TE OGH 1992/10/15 8Ob615/92

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Veröffentlicht am 15.10.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Sabine W***** diese vertreten durch Dr.Michael Barnay, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Ahmet Ü*****, vertreten durch Dr.Hansjörg Klocker, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 95.000,-- s.A. , infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 6. Mai 1992, GZ 3 R 102/92-26, womit der das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 30.Dezember 1991, GZ 8 Cg 95/91-18, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin wurde am 16.12.1974 in Polen geboren. Sie zog mit ihrer Muter 1982 nach B*****, der Vater blieb in Polen. Die Ehe der Eltern wurde im Jahre 1989/90 geschieden.

Die Klägerin ist intellektuell grenzbegabt, sie besuchte im Schuljahr 1989/90 die 8.Klasse der Sonderschule.

Zwischen der Mutter der Klägerin und dem Beklagten, der sich seit 1971 in Vorarlberg aufhält, entwickelte sich 1982 eine Liebesbeziehung. Der Beklagte, der immer eine eigene Wohnung hatte, bekam einen Schlüssel für die Wohnung der Mutter der Klägerin und nächtigte öfters dort. Diese Wohnung besteht aus einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer und einer Küche. Das Wohnzimmer wurde von der Mutter der Klägerin und vom Beklagten benutzt, das Schlafzimmer als Kinderzimmer von der Klägerin.

Aufgrund der engen Beziehungen des Beklagten zur Mutter der Klägerin kam es auch zwischen den Parteien zu einer Art Freundschaft. Die Klägerin nannte den Beklagten teilweise "B*****" (da der Beklagte damals bei einer Firma B***** arbeitete) und teilweise auch Papa.

Spätestens im Frühjahr 1989 kam es zwischen den Parteien zu sexuellen Kontakten. Der Beklagte betastete mit seinen Fingern den entblößten Geschlechtsteil der Klägerin, er streichelte ihre gut entwickelten Brüste und veranlaßte die Klägerin, mit ihrer Hand an seinem entblößten Glied zu manipulieren. Weiters vollzog der Beklagte im Jahre 1989 mit der Klägerin den Beischlaf.

Der Beklagte erklärte der Klägerin immer, daß er sie liebe und mit ihr zusammenbleiben wolle.

Die sexuellen Kontakte fanden im wesentlichen dann statt, wenn die Mutter der Klägerin frühmorgens zur Arbeit ging und in der Folge außer Haus war; sie spielten sich auf der Wohnzimmercouch ab, wo der Beklagte sonst mit der Mutter der Klägerin nächtigte. Die Klägerin kam zum Beklagten, über wessen Veranlassung konnte nicht festgestellt werden.

Im Frühjahr 1990 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt, am 26.4.1990 kam es zu einer Totgeburt aufgrund der vorzeitigen Plazentaablösung.

Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 95.000,-- S mit der Begründung, der Beklagte habe das Abhängigkeitsverhältnis zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung mißbraucht, er habe gemäß § 1328 ABGB der Klägerin den erlittenen Schaden zu ersetzen. Die Klägerin sei durch die sexuellen Kontakte und die Schwangerschaft physisch und psychisch schwer verletzt worden, es gebühre ihr auch ein Ersatz für die verminderte Heiratsaussicht.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Initiative zu den sexuellen Kontakten sei von der Klägerin ausgegangen. Er bestritt, im Leben der Klägerin eine Vaterrolle übernommen zu haben, er habe niemals auf die Klägerin Zwang oder Druck ausgeübt. An einem allfälligen Schaden sei die Klägerin zumindest zur Hälfte selbst schuld, da sie an den sexuellen Kontakten sehr interessiert gewesen sei und diese auch gesucht habe. Für den Ersatz ideeller Schäden biete § 1328 ABGB keine Grundlage.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende wesentliche Feststellungen:

Es sei nicht feststellbar, daß der Beklagte im Familienkreis bzw. außerhalb desselben für die Klägerin eine Art "Vaterrolle" übernahm bzw. eine Respektsperson darstellte und welchen Einfluß er auf die Klägerin ausübte. Es könne auch nicht konkret festgestellt werden, wie es zu den sexuellen Kontakten zwischen den Parteien kam und wie oft solche stattfanden. Insbesondere stehe nicht fest, ob der Beklagte die Klägerin veranlaßte, zu ihm in das Bett zu kommen und mit ihm sexuell zu verkehren und sexuelle Kontakte über sich ergehen zu lassen. Weiters sei nicht feststellbar, daß der Beklagte seine Rolle gegenüber der Klägerin als langjähriger Freund der Mutter in irgendeiner Weise benutzte oder ins Spiel brachte, um die Klägerin zur Duldung der sexuellen Kontakte zu motivieren. Letztlich könne nicht festgestellt werden, daß die Klägerin aufgrund des Beischlafs mit dem Beklagten und insbesondere durch die Totgeburt Schmerzen psychischer Natur erlitten habe.

