TE OGH 1992/12/10 7Ob614/92(7Ob615/92)

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Veröffentlicht am 10.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen

1.) der klagenden Partei Ferdinande K*****, vertreten durch Dr. Karl Zerner ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Viktor K*****, vertreten durch Dr. Arno Figl und Dr. Günther Klepp, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterhalts (Streitwert S 224.000,--), und

2.) der klagenden Partei Viktor K*****, vertreten durch Dr. Arno Figl und Dr. Günther Klepp, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Ferdinande K*****, vertreten durch Dr. Karl Zerner ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalts (Streitwert S 108.000,--),

infolge ao Revision der klagenden Partei Ferdinande K***** gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15.1.1992, GZ 18 R 712, 714/91-43, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 26.7.1991, 3 C 47/90-31, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Teilurteil aufgehoben.

Im Umfang der Bestätigung des Punktes 1) des Ersturteils (Unterhaltserhöhungsbegehren) wird die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Umfang der Abänderung der Punkte 2) und 3) des Ersturteils (rückständige Unterhaltsbeträge von S 44.000,--) wird die Rechtssache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Rechtsmittelkosten sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Mit gerichtlichem Vergleich vom 10.12.1985 (im Unterhaltsverfahren 21 C 137/85 des Erstgerichtes) verpflichtete sich Viktor K***** - er wird im folgenden als Beklagter bezeichnet -, ab 1.1.1986 an Ferdinande K***** - sie wird im folgenden als Klägerin bezeichnet - monatlich S 18.000,-- an Unterhalt zu bezahlen. Hiezu wurde festgehalten, daß der Beklagte pro Monat S 3.200,-- für Betriebskosten der Ehewohnung und S 416,-- für Kirchenbeiträge bezahlt, die zur Hälfte als Naturalunterhalt berücksichtigt wurden.

Mit rechtskräftigem Urteil des Berufungsgerichtes vom 30.8.1989 (18 R 542/89 = 3 C 49/88-31 des Erstgerichtes) wurde der Beklagte in Abänderung des zitierten Vergleiches schuldig erkannt, - zusätzlich zu den als Naturalunterhalt geleisteten monatlichen Aufwendungen von zuletzt S 1.735,-- für aliquote Betriebskosten und zuletzt S 320,-- Kirchensteuer - an die Klägerin ab 18.7.1988 (Klagstag) monatlich S 24.000,-- und ab 1.1.1989 monatlich S 27.000,-- zu bezahlen. Das Berufungsgericht ging ab 1.1.1989 von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage des Beklagten von monatlich S 79.410,15, einem Einkommen der Klägerin von monatlich S 6.370,-- sowie einer monatlichen Unterhaltspflicht des Beklagten für seinen Sohn Viktor Kowarik von S 6.735,-- (S 5.000,-- Geldunterhalt und S 1.735,-- Naturalunterhalt) aus; nach betragsmäßiger Abziehung dieser Sorgepflicht und einem verbleibenden Familieneinkommen von S 79.075,15 erachtete es zusätzlich zum Naturalunterhalt einen monatlichen Geldunterhalt von S 27.000,-- als angemessen, welcher Betrag zuzüglich des Naturalunterhaltes etwa 45 % des gemeinsamen Familieneinkommens entsprach.

Außer Streit steht, daß die Sorgepflicht des Beklagten für den Sohn Viktor mit November 1989 weggefallen ist. Die Pension der Klägerin betrug ab 1.1.1990 durchschnittlich monatlich S 6.565,53 netto; sie erhielt Nettoabfertigungen per 29.12.1987 von S 40.861,80 sowie zum 8.4., 29.4. und 30.5.1988 von jeweils S 13.620,60.

