TE OGH 1992/10/21 9ObA256/92

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Veröffentlicht am 21.10.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Mag.Gabriele Jarosch in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** H*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwältin*****, wider die beklagte Partei W***** Versicherungsanstalt, *****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 6.700,52 netto sA und S 53.800 brutto sA und Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Teilaufhebungsbeschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.April 1992, GZ 34 Ra 8/92-46, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15.Juli 1991, GZ 14 Cga 530/90-29, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision (richtig: Revision und Rekurs) der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisions- und Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 1.11.1989 als Außendienstmitarbeiterin beschäftigt. Gemäß Punkt IV. des Dienstvertrages vom 3.10.1989 (Beilage A) wurde das Dienstverhältnis zunächst auf die Dauer von drei Monaten abgeschlossen. Der letzte Satz dieses Vertragspunktes lautet: "Falls die Anstalt nicht spätestens 8 Tage vor Ablauf der dreimonatigen Dauer die Auflösung des Dienstverhältnisses schriftlich erklärt, gilt dieses auf unbestimmte Zeit verlängert".

Die Beklagte war mit dem Arbeitserfolg der Klägerin nicht zufrieden. Auch der Klägerin war bewußt, daß ihr Arbeitserfolg gering war. Um ihr jedoch die Chance eines besseren Arbeitserfolges zu geben, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 22.1.1990 (Beilage B) folgendes:

"Wir bitten Sie zur Kenntnis zu nehmen, daß Ihr - laut Artikel IV des per 1.November 1989 mit Ihnen abgeschlossenen Dienstvertrages - mit 31.1.1990 befristetes Dienstverhältnis um weitere drei Monate, d.i. bis zum 30.April 1990, verlängert wird.

Nach letztangeführtem Tag wird das Dienstverhältnis automatisch in ein solches auf unbestimmte Zeit übergeleitet, falls nicht spätestens 8 Tage vor Ablauf der neuerlichen Befristung die Lösung desselben festgelegt wird.".

Vom 24.2. bis 25.3.1990 war die Klägerin wegen einer Mittelohrentzündung im Krankenstand. Während dieses Krankenstandes sprach die Klägerin fernmündlich mit einem Vorgesetzten (Abteilungsleiter) auch über ihren schlechten Arbeitserfolg; hiebei wurde wiederum die Beendigung des Dienstverhältnisses erörtert. Die Klägerin erklärte jedoch bei diesem Telefonat nicht, das Dienstverhältnis selbst beenden zu wollen.

Am 19.3.1990 langte bei der Beklagten ein mit 14.3.1990 datiertes Schreiben (Beilage C) ein, in dem die Klägerin als Absenderin angegeben war. Dieses Schreiben enthielt die Erklärung, daß sie ihr Dienstverhältnis kündige. Die Unterschrift auf diesem Schreiben stammt jedoch (nach den Ergebnissen des eingeholten Gutachtens eines Schriftsachverständigen) nicht von der Klägerin.

Nach der Beendigung des Krankenstandes suchte die Klägerin ihren Arbeitsplatz bei der Beklagten auf. Der Abteilungsleiter forderte sie auf, den Arbeitsplatz zu räumen. Die Klägerin nahm an, gekündigt worden zu sein und verließ den Arbeitsplatz.

Erst danach erhielt die Klägerin das Schreiben der Beklagten vom 21.3.1990 (Beilage D), mit dem diese das vermeintliche Kündigungsschreiben der Klägerin wie folgt beantwortete:

"Wir teilen Ihnen mit, daß wir die mit Ihrem Schreiben vom 14.März ds.J. bekanntgegebene vorzeitige Lösung ihres Dienstverhältnisses zur Kenntnis nehmen.

Sämtliche in Ihrem Besitze befindlichen Arbeitsunterlagen, Schreibtischschlüssel sowie ihre Legitimation sind unverzüglich Herrn Geb.Dir.L***** zu übergeben.".

Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 27.März 1990 unter Bezugnahme auf die von ihr angeblich ausgesprochene vorzeitige Lösung des Dienstverhältnisses, daß sie kein wie immer geartetes Schreiben an die Beklagte verfaßt habe. Sie forderte die Beklagte auf, binnen 8 Tagen das aufrechte Bestehen des Dienstverhältnisses anzuerkennen (Beilage F). Mit Schreiben vom 28.März 1990 erklärte sie ihre Arbeitsbereitschaft.

Am 26.3.1990 erfuhr die Klägerin, daß sie schwanger sei. Mit Schreiben vom 29.3.1990 gab die Klägerin durch ihre Vertreterin der Beklagten ihre Schwangerschaft bekannt und wies noch einmal darauf hin, daß sie weder selbst gekündigt habe noch ausgetreten sei.

