TE OGH 1993/1/12 4Ob86/92

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Veröffentlicht am 12.01.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "Invest-Real" Handels- und Realitätenvermittlungsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei BAU INVEST REAL Liegenschaftsvermittlungsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Paul Appiano und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 250.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 27.Juli 1992, GZ 3 R 82/92-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 27.Februar 1992, GZ 10 Cg 12/92-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist unter der Firma "Invest-Real" Handels- und Realitätenvermittlungsgesellschaft mbH seit 17.7.1985 im [damaligen Handelsregister] Wiener Neustadt protokolliert. Ihr Sitz ist E*****; sie betreibt aber zwei weitere Filialen in Wien 7. und in Wien 12. Ihre Geschäftstätigkeit erstreckt sich etwa zur Hälfte auf die Bundesländer Wien und Niederösterreich. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Ausübung des Handelsgewerbes des Immobilienmaklers, der Immobilienverwaltung, des Versicherungsmaklers sowie des An- und Verkaufes von Liegenschaften, weiters die Ausübung des Handelsgewerbes gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO 1973 sowie die Ausübung des Bauträgergewerbes. Die Klägerin tritt im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in Inseraten in den Tageszeitungen "Kurier" und "Die Presse", unter der - optisch hervorgehobenen - Kurzbezeichnung "INVEST-REAL" auf.

Die Beklagte ist unter der Firma "BAU INVEST REAL Liegenschaftsvermittlungsgesellschaft mbH" seit 20.9.1991 im Firmenbuch Wien eingetragen. Gegenstand ihres Unternehmens sind (ua) der Betrieb einer Handelsagentur, die Liegenschaftsvermittlung, das Immobilienmaklergewerbe sowie das Gewerbe eines Immobilientreuhänders, der Erwerb, der Besitz, die Verwertung, Vermietung und Verpachtung von Mobilien und Immobilien, die Beteiligung an Gesellschaften und Unternehmen mit gleichem oder ähnlichem Unternehmensgegenstand im In- und Ausland, die Investition in Bauten und Liegenschaften aller Art, sowie alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit Investitionstätigkeiten, insbesondere die Vermögens- und Investitionsberatung. Die Beklagte tritt im geschäftlichen Verkehr, insbesondere auch in Inseraten in diversen Tageszeitungen (vor allem im "Kurier"), unter der - optisch hervorgehobenen - Kurzbezeichnung "BAU-INVEST-REAL" auf.

