TE OGH 1992/12/10 7Ob637/92

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Veröffentlicht am 10.12.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ing. Herbert S*****, und 2.) Else S*****, beide vertreten durch Dr. Heimo Puschner und Dr. Johann Pogner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Klaus S*****, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen gerichtlicher Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes als Berufungsgerichtes vom 10.6.1992, GZ 48 R 320/92-27, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes vom 17.1.1992, GZ 5 C 514/91d-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.590,40 (darin S 598,40 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger kündigten dem Beklagten den Mietvertrag über in einem näher bezeichneten Haus unter top 1 gelegene Geschäftsräume im Ausmaß von 43 m2 am 21.3.1991 zum 30.9.1991 gerichtlich auf. Sie machten die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 4 und 9 (offensichtlich gemeint: 7) MRG geltend. Der Beklagte habe den Mietgegenstand zur Gänze an zwei namentlich genannte Personen weitergegeben und verwerte ihn gegen ein unverhältnismäßig hohes Entgelt. Der Mietgegenstand, der als Geschäftsraum angemietet worden sei, werde nicht zu einer geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet.

Der Beklagte erhob Einwendungen und beantragte die Aufhebung der Aufkündigung. Ein bestimmter Mietzweck sei für die Räumlichkeiten bei deren Anmietung im Jahr 1946 nicht vereinbart worden. Das Objekt sei für Büro-, Lager- und Archivzwecke verwendet worden, es seien aber auch Dienstnehmer des Beklagten Jahre hindurch darin untergebracht gewesen. Eine Weitergabe des Bestandgegenstandes gegen ein unverhältnismäßig hohes Entgelt sei nicht erfolgt. Der Beklagte habe vielmehr Dienstnehmer seines Unternehmens darin untergebracht, die hiefür keinerlei Engelt bezahlten.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Bestandgegenstand besteht aus zwei Räumen, einem Vorraum und einem WC. Ein schriftlicher Mietvertrag besteht nicht. Das Objekt wurde 1946 an den Vater des Beklagten vermietet, der ebenso wie der Beklagte ein Bauunternehmen betrieben hat. Es kann nicht festgestellt werden, daß ein besonderer Verwendungszweck vereinbart wurde. Der Vater des Beklagten hatte in den Räumen zunächst das Büro seines Unternehmens. Später diente ein Teil des Objekts als Archiv, während ein Raum, in dem es auch ein Waschbecken und einen Holzofen gibt, mit einem Holzfußboden ausgestattet und ein oder zwei Jahre hindurch von einem Chauffeur des Vaters des Beklagten und einem Herrn Z***** bewohnt wurde. Nach dem Auszug dieser Personen wurde das Bestandobjekt als Archiv und Aktenlager verwendet. Als sich im Jahr 1990 zwei Arbeiter des Beklagten, die nach einer Wohnmöglichkeit suchten, an ihn wandten, ließ der Beklagte das Objekt herrichten und einen Elektrospeicher einbauen. Ein Raum wurde ab Oktober 1990 den beiden Arbeitern als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Sie bezahlen hiefür kein Entgelt und müssen auch nicht Abzüge von ihrem Lohn hinnehmen. Im zweiten Raum verblieben lediglich Regale.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, es liege keiner der beiden geltendgemachten Kündigungsgründe vor.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Nachdem eine bestimmte Verwendungsart (Wohn- oder Geschäftszweck) nicht bedungen worden sei, sei der Mieter berechtigt, das Objekt sowohl zu Wohn-, als auch zu Geschäftszwecken zu nutzen. Die Nichtbenutzung zu einer geschäftlichen Betätigung allein vermöge die Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG hier nicht zu rechtfertigen, weil das Objekt noch immer im Sinn eines der beiden zulässigen Verwendungszwecke auch tatsächlich benutzt werde. Auch der Kündigungsgrund einer gänzlichen Weitergabe iSd § 30 Abs 2 Z 4 MRG sei nicht hergestellt, weil nur ein Teil des Objektes an Dienstnehmer überlassen worden sei. Daß der nicht weitergegebene zweite Raum weder zu Wohn-, noch zu Geschäftszwecken benützt werde, vermöge daran nichts zu ändern, weil die Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 4, zweiter Satz MRG, wonach die teilweise Weitergabe einer gänzlichen Weitergabe gleichkomme, wenn die nicht weitergegebenen Teile nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen regelmäßig verwendet werden, nur auf Wohnungen, nicht aber auf Geschäftsräumlichkeiten Anwendung finde. Bei Geschäftsräumen, auf die der Gesetzgeber nicht Bedacht genommen habe, müßte die Kombination von Weitergabe und Nichtbenützung einen wichtigen Kündigungsgrund iSd § 30 Abs 1 MRG darstellen. Gemischte Objekte, bei denen weder der Wohn-, noch der Geschäftszweck überwiege, könnten zur Frage der Anwendbarkeit eines Kündigungsgrundes nicht ohne weiteres nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG als Wohnung qualifiziert werden, weil dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, durch diese Bestimmung über die Mietzinsbildung gleichzeitig den Kündigungsschutz aushöhlen zu wollen. Die Kombination von Weitergabe und Nichtbenützung könne daher bei einem gemischten Objekt gleichfalls nur als wichtiger Kündigungsgrund iSd § 30 Abs 1 MRG geltend gemacht werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Kläger vertreten in ihrer Revision den Standpunkt, es sei kein sachlich gerechtfertigter Grund ersichtlich, weshalb bei Geschäftsräumlichkeiten die Zurückbehaltung eines Raumes durch den Mieter eine Umgehung des Kündigungstatbestandes des § 30 Abs 2 Z 4 MRG ermöglichen sollte. Dies gelte umso mehr im Fall einer gemischten Nutzung, bei der zudem die Nutzung zu Wohnzwecken überwiege. Es sei verfehlt, zwischen einer Nichtbenützung zu geschäftlichen Zwecken und einer Nichtbenützung zu Wohnzwecken zu unterscheiden.

