TE OGH 1992/11/24 10ObS273/92

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Edeltraud Haselmann (Arbeitgeber) und Robert Letz (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margareta A***** , vertreten durch Dr.Ernst Maiditsch, Dr.Nikolaus Lanner und Dr.Walter Moser, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension (Pensionsanfall), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.September 1992, GZ 8 Rs 58/92-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 22.Jänner 1992, GZ 32 Cgs 253/91-10, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab 1.9.1991 eine Erwerbsunfähigkeitspension von monatlich 4.184,90 S und ab 1.1.1992 eine Erwerbsunfähigkeitspension von 4.352,30 S zu zahlen.

Das Mehrbegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin die Erwerbsunfähigkeitspension bereits ab 28.10.1988 zu gewähren, wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 3.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 603,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin übte das Gewerbe eines Marktfahrers und das Handelsgewerbe eines Einzelhändlers aus. Sie war im Besitz entsprechender Gewerbeberechtigungen des Magistrates Klagenfurt. Im Frühjahr 1989 erschien die Klägerin im Gewerbeamt des Magistrates Klagenfurt, um die Gewerbescheine löschen zu lassen. Die dort tätige Beamtin forderte die Klägerin auf, Stempelmarken von zweimal 120 S beizubringen, die die Klägerin nicht bei sich hatte. Die Klägerin entfernte sich, erschien jedoch nochmals im Gewerbeamt und machte die Löschung rückgängig. Die Gewerbeberechtigungen blieben aufrecht und wurden erst mit Wirkung vom 14.8.1991 gelöscht. Mit 18.10.1988 hatte die Klägerin ihre Gewerbe stillgelegt.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 23.8.1989 wurde ein Antrag der Klägerin vom 20.4.1989 auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit rechtskräftig abgewiesen. Am 24.10.1989 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit, der mit Bescheid der beklagten Partei vom 7.3.1990 abgewiesen wurde. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage zog die Klägerin in der mündlichen Streitverhandlung vom 12.9.1990 zurück.

Am 25.3.1991 stellte die Klägerin einen Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit und Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension. Nach Löschung der Gewerbeberechtigungen der Klägerin gewährte die beklagte Partei der Klägerin mit Bescheid vom 9.10.1991 die Erwerbsunfähigkeitspension ab 1.9.1991 in einer monatlichen Höhe von 4.184,90 S und eine Ausgleichszulage von monatlich 1.815,10 S und sprach aus, daß die Nachzahlung gegen den Vorschuß aufgerechnet werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage mit dem Begehren, ihr die Erwerbsunfähigkeitspension bereits ab 28.10.1988 zu gewähren. An diesem Tag habe eine Hausdurchsuchung der Finanzbehörde bei ihr stattgefunden, in deren Folge sie einen Nervenzusammenbruch erlitten habe. Seit diesem Zeitpunkt sei sie außer Stande gewesen, ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und habe seither auch keinerlei Einkünfte erzielt. Aufgrund ihrer Erklärung gegenüber der Gewerbebehörde im Frühjahr 1989 hätte die Löschung der Gewerbe bereits damals vorgenommen werden müssen.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Anspruchsvoraussetzungen seien erst durch die Zurücklegung der Gewerbeberechtigungen im August 1991 erfüllt gewesen; für eine Zuerkennung der Pensionsleistung für die Zeit vor 1.9.1991 fehlten die Voraussetzungen.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab. Die Klägerin habe erst durch die Löschung der Gewerbescheine im August 1991 die Voraussetzungen für die Gewährung der Pensionsleistung erfüllt. Zum begehrten Stichtag habe es sowohl an der Voraussetzung des Erlöschens der Gewerbeberechtigungen wie auch am Vorliegen eines Leistungsantrages gefehlt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin die Erwerbsunfähigkeitspension im Betrag von monatlich 4.184,90 S ab 1.9.1991 zu zahlen und wies das Mehrbegehren der Klägerin ab. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und trat dessen rechtlicher Beurteilung im wesentlichen bei. Dem Rechtsstandpunkt der Klägerin, es sei davon auszugehen, daß ihre Gewerbeberechtigung bereits im Frühjahr 1989 erloschen sei könne nicht gefolgt werden. Wohl werde grundsätzlich die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Erklärung bei der Behörde wirksam und das Gesetz sehe auch eine Rücknahme dieser Erklärung nicht vor, doch könne der Vorgang bei der in Frage stehenden Vorsprache der Klägerin bei der Gewerbebehörde nur dahin verstanden werden, daß diese ihre Rücklegungserklärung zurückgenommen habe, was vom Erklärungsempfänger zur Kenntnis genommen worden sei, da es offenbar an der Ernstlichkeit des Erklärungswillens auf Seite der Klägerin gefehlt habe. Die Gewerbeberechtigungen der Klägerin seien daher erst im August 1991 erloschen, so daß ihr die Pensionsleistung für die vor 1.9.1991 gelegene Zeit nicht gebühre. Das Erstgericht habe jedoch übersehen, daß der Bescheid der beklagten Partei durch die Erhebung der Klage außer Kraft getreten sei. Dem Klagebegehren wäre daher insoweit stattzugeben gewesen, als der Klägerin die Leistung im Bescheid zuerkannt wurde. In teilweiser Stattgebung der Berufung sei das Ersturteil in diesem Sinne abzuändern gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihrem Begehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur teilweise berechtigt.

