TE OGH 1992/10/21 13Os90/92

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Veröffentlicht am 21.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Oktober 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Kuch, Dr.Massauer und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Schützenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich N***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6.Februar 1992, GZ 1 b Vr 11.847/90-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Erich N***** der Verbrechen der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 2 StGB (1) und des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB (2) schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat er in Wien

1. in der Nacht vom 21. zum 22.November 1990 an einer eigenen Sache eine Feuersbrunst verursacht und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderer oder für das Eigentum anderer in großem Ausmaß herbeigeführt, indem er an mehreren Stellen des von ihm gemieteten Elektrogeschäftes in Wien 17, Hernalser Hauptstraße 53, leicht brennbare Materialien anzündete oder durch einen nicht ausgeforschten Komplizen anzünden ließ, wodurch eine Gefahr für die Hausbewohner bzw deren Eigentum entstand;

2. am 22.November 1990 (mündlich) und am 5.Dezember 1990 (schriftlich) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der *****Versicherungsgesellschaft (UAP) durch die Vorgabe, der Brand in seinem Geschäftslokal sei ohne sein Zutun ausgebrochen, wodurch der Versicherungsfall eingetreten sei, somit durch Täuschung über Tatsachen zur Erbringung der Versicherungsleistung in der Höhe von

517.122 S, sohin zu einer Handlung zu verleiten versucht, welche die genannte Versicherungsgesellschaft an ihrem Vermögen in einem 500.000 S übersteigenden Betrage schädigen sollte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grunde des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unbegründet.

Mit der Frage, ob der Angeklagte in der Zeit zwischen der Beendigung des Feuerwehreinsatzes nach dem ersten Brand und dem Ausbruch des zweiten Brandes am Brandort anwesend war und demnach überhaupt Zeit und Gelegenheit hatte, den zweiten Brand zu legen, hat sich das Erstgericht ausführlich auseinandergesetzt (US 15/16) und dabei insbesondere auch die Aussage der Zeugin Wilhelmine G***** erörtert, die behauptet hatte, daß der Angeklagte nach dem Abzug der Feuerwehr "auch schon weg" war, wobei sie allerdings hinzufügte, ihn nicht die ganze Zeit über gesehen zu haben und daher auch nicht zu wissen, wann er weggegangen ist (S 177). Die Tatrichter vertraten hiezu die Auffassung, daß von dieser Aussage keineswegs zwingend darauf geschlossen werden könne, daß der Angeklagte den Brandort auch tatsächlich verlassen hatte, weil mit Rücksicht auf die Hektik und Aufregung anläßlich eines Brandgeschehens die Möglichkeit bestehen bleibe, daß die Zeugin den Angeklagten bloß nicht bemerkt hat (US 16). Der insoweit erhobene Vorwurf einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung liegt daher nicht vor.

Mit der Aussage des Zeugen GrInsp Alfred M***** mußte sich aber der Schöffensenat in diesem Zusammenhang erst recht nicht eigens auseinandersetzen, weil dieser zwar gleichfalls angegeben hat, den Angeklagten "nicht mehr gesehen" zu haben, aber sogleich ergänzte, daß er auf ihn "nicht mehr geachtet" habe (S 233).

Nach dem Gutachten des Brandsachverständigen Ing.Andreas K*****, auf das das Erstgericht seine Feststellungen gründete, muß bei der Initiierung des zweiten Brandes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (S 241/242) eine leicht brennbare Flüssigkeit als brandunterstützendes Mittel verwendet worden sein, deren Menge der Sachverständige mit insgesamt 2 1/2 bis 4 Liter angibt (S 246). Der Beschwerdeführer bemängelt nun, im Urteil sei nicht berücksichtigt worden, daß ihn keiner der Zeugen am Tatort mit einem zum Transport dieser Flüssigkeitsmenge notwendigen Kanister gesehen habe, zumal ein solcher unter dem Mantel nur schwer zu verbergen sei. Dabei übersieht der Beschwerdeführer aber, daß das Verbergen eines allenfalls besonders geformten Behältnisses eben doch nicht ganz auszuschließen ist, und daß gerade er als Ortskundiger am ehesten die Möglichkeit gehabt hatte, schon vor dem ersten Brand eine solche Flüssigkeit vorsorglich an geeigneter Stelle zu deponieren, um sie erforderlichenfalls verwenden zu können. Das in Rede stehende Verfahrensergebnis spricht daher mehr gegen den Angeklagten als für das selbständige Agieren eines Fremdtäters, zumal es für eine derartige Geschehensvariante weder von der Motivation her noch in Ansehung der Gelegenheit zur Tatvorbereitung und Tatausführung nach der Aktenlage irgendwelche konkreten Anhaltspunkte gibt. Das Gutachten widerstreitet daher in diesem Punkte keineswegs den Urteilsannahmen und mußte demnach insoweit nicht besonders erörtert werden.