Das Erstgericht kam zu dem Ergebnis, eine strafbare Handlung des Beklagten liege nicht vor, auch der Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses im Sinne des § 1328 ABGB sei nicht feststellbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht die Meinung, das Erstgericht habe die Regeln über die Beweislastverteilung verkannt, weshalb das Urteil mit dem Bereich der rechtlichen Beurteilung zuzuordnenden Feststellungsmängeln behaftet sei.

Der Tatbestand des § 1328 ABGB sei verwirklicht, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis den oder einen Beweggrund für die Frau zur Gestattung der Beiwohnung gebildet habe und sich der Mann der daraus resultierenden Beschränkung der Willensfreiheit der Frau auch bewußt gewesen sei. Der Begriff des Abhängigkeitsverhältnisses sei dabei im weitesten Sinn auszulegen und umfasse auch Fälle mittelbarer Abhängigkeit. Der Mißbrauch des Abhängigkeitsverhältnisses sei dann gegeben, wenn der Übergeordnete auf dieses Verhältnis in einer Weise Bezug genommen habe, daß dadurch die Willensentscheidung der Frau beeinflußt werden konnte.

Im vorliegenden Fall habe sich die intellektuell grenzbegabte Klägerin im Alter von 14 Jahren mit dem um 26 Jahre älteren Beklagten, den sie teilweise auch als Papa bezeichnete, sexuell eingelassen; zu den sexuellen Kontakten sei es in Abwesenheit der Mutter gekommen. Die Beziehungen zwischen der Mutter der Klägerin und dem Beklagten hätten bereits seit 1982 bestanden, seit einem Zeitpunkt also, zu dem die Klägerin 7 Jahre alt war. Diese Umstände begründeten in analoger Anwendung der Regeln des Prima facie-Beweises den Anschein, daß zwischen den Streitteilen zum Zeitpunkt ihrer sexuellen Begegnung ein Abhängigkeitsverhältnis bestand und dieses ursächlich dafür war, daß die Klägerin auch der außerehelichen Beiwohnung zustimmte. Die Frage, ob der Prima facie-Beweis zulässig sei, sei eine - vom Berufungsgericht von Amts wegen wahrzunehmende - Frage der rechtlichen Beurteilung. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin im Sinne des Prima facie-Beweises jene Umstände bescheinigt, aus denen das Vorliegen des Tatbestandes des § 1328 ABGB zu erschließen sei, es wäre nun Aufgabe des Beklagten gewesen, diesen Beweis des ersten Anscheins zu entkräften. Dem Beklagten sei eine Entkräftung aber nicht gelungen, es wären daher die zur Bejahung des Tatbestandes des § 1328 ABGB führenden Feststellungen zu treffen gewesen.

Sollte das Erstgericht im zweiten Rechtsgang zur Bejahung des Klagebegehrens dem Grunde nach gelangen, werde es die Klägerin gemäß § 182 ZPO zu einer Präzisierung ihrer bisher unbestimmten Klagsforderung aufzufordern haben. Es sei nämlich nicht klar, ob die Klägerin ausschließlich Schmerzengeld begehre oder ob sie auch einen Anspruch wegen verminderter Heiratsaussicht geltend mache. In diesem Zusammenhang werde es auch unerläßlich sein, festzustellen, ob die außereheliche Beiwohnung durch den Beklagten zu der vom Erstgericht festgestellten Schwängerung der Klägerin führte.

Hingegen sei nach § 1328 ABGB ein ideeller Schaden, nämlich Schmerzengeld, nicht zu ersetzen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil zu den Fragen der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises in bezug auf die Herstellung des Tatbestandes des § 1328 ABGB und des Anspruches auf ein Schmerzengeld im Falle einer Schwängerung und einer Totgeburt bei Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses eine Rechtsprechung fehle.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und das Ersturteil im Sinne einer Klagsabweisung wiederherzustellen; hilfsweise wird beantragt, den Beschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und diesem eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

