TE OGH 1992/11/26 7Ob646/92

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Veröffentlicht am 26.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen Hans G*****, vertreten durch Dr.Heinz Sacher, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wider die beklagte Partei K*****schilifte T***** & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Hugo Schally und Dr.Anton Knees, Rechtsanwälte in Klagenfurt, und des auf seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Walter F*****, vertreten durch Dr.Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 342.384,-- s.A. und Unterlassung (Revisionsstreitwert S 270.226,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2.Juli 1992, GZ 4 a R 23/92-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19.Februar 1992, GZ 27 Cg 24/91-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es insgesamt (unter Einbeziehung der rechtskräftigen Teilabweisung) zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 15.000,-- samt 4 % Zinsen seit 1.2.1989 zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von S 327.384,-- s.A. wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, die Benützung des Flurstückes 474/1 KG ***** der klagenden Partei, insbesondere den Betrieb einer Schiliftschleppanlage und einer Schiabfahrt auf diesem Flurstück zu unterlassen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei S 99.504,60 und dem Nebenintervenienten S 27.329,90 an Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist auf Grund eines Vertrages mit dem Rechtsvorgänger des Nebenintervenienten zur Errichtung und zum Betrieb einer Schi- und Schleppliftanlage auf dessen Liegenschaft berechtigt. Die Anlage wurde 1965 unter der Bezeichnung "E*****lift" errichtet, jedoch zum Teil, wie sich später herausstellte, auf der Nachbarliegenschaft des Erblassers. Die klagende Verlassenschaft begehrt ein Benützungsentgelt von S 342.384,-- s.A. und die Unterlassung der Benützung des bezeichneten Flurstückes insbesondere durch den Betrieb einer Schleppliftanlage und einer Schiabfahrt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen war der Grenzverlauf zwischen den beiden Liegenschaften in der Natur nicht ersichtlich. Bei der Bauverhandlung, bei der keine Grenzauszeigung stattfand, jedoch der Verlauf der Lifttrasse und der Schiabfahrt genau besprochen wurde, war der Erblasser nicht anwesend. Der Grenzverlauf war bei der Bauverhandlung kein Problem. Alle Beteiligten gingen davon aus, daß der Lift samt Schiabfahrt jedenfalls auf dem Grund des Rechtsvorgängers des Nebenintervenienten errichtet werde. Die Gesamtfläche ist nämlich immer vom Rechtsvorgänger des Nebenintervenienten benützt worden. Er hat auf dieser Fläche Vieh gehalten. Einen Weidezaun hat es nie gegeben. Im Jahre 1987 leitete der Erblasser bei der Bezirkshauptmannschaft W***** ein Verfahren zur Abgrenzung seines Jagdgebietes ein. Im Zuge dieses Verfahrens kamen der Erblasser und der Nebenintervenient überein, die gemeinsame Grenze zwischen ihren, näher bezeichneten Grundstücken in der Natur zu vermarken. Zu diesem Zweck hatte eine Vermessung der Grenze nach dem Katasterstand des Vermessungsamtes W***** auf Kosten des Erblassers durch einen Ingenieurkonsulenten für das Vermessungswesen zu erfolgen. Beide verpflichteten sich, den vom Ingenieurkonsulenten vermessenen Grenzverlauf als Eigentumsgrenze anzuerkennen. Diese Vermessung ergab, daß der Lift in das Flurstück des Erblassers reicht. Vom Lift- und Schibetrieb der beklagten Partei sind nach dem Lageplan des Dipl.Ing.Walter S***** (ON 23) folgende Teilflächen des Flurstückes des Erblassers betroffen: Teilfläche 1 (Schipiste) 1521 m2, Teilfläche 2 (Lifttrasse) 533 m2, Teilfläche 3 (Liftwarthütte) 7 m2, zusammen 2061 m2. Die Pachtzinse, die durchschnittlich Liftgesellschaften in Kärnten als Pachtzins für gepachtete Flächen zum Betrieb von Schiliften und zur Errichtung von Schipisten, für gleichwertige Flächen ortsüblicherweise bezahlt werden, belaufen sich durchschnittlich auf S 0,21 pro Quadratmeter im Jahr 1965 und S 0,64 pro Quadratmeter im Jahr 1990. Die zwischen 1965 und 1990 fallenden Geldbeträge sind jeweils mit dem Verbraucherpreisindex valorisiert zu errechnen. Als arithmetisches Mittel zwischen den genannten Werten ergibt sich ein Betrag von S 0,42 pro Quadratmeter.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes habe die zwischen dem Erblasser und dem Nebenintervenienten im Jahre 1987 getroffene Vereinbarung auf Vermessung und Vermarkung ihrer gemeinsamen Grenze bewirkt, daß im Ausmaß der den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Grundfläche eine Veränderung der Eigentumsgrenzen zugunsten des Erblassers stattgefunden habe, sodaß der zwischen dem Rechtsvorgänger des Nebenintervenienten und der beklagten Partei abgeschlossene Bestandvertrag in diesem Teilbereich auf den Erblasser überwälzt worden sei. Der Erblasser sei somit hinsichtlich dieses Teilbereiches in den Pachtvertrag eingetreten. Der Eintritt bewirke, daß der Erblasser erst seit dem Jahre 1987 Anspruch auf jenen Teil des Pachtzinses habe, der auf seine Teilfläche entfalle. Da aber die beklagte Partei den Pachtzins hinsichtlich der gesamten Flächen laufend an den Nebenintervenienten bzw. dessen Rechtsvorgänger bezahlt habe und nicht gehalten sei, eine zweimalige Zahlung zu leisten, sei der Nebenintervenient seit 1987 in jenem Umfang bereichert, als sich der von der beklagten Partei bezahlte Pachtzins anteilsmäßig auf die dem Erblasser zugefallene Fläche beziehe. Die klagende Partei könne daher lediglich gegenüber dem Nebenintervenienten einen Bereicherungsanspruch geltend machen.