Zur Sicherung ihres Begehrens auf jegliche Unterlassung des Gebrauches der Bezeichnung "INVEST REAL", insbesondere auch in der Wortverbindung "BAU-INVEST-REAL", beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr den Gebrauch der Wortverbindung "INVEST REAL", insbesondere in Verbindung mit dem Firmenschlagwort "BAU INVEST REAL" - ausgenommen die Verwendung als Bestandteil des Firmenwortlautes, sofern dies ohne blickfangartige graphische Hervorhebung geschieht - zu verbieten. Die Wortverbindung "INVEST-REAL" weise auf das Unternehmen der Klägerin hin, welche schon seit mehr als sechs Jahren unter diesem Firmenschlagwort im geschäftlichen Verkehr auftrete, insbesondere regelmäßig in Tageszeitungen inseriere. Die Kurzbezeichnung "INVEST-REAL" gelte daher innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Unternehmenskennzeichen der Klägerin. Wenngleich es sich dabei im Hinblick auf den Unternehmensgegenstand nur um ein "schwaches Zeichen" handle, habe die Beklagte doch das Firmenschlagwort der Klägerin vollständig in ihren Firmenwortlaut übernommen und dadurch die Gefahr von Verwechslungen heraufbeschworen. Die Verwechslungsgefahr werde auch durch die Beifügung des Wortes "BAU" nicht ausgeschlossen, sei dies doch eine allgemein gebräuchliche und absolut schutzunfähige Bezeichnung. Der Unterlassungsanspruch werde auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere auf § 9 Abs 1 UWG, gestützt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Das Firmenschlagwort der Klägerin bestehe aus den Abkürzungen zweier lateinischer Wörter, welche der deutschen Sprache einverleibt seien und längst der Umgangssprache angehörten. Sowohl "INVEST" als auch "REAL" seien in einer Vielzahl von Firmen enthalten. Da sie nichts anderes als "langfristige Vermögensanlage" und "unbewegliches Vermögen" bedeuteten, bestehe an ihnen ein absolutes Freihaltebedürfnis. Auch der Verbindung dieser beiden Wörter komme keine Kennzeichnungskraft zu, gehe doch auch sie nicht über eine beschreibende Angabe hinaus. Wollte man aber der Wortverbindung eine geringe Kennzeichnungskraft unterstellen, dann wäre sie für die Klägerin erst bei entsprechender Verkehrsgeltung schutzfähig; eine solche könne aber durch die von der Klägerin vorgelegten Inserate allein nicht bescheinigt werden. Davon abgesehen, seien die Firmenschlagworte "INVEST-REAL" und "BAU INVEST REAL" auch nicht verwechselbar ähnlich.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Ein Firmenbestandteil genieße auch ohne Verkehrsgeltung den Schutz des § 9 Abs 1 UWG, sofern er geeignet sei, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen. Die Wortverbindung "INVEST-REAL" sei zwar nur ein "schwaches Zeichen"; ihr komme aber Kennzeichnungskraft zu, weil sie in prägnanter Weise den Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ausdrücke. Für die Wortverbindung bestehe auch kein Freihaltebedürfnis, weil der Verkehr nicht gerade auf diese Bezeichnung angewiesen sei. Auch die Verwechslungsgefahr sei zu bejahen, weil die Beklagte die Wortverbindung vollständig übernommen habe. Die Voranstellung des Wortes "BAU" bewirke keine ausreichende Unterscheidung, werde doch damit der Anschein erweckt, es handle sich bei der Klägerin und der Beklagten um zusammengehörende Unternehmungen.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zwar sei die Wortkombination "INVEST-REAL" geeignet, auf das Unternehmen der Klägerin hinzuweisen und es von anderen Unternehmen zu unterscheiden, weil die Bezeichnung weder in der Umgangssprache noch in einer Fachsprache üblich sei; das Firmenschlagwort der Beklagten begründe aber keine Verwechslungsgefahr. Das Firmenschlagwort der Klägerin setze sich aus beschreibenden und daher "schwachen" Zeichenbestandteilen, zusammen; daher reichten schon geringe Abweichungen zur Beseitigung der Verwechslungsgefahr aus. Das sei hier durch die Voranstellung des Wortes "BAU" geschehen, werde doch durch sie der Gesamteindruck der Bezeichnung selbst für den flüchtigen Leser so wesentlich geändert, daß auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne mehr bestehe.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung des Erstrichters.

Die Beklagte stellt den Antrag, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, genießt den Schutz des § 9 Abs 1 UWG nicht nur der volle Firmenwortlaut, sondern - selbst ohne Verkehrsgeltung - auch ein Firmenbestandteil (Firmenkurzbezeichnung, Firmenschlagwort), der für sich oder im Zusammenhang mit Zusätzen, die bei seinem Gebrauch verwendet werden, die Eigenschaft hat, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen, sofern der Firmenbestandteil Unterscheidungskraft besitzt, also etwas Besonderes, Individuelles an sich hat, und damit geeignet ist, das Unternehmen von anderen zu unterscheiden; die Bezeichnung muß also eine Namensfunktion haben (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 47; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 147 f; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 1240 f Rz 132 f zu § 16 dUWG; ÖBl 1990, 24 und 29 mwN). Vom Zeichenschutz des Wettbewerbsrechts sind - im Hinblick auf die Bedürfnisse des Verkehrs - nur solche Zeichen ausgeschlossen, die zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen im Verkehr allgemein gebräuchlich sind; hingegen können Wörter, die zwar - für sich gesehen - keine Unterscheidungskraft haben, weil sie ausschließlich beschreibende Angaben im Sinne des § 4 Abs 1 Z 2 MSchG enthalten, bei entsprechender Verkehrsgeltung den Schutz nach § 9 Abs 3 UWG erlangen (ÖBl 1991, 96 mwN).