Die Klägerin begehrte in der Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel des Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Beklagte vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei der Anscheinsbeweis dort ausgeschlossen, wo der Kausalablauf durch den individuellen Willensentschluß eines Menschen bestimmt werden könne. Da mit Ausnahme der Notzucht sexuelle Kontakte durch individuelle Willensentschlüsse der Beteiligten bestimmt werden, könnten die Regeln über den Anscheinsbeweis auf derartige Beziehungen grundsätzlich nicht angewendet werden. Der Anscheinsbeweis beruhe auf der Annahme eines typischen Geschehensablaufes aufgrund der Lebenserfahrung, das Liebes- und Sexualleben der Menschen weise aber eine Vielfalt und Reichhaltigkeit auf, die es unmöglich mache, daraus typische Verhaltensweisen und Schemata abzuleiten. Die Frage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises sei wohl eine solche der rechtlichen Beurteilung, ob der Anscheinsbeweis erbracht wurde oder nicht, gehöre jedoch in den Bereich der Beweiswürdigung. Das Berufungsgericht hätte daher nicht ohne Beweiswiederholung bzw. Beweisergänzung die Feststellung treffen können, der Anscheinsbeweis sei von der Klägerin erbracht worden.

Im übrigen reiche der Sachverhalt zur Feststellung, daß der Anscheinsbeweis erbracht wurde, nicht aus. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergebe sich, daß der Beklagte immer eine eigene Wohnung besaß, er habe auch mit der Mutter der Klägerin und der Klägerin kein Familienleben geführt, aus dem sich ein Abhängigkeitsverhältnis entwickeln könnte. Es habe sich zur Klägerin lediglich eine Art Freundschaft entwickelt, eine solche schließe aber eine Über- bzw. Unterordnung, also ein Abhängigkeitsverhältnis, aus. Der Beklagte habe der Klägerin auch immer erklärt, sie zu lieben, er wolle mit ihr zusammenbleiben.

Letztlich sei auch § 182 Abs.1 ZPO nicht anwendbar, weil sich die richterliche Anleitungspflicht immer nur auf die verfahrensrechtliche Seite einer Parteienerklärung, nicht aber auf ihren möglicherweise innewohnenden materiellrechtlichen Gehalt beziehe. Die Frage, auf welchen Rechtsgrund eine Klage gestützt werde, sei aber keine Frage des Verfahrensrechtes, sondern eine solche des materiellen Rechtes, weshalb sie von der richterlichen Anleitungspflicht ausgeschlossen sei.

Diesen Ausführungen kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

Gemäß § 1328 ABGB hat derjenige, der eine Frauensperson durch eine strafbare Handlung oder sonst durch Hinterlist, Drohungen oder Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt, ihr den erlittenen Schaden und entgangenen Gewinn zu ersetzen. Der Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses erfordert den Einsatz einer wenn auch nur tatsächlichen Überlegenheit der Stellung des Mannes als Mittel, maßgebenden Einfluß auf den Entschluß der Frau auszuüben. Mißbrauch bedeutet nicht, daß der Frau für den Fall ihrer Weigerung auch Nachteile in Aussicht gestellt werden müßten; der Einsatz der überlegenen Stellung des Mannes kann sich schon im Herausstellen der Autorität, im Aufgreifen der Ergebenheit oder der psychischen Unterwerfung der Abhängigen erschöpfen. Der Mann muß sich aber der Wirkungen seiner Stellung auf die Frau bewußt sein und es muß die Abhängigkeit ein Beweggrund für die Frau zur Hingabe gewesen sein (Steffen in BGB-RGRK12, Rz 6 zu § 825 BGB). Der Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses liegt also vor, wenn der Täter die rechtliche oder tatsächliche Abhängigkeit, in welcher sich die Frau ihm gegenüber befindet, benutzt, um sie sich willfährig zu machen. Die Abhängigkeit muß einen Beweggrund für die Frau gebildet haben, und der Täter muß sich der auf seiner wirtschaftlichen oder sonstigen Überlegenheit beruhenden Beschränkung der Willensfreiheit bewußt gewesen sein (Soergel-Zeuner/Hönn11, § 825 BGB Rz 5).

Ob ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen zu lösen ist, ob diese Abhängigkeit einen Beweggrund für die Frau gebildet hat und sich der Täter der Beschränkung der Willensfreiheit der Frau bewußt war, ist eine Tatfrage. Am Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses kann im vorliegenden Fall nach Ansicht des erkennenden Senates kein Zweifel bestehen. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Aufnahme der sexuellen Kontakte mit dem Beklagten erst 14 Jahre alt, der Beklagte war 26 Jahre älter, die Klägerin ist intellektuell grenzbegabt, sie bezeichnete den Beklagten als "Papa". Der Beklagte nächtigte auch in der gemeinsamen Wohnung und kannte die Klägerin seit 1982, als sie erst 7 Jahre alt war. Alle diese Komponenten bewirken im Zusammenhang, daß das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses zu bejahen ist.