Ähnliches gilt für den weiteren Einwand, daß die dem zweiten Brandgeschehen zuzurechnende (mögliche) vierte Brandausbruchsstelle (US 7 unten) nach den vorgefundenen Spuren nicht von außen durch die dort befindliche Brandschutztüre (US 5 "dritteZugangsmöglichkeit"; Lichtbild Nr 3) erreicht werden konnte. Die Beschwerde läßt hier nicht mit der gebotenen Deutlichkeit (§ 285 a Z 2 StPO) erkennen, warum dieser Umstand gegen eine Täterschaft des Angeklagten sprechen sollte. Nimmt man nämlich eine zusätzliche Brandinitiierung an dieser Stelle an, dann wäre eine solche für einen mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertrauten Fremdtäter noch viel weniger möglich gewesen.

Das Erstgeicht hat, gestützt auf das Gutachten des Brandexperten Ing.Andreas K***** sowie die Aussage des sachverständigen Zeugen Brandrat Franz R*****, ein geschicktes ("profimäßiges") Vorgehen des Brandstifters angenommen und daraus den Schluß gezogen, daß sich der Angeklagte die ihm fehlenden pyrotechnischen Sachkenntnisse entweder durch entsprechende Beratung selbst verschafft oder sich überhaupt der Mitwirkung eines sachkundigen Komplizen bedient hat (US 17/18). solche wahldeutigen Feststellungen sind zulässig, soweit das Gericht mängelfrei festzustellen vermag, daß von zwei möglichen Gegebenheiten nur die eine oder andere vorliegen kann, ohne daß sich klären läßt, welche die richtige ist, und zudem beide Möglichkeiten strafrechtlich gleichwertig sind (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 65 ff zu § 260). Beide Voraussetzungen liegen hier vor, weil die Tatrichter ihre wahlweise Annahme einer rechtlich gleichwertigen (§ 12 StGB) Allein-, Mit- oder Bestimmungstäterschaft des Angeklagten entsprechend der Lebenserfahrung und ohne Widerspruch gegen die Denkgesetze darauf gestützt haben, daß der Brand ausschließlich dem Angeklagten zum Vorteil gereichen konnte, er allein die für eine Vorbereitung und Ausführung der Brandstiftung notwendigen Ortskenntnisse und Zugangsmöglichkeiten besaß, er kein stichhältiges Alibi erbringen konnte und kein konkreter Hinweis auf einen (unabhängig von ihm agierenden) Fremdtäter hervorgekommen ist. Von einer offenbar unzureichenden Begründung des Urteils kann daher in diesem Zusammenhang keine Rede sein.

Schließlich liegt auch der behauptete Widerspruch in Ansehung des festgestellten Tatmotivs nicht vor, das der Schöffensenat darin erblickte, daß der Angeklagte sich eine erhebliche Verbesserung seiner tristen Wirtschaftslage erhofft hat (US 17), obwohl sich sein Schuldenstand zur Tatzeit auf ca 2 Mio Schilling belief und die (nach dem Brand errechnete) Versicherungsleistung nur 517.122 S betragen hätte (US 12). Abgesehen davon, daß es sich bei der Beurteilung eines zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteils als "erheblich" um eine Wertungsfrage und nicht um eine Tatsachenfeststellung handelt, übersieht der Beschwerdeführer, daß die Versicherungssumme insgesamt 1,450.000 S betrug (S 139) und er daher unter Umständen eine wesentlich höhere Entschädigungssumme erwarten konnte.

Die behaupteten formellen Begründungsmängel haften dem erstinstanzlichen Urteil somit nicht an, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet sofort zurückzuweisen war (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO).

Zur Entscheidung über die Berufung ist demnach das Oberlandesgericht Wien zuständig (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E30423

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0130OS00090.9200006.1021.000

Dokumentnummer

JJT_19921021_OGH0002_0130OS00090_9200006_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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