Aus den genannten Gründen sei auch dem Unterlassungsbegehren jede Rechtsgrundlage entzogen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, daß der seinerzeitige Erbauer des Liftes als redlicher Bauführer im Sinne des § 418 ABGB anzusehen sei. Ausgehend davon, daß alle Beteiligten überzeugt gewesen seien, das gesamte von der beklagten Partei benützte Gelände stehe im Eigentum des Rechtsvorgängers des Nebenintervenienten, könne die Redlichkeit des Bauführers nicht zweifelhaft sein, zumal er aus plausiblen Gründen über die Eigentumsverhältnisse des verbauten Grundes geirrt habe und im übrigen habe annehmen dürfen, daß er auf Grund einer vom Eigentümer erhaltenen Erlaubnis dort, wo er baue, auch bauen dürfe. Wenn aber der Eigentümer selbst sich seines Eigentums nicht bewußt gewesen sei und deshalb zur Aufklärung nichts habe beitragen können, dürfe die Verpflichtung des Bauführers, sich über die Eigentumsverhältnisse an der Baufläche zu vergewissern, nicht überspannt werden. Nach § 418 letzter Satz ABGB werde der redliche Bauführer bereits durch die Bauführung selbst nicht nur Eigentümer des Gebäudes, sondern auch der zu dessen Benützung unentbehrlichen Grundflächen.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei Beurteilung der Frage, was unter Gebäude im Sinne des § 418 ABGB zu verstehen ist, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist der § 418 ABGB nur auf Bauwerke anzuwenden, denen selbständige Bedeutung zukommt; er gilt auch nicht für Superädifikate (Spielbüchler in Rummel2 Rz 2 zu § 417; Schwimann-Pimmer ABGB II § 418 Rz 2; Klang2 II 288; MietSlg. 33.036; SZ 51/143; EvBl. 1969/117; 4 Ob 537, 538/60). Bauwerken, deren Wert im Verhältnis zum Wert des beanspruchten Bodens ganz nebensächlich ist, wird keine selbständige Bedeutung zuerkannt. Die Anwendbarkeit des § 418 ABGB auf einen Zaun (EvBl. 1969/117), auf eine Grenzmauer (MietSlg. 33.036) und auf einen Auslauf eines Stalles (1 Ob 43/82) wurde demgemäß verneint (vgl. hiezu auch Spielbüchler aaO). Ob die Liftanlage der beklagten Partei dieser Kategorie zuzuordnen ist, kann letztlich unerörtert bleiben, weil jedenfalls nur ein Superädifikat vorliegt und, wie bereits oben dargetan wurde, der § 418 ABGB auch für Superädifikate nicht gilt. Überbauten sind nicht für Dauer bestimmte Bauwerke. Maßgeblich für die Beurteilung ist nicht allein die subjektive Absicht, auch nicht bloß die objektive Beschaffenheit, sondern der aus der Bauweise, der Art der Benützung oder der Rechtsgrundlage der Errichtung erkennbare Zweck. Errichtet der Bauführer ein Bauwerk auf Grund eines zeitlich beschränkten Grundbenützungsrechtes, ist damit in aller Regel dargetan, daß er sein Eigentum nur für die Dauer seines Grundbenützungsrechtes auf fremdem Grund stehend wissen will und daher ein Superädifikat anzunehmen (SZ 59/156; MietSlg. XXXVIII/29; Spielbüchler aaO Rz 4 zu § 297 je mwN). Im vorliegenden Fall wurde die Sportanlage der beklagten Partei nur auf Grund eines zeitlichen Grundbenützungsrechtes errichtet (ON 40 AS 219).