Allerdings muß die Klägerin, um mit einem Schadenersatzanspruch nach § 1328 ABGB Erfolg zu haben, auch den Mißbrauch des Abhängigkeitsverhältnisses nachweisen (siehe Baumgärtel/Strieder, Beweislast2, § 825 BGB Rz 1; Steffen, aaO, Rz 9 zu § 825 BGB).

Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß der Klägerin der Beweis des ersten Anscheins, daß der Beklagte das Abhängigkeitsverhältnis mißbrauchte, gelungen ist. Unter dem Anscheinsbeweis ist eine Verschiebung des Beweisthemas von der tatbestandsmäßig geforderten Tatsache auf eine leichter erweisliche Tatsache, die mit ihr in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht, zu verstehen. Die wichtigsten Anwendungsgebiete sind dort, wo formelhafte, typische Kausalabläufe bestehen oder wo typische Verhaltensweisen stets gleichartige und zuverlässige Schlüsse auf bestimmte innere Zustände eines Menschen zulassen, also beim Beweis des Kausalzuammenhanges oder des Verschuldens (Fasching, LB2, Rz 894; 2 Ob 119/88 ua). Im vorliegenden Fall lassen die schon vorhin zur Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses aufgezählten Faktoren einen Schluß darauf zu, daß sich der Beklagte der Wirkungen seiner Stellung auf die Klägerin bewußt war und daß die Abhängigkeit ein Beweggrund für die Klägerin zur Hingabe gewesen ist. Zutreffend ist zwar der Hinweis des Beklagten, daß der Anscheinsbeweis dann unzulässig ist, wenn der Kausalablauf durch einen individuellen

freien Willensentschluß eines Menschen bestimmt wird (SZ 57/20 = JBl.

1985, 36 = EvBl. 1984/129; Fasching, aaO, Rz 894). Im vorliegenden

Fall dient der Anscheinsbeweis aber nicht dem Nachweis des Kausalzusammenhanges, sondern es werden aus den Verhaltensweisen der Parteien Schlüsse auf deren innere Zustände gezogen.

Eine dem Beklagten obliegende Entkräftung des Prima-facie-Beweises ist nicht erfolgt. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß der Beklagte seine Rolle gegenüber der Klägerin benutzte oder ins Spiel brachte, um diese zur Duldung der sexuellen Kontakte und des außerehelichen Beischlafes zu bewegen; es konnte aber auch nicht feststellen, daß der Beklagte seine dominierende Stellung nicht ausnützte und diese für die Klägerin nicht bestimmend war. Daraus folgt, daß die Klägerin die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches nach § 1298 ABGB (dem Grunde nach) nachgewiesen hat.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es könne im Rahmen des § 1328 ABGB - den Fall der Notzucht oder des gewaltsamen Mißbrauchs ausgenommen (siehe SZ 58/80 = JBl. 1986, 114) - immaterieller Schaden nicht verlangt werden, entspricht der herrschenden Lehre (Koziol, Haftpflichtrecht II2, 167; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 14 zu § 1328; Harrer/Schwimann, ABGB, V, Rz 10 zu § 1328; F.Bydlinski, Der Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem, JBl. 1965, 224 [252]; gegenteilig lediglich Strasser, Zum schadensrechtlichen Schutz der Geschlechtssphäre, JBl. 1965, 573), der sich auch der erkennende Senat anschließt.

Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Erstgericht auch aufgetragen, der Klägerin zu einem konkreten Vorbringen in bezug auf den Anspruch wegen verschlechterter Heiratsaussichten Gelegenheit zu geben. Läßt eine Klagserzählung in den Einzelheiten an Deutlichkeit vermissen, so ist dies für sich allein noch kein Grund, das Klagebegehren abzuweisen. Das Gericht hat vielmehr gemäß § 182 ZPO die Parteien zur Ergänzung ihres Vorbringens anzuhalten. Erst wenn nach Erfüllung dieser Prozeßleitungspflicht der Vortrag rechtserzeugender Tatsachen nicht ausreicht, kann das Begehren wegen Unschlüssigkeit abgewiesen werden (JBl. 1972, 480 mwN).

Zusammenfassend folgt daraus, daß der Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne des § 1328 ABGB zu bejahen ist, daß es aber noch ergänzenden Vorbringens (und im Bestreitungsfall ergänzender Beweisaufnahmen) darüber bedarf, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Im übrigen kann zum Umfang des nach § 1328 ABGB zu ersetzenden Schadens auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 500a ZPO).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

Anmerkung

E30183

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00615.92.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19921015_OGH0002_0080OB00615_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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