Mit ihrer am 9.5.1990 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin 1.) eine Erhöhung der monatlich vom Beklagten zu leistenden Unterhaltsbeiträge ab November 1989 auf S 32.000,-- und 2.) den Betrag von S 44.000,-- s.A. an rückständigem Unterhalt für den Zeitraum Mai 1987 bis Juni 1988. Der Sohn der Streitteile sei selbsterhaltungsfähig geworden und das Einkommen des Beklagten um mindestens 2,5 % gestiegen, während die Klägerin nach wie vor schwer behindert sei. Die Klägerin habe, ausgehend von den Einkommensfeststellungen des Berufungsgerichtes im Verfahren 3 C 49/88, einen Unterhaltsanspruch für Mai 1987 bis Februar 1988 von je S 20.000,-- und für März bis Juni 1988 von je S 24.000,--, der Beklagte aber habe monatlich nur S 18.000,-- bezahlt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung dieser Klage. Die Klägerin habe eine Vermietung des Geschäftslokals auf der den Streitteilen je zur Hälfte gehörenden Liegenschaft vereitelt, weshalb der Mietzinsentgang zur Hälfte der Klägerin zuzurechnen sei. Mit 1.8.1990 gehe der Beklagte in Pension, auch er habe einen krankheitsbedingten Mehraufwand. Unter Einbeziehung des Einkommens und der Abfertigung der Klägerin liege eine Unterhaltsverletzung nicht vor. Dem Begehren für die Zeiträume vor der letzten Gerichtsentscheidung stehe deren Rechtskraftwirkung entgegen, es bestehe kein Anspruch auf nachträgliche Geltendmachung von Unterhalt für Zeiträume vor dem rechtskräftigen Erkenntnis.

In der Tagsatzung vom 12.12.1990 widerrief die Klägerin ihr Einverständnis zur Leistung eines gemischten Unterhalts und beantragte die Leistung eines ausschließlichen Geldunterhalts. Hiezu erwiderte der Beklagte, die Klägerin habe die Naturalleistungen bisher in Empfang genommen, sodaß ein stillschweigendes Einvernehmen vorliege.

Mit seiner am 26.9.1990 eingebrachten Klage beantragte der Beklagte die Feststellung, daß er in Abänderung des Berufungsurteils vom 30.8.1989 nur mehr einen Geldunterhalt von S 24.000,-- monatlich zu bezahlen habe. Durch seine Pensionierung sei spätestens ab 1.8.1990 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Seine Pensionen von der Stadt Linz und nach dem GSVG seien wesentlich geringer als seine Aktivbezüge.

Die Klägerin beantragte die Abweisung dieser Klage. Der Unterhalt des Beklagten für seinen Sohn sei weggefallen, sodaß ihr Unterhalt steige. Mit 1.1.1991 seien die Bezüge der Beamten um rund 5 % erhöht worden. Der Beklagte habe als Stadtrat Anspruch auf Fortzahlung der vollen Bezüge für ein Jahr gehabt, er habe jedoch eine Antragstellung in Schädigungsabsicht unterlassen, sodaß ihm dieses Einkommen im Sinne der Anspannungstheorie zuzurechnen sei. Überdies beziehe der Beklagte eine Pension nach dem ASVG.

In der Tagsatzung vom 25.4.1991 wurden die beiden Verfahren verbunden.

