TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/17 2003/18/0140

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2006
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StGB §105 Abs1;
StGB §15;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der D, (geboren 1948), vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. April 2003, Zl. SD 278/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. April 2003 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Serbien und Montenegro, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei nach eigenen Angaben (erstmals) am 29. Juli 1989 nach Österreich eingereist und hat anschließend Sichtvermerke bzw. Aufenthaltsbewilligungen bis zum 17. September 1998 erhalten. Zuletzt habe sie am 19. August 1998 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck erhalten.

Mir Urteil des Strafbezirksgerichts Wien vom 20. Februar 1995 sei die Beschwerdeführerin gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Das Gericht habe es als erwiesen angesehen, dass die Beschwerdeführerin am 6. Juni 1994 mit einer Mittäterin Lebensmittel und Kosmetika im Gesamtwert von S 249,50 (EUR 18,13) zu stehlen versucht hätte.

Trotz Ermahnung durch die Erstbehörde am 29. Juni 1995 habe die Beschwerdeführerin am 6. Oktober 1999 versucht, ein paar Damenstiefletten zu stehlen, wobei sie nach dem Diebstahlversuch zwei Angestellte eines Geschäftes durch Versetzen von Stößen und Schlägen zur Abstandnahme von ihrer Anhaltung zu nötigen versucht habe. Das Landesgericht für Strafsachen Wien habe die Beschwerdeführerin daraufhin am 9. Mai 2000 gemäß §§ 15, 127, 15, 105 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.

Zuletzt sei die Beschwerdeführerin vom Bezirksgericht Favoriten am 22. Oktober 2002 gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung habe zugrunde gelegen, dass die Beschwerdeführerin am 8. Juli 2002 diverse Kleidungsstücke im Gesamtwert von EUR 56,94 zu stehlen versucht habe.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei somit erfüllt. Darüber hinaus könne kein Zweifel bestehen, dass das diesen Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß gefährde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich sohin im Grund des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - als gerechtfertigt.

Die Beschwerdeführerin lebe seit ca. dreizehneinhalb Jahren in Österreich, sie verfüge nach eigenen Angaben hier über familiäre Beziehungen zu ihrem Bruder und dessen Familie. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- bzw. Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG auszugehen. Dessen ungeachtet sei die gegen die Beschwerdeführerin gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz des Eigentums Dritter - dringend geboten. Gerade die Häufung von Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen verdeutliche sehr augenfällig, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage oder gewillt sei, die zum Schutz fremden Eigentums aufgestellten strafrechtlichen Normen ihres Gastlandes einzuhalten. Von daher gesehen könne eine Verhaltensprognose keinesfalls zugunsten der Beschwerdeführerin gestellt werden. Dies umso weniger, als diese trotz Ermahnung und Androhung der Verhängung eines Aufenthaltsverbots durch die Erstbehörde und einschlägiger Vorstrafen nicht davon habe abgehalten werden können, auch in jüngster Vergangenheit neuerlich straffällig zu werden.

Im Rahmen der gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den langjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit 1989 Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass einer daraus ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich beeinträchtigt werde. Auch die Bindung der Beschwerdeführerin zu ihrem Bruder und dessen Familie erfahre durch den Umstand, dass sie mit den genannten Personen nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, eine beträchtliche Relativierung. Wenngleich die Beschwerdeführerin seit 1995 durchgehend beschäftigt sei, hätten ihre privaten und familiären Interessen gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität in den Hintergrund treten müssen. Die belangte Behörde sei daher insgesamt zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachhaltigen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Vor diesem Hintergrund und auch im Hinblick auf die wiederholte Tatbegehung durch die Beschwerdeführerin könne ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. In Anbetracht der drei unbestrittenen (rechtskräftigen) Verurteilungen der Beschwerdeführerin wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken (vgl. § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG).

1.2. Das den Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin zeigt deren Neigung, in fremdes Vermögen einzugreifen. Dabei wurde die Beschwerdeführerin wiederholt rückfällig und ließ sich weder durch bereits erfolgte einschlägige Verurteilungen noch von der im angefochtenen Bescheid unstrittig festgestellten Ermahnung durch die Erstbehörde davon abhalten, neuerlich einschlägig straffällig zu werden. Durch dieses wiederholte Fehlverhalten hat die Beschwerdeführerin dem großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2003/18/0339) gravierend zuwider gehandelt. Zudem hat die Beschwerdeführerin mit dem im Oktober 1999 gesetzten Delikt der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB auch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewaltkriminalität (vgl. nochmals das vorzitierte Erkenntnis) verletzt. Daran vermag die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen, dass diese versuchte Nötigung im Zusammenhang mit dem Diebstahlsversuch im Jahr 1999 zu sehen sei, nichts zu ändern. Auch mit dem Einwand, dass sich die besagten Verurteilungen "immerhin über einen Zeitraum von 8 Jahren hinziehen" würden, vermag die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, ist doch der seit ihrem unstrittig im Juli 2002 - somit lediglich etwa neun Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheids - gesetzten Fehlverhalten verstrichene Zeitraum noch viel zu kurz, um einen Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihr ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Vor diesem Hintergrund begegnet auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

2. Bei einer Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den langjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich in der Dauer von dreizehneinhalb Jahren und ihre Bindungen zu ihrem Bruder und dessen Familie und ihre Berufstätigkeit berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in ihre persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich (§ 37 Abs. 1 FrG) angenommen. Ebenso zutreffend hat sie jedoch die Auffassung vertreten, dass diese Maßnahme dringend geboten - sohin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig - sei, liegt doch dieser das besagte gravierende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin zu Grunde, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch die Beschwerdeführerin und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK) notwendig macht. Unter Zugrundelegung dieses öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Den in ihren Beziehungen zu ihrem Bruder und dessen Familie gründenden persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich werden maßgeblich dadurch relativiert, dass die Beschwerdeführerin (wie unstrittig festgehalten) mit diesen Personen nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Ferner steht der aus ihrem langjährigen inländischen Aufenthalt ableitbaren Integration die aus den wiederholten Vermögensstraftaten resultierende große Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüber. Bei Gegenüberstellung dieser Interessen - auch unter Berücksichtigung des in der Beschwerde geltend gemachten Umstands, dass die Beschwerdeführerin während ihres gesamten Aufenthalts berufstätig gewesen sei - begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme, weshalb das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei, keinem Einwand.

3. Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Februar 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003180140.X00

Im RIS seit

15.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten