TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/21 2004/11/0131

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Veröffentlicht am 21.02.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1984 §78;
ÄrzteG 1998 §109 Abs1;
ÄrzteG 1998 §112 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Dr. T in W, vertreten durch Dr. Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fichtegasse 2A, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3) vom 25. Juni 2003, Zl. B 33/03, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen an den Wohlfahrtsfonds, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, der Ärztekammer für Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 7. Jänner 2003, sie gemäß § 112 Abs. 3 in Verbindung mit § 109 Ärztegesetz 1998 von der Beitragspflicht zu befreien, abgewiesen. Die belangte Behörde führte in der Begründung im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe zur Begründung ihres Antrages vorgebracht, dass ihr Dienstgeber IBM Österreich sei, in welchem Unternehmen sie vom dort bestehenden Pensionsplan erfasst sei; das Versorgungswerk in diesem Unternehmen sei für alle Dienstnehmer zwingend und sei als berufsständisches Versorgungswerk anzusehen. Dieser Argumentation könne jedoch die belangte Behörde nicht folgen. Die Summe der Angestellten von IBM Österreich stelle keinen "Berufsstand" dar, die von der Beschwerdeführerin genannte Versicherung sei nicht als berufsständisches Versorgungswerk im Sinne des § 112 Abs. 3 Ärztegesetz anzusehen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 9. Juni 2004, B 1132/03-9, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In ihrer Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 109 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 sind die Kammerangehörigen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds der (zuständigen) Ärztekammer zu leisten. Erbringt ein ordentlicher Kammerangehöriger den Nachweis darüber, dass ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichartiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuss "auf Grund der Zugehörigkeit zum Wohlfahrtsfonds einer anderen Ärztekammer des Bundesgebietes oder einem anderen berufsständischen Versorgungswerk" im Gebiet einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht, wird er auf Antrag zur Gänze von der Beitragspflicht nach § 109 befreit (§ 112 Abs.3 leg.cit. idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 179/2004).

Die Beschwerdeführerin rügt die Auffassung der belangten Behörde, die Mitarbeiter von IBM Österreich würden keinen "Berufsstand" bilden, und vertritt die Auffassung, dass der zweite Befreiungstatbestand des § 112 Abs. 3 Ärztegesetz nur dahin verstanden werden könne, dass solche Kammerangehörige, welche auf Grund ihrer beruflichen Anstellung verpflichtet seien, Beiträge an ein Versorgungswerk zu leisten, jedenfalls - unabhängig davon, ob das Versorgungswerk dem "ärztlichen" Berufsstand angehöre oder nicht - von der Pflicht zur Zahlung von Beiträgen an den Wohlfahrtsfonds zu befreien seien. Andernfalls würde es die Kammerangehörigen unbillig hart treffen, wenn sie noch bei einer zweiten Versorgungseinrichtung zwingend beitragspflichtig wären.

Dieser Interpretation kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, ihr Dienstgeber verfüge über einen Pensionsplan, der für die Mitarbeiter Pensionsansprüche in Form einer Alterspension und gegebenenfalls in Form einer Berufsunfähigkeitspension und einer Witwer/Witwen- und Waisenpension vorsehe. Grundlage dieses Pensionsplans sei eine Betriebsvereinbarung, die für alle Mitarbeiter gelte, die am oder nach dem 1. Jänner 1996 ein Arbeitsverhältnis mit IBM Österreich begründet hätten. Die Beschwerdeführerin habe ihr Arbeitsverhältnis am 1. Oktober 2000 begonnen, werde daher vom Pensionsplan erfasst und habe Anwartschaftsrechte erworben.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin vermag dies jedoch nicht eine Befreiung nach dem zweiten Tatbestand des § 112 Abs. 3 Ärztegesetz 1998 in der hier anzuwenden Fassung zu begründen. Zunächst ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass § 112 Abs. 3 leg.cit. Befreiungstatbestände für Zugehörige zum Wohlfahrtsfonds anderer Ärztekammern einerseits und Zugehörige zu einem "anderen" berufsständischen Versorgungswerk vorsieht. Daraus ist zu folgern, dass die Wohlfahrtsfonds der anderen Ärztekammern zu den berufsständischen Versorgungswerken zählen. Die Verwendung des Begriffs "berufsständisches Versorgungswerk" in diesem Zusammenhang lässt hinreichend klar erkennen, dass Versorgungswerke nach Art der Wohlfahrtsfonds, mithin im Rahmen von Körperschaften des öffentlichen Rechts, gemeint sind (vgl. etwa auch den - dem ÄrzteG 1998 zeitlich vorangehenden - § 15a des Pensionskassengesetzes, in welchem der Begriff "berufsständische Altersvorsorgeeinrichtung" in diesem Sinn gebraucht wird). Darüber hinaus ist Folgendes zu berücksichtigen: Nach den Materialien zu §§ 96 ff. leg.cit. (darunter auch zu §§ 109 und 112) entsprechen die dort aufgenommenen Regelungen im Wesentlichen den §§ 62 bis 82 des Ärztegesetzes 1984 (vgl. 1386 Blg. NR 20. GP, 105 f.). Gemäß § 78 Ärztegesetz 1984, der die Regelungen über die Befreiung von der Beitragspflicht enthielt, war für eine Befreiung erforderlich, dass der Nachweis darüber erbracht wird, dass dem Kammerangehörigen und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuss auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach einem Gesetz oder den Pensionsvorschriften einer Dienstordnung gegenüber einer solchen Körperschaft zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht. Wenn die Regelung des § 112 Abs. 3 zweiter Fall Ärztegesetz 1998 in der genannten Fassung eine Befreiung für den Kammerangehörigen vorsah, der einen Nachweis darüber erbringt, dass ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichartiger Anspruch auf Ruhe- bzw. Versorgungsgenuss auf Grund der Zugehörigkeit zu einem "anderen berufsständischen Versorgungswerk" zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht, kann dies somit auch nach der Absicht des Gesetzgebers nicht dahin verstanden werden, der von der Beschwerdeführerin behauptete Anspruch gegenüber dem genannten Unternehmen begründe ihre Zugehörigkeit zu einem "berufsständischen" Versorgungswerk im Sinne der genannten Bestimmung. Die Auffassung der belangten Behörde, die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 112 Abs. 3 Ärztegesetz 1998 seien im Fall der Beschwerdeführerin nicht erfüllt, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die von der Beschwerdeführerin angerissenen verfassungsrechtlichen Bedenken wurden vom Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt hat, offensichtlich nicht geteilt. Auch der Verwaltungsgerichtshof sieht im Lichte des Beschwerdevorbringens keine Veranlassung, erneut an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Februar 2006

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004110131.X00

Im RIS seit

04.04.2006

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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