In der Tagsatzung vom 27.6.1991 brachte die Klägerin vor, daß ihr Unterhaltsbegehren ab dem 1.7.1991 auf S 30.560,-- einzuschränken sei.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin auf Unterhaltserhöhung ab November 1989 auf monatlich S 32.000,-- ab (Punkt 1.) des Spruches); es verurteilte den Beklagten zur Bezahlung von S 37.000,-- s. A. an rückständigem Unterhalt für den Zeitraum Mai 1987 bis Juni 1988 (Punkt 2.) des Spruches) und wies das Mehrbegehren der Klägerin von S 7.000,-- an rückständigem Unterhalt ab (Punkt 3.) des Spruches); in Abänderung des Berufungsurteiles vom 30.8.1989 erkannte es den Beklagten schuldig, ab 1.8.1990 einen Geldunterhalt von S 24.000,-- an die Klägerin unter Berücksichtigung der bisherigen Leistungen zu bezahlen (Punkt 4.) des Spruches). Das Erstgericht traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Streitteile leben seit 21.7.1985 getrennt. Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 21.3.1991 gemäß § 55 Abs 1 EheG mit dem Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten nach § 61 Abs 3 EheG geschieden. Der Beklagte bemühte sich seit Anfang 1988 um eine Vermietung des leerstehenden Geschäftslokals in einem beiden Parteien je zur Hälfte gehörigen Haus, in dem die Klägerin im zweiten Stock wohnt. Es interessierten sich potente Mieter; bei einer Besichtigung machten jedoch negative Äußerungen der Klägerin klar, daß sie eine Vermietung verhindern und Käufer abschrecken will. Es wäre eine Nettomiete von monatlich S 31.520,-- erzielbar gewesen. Im Zeitraum von November 1989 bis zum 31.7.1990 verdiente der Beklagte als Stadtrat S 640.500,-- netto, als Kammerfunktionär S 89.450,-- netto und als Pensionist nach dem GSVG im Juli 1990 S 12.500,-- netto, während die Klägerin eine Pension von S 58.500,-- erhielt. Im Zeitraum ab 1.8.1990 bezog der Beklagte eine durchschnittliche Pension vom Magistrat der Stadt Linz von netto S 58.500,-- monatlich und nach dem GSVG von netto S 16.500,-- monatlich, während die Klägerin 1990 eine durchschnittliche Pension von monatlich S 6.565,-- bezog. Der Beklagte hat keine Pension nach dem ASVG und keine Einkünfte aus Großhandel oder Beteiligungen oder Wertpapieren. Der Gesundheitszustand beider Teile verschlechtert sich. Die Klägerin ist im Haushalt auf fremde Hilfe angewiesen.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Unterhaltsanspruch der Klägerin richte sich auch nach der Scheidung nach § 94 ABGB (§ 69 Abs 2 EheG). Grundsätzlich sei zwar ein gemischter Unterhalt unzulässig, nicht aber dann, wenn der Berechtigte damit einverstanden sei. Solange die Klägerin die Naturalleistungen annehme, sei der Widerruf des Einverständnisses unerheblich. Die fiktiven Mieteinnahmen beider Teile müßten nach der Anspannungstheorie herangezogen werden, wobei von einer Vermietung ab Mitte 1988 ausgegangen werden könne. § 4 der Bezügeordnung der Landeshauptstadt Linz regle eindeutig, daß der Beklagte keinen Fortbezahlungsanspruch seiner Bezüge gehabt habe. Für den Zeitraum Mai 1987 bis Juni 1988 sei die Unterhaltspflicht des Beklagten für den Sohn in Höhe des geleisteten Geldunterhaltes von der Bemessungsgrundlage abzuziehen; unter Einbeziehung des geleisteten Naturalunterhaltes liege ein Unterhaltsrückstand von S 37.000,-- vor. Für den Zeitraum von November 1989 bis 1.8.1990 sei unter Berücksichtigung der Pension der Klägerin von durchschnittlich S 6.500,--, der Bezüge des Beklagten von rund S 81.000,--, der fiktiven Mieteinnahmen und der monatlichen Naturalleistungen von S 2.875,-- ein Geldunterhalt von monatlich S 27.000,-- angemessen. Für den Zeitraum ab 1.8.1990 (Pensionierung des Beklagten) sei eine Unterhaltsherabsetzung auf monatlich S 24.000,-- unter Anrechnung des geleisteten Naturalunterhalts gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht hob Punkt 4) des Urteils des Erstgerichtes als nichtig (§ 477 Abs 1 Z 9, erster Fall ZPO) auf. Es bestätigte Punkt

