TE OGH 1992/12/15 1Ob626/92

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Veröffentlicht am 15.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hildegard L*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wider die beklagte Partei Simon M*****, vertreten durch Dr. Harry Neubauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 115.500,-- samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9. Juli 1992, GZ 3 R 45/92-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 1991, GZ 29 Cg 96/91-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.789,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.131,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Verfahren 1 Cg 70/88 des Erstgerichtes begehrte die Klägerin aufgrund ihres Eigentumes von der Bankkommanditgesellschaft W***** & Co (nunmehr durch Firmenänderung Kommanditgesellschaft W***** & Co; im folgenden Kommanditgesellschaft) und dem Beklagten als deren Komplementär die Herausgabe des von der Kommanditgesellschaft ausgegebenen Sparbuches Nr.***** mit einem Einlagestand von S 200.000,-- per 5.10.1984 und des Sparbuches Nr.***** der Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien mit einem Einlagestand von S 500.000,-- per 5.10.1984. Gemäß § 410 ZPO erklärte die Klägerin, die beklagten Parteien könnten sich von der Verpflichtung zur Herausgabe der beiden Sparbücher dadurch befreien, daß sie an die Klägerin den Betrag von S 700.000,-- samt 5,5 % Zinsen ab 5.10.1987 bezahlen. Das Erstgericht gab diesem Begehren rechtskräftig mit Urteil vom 28.12.1989, ON 15, statt.

Am 12.2.1990 überwies die Bank W***** & Co AG (im folgenden Aktiengesellschaft) an den Klagevertreter des Vorprozesses den Betrag von S 893.137,32. Die Aktiengesellschaft gab als Verwendungszweck an: „Betr.: Prozeßverfahren Hildegard L***** vor dem LG für ZRS Wien gegen 1. Bank W***** und 2. S.M***** wg. Herausgabe GZ.: 1 Cg 70/88-Aufteilung sh. Anhang“. Aus diesem Anhang ergab sich, daß im überwiesenen Betrag neben Kapital und Prozeßkosten 5,5 % Zinsen (zum Teil abzüglich KESt) seit 5.10.1987 enthalten waren.

Nunmehr ficht die Klägerin nur gegen den damaligen Zweitbeklagten und Komplementär der Kommanditgesellschaft die Lösungsbefugnis wegen Irrtums an. Sie brachte vor, bei der sprachlichen Formulierung der eingeräumten Lösungsbefugnis sei ein offenkundiger Erklärungsirrtum unterlaufen, der durch einen Tippfehler in der Kanzlei des Klagevertreters verursacht worden sei. Wie nämlich aus der gesamten Klagserzählung zu ersehen sei, stünden der Klägerin Zinsen aufgrund der erlegten Sparbücher jeweils seit 5.10.1984 zu. Sie habe auch die Zinsen in einem solchen Ausmaß begehrt. Das Datum 5.10.1984 ziehe sich wie ein roter Faden durch die gesamte Klagserzählung, sodaß es für jemanden, der die Klagserzählung lese, an sich unverständlich sein müßte, wenn sodann im Urteilsbegehren bzw. in der eingeräumten Lösungsbefugnis plötzlich nur mehr Zinsen ab 5.10.1987 begehrt würden. Es sei nun ganz eindeutig, daß es sich bei der Einräumung der Lösungsbefugnis um einen offensichtlichen Erklärungsirrtum handle. Dieser Irrtum habe dem Beklagten auffallen müssen. Der Beklagte hätte diesen Irrtum objektiv bei der im Verkehr üblichen, nach Treu und Glauben vorausgesetzten Aufmerksamkeit bemerken oder wenigstens den Verdacht