TE OGH 1992/11/26 7Ob625/92

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Veröffentlicht am 26.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich Otto S*****, vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Eduard M.*****, vertreten durch Dr.Franz Hitzenberger und Dr.Otto Urban, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen Einverleibung der Löschung eines intabulierten Vorkaufsrechtes (Streitwert gemäß §§ 7, 8 RATG S 295.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 17.Juni 1992, GZ 2 R 21/92-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 11.November 1991, GZ 4 Cg 137/90-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung zur Gänze wie folgt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei bei Exekution schuldig, binnen 14 Tagen in die Einverleibung der Löschung des zu COZ ***** der EZ ***** Grundbuch *****, intabulierten Vorkaufsrechtes hinsichtlich des Grundstückes ***** - beruhend auf Punkt VII des Kaufvertrages vom 30.1.1964, ***** der Urkundensammlung des Bezirksgerichtes ***** - einzuwilligen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 52.521,60 (darin enthalten S 8.753,60 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 56.065,40 (darin enthalten S 9.980,60 Umsatzsteuer und S 20.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist bücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, zu der ua das Grundstück ***** gehört. Sein Vater und Rechtsvorgänger im Besitz dieser Liegenschaft,***** veräußerte mit Kaufvertrag vom 30.1.1964 die durch Abtrennung vom Grundstück ***** geschaffene Parzelle 1966/15 an den Beklagten. Punkt VII dieses Kaufvertrages lautet wie folgt:

"Der Verkäufer räumt dem Käufer ein grundbücherlich sicherzustellendes Vorkaufsrecht auf das Grundstück ********** inneliegend in der EZ ***** ein. Dieses Vorkaufsrecht kommt dann nicht zum Zuge, wenn der Verkäufer seinen gesamten Restbesitz inklusive Ädifikate verkauft."

Dieses Vorkaufsrecht wurde zugunsten des Beklagten im Lastenblatt der Liegenschaft einverleibt. Mit Kaufvertrag vom 12.2.1990 veräußerte der Kläger die gesamte Liegenschaft einschließlich der darauf befindlichen Gebäude an die B*****GmbH. Mit Schreiben vom 15.2.1990 wurde dem Beklagten dieser Kaufvertrag unter Hinweis auf Einlösungsrechte zur Kenntnis gebracht. In den darauffolgenden 30 Tagen gab der Beklagte weder eine Einlösungserklärung ab, noch erlegte er den Kaufpreis.

Mit Schreiben vom 22.5.1990 teilte der Beklagte dem damaligen Vertreter des Klägers mit, daß der Kläger die Einlösung nicht hätte anbieten müssen, weil das Vorkaufsrecht mit dem Zustandekommen des Kaufvertrages vom 12.2.1990 erloschen sei. Daher könne dieses Recht im Grundbuch gelöscht werden, wovon der Beklagte lediglich zu verständigen sei.

Der Verkauf der gesamten Restliegenschaft (einschließlich der Bauwerke) wurde im Vertrag vom 30.1.1964 deshalb vom Vorkaufsrecht ausgenommen, weil der Beklagte im Hinblick auf die erhaltungsaufwendigen Gebäude an einem Erwerb der Gesamtliegenschaft nicht interessiert war; seine Absicht war nur darauf gerichtet, Teile des zur Villa gehörenden Parks dazuzukaufen. Was das rechtliche Schicksal des Vorkaufsrechtes sein soll, wenn die Restliegenschaft zur Gänze veräußert wird, wurde nicht besprochen; insbesondere wurde auch darüber nicht gesprochen, ob das Vorkaufsrecht im Fall eines Totalabverkaufes weiter bestehen oder erlöschen soll. Die Bedenken seiner Ehefrau gegen dieses Vorkaufsrecht zerstreute der Veräußerer (nicht allerdings gegenüber dem Beklagten!) damit, daß bei einem Verkauf des Gesamtbesitzes kein Nachteil zu erwarten sei, weil es damit automatisch erlöschen werde. Der Beklagte war dagegen der (beim Vertragsabschluß ebenfalls nicht ausgesprochenen) Meinung, ein Gesamtverkauf würde sein Vorkaufsrecht nicht berühren.