1) und änderte die Punkte 2) und 3) zusammenfassend dahin ab, daß es das Begehren der Klägerin auf Zahlung rückständiger Unterhaltsbeiträge für den Zeitraum Mai 1987 bis Juni 1988 von S 44.000,-- s.A. abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung in Abänderung der Feststellungen des Erstgerichtes zur erzielbaren Nettomiete des Geschäftslokals fest, daß diese zumindest S 22.000,-- monatlich betrage. Das Unterhaltsnachzahlungsbegehren der Klägerin sei nicht berechtigt. Die Ehe der Streitteile sei zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz geschieden gewesen. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin richte sich daher nach dem Ehegesetz. Es gelte daher, weil die Ehe der Streitteile mit dem Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten nach § 61 Abs 3 EheG geschieden wurde, für den Unterhaltsanspruch der Klägerin der § 69 Abs 2 EheG, der ihr auch nach der Scheidung Unterhalt iSd § 94 ABGB gewähre. Es gelte aber auch § 72 EheG, der die Einforderbarkeit eines fälligen Anspruches auf gesetzliche Unterhaltsbeiträge zeitlich beschränke. Durch die neuere Rechtsprechung, wonach Unterhalt auch für die Vergangenheit begehrt werden könne, werde § 72 EheG nicht berührt. Nach § 72 EheG aber könne für die Vergangenheit Unterhalt von der Zeit an gefordert werden, in der der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden sei, für eine längere als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit jedoch nur, soweit anzunehmen sei, daß sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen habe. Der Zeitraum Mai 1987 bis Juni 1988 liege mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit; daß sich der Beklagte der Leistung absichtlich entzogen habe, habe die Klägerin nicht behauptet. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch auf eine derartige Nachzahlung. Zu dem selben Ergebnis komme man bei Berücksichtigung der allgemeinen Bereinigungswirkung des Vergleiches; denn die Klägerin habe nicht bewiesen, daß sich die Umstände seit Vergleichsabschluß wesentlich verändert hätten. Mit Recht auch habe das Erstgericht das Unterhaltserhöhungsbegehren der Klägerin abgewiesen. Das Erstgericht habe den Wegfall der Sorgepflicht für den Sohn der Streitteile durchaus berücksichtigt. Darüberhinaus sei dieser Wegfall durch das pflichtwidrige Verhalten der Klägerin in bezug auf die Vereitlung einer Vermietung des Geschäftslokals, durch das sie das Familieneinkommen der Streitteile bzw. das Einkommen des Beklagten um mehr als jenen monatlichen Betrag geschmälert habe, der dem Wegfall der Sorgepflicht für den Sohn entspreche, kompensiert. Es komme dazu, daß sich auch das Einkommen des Beklagten seit der letzten Unterhaltsfestsetzung nicht wesentlich, nämlich nur um 1,9 % (von rund S 79.400,-- in der Vorentscheidung auf rund S 81.000,-- ab November 1989 bis zur Pensionierung) erhöht habe. Einen Anspruch auf Fortzahlung seiner vollen Bezüge nach seiner Pensionierung für ein Jahr habe der Beklagte, wie sich aus § 4 der Bezügeordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz ergebe, nicht gehabt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig und auch berechtigt.