Am 22.11.1990 wurde das Kind der Klägerin geboren.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Fortzahlung des Entgelts ab 15.3.1990 und zwar - nach Ausdehnung des Klagebegehrens - zuletzt Zahlung von S 6.700,52 netto und S 53.800 brutto sA sowie die Feststellung, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 26.3.1990 hinaus aufrecht bestehe; außerdem stellt sie das Eventualbegehren auf Zahlung von S 5.680,52 netto und S 18.333 brutto. Sie habe das Dienstverhältnis nicht selbst gekündigt. Punkt IV. des Dienstvertrages enthalte einen unzulässigen Kettenvertrag. Mit der Verlängerung ihres Dienstverhältnisses sei der Dienstvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Klägerin das Dienstverhältnis selbst gekündigt habe; ein unzulässiges Kettenarbeitsverhältnis liege nicht vor.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren der Klägerin ab. Dem Eventualbegehren gab es im Umfang eines Teilbetrages von S 18.288,50 brutto statt und wies das Mehrbegehren von S 4.020,15 netto und S 44,50 brutto sA ab.

Die zweimalige Befristung des Dienstverhältnisses sei zulässig gewesen, weil sie ausschließlich zum Vorteil der Klägerin vereinbart worden sei. Das Dienstverhältnis habe daher mit Ablauf des 30.4.1990 geendet. Das Schreiben der Beklagten vom 21.3.1990 erfülle die Voraussetzungen der schriftlichen Auflösung gemäß Punkt IV. des Dienstvertrages Beilage A.

Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der Klägerin Folge. Es gab dem Feststellungsbegehren mit Teilurteil statt, hob das Ersturteil hinsichtlich der Teilabweisung des Leistungsbegehrens auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei und der Wert des Streitgegenstandes über den es entschieden habe, gemeinsam mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil insgesamt S 50.000 übersteige.

Das Berufungsgericht billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Ein unzulässiger Kettendienstvertrag liege nicht vor, weil eine bloß einmalige Verlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses in der Regel noch nicht die Vermutung eines unerlaubten Kettenvertrages aufkommen lasse. Die Verlängerung sei gerechtfertigt gewesen, weil der Klägerin damit die Chance einer Verbesserung ihrer Arbeitsleistung gegeben werden sollte.

Die Beklagte habe aber eine Auflösungserklärung im Sinne des zweiten Absatzes ihres Schreibens vom 22.1.1990 (Beilage B) nicht abgegeben. Ihr Schreiben vom 21.3.1990 (Beilage D) enthalte eine solche Auflösungserklärung nicht. Sie habe mit diesem Schreiben lediglich die (vermeintliche) vorzeitige Lösung des Dienstverhältnisses durch die Klägerin zur Kenntnis genommen. Die Aufforderung an die Klägerin, sämtliche Arbeitsunterlagen zu übergeben, sei nur die Folge ihrer irrigen Meinung gewesen, daß die Klägerin das Dienstverhältnis selbst gelöst habe. Dieser Aufforderung könne nicht die Bedeutung einer Auflösungserklärung beigemessen werden. Damit sei aber das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen im Sinne des Schreibens vom 22.1.1990 (zweiter Absatz) in ein solches auf unbestimmte Zeit übergegangen. Die Beklagte habe auch in der Folge keine Kündigung oder Entlassung ausgesprochen, so daß das Dienstverhältnis aufrecht sei; es erübrige sich daher, auf die Frage des Kündigungs- und Entlassungsschutzes nach dem Mutterschutzgesetz einzugehen.

Bezüglich des Leistungsbegehrens sei die Rechtssache nicht spruchreif, weil sich das Erstgericht mit den nach dem 30.4.1990 fällig gewordenen Entgeltansprüchen nicht auseinandergesetzt habe.

Die Beklagte bekämpft das Teilurteil des Berufungsgerichtes (und nach dem Inhalt ihrer Anfechtungserklärung, den Anfechtungsgründen und dem Wortlaut des Rechtsmittelantrages auch den Teilaufhebungsbeschluß) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung des angefochtenen "Urteils" dahin, daß ihrer Berufung zur Gänze Folge gegeben (also das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen) werde.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Das Rechtsmittel der Beklagten (das eine Revision gegen das Teilurteil und einen zulässigen Rekurs gegen den Teilaufhebungsbeschluß enthält) ist nicht berechtigt.