Das Vorkaufsrecht wurde vom Rechtsvorgänger des Klägers dem Beklagten ua auch deshalb eingeräumt, weil er eine schon im Jahr 1953 mit dem Beklagten getroffene Vereinbarung, diesem einen 25 m breiten, von der Straße bis zum Seeufer reichenden Grundstreifen zu verkaufen, wegen nachträglicher Verkäufe von Trennstücken nicht mehr einhalten konnte; dafür hatte der Beklagte aber schon damals die Hälfte des Kaufpreises beim Vater des Klägers erlegt. Zur Rückerstattung war dieser nicht mehr in der Lage.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Löschung seines Vorkaufsrechtes einzuwilligen. Durch den Verkauf der Gesamtliegenschaft an einen Dritten sei das Vorkaufsrecht des Beklagten unabhängig von der - ohne rechtliche Notwendigkeit - eingeräumten Einlösungsmöglichkeit erloschen. Das habe der Beklagte mit seinem Schreiben vom 22.5.1990 auch konstitutiv anerkannt. Dennoch weigere er sich, die für die Einverleibung der Löschung erforderliche Urkunde zu unterfertigen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sein Vorkaufsrecht sei beim Verkauf der Gesamtliegenschaft nur "nicht zum Zuge" gekommen. Das verbücherte Recht bleibe aber im Falle einer solchen Veräußerung bestehen. Der Kläger hätte dem Beklagten aus Anlaß dieses Verkaufes die Einlösung nicht anbieten müssen. Die Erklärung im Schreiben vom 22.5.1990 beruhe auf einem Rechtsirrtum; da damit ein konstitutiver Anerkenntnisvertrag nicht verbunden sei, könne sie widerrufen werden. Das Vorkaufsrecht sei somit nicht erloschen.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt, wobei das Berufungsgericht aussprach, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei der Verkauf der Gesamtliegenschaft vom 12.2.1990 nach Punkt VII des Kaufvertrages vom 30.1.1964 kein Vorkaufsfall gewesen. Ein Erlöschen des Vorkaufsrechtes im Sinne des § 1075 letzter Satz ABGB komme daher nicht in Betracht. Durch den Vertrag vom 30.1.1964 sei - im Hinblick auf den insoweit vorliegenden Teildissens - das Schicksal des Vorkaufsrechtes im Falle des Verkaufes der gesamten Restliegenschaft nicht geregelt worden. Da diese Teilnichtigkeit den Vertrag vom 30.1.1964 sonst nicht berühre, sei die vorhandene Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung, allenfalls durch das dispositive Recht zu schließen. Auf den hypothetischen Parteiwillen könne wegen der unterschiedlichen Vorstellungen der Vertragsparteien zu dieser Frage nur bedingt abgestellt werden. Um den strittigen Punkt im Sinne eines gerechten Interessenausgleiches nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu entscheiden, müsse das Schreiben des Beklagten vom 22.5.1990 beachtet werden. Darin habe der Beklagte seine Ansicht bekundet, daß das ihm eingeräumte Recht mit dem Verkauf der Gesamtliegenschaft zugrunde gegangen sei. Diese Wissenserklärung begründe zwar kein konstitutives Anerkenntnis, doch gestatte sie zumindest den Schluß, daß auch der Beklagte das Erlöschen seines Vorkaufsrechtes für billig angesehen habe. Diese noch kurz vor dem Prozeß eingenommene Haltung lasse die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß sich die Vertragsparteien, wäre ihnen der Teildissens bewußt gewesen, in diesem Sinn geeinigt hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Beklagten erhobene Revision ist berechtigt.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Vorauszuschicken ist zunächst, daß das Vorkaufsrecht auch an einem einzelnen Grundstück einer aus mehreren Grundstücken bestehenden Liegenschaft möglich ist (vgl SZ 42/158). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Gutsbestand der EZ ***** KG ***** und der Lage des mit dem Vorkaufsrecht belasteten Grundstücks *****, von welchem die beiden Bauflächen (die Grundstücke Nr ***** und *****) umschlossen werden, daß das dem Beklagten eingeräumte Vorkaufsrecht nur dann zum Tragen kommen kann, wenn lediglich Trennstücke des belasteten Grundstückes verkauft werden, nicht aber auch dann, wenn das gesamte Grundstück verkauft wird.

Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung haben die den Kaufvertrag vom 30.1.1964 schließenden Parteien durch die Formulierung in Punkt VII ("dieses Vorkaufsrecht kommt dann nicht zum Zug, wenn der Verkäufer seinen gesamten Restbesitz inklusive Ädifikate verkauft") die Frage, ob das Vorkaufsrecht im Falle des Verkaufes der Gesamtliegenschaft weiter bestehen oder erlöschen soll, nicht eindeutig gelöst. Die verwendete Formulierung umfaßt sowohl das immerwährende "nicht zum Zuge kommen" als auch das nicht zum Zug kommen bloß in einem solchen Anlaßfall bei grundsätzlichem Weiterbestehen des Vorkaufsrechtes; sie ist demnach mehrdeutig. Da die vertragschließenden Parteien mit dieser Formulierung gegenteilige Vorstellungen verbanden (nicht aber auch erklärten) somit Mehrdeutigkeit in objektiver Hinsicht bei gleichzeitiger Nichtübereinstimmung des Gewollten gegeben ist, liegt ein beidseitiger, versteckter Teildissens über einen Nebenpunkt vor (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 10 zu § 869). Unrichtig ist die Auffassung des Beklagten, wonach sein Vertragspartner wegen der Feststellung, daß er seine Ehefrau beruhigen wollte, mit dieser Formulierung selbst nicht die Vorstellung verbunden habe, daß das Vorkaufsrecht im Falle des Verkaufes der gesamten Restliegenschaft erlöschen sollte. Anhaltspunkte, daß er selbst nicht dieser Meinung gewesen sei, ergab das Verfahren jedenfalls nicht. Trotz dieses Teildissenses ist anzunehmen, daß die Parteien, wäre er ihnen bewußt gewesen, wegen der oben dargestellten Interessenlage die Vereinbarung zumindest in dem Umfang abgeschlossen hätten, daß das Vorkaufsrecht zumindest bis zum Verkauf der Gesamtliegenschaft eingeräumt wird (vgl zur Maßgeblichkeit des hypothetischen Parteiwillens bei der Entscheidung über die Restgültigkeit im Rahmen analoger Anwendung des § 878 Satz 2 ABGB Rummel aaO). Ungeregelt blieb aber damit die Frage, ob das Vorkaufsrecht im Falle des Verkaufes der gesamten Liegenschaft erlöschen oder weiterbestehen sollte. Letzteres wäre - im Gegensatz zu einem mangels Verbücherung gegen Dritte nicht wirksamen Vorkaufsrecht - wegen der bücherlichen Einverleibung des Vorkaufsrechtes grundsätzlich auch möglich (vgl Bydlinski in Klang2 IV/2, 826; SZ 25/92); die Veräußerung der Gesamtliegenschaft wäre dann nur wie eine "andere Veräußerungsart" im Sinne des § 1078 ABGB zu behandeln, die auf den Fortbestand eines Vorkaufsrechtes keinen Einfluß hat. Diese vom versteckten Dissens erfaßte Regelungslücke ist durch ergänzende Vertragsauslegung und durch dispositives Recht zu schließen (SZ 59/87; Rummel aaO mwN). Die Absicht der Parteien ist dazu hingegen nicht zu erforschen. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist vielmehr unter Berücksichtigung der übrigen Geschäftsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (Koziol-Welser9 I 92 mwN).

Im vorliegenden Fall kann das Vorkaufsrecht nur beim Verkauf von Trennstücken des Grundstückes***** zum Tragen kommen. Der Verkäufer wollte den Beklagten damit auch dafür entschädigen, daß er die vor dem Kaufvertrag getroffene Vereinbarung, dem Beklagten eine größere Strandparzelle zu überlassen, wofür der Beklagte im vorhinein auch schon die Hälfte des Kaufpreises gezahlt hatte, nicht mehr einhalten konnte. Unter diesen Umständen entspricht es der Interessenlage, daß das verbücherte Vorkaufsrecht auch nach dem Verkauf der Gesamtliegenschaft weiter bestehen sollte, weil ja nicht ausgeschlossen werden konnte, daß ein Erwerber der Gesamtliegenschaft ebenfalls Trennstücke des Grundstückes ***** veräußern werde. Aber auch § 1078 ABGB, wonach das Vorkaufsrecht sich auf andere Veräußerungsarten ohne eine besondere Verabredung nicht ausdehnen läßt, führt zu dieser Lösung. Wollten die Parteien des Kaufvertrages vom 30.1.1964 das Vorkaufsrecht beim Verkauf des gesamten Rechtsbesitzes "nicht zum Zug kommen lassen", dann spricht die Vereinbarung der Verbücherung desselben dafür, daß es dann, wie im Fall einer "anderen Veräußerungsart", weiterbestehen sollte (vgl Bydlinski in Klang aaO); eine "andere Veräußerungsart" kann auch durch eine besondere Vereinbarung der Vertragspartner umschrieben werden (Bydlinski aaO 879). Ist aber eine bestimmte Art der Veräußerung kein Vorkaufsfall, dann kann nicht angenommen werden, daß redliche Parteien, die sich darüber nicht erklärt haben, gerade eine solche Veräußerungsart zum Anlaß des Erlöschens eines verbücherten Vorkaufsrechtes gemacht hätten.

Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Beklagte den Anspruch des Klägers nicht konstitutiv anerkannt hat. Insoweit kann auf die Ausführungen im Berufungsurteil verwiesen werden.

Der Revision war daher Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO.

Anmerkung

E33223

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00625.92.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19921126_OGH0002_0070OB00625_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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