auf Vorliegen eines Irrtums schöpfen müssen, wobei es ohne Belang sei, daß dem Irrenden selbst der Irrtum hätte auffallen müssen oder der Irrende damit habe rechnen können, dem Gegner werde der Irrtum auffallen. Unerheblich sei es, ob dem Beklagten der Irrtum tatsächlich aufgefallen sei. Der Beklagte habe den der Klägerin unterlaufenen Erklärungsirrtum in sittenwidriger Ausnützung einer formalen Rechtslage dazu verwendet, von der Lösungsbefugnis mit einem irrtümlich zu kurz formulierten Zinsenlauf Gebrauch zu machen, um sich auf solche Art und Weise an den vom 5.10.1984 bis 5.10.1987 im Betrag von S 115.500,-- abgereiften Zinsen zu bereichern. Bei der von der Klägerin gewährten Lösungsbefugnis handle es sich nicht um eine Prozeßerklärung, sondern um eine in das Urteil aufgenommene privatrechtliche Erklärung ohne Urteils- und Vollstreckungswirkung. Damit sei eine Irrtumsanfechtung der nur privatrechtliche Wirkungen erzeugenden Erklärung der Klägerin, die als vom Gericht weiterzuleitendes Anbot an die Beklagten zu werten sei, zulässig. Die anerbotene Lösungsbefugnis werde weder Streitgegenstand des Rechtsstreites noch sei sie exekutionsfähig, auch könne gegen den Ausspruch nach § 410 ZPO ein Rechtsmittel ergriffen werden. Es liege überhaupt keine gerichtliche Entscheidung vor. Bei dem der Klägerin unterlaufenen Irrtum handle es sich nach der Verkehrsauffassung um einen wesentlichen. Es habe demnach auch eine Irrtumsanfechtung in Form eines rechtsgestaltenden Begehrens zu erfolgen. Die Klägerin gebe allerdings die Erklärung ab, daß sie auch mit einer Vertragsanpassung im Sinne des § 872 ABGB einverstanden wäre, würde der Beklagte als Erklärungsgegner die Lösungsbefugnis in der Form, wie von der Klägerin tatsächlich gewollt, anerkennen. Für diesen Fall werde daher auch ein Alternativbegehren gestellt, das auf Zahlung laute. Allenfalls liege auch ein gemeinsamer Irrtum vor. Für den Fall, daß das Beweisverfahren ergeben sollte, daß der Beklagte von der Lösungsbefugnis nicht Gebrauch gemacht habe, würde die Klägerin gegen den Beklagten ein Exekutionsverfahren auf Herausgabe der beiden Sparbücher anstrengen. In diesem Verfahren werde der Beklagte wahrscheinlich einwenden, daß er durch die erfolgte Zahlung der Aktiengesellschaft von der Verpflichtung zur Herausgabe der Sparbücher befreit wäre. Im übrigen hätte er aber auch dann die Möglichkeit, nunmehr von der im Urteil vom 28.12.1989 anerbotenen unrichtigen Lösungsbefugnis Gebrauch zu machen. Die Klägerin sei daher durch das Vorbringen des Beklagten über das vorliegende Verfahren hinaus in ihren Rechten beschwert und habe ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des strittigen Rechtsverhältnisses. Die Klägerin begehrte die Fällung des Urteiles, die von ihr im Verfahren 1 Cg 70/88 des Erstgerichtes ausgesprochene Lösungsbefugnis sei ebenso ungültig wie die Annahme dieser Lösungsbefugnis durch den Beklagten. Für den Fall, daß der Beklagte mit dem Alternativbegehren ausdrücklich einverstanden sei, sowie als Eventualbegehren beantragte die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von S 115.500,-- samt Anhang zu bezahlen. Als weiteres Eventualbegehren begehrte sie die Feststellung, daß die von ihr im Verfahren 1 Cg 70/88 des Erstgerichtes ausgesprochene Lösungsbefugnis ungültig sei.