Der Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Teilurteil das Klagebegehren nicht überschritten. Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 26.3.1990 hinaus aufrecht besteht. Die Erklärung der Klagevertreterin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15.7.1991 (AS 139), sie "schränke das Klagebegehren um Feststellung auf Grund des Ablaufes der Schutzfrist gemäß § 10 MuttSchG ein", und "die Klägerin nehme für den Fall des Obsiegens in diesem Verfahren Karenzurlaub ab 17.1.1991 bis 22.11.1992 in Anspruch", enthält in Wahrheit keine Einschränkung des ursprünglichen Feststellungsbegehrens, geht doch die Erklärung vom Weiterbestehen des Dienstverhältnisses aus. In der Berufungsverhandlung stellte die Klagevertreterin überdies klar, sie habe mit dieser Erklärung nur auf die Rechtsfolgen des MuttSchG hinweisen wollen. Ein anderer Sinn ist der Erklärung auch nicht zu entnehmen.

Die Rechtsrüge ist ebenfalls nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen stammt das Schreiben vom 14. März 1990 (Beilage C) nicht von der Klägerin. Sie hat sich auch, als die Beklagte ihre vermeintliche (vorzeitige) Lösung des Dienstverhältnisses zur Kenntnis nahm, unverzüglich dagegen verwahrt, ein derartiges Schreiben verfaßt zu haben. Da jeder Anhaltspunkt dafür fehlt, daß die Klägerin am Zustandekommen dieses nicht von ihr stammenden Schreibens beteiligt war, ist die Rechtsansicht der Beklagten, die Klägerin müsse sich den Inhalt dieses Schreibens nach den Regeln der Vertrauenstheorie zurechnen lassen, verfehlt. Soweit die Beklagte im Vertrauen auf dieses Schreiben gehandelt hat, kann sie allfällige Schäden nur von jenem (unbekannten) Dritten ersetzt verlangen, der sie durch List zu einer irrtümlichen Erklärung veranlaßt hat (vgl § 875 ABGB).

Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß das Schreiben der Beklagten, mit dem sie das vermeintliche Kündigungsschreiben der Klägerin beantwortet hat, keine schlüssige Erklärung der Beklagten im Sinne des zweiten Absatzes des Schreibens vom 22.1.1990 (Beilage B) enthält, nämlich daß sie das Dienstverhältnis über den vereinbarten Endzeitpunkt (30.4.1990) hinaus nicht fortzusetzen gedenke; zu einer solchen Erklärung hatte ja die Beklagte auf Grund der Annahme, die Klägerin habe selbst (vorzeitig?) gekündigt, keinen Anlaß. Die Aufforderung an die Klägerin, die Arbeitsunterlagen usw zurückzustellen, war nur die Konsequenz aus der Annahme, daß bereits eine Auflösungserklärung der Dienstnehmerin vorliege. Die Beklagte hat in diesem Schreiben keine eigene, auf die Dauer des Dienstverhältnisses einwirkende Gestaltungserklärung abgegeben.

Daher braucht aber auf die Frage, ob die Worte "falls nicht spätestens 8 Tage vor Ablauf der neuerlichen Befristung die Lösung desselben" (= des Dienstverhältnisses) "festgelegt" wird, im Sinne einer einseitigen Gestaltungsbefugnis des Arbeitgebers (wie sie Punkt IV. letzter Satz des Dienstvertrages in unmißverständlicher Fassung enthielt) auszulegen sind und ob ein solches Gestaltungsrecht wirksam vereinbart werden kann, nicht eingegangen zu werden. Mangels einer solchen Erklärung ist aber das bis zum 30.4.1990 verlängerte Dienstverhältnis im Sinne der im zweiten Absatz des Schreibens vom 22.1.1990 (Beilage B) getroffenen Vereinbarung in ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit übergegangen, da die Beklagte nach der Aktenlage keine Auflösungserklärung abgegeben hat, obwohl sie nach der Mitteilung der Klägerin, daß sie "kein wie immer geartetes Schreiben an die Beklagte verfaßt habe" ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, vorsichtshalber zu erklären, daß sie im Sinne der getroffenen Vereinbarung das Dienstverhältnis nicht über den 30.4.1990 hinaus fortzusetzen gedenke. Bei dieser Sachlage braucht - wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - auf die Rechtsfolgen, die sich aus der anschließenden Bekanntgabe der Schwangerschaft der Klägerin an die Dienstgeberin ergaben, nicht eingegangen zu werden.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E32137

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00256.92.1021.000

Dokumentnummer

JJT_19921021_OGH0002_009OBA00256_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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