TE OGH 1992/12/10 7Ob24/92

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Veröffentlicht am 10.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Theresia R*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M***** Versicherungsanstalt,***** vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 187.072,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15.9.1992, GZ 1 R 68/92-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 20.1.1992, GZ 23 Cg 137/91-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.836,28 (darin S 1.472,70 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 30.8.1991 ereignete sich in der Wohnung der Klägerin und ihres Ehemannes, die bei der beklagten Partei eine Haushaltsversicherung abgeschlossen haben, dadurch, daß die Klägerin einen Kochtopf, gefüllt mit gestocktem Fett, auf den Elektroherd stellte, um es flüssig zu machen, ein Brand. Nachdem die Klägerin zwischen 18 Uhr 30 und 18 Uhr 45 die Herdplatte eingeschaltet hatte, verließ sie ihre im Parterre gelegene Wohnung und lief ein paar Stufen hinunter, um den Müllsack entleeren zu können. Für diesen Weg benötigt sie bei normaler Gehweise etwa eine 3/4 Minute. Auf dem Rückweg traf sie ihre Wohnungsnachbarin. Zwischen den beiden Frauen entwickelte sich ein Gespräch über eine gemeinsame Bergpartie. In der Folge ging die Klägerin mit ihrer Nachbarin in deren im ersten Stock gelegene Wohnung, um sich Fotos von anderen Bergwanderungen anzusehen. Als die beiden Frauen kurz nach 19 Uhr den Balkon betraten, nahmen sie Brandgeruch wahr. Die Klägerin erinnerte sich nun an den auf dem Elektroherd stehenden Kochtopf und lief in ihre Wohnung zurück. Ein Teil der Wohnung stand jedoch bereits in Flammen. Die Klägerin hatte schon zuvor wiederholt Fett ausgelassen; der Schmelzvorgang dauerte etwa sechs bis sieben Minuten.

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages von S 187.072,-- sA. Zwischen den Streitteilen sei ein Schadensbetrag von S 459.750,-- errechnet worden. Die beklagte Partei habe aber nur S 272.678,-- als Gegenwert jener Gegenstände, die im Eigentum des Ehegatten der Klägerin und ihrer Kinder standen, ersetzt, weil sie der Auffassung sei, die Klägerin habe den Schaden grob fahrlässig herbeigeführt. Grobe Fahrlässigkeit liege jedoch nicht vor.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Klägerin habe sich etwa eine 3/4 Stunde außerhalb ihrer Wohnung befunden, obwohl sie den Elektroherd eingeschaltet gehabt habe, um in einem Topf befindliches Schweinefett zu erhitzen. Sie habe daher den Brand auf Grund grob schuldhafter Handlung ausgelöst.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Klägerin sei eine ungewöhnlich auffallende Vernachlässigung "von hausfraulichen Fachkenntnissen" vorzuwerfen, zumal sie über die Schmelzdauer von Fett von sechs bis sieben Minuten Kenntnis gehabt und trotzdem zumindest länger als eine Viertelstunde, also etwa die doppelte Zeit, die das Fett zum Schmelzen benötige, dieses ohne Kontrolle gelassen habe und es für jedermann vorhersehbar sei, daß überhitztes Fett eine Brandgefahr in sich berge.