Durch die Errichtung eines Superädifikates kann aber unter den sonstigen Voraussetzungen des § 418 ABGB ein vorübergehendes Benützungsrecht erworben werden (Spielbüchler aaO Rz 4 zu § 418). Ein außerbücherlicher Eigentumserwerb des Bauführers an der Baufläche im Sinne des 3.Satzes des § 418 ABGB tritt nur ein, wenn der Grundeigentümer vom Bau weiß, ihn vorwerfbar dennoch nicht untersagt (sich also verschweigt) und der Bauführer redlich ist (Spielbüchler aaO). Redlicher Bauführer ist, wer entschuldbar über die Eigentumsverhältnisse irrt und deshalb auf fremdem Grund baut oder wer auf Grund einer Vereinbarung darauf vertraut, dort, wo er baut, auch bauen zu dürfen (NZ 1986, 226; JBl. 1976, 43 ua). An die Aufmerksamkeit des Bauführers ist ein strengerer Maßstab anzulegen als an die Aufmerksamkeit desjenigen, in dessen Eigentum durch die Bauführung eingegriffen wird (MietSlg. 34.048). Zum Teil wurde in der Rechtsprechung gefordert, daß sich der Bauführer vor Durchführung des Baues zu vergewissern hat, ob er auf eigenem oder fremdem Grund baut; dies insbesondere dann, wenn die Bauführung im engsten Grenzbereich zu einer Nachbarliegenschaft vorgenommen wird. Konnte der Bauführer den Grenzverlauf zur Nachbarliegenschaft den bestehenden öffentlichen Aufzeichnungen (Grundkataster) klar entnehmen, so geht die Unterlassung der Einsichtnahme zu Lasten seiner Redlichkeit, wenn er dennoch, ohne sonst Gewißheit über den Grenzverlauf zu haben, etwa auf Grund einer Grenzvermessung durch einen Zivilgeometer, ohne Herstellung des Einvernehmens mit dem Grundnachbarn das Bauwerk aufführen ließ (MietSlg. 34.049). Im vorliegenden Fall war der Bauführer auf Grund einer Vereinbarung mit dem Rechtsvorgänger des Nebenintervenienten berechtigt, im sogenannten E*****loch eine Schiliftanlage samt Schiabfahrt zu errichten. Wenngleich der Bauführer hiebei davon ausgehen konnte, daß sich das Eigentum seines Vertragspartners auf einen weiten Bereich erstreckt, fällt zu seinen Lasten doch ganz erheblich ins Gewicht, daß es sich bei der Liftanlage um eine sehr weitläufige, bis in große Höhen reichende Anlage handelt, sodaß bei ihrer Errichtung in Erwägung gezogen werden mußte, in den Grenzbereich der Nachbarliegenschaft zu geraten. Erwägungen über den Grenzverlauf wären daher naheliegend gewesen. Ob eine Erklärung des Grundeigentümers über den Grenzverlauf genügt hätte, kann unerörtert bleiben, weil hier nicht einmal eine solche eingeholt wurde. Eine Grenzauszeigung hat nie stattgefunden. Man ging vielmehr völlig sorglos vor. Einem Bauführer, der völlig unbekümmert darum ein Bauwerk errichtet, ob durch die Bauführung Eigentumsrechte Dritter verletzt werden, obwohl die Umstände Erwägungen über den Grenzverlauf nahelegten, kann Redlichkeit nicht zugebilligt werden. Die beklagte Partei konnte daher auch kein vorübergehendes Nutzungsrecht am Flurstück der klagenden Partei erlangen.

