TE OGH 1992/12/16 9ObA298/92

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Veröffentlicht am 16.12.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der K***** E*****- Gesellschaft mbH, *****vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei K***** E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert S 100.000 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 1992, GZ 33 Ra 77/92-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. Oktober 1991, GZ 3 Cga 718/91-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.094 (darin S 849 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf Grund einer Standortverlegung ihres Betriebes gewährt die Beklagte jenen Arbeitnehmern, die nunmehr zum neuen Standort zureisen müssen, einen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelten (teilweisen) Fahrtkostenersatz. Von dieser Regelung sind fünf im aufrechten Arbeitsverhältnis stehende Angestellte, darunter auch der am 1. Juli 1950 geborene Vorsitzende des Angestelltenbetriebsrats, betroffen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Angestelltenbetriebsrat die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, den Fahrtkostenersatz in die Berechnungsgrundlage der (zukünftigen) Abfertigung mit - einzubeziehen. Bei dem Fahrtkostenersatz handle es sich nicht um eine Aufwandsentschädigung, sondern um Entgelt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Feststellungsbegehrens, da dem Begehren das Feststellungsinteresse fehle, zumal sich Abfertigungsfragen erst nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse stellten. Im übrigen handle es sich beim freiwilligen Ersatz der Fahrtkosten um eine echte Aufwandsentschädigung im Sinne des § 49 ASVG, mit welcher der zusätzliche Wegaufwand der Arbeitnehmer abgegolten werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, daß es sich beim Ersatz der Fahrtkosten nicht um Aufwandsersatz für Auslagen, sondern um erhöhtes Entgelt handle.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß für die Feststellungsklage kein unmittelbarer aktueller Anlaß gegeben sei, so daß das erforderliche Feststellungsinteresse nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO setzt ein rechtliches Interesse des Klägers an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes und eine tatsächliche Gefährdung seiner Rechtssphäre voraus. In diesem Sinn besteht ein Bedürfnis nach Zulassung einer Feststellungsklage nur dann, wenn die darüber ergehende Entscheidung tatsächlich den Zweck erfüllt, den Streitfall bindend zu klären und den streitigen Rechtskomplex vollkommen zu bereinigen, so daß sie aus aktuellem Anlaß geeignet ist, einen künftigen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden. Prozessuale Vorteile genügen dafür ebensowenig wie die Feststellung von bloßen "Rechtslagen" (vgl. Fasching, ZPR2 Rz 1096 ff; derselbe Kommentar III 67 ff, 69 ua).

Auch wenn ein über eine Feststellungsklage ergehendes Urteil nach § 54 Abs 1 ASGG nur zwischen den Prozeßparteien wirkt und hinsichtlich der berechtigten Arbeitnehmer keine erweiterte Rechtskraftwirkung (bloß faktische Wirkung) besteht, setzt das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung im Sinne des § 54 Abs 1 ASGG auch in diesem Fall voraus, daß ein unmittelbarer aktueller Anlaß zur Klageführung gegeben ist, daß sich das rechtliche Interesse unmittelbar aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergibt und daß die Klage tatsächlich geeignet ist, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu verhindern oder zu beenden. Dazu kommt als zusätzliches Erfordernis, daß es nicht genügt, daß mindestens drei Arbeitnehmer von der Feststellung betroffen sein könnten; es muß vielmehr bei wenigstens drei Arbeitnehmern schon ein unmittelbarer Anlaß zur Klageführung gegeben sein. Abstrakte Rechtsfragen (etwa im Sinne eines bloßen Rechtsgutachtens) sind nicht feststellungsfähig (vgl. Kuderna, ASGG § 54 Erl 6; Gamerith, Die besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG, DRdA 1988, 303 ff, 307 f; Arb 10.735; EvBl 1991/148 = Infas 1991 A 124 ua).

Diese in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen (Fasching ZPR2 Rz 1102) liegen, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, hier nicht vor. Ob nämlich ein derzeit bezogener Fahrtkostenersatz nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse der Bezieher in eine allenfalls zu gewährende Abfertigung einzurechnen sein wird, ist im vorliegenden Fall lediglich eine abstrakte Rechtsfrage, deren Lösung auch wegen der Unbestimmtheit des weiteren Verhaltens der betroffenen Arbeitnehmer und der Beklagten nicht von vorneherein die Eignung der Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten zukommt. Anders als etwa hinsichtlich der Höhe der Entlohnung aus einem Arbeitsverhältnis, die als quantitativer Teil der gesamten Rechtsbeziehungen aus dem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens gemäß § 54 Abs 1 ASGG gemacht werden kann (EvBl 1992/120), betrifft die von der klagenden Partei aufgeworfene Rechtsfrage nicht die Bestimmung der gegenwärtigen Rechtslage. Es wird erst von der Art der künftigen Auflösung der Arbeitsverhältnisse abhängen, ob den derzeit Fahrtkostenersatz beziehenden Arbeitnehmern überhaupt ein Abfertigungsanspruch zustehen wird (vgl. etwa § 23 Abs 2, 3 und 7, § 23a Abs 1 und 5 AngG). So ist zum Beispiel der vom Feststellungsbegehren selbst betroffene Vorsitzende des Betriebsrats erst 42 Jahre alt. Demgemäß fehlt es nicht nur an der Voraussetzung, daß mindestens drei Arbeitnehmer vom festzustellenden Recht unmittelbar betroffen sind, sondern auch daran, daß bei mindestens drei Arbeitnehmern ein unmittelbarer Anlaß zur Klageführung gegeben ist (vgl. Gamerith aaO 308). Schon dadurch unterscheidet sich die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG von den in der Revision angeführten Klagen auf Feststellung des Begehrens einer Pensionsanwartschaft oder von mögliche Schadenersatzansprüche beinhaltenden (SZ 56/38 ua) Feststellungsklagen (vgl. VfGH in ÖJZ 1985, 410; RZ 1984/80; auch Arb 10.029, 9.860, 9.571; 3 Ob 538/79; ZBl 1937/283; ZBl 1917/133 uva).

Während des aufrechten Arbeitsverhältnisses der vom Feststellungsbegehren betroffenen Arbeitnehmer - die Feststellungsklage könnte bloß zur Bestimmung der gegenwärtigen Rechtslage dienen - kommt sohin der Frage der Einbeziehung geldwerter Leistungen in eine allenfalls in Zukunft zu zahlende Abfertigung keine rechtliche Erheblichkeit zu; eine gegenwärtige Beeinträchtigung der Rechtsposition der klagenden Partei liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E32166

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00298.92.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19921216_OGH0002_009OBA00298_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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