Gemäß § 55 Abs 2 Z 2 GSVG fallen Pensionen, mit Ausnahme von Hinterbliebenenpensionen mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen an, wenn sie auf einen Monatsersten fällt, sofern die Pension binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird. Wird der Antrag auf die Pension erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so fällt die Pension mit dem Stichtag an. Pensionsanträge wurden von der Klägerin am 20.4.1989, am 24.10.1989 und am 20.3.1991 gestellt. Der erste Antrag wurde von der beklagten Partei unangefochten abgewiesen; die Klage gegen den Bescheid, mit dem der zweite Antrag abgewiesen wurde, hat die Klägerin zurückgenommen. Gegenstand der mit dem hier angefochtenen Bescheid getroffenen Entscheidung war daher ausschließlich der dritte Antrag der Klägerin. Nur über diesen ist im vorliegenden Verfahren zu entscheiden. Da auf Grund dieses Antrages die Gewährung einer Pensionsleistung frühestens ab dem dadurch ausgelösten Stichtag (gem § 113 Abs 2 GSVG der 1.4.1991) in Frage kommen könnte, besteht der Anspruch für die Zeit davor schon aus diesem Grund nicht zu Recht.

Ab 1.4.1991 würde die Pensionsleistung gebühren, wenn die Klägerin zu diesem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hätte. Voraussetzung für den Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitspension ist gem § 132 Abs 1 iVm § 130 Abs 2 GSVG ua, daß am Stichtag die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes erloschen ist. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, es sei davon auszugehen, daß ihre Gewerbeberechtigungen im Frühjahr 1989 erloschen seien, weil sie damals am Magistrat vorgesprochen und die Zurücklegung der Berechtigungen angezeigt habe. Dem kann nicht beigetreten werden.

Gem § 85 Z 9 GewO endigt die Gewerbeberechtigung ua mit der Zurücklegung. Die Zurücklegung einer Gewerbeberechtigung wird gem § 86 Abs 1 GewO mit dem Tag des Einlangens der Anzeige bei der Behörde wirksam. Die Anzeige ist nach dem Zeitpunkt des Einlangens bei der Behörde unwiderruflich (§ 86 Abs 2 GewO). Das Verfahren vor der Gewerbebehörde ist nach den Bestimmungen des AVG 1950 zu führen (Art II Abs 2 A Z 1 EGVG). Gemäß § 13 Abs 1 AVG können Anträge, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen, sofern in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder telegraphisch und, soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, auch mündlich angebracht werden. Der Weg für den Verkehr mit den Behörden von Seite der Beteiligten her ist, im allgemeinen den Beteiligten zur freien Wahl gestellt, dh sie können sich mit ihren Anbringen nach Belieben entweder schriftlich oder telegraphisch oder auch mündlich an die Behörden wenden (Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren8 189). Gemäß § 14 Abs 1 AVG 1950 sind mündliche Anbringen von Beteiligten erforderlichenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach in einer Niederschrift festzuhalten.