Der Beklagte wendete ein, nicht er, sondern die Kommanditgesellschaft habe von der Lösungsbefugnis Gebrauch gemacht. Es könne keine Rede davon sein, daß ihm eine Fahrlässigkeit beim Zugang der Klage zur Last gelegt werden könne, etwa in der Richtung, er hätte erkennen müssen, daß beim Datum des Zinsenlaufes in der Lösungsbefugnis ein Schreibfehler vorliege. Ein solcher Tippfehler sei auch dem Klagevertreter oder der Klägerin in immerhin zweijähriger Prozeßdauer nicht aufgefallen. Weitere Voraussetzung für eine Irrtumsanfechtung sei, daß auf seiten des Erklärungsempfängers grobe Fahrlässigkeit vorliege. Dies treffe nicht zu. Schließlich handle es sich beim Datum des Zinsenlaufes in der Lösungsbefugnis auch nicht um einen wesentlichen Irrtum bzw. um einen Irrtum, der die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betreffe, dieser von der Klägerin behauptete Irrtum betreffe nur einen geringen Teil ihres Begehrens und stelle daher wenn überhaupt nur einen unwesentlichen Irrtum dar. Die Formulierung des Urteilsbegehrens sei rechtlich gesehen unzulässig. Es sei nicht möglich, die in einem rechtskräftigen Urteil enthaltene Lösungsbefugnis ebensowenig für ungültig zu erklären wie die tatsächlich erfolgte Annahme der Lösungsbefugnis. Da die Zahlung durch die Kommanditgesellschaft erfolgt sei, sei der Beklagte für die Irrtumsanfechtung auch nicht passiv legitimiert.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Die dem ersten Verfahren zugrundeliegende Sicherstellungsvereinbarung habe die Klägerin mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen. Die Klägerin habe nicht behauptet, daß auch der Beklagte ihr Vertragspartner gewesen sei. Diesen habe sie lediglich aufgrund seiner Rechtsstellung als Komplementär der Kommanditgesellschaft in Anspruch genommen. Die Klägerin habe die Irrtumsanfechtung ausschließlich gegen den Beklagten geltend gemacht, nicht aber gegen ihren Vertragspartner aus dem Sicherstellungsvertrag. Das Vorliegen eines Irrtums habe keineswegs absolute Nichtigkeit zur Folge, der Vertrag bzw. die einseitige Willenserklärung sei bloß anfechtbar und daher bis zur gerichtlichen Geltendmachung des Irrtums rechtsgültig. Mangels gerichtlicher Geltendmachung einer Irrtumsanfechtung sei die von der Klägerin erklärte Lösungsbefugnis gegenüber der Kommanditgesellschaft nach wie vor rechtswirksam. Da die Klägerin Ansprüche aus einer Irrtumsanfechtung gegen die Kommanditgesellschaft nicht geltend gemacht habe, könne sie auch den Beklagten als Komplementär mangels Bestehens einer Gesellschaftsverbindlichkeit nicht in Anspruch nehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. § 410 ZPO schaffe die Grundlage für die prozessuale Behandlung der Lösungsbefugnis. Dem Kläger stehe das Recht zu, in einem Leistungsprozeß, in dem er den Zuspruch eines nicht in Geld bestehenden Gegenstandes fordere, entweder schon in der Klage oder noch in der mündlichen Streitverhandlung zu erklären, daß der Beklagte anstelle des geforderten Gegenstandes eine bestimmte Geldsumme zur Schuldtilgung leisten könne. An diese Erklärung sei der Kläger gebunden, sobald sie dem Beklagten zukomme. Die Rechtsnatur dieser Erklärung sei strittig. Einerseits werde die Erklärung des Klägers als Prozeßhandlung aufgefaßt, die gleichzeitig die privatrechtlich bindende Einräumung einer Lösungsbefugnis an den Beklagten darstelle, sich durch Leistung dieses Abfindungsbetrages seiner Verbindlichkeit und ihrer zwangsweisen Durchsetzung zu entziehen. Die Gegenmeinung sehe sie als Offert des Klägers an, statt der eigenen schuldigen Leistung einen Geldbetrag zu zahlen. Bei der Einräumung der Lösungsbefugnis liege eine Prozeßhandlung des Klägers vor. Prozeßhandlungen seien jedoch nicht wegen Willensmängel, somit auch nicht wegen Irrtums anfechtbar. Schon aus diesem Grund müsse der Klage ein Erfolg versagt bleiben. Selbst wenn man vom Vorliegen eines Übereinkommens auf den Abfindungsbetrag ausgehe, das durch die Annahme des in der Klage festgestellten Anbots der Klägerin durch Zahlung zustandegekommen wäre, wäre im Ergebnis für die Klägerin nichts gewonnen. Diese Zahlungen, bei der der Irrtum der Klägerin nach deren Vorbringen hätte auffallen müssen, seien nicht von dem nunmehr Beklagten geleistet worden, der im Vorprozeß als Zweitbeklagter in seiner Eigenschaft als Komplementär der Kommanditgesellschaft in Anspruch genommen worden sei. Der Beklagte sei somit schon nach dem Klagsvorbringen nicht derjenige, der den Irrtum veranlaßt habe, dem er hätte auffallen müssen oder dem er rechtzeitig aufgeklärt wurde und gegen den aus diesem Grund die Anfechtung wegen Irrtums begründet wäre. Grundsätzlich seien Gestaltungsrechte unteilbar, d.h. sie könnten nur für oder gegen alle oder für und gegen keinen wirken. Nur wenn alle Rechte und Pflichten und die Parteirolle auf der mehrgliedrigen Seite des Schuldverhältnisses vom Interesse aller Beteiligten aus teilbar seien, sei eine gesonderte Geltendmachung von Gestaltungsrechten gegen einzelne Genossen ausnahmsweise möglich. Grundsätzlich obliege es dem Vertragspartner, der nur gegenüber einem Teilgenossen ein Gestaltungsrecht ausüben wolle, jene Umstände darzutun, aus denen sich für den Einzelfall die Teilbarkeit ergebe. Behauptungen in dieser Richtung habe die Klägerin nicht aufgestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Einräumung einer Lösungsbefugnis erfolgt durch einseitige Willenserklärung, die mit ihrem Zugang an den Erklärungsempfänger bindend wird (SZ 28/236; Reischauer in Rummel2 Rz 9 zu § 906; Fasching, Kommentar III 678). Im Gegensatz zu einer Wahlschuld schuldet der Schuldner eine bestimmte Leistung. Nur diese darf der Gläubiger fordern; dem Schuldner steht aber das Recht zu, anstelle der allein geschuldeten Leistung eine andere mit schuldbefreiener Wirkung zu erbringen (Koziol-Welser9 I 219; Binder in Schwimann, ABGB Rz 9 zu § 906; P. Bydlinski, Die Übertragung von Gestaltungsrechten 262 FN 4; vgl. Soergel-Wolff12 Rz 16 zu § 262 BGB; Keller in Münchener Kommentar2 Rz 7 zu § 262 BGB; Alff in BGB-RGRK12 Rz 5 zu § 262; Selb in Staudinger12 Rz 7 zu § 262; Ziegler in AcP 171, 203). Die Lösungsbefugnis unterscheidet sich von der Leistung an Erfüllungsstatt dadurch, daß das alte Schuldverhältnis nicht durch ein neues ersetzt wird, der Gläubiger kann immer nur die Leistung der ursprünglichen Schuld fordern (Harrer in Schwimann ABGB Rz 3 zu § 1414). Die Erfüllung durch Erbringung der anderen (nicht geschuldeten) Leistung bedeutet keine Novation der ursprünglichen Verbindlichkeit, sondern Tilgung der bestehenden Schuld (Gschnitzer in Klang2 VI 374; vgl. Selb in Münchener Kommentar2 Rz 2 zu § 422 BGB; Soergel-Wolff aaO Rz 6 zu § 422). Da dem die Ermächtigung einräumenden Gläubiger kein Recht auf jene Leistung, durch die sich der Schuldner befreien kann, zusteht, kann entgegen Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, 308 in der Einräumung einer Lösungsbefugnis auch nicht eine bindende Offerte an den Schuldner auf Einräumung einer Leistung an Zahlungsstatt erblickt werden. Es liegt vielmehr die Einräumung eines rechtsändernden Gestaltungsrechtes an den Schuldner vor (P. Bydlinski aaO, 8, 161 FN 80, 266; Gernhuber, Das Schuldverhältnis 662).

Einen besonderen Fall gesetzlich angeordneter Lösungsbefugnis (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 372; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3 39) regelt § 410 ZPO. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes hat die von der Herausgabe von Gegenständen begehrende Klägerin im Urteilsbegehren eingeräumte Ermächtigung durchaus auch materiellrechtliche Wirkung. Die im Urteilsbegehren eingeräumte Lösungsbefugnis ist nicht Streitgegenstand, sie ist vom Richter nicht zu prüfen, sondern wie vom Kläger beantragt, in das Urteil aufzunehmen (SZ 62/33; JBl. 1969, 665 ua; Fasching aaO 679; derselbe, Lehrbuch2 Rz 1132). Es handelt sich daher nicht um einen autoritativen Gerichtsspruch, sondern um die ins Urteil aufgenommene Beurkundung einer privatrechtlich erheblichen Willenserklärung des Klägers (SZ 28/236; SZ 27/265; Fasching, Kommentar III 679). Eben in dieser privatrechtlichen Wirkung liegt dann aber das Hauptgewicht des prozessualen Ausspruches (Reischauer in Rummel2 Rz 9 zu § 906 ABGB; Pollak, System2 391).

