem angrenzenden Raum verbleiben (so auch MietSlg 40.340/28) und etwa durch hölzerne Trennwände absorbiert werden darf. Der erkennende Senat vertritt dazu nunmehr die Auffassung, daß von einem solchen Verbleiben der Feuchtigkeit in einem Ausmaß, daß dadurch der Charakter ein einfach ausgestatteten Wohnung verloren ginge, nicht gesprochen werden kann, wenn bei üblicher Lüftung des angrenzenden Raumes durch das dort angebrachte Fenster - je nach Witterung verschieden - schon während des Badevorganges oder jedenfalls unmittelbar nachher ein Entweichen der Feuchtigkeit ins Freie ungefähr in einem solchen Ausmaß bewirkt werden kann, wie es der Fall wäre, wenn ein Baderaum selbst durch ein Fenster entlüftet wird. Jedenfalls in bezug auf die im Jahre 1954 maßgebenden Verhältnisse ist daher der Kritik der Lehre (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, § 16 MRG Rz 29) an der in MietSlg 36.321 getroffenen und in MietSlg 41.267 aufrechterhaltenen allgemeinen Formulierung, daß die bei Benützung der Badegelegenheit auftretende Feuchtigkeit - wozu auch Dampf gehöre - nicht auch nur zeitweise im angrenzenden Raum verbleiben dürfe, Rechnung zu tragen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß bei Beurteilung des damaligen zeitgemäßen Standards darauf Bedacht zu nehmen ist, daß es damals vor allem auf die Funktionsfähigkeit der Badeanlage ankam, hingegen das Interesse an einer gehobenen Badekultur im Sinne einer besonderen Ausgestaltung der Sanitäreinrichtung noch weitgehend im Hintergrund stand (vgl MietSlg 41.266 betreffend Verhältnisse noch im Jahre 1963!).

Die letztgenannten Überlegungen sind auch bei der Beurteilung maßgebend, ob die Abtrennung von Badenische und Küche dem damals maßgebenden zeitgemäßen Standard entsprach. Man wird zwar auch im Jahre 1954 davon ausgehen müssen, daß zeitgemäßer Standard zum Zwecke des Badens zumindest einen derart getrennten Raumteil erfordert, daß dessen bestimmungsgemäße Benützung und die bestimmungsgemäße Verwendung des anderen Raumteils einander nicht erheblich beeinträchtigen (MietSlg 35.319/33). Dazu gehört eine gewisse Größe der Badegelegenheit, um ein Aus- und Ankleiden sowie das Abtrocknen zu ermöglichen (MietSlg 40.340/28 unter Hinweis auf 5 Ob 33/88). Das Abtrocknen ist in dem Baderaum der festgestellten Größe zweifellos möglich das An- und Auskleiden wegen des den ganzen Raum beim Duschen erreichenden Spritzwassers wohl nur dann, wenn die Kleidung vor der Badenische (etwa auf einem dort aufgestellten Sessel) abgelegt wird. Dies allein bedeutet aber - jedenfalls bezogen auf die Verhältnisse im Jahre 1954 - keine erhebliche Beeinträchtigung der Benützbarkeit des anderen Raumteiles (Küche) während der Benützung des einen (Badenische).

Selbständige Beheizbarkeit einer Badenische ist nicht erforderlich.

Im Jahre 1954 hinderte feuchtigkeitsabstoßender Ölanstrich an den Wänden der Badenische nicht deren zeitgemäßen Standard, gehörten doch damals Verfliesungen nicht zum zeitgemäßen Standard für Wohnungen einfacher Ausstattung. Auch in diesem Zusammenhang ist auf die in der Entscheidung MietSlg 41.266 dargestellte Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Ausstattung von Wohnungen zu verweisen.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E30607

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00135.92.0929.000

Dokumentnummer

JJT_19920929_OGH0002_0050OB00135_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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