Mit Recht wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung ihres Begehrens auf Zahlung rückständiger Unterhaltsbeiträge für die Zeit von Mai 1987 bis Juni 1988. Es ist zwar richtig, daß die grundlegende Änderung der Rechtsprechung durch die Entscheidung 6 Ob 544/87 (= SZ 61/143), wonach Unterhaltsansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden können, nicht für den Anwendungsbereich des § 72 EheG, also für gesetzliche Unterhaltsansprüche eines geschiedenen Ehegatten, gilt (EFSlg. 57.280). Doch ist der Hinweis der zweiten Instanz auf die Bestimmung des § 72 EheG deshalb verfehlt, weil das Begehren auf Unterhaltsnachzahlung für die Zeit von Mai 1987 bis Juni 1988 einen Zeitraum betrifft, in dem die Ehe der Streitteile noch nicht geschieden war. Der Abschnitt E des Ehegesetzes (§ 62ff EheG) behandelt ausdrücklich die Folgen der Scheidung, und zwar unter II.) in den §§ 66 bis 80 EheG den Unterhalt nach der Scheidung. Der Umstand aber, daß die Streitteile über den Unterhaltsanspruch der Klägerin am 10.12.1985 einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen hatten, der zu dieser Zeit (das ist Mai 1987 bis Juni 1988) noch aufrecht war, und eine Unterhaltserhöhung erst mit Klage vom 18.7.1988 zu 3 C 49/88 des Erstgerichtes begehrt wurde, steht einem Unterhaltserhöhungsbegehren der Klägerin für die Zeit Mai 1987 bis Juni 1988 nicht entgegen. Denn eine Änderung der Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit ist zulässig, auch wenn für diese Zeit eine gerichtliche Regelung, auch durch gerichtlichen Vergleich, vorliegt, wobei man allerdings beim Abschluß von Vergleichen, um eine Nachforderung in die Vergangenheit begründen zu können, seit dem Vergleich wesentlich veränderte Umstände wird nachweisen müssen (EvBl 1990/50; 7 Ob 661/90 ua; Pichler in JAP 1990/91, 44f). Nichts anderes als wesentlich veränderte Umstände für den Zeitraum Mai 1987 bis Juni 1988 (gegenüber dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses 10.12.1985) macht die Klägerin bei ihrem Begehren auf Unterhaltsnachzahlung (Punkt 4) der Klageerzählung) geltend. Die hiezu vom Erstgericht getroffenen Feststellungen wurden im Berufungsverfahren von der Klägerin als mangelhaft, vom Beklagten als unrichtig bekämpft. Ausgehend von einer vom Revisionsgericht nicht geteilten Rechtsauffassung hat das Berufungsgericht hiezu nicht Stellung genommen. Dem Berufungsgericht war deshalb eine neue Entscheidung über die Berufung beider Parteien zu diesem Punkt aufzutragen.

Berechtigt ist die Revision der Klägerin auch insoweit, als die zweite Instanz die Abweisung ihres Unterhaltserhöhungsbegehrens bestätigt hat.

Es ist keine Frage, daß für jede Unterhaltsverpflichtung die Umstandsklausel gilt (EFSlg. 59.479), daß bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse eine Unterhaltsneufestsetzung zu erfolgen hat (EFSlg. 62.569), daß auch bei einem Unterhaltsvergleich eine Abänderung bei Vorliegen geänderter Verhältnisse stattzufinden hat (EFSlg. 62.589) und daß dann, wenn die Änderung der Verhältnisse nicht oder nicht nur in einer Änderung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen beruht, die seinerzeitige Relation zwischen Unterhaltsleistung und Einkommen für die Neubemessung keine Rolle spielt (EFSlg. 62.575).

Dem vorliegenden Unterhaltserhöhungsbegehren der Klägerin liegt zugrunde, daß die Sorgepflicht des Beklagten für den Sohn der Streitteile weggefallen sei und die Unterhaltsbemessungsgrundlage sich dadurch erhöht habe.

Da der Beklagte bis zu seiner Pensionierung am 1.8.1990 monatliche Nettoeinkünfte von zusammen etwa S 81.000,--, die Klägerin von S 6.500,-- hatte, ist von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 87.500,-- auszugehen, sodaß danach - wollte man von einem gleichbleibenden prozentmäßigen Anteil der Klägerin am Familieneinkommen ausgehen - das Erhöhungsbegehren der Klägerin (S 32.000,--) bis zu diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen als begründet angesehen werden könnte. Das Berufungsgericht hat durchaus zutreffend erwogen, daß bei einer Neubemessung des Unterhalts der Klägerin im vorliegenden Fall eine prozentmäßige Berücksichtigung des Wegfalls der Sorgepflicht des Beklagten für den Sohn der Streitteile nicht gerechtfertigt wäre; denn im Vorverfahren war diese Sorgepflicht nicht durch Anwendung eines geringeren Prozentsatzes bei der Bemessung des Unterhalts der Klägerin berücksichtigt worden, sondern durch Abzug des tatsächlich geleisteten Unterhaltsbetrages vom Familieneinkommen im Sinne der im Urteil vom 30.8.1989 genannten Entscheidungen EFSlg. 50.219 und