Von der klagenden Partei wird nun vorgetragen, ihr sei bei Abgabe dieser einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung ein beachtlicher Erklärungsirrtum unterlaufen. Mit dieser Anfechtung will sie gerade die privatrechtlichen Wirkungen ihrer prozessualen Erklärung beseitigen. Dies wäre entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes zulässig, da nach § 876 ABGB die Vorschriften der §§ 869 bis 875 ABGB auch auf einseitige Willenserklärungen anzuwenden sind (Rummel in Rummel2 Rz 1 zu § 871 ABGB). Ob der Klägerin aber ein solcher Irrtum unterlief und wie er rechtlich zu qualifizieren wäre, bedarf aber aus folgenden Gründen keiner weiteren Klärung:

Entgegen den widerstreitenden Prozeßbehauptungen hat weder die noch immer existierende, im Firmenbuch neben der Aktiengesellschaft eingetragene Kommanditgesellschaft noch der Komplementär und jetzige Alleinbeklagte den Betrag von S 893.137,32 an den damaligen Vertreter der Klägerin überwiesen. Dies tat vielmehr die Aktiengesellschaft, also eine von den Parteien des Vorprozesses verschiedene Person. Die Klägerin hat diese Zahlung und die daran liegende Ausübung des den Parteien des Vorprozesses zustehenden Gestaltungsrechtes nicht etwa zurückgewiesen, weil ein solches Gestaltungsrecht durch einen Dritten ohne Zustimmung des Gläubigers nicht ausgeübt werden dürfe (vgl. Gernhuber aaO 665), sondern darin, vom Beklagten insoweit nicht bekämpft, die nunmehr aus dem Titel eines ihr unterlaufenen Irrtums angefochtene Ausübung der rechtsändernden Lösungsbefugnis erblickt. Hätte, wie es der Beklagte entgegen der getroffenen Feststellungen in der Revisionsbeantwortung noch immer behauptet, die Kommanditgesellschaft von der Lösungsbefugnis Gebrauch gemacht und durch Erbringung der nicht geschuldeten Leistung auch die ursprüngliche Schuld getilgt, würde dies gemäß § 893 ABGB auch ein Erlöschen der Judikatschuld des Beklagten auf Herausgabe der Sparbücher bewirkt haben. Auch Erfüllungsersatz befreit den Mitschuldner (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 302). Da der Gläubiger die Leistung nur einmal beanspruchen kann, muß die Erfüllung einer Gesamtschuld begriffsmäßig für und gegen alle Schuldner wirken (Ehrenzweig-Mayrhofer aaO 102; Heinrichs in Palandt51 470). Solange daher nicht auch gegen die von der Lösungsbefugnis Gebrauch machende Kommanditgesellschaft eine Irrtumsanfechtung erfolgte, könnte sich der Beklagte darauf berufen, daß die Zahlung der Kommanditgesellschaft auch ihn entlaste. Die hier zahlende Aktiengesellschaft wollte nach ihrer Zahlungswidmung sowohl die Schuld der Kommanditgesellschaft als auch die Haftung des Beklagten zum Erlöschen bringen. Wohl steht es dem Gläubiger einer Gesellschaft frei, ob er seine Forderung gegen Gesellschaft und Gesellschafter oder nur gegen die Gesellschaft oder einzelne oder alle offene Gesellschafter geltend macht. Hier geht es aber nicht darum, daß die Klägerin eine von ihr behauptete gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung allein nur gegen den Komplementär geltend macht, sondern eine sie ohne Irrtumsanfechtung bindende, für Gesellschaft und Gesellschafter wirksame Rechtsgestaltung nur gegen den Gesellschafter bekämpft. Auch in diesem Fall hat daher zu gelten, daß sich der Beklagte solange auf die mit schuldbefreiender Wirkung für die Gesellschaft erfolgte Lösungsbefugnis berufen kann, als diese nicht auch gegen die Gesellschaft wirksam angefochten wurde. Keine Haftung des Komplementärs besteht, wenn eine Schuld der Gesellschaft wirksam erloschen ist.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E34303

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00626.92.1215.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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