Nach diesen Bestimmungen kann grundsätzlich auch die Zurücklegung eines Gewerbes mündlich angezeigt werden. Ob hierüber eine Niederschrift aufzunehmen gewesen wäre, kann unerörtert bleiben. Voraussetzung dafür, daß die Gewerbeberechtigung endigt, ist jedoch daß die Zurücklegung eindeutig erklärt wird. Dies ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Nach den Feststellungen suchte die Klägerin die für Gewerbeangelegenheiten zuständige Magistratsabteilung auf, um die Gewerbescheine löschen zu lassen. Nachdem ihr erklärt worden war, daß sie Stempelmarken beizubringen habe, verließ sie das Büro, erschien jedoch kurz darauf wieder und erklärte, daß sie die Gewerbescheine doch nicht löschen lassen wolle. Wenn sie bei ihrem Erscheinen ausdrücklich die Rücklegung der Gewerbeberechtigungen erklärt und im Laufe desselben Gespräches später die Erklärung abgegeben hätte, die Berechtigungen doch nicht löschen zu lassen, so könnte von einer wirksamen Rücklegungserklärung nicht ausgegangen werden, weil der Beurteilung des Inhaltes einer Erklärung der gesamte Gesprächsinhalt zugrunde zu legen ist. Nicht anders ist es aber im vorliegenden Fall. Wohl hat die Klägerin nach Mitteilung, daß sie Stempelmarken benötige, das Zimmer verlassen, doch wurde die Amtshandlung dadurch nicht beendet sondern nur für die Dauer ihrer Abwesenheit unterbrochen. Es handelte sich bei den beiden Vorsprachen der Klägerin um einen geschlossenen Vorgang und ihre dabei abgegebenen Erklärungen sind daher in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Ausgehend hievon kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin wirksam die Zurücklegung ihrer Gewerbeberechtigungen erklärt hat. Diese endigten vielmehr erst durch die Zurücklegung im August 1991, sodaß die Vorinstanzen das Bestehen eines Pensionsanspruches für die Zeit vor dem durch die Zurücklegung der Gewerbeberechtigungen ausgelösten Stichtag zutreffend verneint haben.

Zu Recht wendet sich die Klägerin allerdings gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes. Dieses hat wohl die Grundsätze bezüglich des urteilsmäßigen Zuspruches der bescheidmäßig gewährten Leistung zutreffend dargestellt, seine Entscheidung ist jedoch unvollständig. Die Klägerin begehrte wohl nur die Pensionsleistung von einem früheren als dem bescheidmäßig zuerkannten Zeitpunkt, doch ist der Bescheid auch in seinem zusprechenden Teil durch die Klage außer Kraft getreten. Das Gericht hat in einem solchen Fall der klagenden Partei, wenn sie das von ihr gestellte Begehren nicht für berechtigt erachtet, die dem Bescheid entsprechende Leistung urteilsmäßig zuzusprechen um auf diese Weise eine titelmäßige Verpflichtung der beklagten Partei zu schaffen. Die beklagte Partei hat mit dem angefochtenen Bescheid über den Pensionsanspruch der Klägerin ab 1.9.1991 abgesprochen. Dessenungeachtet hatte sich die gerichtliche Entscheidung auf den gesamten Zeitraum bis Schluß der Verhandlung erster Instanz zu erstrecken und Sachverhalts- wie auch Rechtsänderungen bis zu diesem Zeitpunkt zur berücksichtigen (SSV-NF 1/131, 6/18 in Druck). Da sich mit 1.1.1992 und damit vor Schluß der Verhandlung erster Instanz die Pension erhöhte, hatte der Zuspruch der Leistung ab 1.1.1992 unter Berücksichtigung der sich dadurch ergebenden Änderung zu erfolgen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Da die klagenden Partei mit ihrer Revision, wenn auch nur zu Teil, durchgedrungen ist, hat sie Anspruch auf Ersatz der Kosten auf der Basis des Streitwertes gem § 77 Abs 2 ASGG.

Anmerkung

E32300

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00273.92.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19921124_OGH0002_010OBS00273_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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