42.795. Eine Änderung des prozentmäßigen Anteils der Klägerin am Familieneinkommen im Sinne einer Erhöhung dieses Anteils aus dem Grund des Wegfalls der Sorgepflicht käme deshalb einer doppelten Berücksichtigung dieses Umstandes gleich.

Nicht in dem selben Ausmaß, sondern nur bis zu einem Unterhaltsbetrag von rund S 30.000,-- monatlich berechtigt - wollte man auch hier von einem gleichbleibenden prozentmäßigen Anteil der Klägerin am Familieneinkommen ausgehen -, könnte das Erhöhungsbegehren der Klägerin, von den getroffenen Feststellungen ausgehend, für die Zeit ab der Pensionierung des Beklagten (1.8.1990) angesehen werden. Mit Recht sind die Vorinstanzen zum Ergebnis gekommen, daß ein Anspruch des Beklagten auf Fortzahlung seiner vollen Bezüge nach seiner Pensionierung für ein Jahr dem § 4 der Bezügeverordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 22.9.1983 nicht entnommen werden kann. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist vollkommen eindeutig, seine Auslegung durch die Vorinstanzen unbedenklich.

Im Ergebnis berechtigt wehrt sich die Klägerin dagegen, daß durch die festgestellte, ihrem Verhalten zuzuschreibende Vereitlung der Vermietung eines Geschäftslokals in dem den Streitteilen je zur Hälfte gehörigen Haus und den dadurch entgangenen Bestandzins der Wegfall der Sorgepflicht für den Sohn der Streitteile mehr als kompensiert und eine Unterhaltserhöhung der Klägerin ab November 1989 (die Klage langte am 9.5.1990 beim Erstgericht ein) nicht mehr gerechtfertigt sei. Zwar sind entgegen der Ansicht der Klägerin gemäß § 94 ABGB auch solche tatsächlich nicht gezogene Einkünfte an Kapitalerträgen angemessen zu berücksichtigen, die der unterhaltsfordernde Ehegatte vertretbarerweise hätte ziehen können, wobei sich das, was vertretbar oder unvertretbar ist, nach den konkreten Lebensverhältnissen unter Bedachtnahme auf die Entscheidung, die partnerschaftlich eingestellte Ehegatten im gemeinschaftlichen Interesse unter den gegebenen Umständen getroffen hätten, bestimmt (6 Ob 545/91). Hätte aber die Klägerin eine Vermietung nicht vereitelt, wäre bei den dann entsprechend höheren Einkünften für beide Teile mit Rücksicht auf den der Klägerin gebührenden Anteil am Familieneinkommen der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten im wesentlichen gleichgeblieben. Das festgestellte Verhalten der Klägerin schmälert daher nicht ihren Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten.

Mit Rücksicht auf die Aufhebung der Entscheidung über das zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem Unterhaltserhöhungsbegehren der Klägerin verbundene Unterhaltsherabsetzungsbegehren des Beklagten, das vom Berufungsgericht als nichtig aufgehoben wurde, erscheint es ungeachtet der vorstehenden Ausführungen nicht zweckmäßig, über das Unterhaltserhöhungsbegehren der Klägerin bereits jetzt zu entscheiden, zumal die Entscheidungskriterien dadurch, daß entgegen der Ansicht der Vorinstanzen das Verhalten der Klägerin bei der vom Beklagten gewünschten Vermietung des Geschäftslokals sich im Ergebnis nicht auf ihren Unterhaltsanspruch auswirkt, verändert wurden.

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

Anmerkung

E33218

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00614.92.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19921210_OGH0002_0070OB00614_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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