Das Revisionsgericht stimmt diesen Ausführungen nicht zu.

Konnte nicht festgestellt werden, ob der Bestandgegenstand zu einem besonderen Verwendungszweck vermietet wurde, kann jedenfalls - wie vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt wurde - nicht gesagt werden, er werde nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet, so daß der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 7 MRG nicht hergestellt wurde.

Von einer gänzlichen Weitergabe des Mietgegenstandes oder einer auch nur teilweisen Überlassung gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung iSd § 30 Abs 2 Z 4, erster Satz MRG kann gleichfalls keine Rede sein; wurde doch nur einer der Räume - zu Wohnzwecken - unentgeltlich weitergegeben. Daß eine "Weitergabe" erfolgt ist, ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zweifelhaft; denn unter Weitergabe ist jede entgeltliche oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zum regelmäßigen Gebrauch zu verstehen (Würth in Rummel2, RZ 24 zu § 30 MRG).

Der Tatbestand des § 30 Abs 2 Z 4, zweiter Satz MRG aber setzt die teilweise Weitergabe einer Wohnung bei nicht regelmäßiger Verwendung der nicht weitergegebenen Teile der Wohnung voraus. Konnte daher nicht festgestellt werden, daß der Bestandgegenstand als Wohnung gemietet wurde, erscheint auch dieser Kündigungsgrund nicht gegeben; denn mit Recht hat das Berufungsgericht die Ansicht vertreten, daß eine analoge Anwendung der genannten Bestimmung auf Geschäftsräumlichkeiten nach ihrem Wortlaut - ist doch in ihr ausdrücklich in einer "Wohnung" im Gegensatz zum "Mietgegenstand" im ersten Satz des § 30 Abs 2 Z 4 MRG die Rede - nicht in Betracht kommt.

Das Revisionsgericht schließt sich den Ausführungen des Berufungsgerichtes an, daß ebenso wie bei der teilweisen Weitergabe von zu Geschäftszwecken vermieteten Räumen in Verbindung mit der Nichtbenützung der nicht weitergegebenen (WoBl 1992/13) auch die Kombination von Weitergabe und Nichtbenützung bei einem gemischten Objekt (teilweise Weitergabe eines Bestandgegenstandes, dessen Vermietung als Wohnung vom Bestandgeber nicht bewiesen wurde, zu Wohnzwecken) nur nach § 30 Abs 1 MRG aufgekündigt werden kann. Ein derartiger Kündigungsgrund aber wurde nicht geltend gemacht.

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E33236

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00637.92.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19921210_OGH0002_0070OB00637_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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