Das Berufungsgericht bestätigt die Entscheidung des Erstgerichtes; es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es werde jedermann einleuchten, daß das unbeaufsichtigte Erhitzen eines Topfes mit Fett zu einem Brand führen könne. Bei gehöriger Aufmerksamkeit müsse diese Gefahr auch der Klägerin als Hausfrau besonders deutlich gewesen sein. Sei es auch sicherlich nicht erforderlich, ständig neben dem Herd zu stehen, wäre es doch jedenfalls Sache der Klägerin gewesen, den Fettopf ständig unter Kontrolle zu haben und damit die Gefahr der Entstehung eines Brandes nach Möglichkeit auszuschalten. Wenn auch das Verlassen der Wohnung durch die Klägerin an sich noch nicht unbedingt als grob fahrlässig anzusehen sei, weil die Klägerin nicht damit habe rechnen müssen, daß eine Abwesenheit von etwa 45 Sekunden eine Brandgefahr herbeiführen oder wesentlich vergrößern könnte, erweise sich doch ihr Verhalten im Zusammenhang mit dem lang dauernden Vergessen und der Ursache des Vergessens als grob schuldhaft. Für die Frage, ob das im Vergessen begründete Verschulden eine leichte oder grobe Fahrlässigkeit darstelle, sei auch entscheidend, wie lange der Zustand der Unaufmerksamkeit, das Vergessen, dauere. Es komme aber auch auf jene Umstände an, die die gebotene Aufmerksamkeit der Klägerin abgelenkt haben. Die Klägerin sei schließlich sogar an ihrer offenen Wohnungstür vorbei in die darüberliegende Nachbarwohnung gegangen. Je geringer in ihrer Bedeutung die Ereignisse seien, die die Klägerin abgelenkt hätten, desto eher wäre es Sache der Klägerin gewesen, an ihren Fettopf zu denken. Da bei der Klägerin der Zustand des Vergessens bis zum Wahrnehmen des Brandgeruches länger als eine Viertelstunde, also etwa die doppelte Zeit, die das Fett zum Schmelzen benötige, angedauert habe, könne schon aus diesem Grund kein Zweifel daran bestehen, daß die Klägerin grob fahrlässig gehandelt habe, zumal sie sich ohne Notwendigkeit von der Gefahrenstelle entfernt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Es mag schon sein, daß das Vergessen einer Gefahrenquelle nicht schlechthin eine derart schwere Pflichtverletzung darstellt, daß es als grobe Fahrlässigkeit zu werten ist. Das Revisionsgericht erachtet jedoch die eingehende Begründung des angefochtenen Urteils als zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO), wonach jedenfalls im vorliegenden Fall nach den gegebenen Umständen - die hohe Brandgefahr beim Erhitzen von Fett, das Verlassen der Wohnung ohne jede Notwendigkeit (mag es auch nur für kurze Dauer beabsichtigt gewesen sein), die Verzögerung der Rückkehr und das Vergessen auf das am eingeschalteten Elektroherd erhitzte Fett auf Grund eines völlig belanglosen Zwischenfalls, aber auch die Dauer dieses Vergessens, wurde doch die Klägerin erst durch den Brand an das zum Erhitzen auf den Herd gestellte Fett erinnert - das Schadensereignis durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt wurde.

Die Annahme grober Fahrlässigkeit iSd § 61 VersVG setzt ein Verhalten des Versicherungsnehmers voraus, von dem er wußte, oder wissen mußte, daß es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalles oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muß offenkundig so groß sein, daß es ohne weiteres nahe lag, zur Vermeidung des Versicherungsfalles ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz24, 401). Es kommt auf die konkrete Situation an, in der sich der Versicherungsnehmer befand (Prölss/Martin aaO 402). Wie gefährlich das Erhitzen von Fett ist und wie sehr überhitztes Fett eine Brandgefahr in sich birgt, mußte der Klägerin als Hausfrau, die schon früher wiederholt Fett ausgelassen hatte und die zumindest daher wußte, wie kurz der Schmelzvorgang dauert, bekannt sein. War es deshalb bereits kaum zu rechtfertigen, daß die Klägerin ausgerechnet während ihrer die volle Aufmerksamkeit fordernden Tätigkeit die Wohnung verließ, um den Müllsack zu entleeren, hätte sie sich auf keinen Fall dabei durch irgendwelche Umstände, noch dazu vollkommen nebensächlicher Art, aufhalten lassen dürfen; war doch die Wahrscheinlichkeit eines Schadens durch eine Verzögerung ihrer Rückkehr geradezu offenkundig. Der entstandene Schaden ist der Klägerin deshalb auch subjektiv besonders schwer vorwerfbar.

Verfehlt ist der Hinweis der Klägerin im Schriftsatz ON 3 auf die Entscheidung 7 Ob 23/81 (Verlassen eines Geschäftslokals, ohne ein Fritiergerät auszuschalten). Gegenstand jenes Verfahrens war ein Regreßanspruch nach § 67 VersVG, für den schuldhaftes Verhalten schlechthin ausreicht, sodaß die Frage eines groben Verschuldens nicht zu prüfen war. Der Sachverhalt jener Entscheidung ist im übrigen mit dem vorliegenden nicht vergleichbar; denn allein das unterlassene Ausschalten des Elektroherdes ohne Hinzukommen besonderer Umstände, wie hier das in Gang befindliche Erhitzen von Fett, wäre der Klägerin kaum als grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen worden.

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E33184

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00024.92.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19921210_OGH0002_0070OB00024_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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