Die Vereinbarung des Erblassers mit dem Nebenintervenienten vom Jahre 1987 über die Vermarkung der bisher nicht vermarkten Grenze zwischen ihren Grundstücken nach den Ergebnissen der Grenzvermessung durch einen Zivilingenieur an Hand des Grundkatasters ist nach ihrem Wortlaut (unter Berücksichtigung des Parteiwillens) hinreichend deutlich. Bei genügend deutlichem Vertragstext ist aber kein Raum für eine Vertragsergänzung (SZ 60/216 mwN), etwa deshalb, weil eine Partei die Rechtsfolgen nicht hinreichend bedacht oder vergessen hat, eine ihr wesentliche Vertragsbestimmung aufzunehmen.

Demgemäß steht, entgegen der Meinung der Vorinstanzen, der klagenden Partei sowohl ein Anspruch auf ein angemessenes Benützungsentgelt nach § 1041 ABGB, das der 30jährigen Verjährung unterliegt (SZ 54/131 ua), als auch auf Unterlassung der Benützung ihres Flurstückes zu.

Bei der Ermittlung des Benützungsentgeltes wird von § 273 ZPO Gebrauch gemacht und dieses für den begehrten Zeitraum der letzten 7 Jahre vor der Klagseinbringung mit S 15.000,-- festgesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs.1 ZPO.

Da die klagende Partei mit ihrem Begehren - infolge offensichtlicher Überklagung - überwiegend unterlegen ist, ergibt sich ein Kostenersatzanspruch der beklagten Partei und des Nebenintervenienten. Das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen beträgt: Im ersten Verfahrensabschnitt (bis zum Beginn der mündlichen Streitverhandlung) rund 20 : 80, Kostenersatzanspruch der beklagten Partei und des Nebenintervenienten daher 60 %; im zweiten Verfahrensabschnitt (bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz) rund 12 : 88, Kostenersatzanspruch der beklagten Partei und des Nebenintervenienten daher 76 %; im dritten Verfahrensabschnitt (Rechtsmittelverfahren) rund 17 : 83, Kostenersatzanspruch der beklagten Partei und des Nebenintervenienten daher 66 %. Die Verfahrenskosten der beklagten Partei betragen im ersten Verfahrensabschnitt S 6.177,60 (darin enthalten S 1.029,60 Umsatzsteuer), im zweiten Verfahrensabschnitt S 96.475,10 (darin enthalten S 14.875,85 Umsatzsteuer und S 7.220,-- Barauslagen) und im dritten Verfahrensabschnitt S 34.056,-- (darin enthalten S 5.676,-- Umsatzsteuer). Die Kosten des Nebenintervenienten betragen S 35.960,40 (darin enthalten S 5.993,40 Umsatzsteuer).

Anmerkung

E34264

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00646.92.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19921126_OGH0002_0070OB00646_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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