Im vorliegenden Fall haben zwar - wegen ihres rein beschreibenden Charakters - weder das Wort "INVEST" noch das Wort "REAL" - für sich allein gesehen - Unterscheidungskraft; auch eine Kombination an sich nicht unterscheidungskräftiger Wörter kann aber schutzfähig sein, wenn und soweit die Verbindung als Ganzes nicht der Umgangssprache angehört, sondern im Verkehr als eigenartige sprachliche Neubildung aufgefaßt wird, in welcher die sonst gebräuchliche Bedeutung der einzelnen Wörter so in den Hintergrund tritt, daß die Wortverbindung geeignet ist, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen und es von anderen zu unterscheiden (ÖBl 1991, 96 mwN). Die Wortverbindung "INVEST-REAL" ist aber entgegen der Meinung der Beklagten in diesem Sinne unterscheidungskräftig, weil sie als solche im Verkehr zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen nicht allgemein gebräuchlich ist; ihr kommt somit eine - wenn auch nur schwache - Kennzeichnungskraft zu, weil sie in der vorliegenden Kombination eine sonst ungebräuchliche sprachliche Neuschöpfung ist, auch wenn in ihr ein beschreibender Charakter erhalten bleibt. Die von der Klägerin als Firmenschlagwort geführte Kurzbezeichnung "INVEST-REAL" ist somit unterscheidungskräftig und genießt daher - unabhängig von der von ihr behaupteten Verkehrsgeltung dieses Zeichens für sie, welche jedoch den vorliegenden Bescheinigungsannahmen nicht entnommen werden kann - schon vom Zeitpunkt ihrer Verwendung an den Schutz des § 9 Abs 1 UWG gegen verwechselbaren Gebrauch.

Die Berechtigung des zu sichernden Unterlassungsanspruches hängt somit ausschließlich davon ab, ob die Kurzbezeichnungen "INVEST-REAL" und "BAU-INVEST-REAL" verwechselbar ähnlich sind. Verwechslungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn durch den Gebrauch der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen die Annahme der Herkunft von Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen (Verwechslungsgefahr im engeren Sinn) oder aus solchen Unternehmen, die zueinander in besonderen Beziehungen wirtschaftlicher oder organisatorischer Art stehen, hervorgerufen werden könnte (Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn; Hohenecker-Friedl aaO 50; ÖBl 1990, 29; ÖBl 1992, 147 und 152, jeweils mwN). Verwechslungsgefahr wird also vor allem durch die im vorliegenden Fall bestehende Gleichheit oder Ähnlichkeit der vertriebenen Dienstleistungen hervorgerufen (ÖBl 1992, 147 und 152). Sie ist bei vollständiger Aufnahme eines Firmenschlagwortes in ein anderes Zeichen - wie hier - in der Regel zu bejahen, sofern nicht die ältere Kurzbezeichnung innerhalb des jüngeren Zeichens nur eine untergeordnete Rolle spielt und gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des jüngeren Zeichens prägen, ganz in den hintergrund tritt (Hohenecker-Friedl aaO 193; ähnlich Baumbach-Hefermehl, Warenzeichenrecht12, 881 Rz 37 zu § 31 dWZG; ÖBl 1976, 23; ÖBl 1984, 104; 4 Ob 142/90). Bei Prüfung der Frage, ob Verwechslungsgefahr im engeren oder im weiteren Sinn vorliegt, ist auch die Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens erheblich, weshalb der Schutz sogenannter "schwacher Zeichen" einschränkend beurteilt werden muß: Zwar ist die unveränderte, buchstabengetreue Übernahme durch einen Konkurrenten auch bei einem solchen Zeichen in jedem Fall unzulässig; schon geringfügige Abweichungen können aber die Gefahr von Verwechslungen beseitigen (ÖBl 1991, 96 mwN). Die Beklagte hat das Firmenschlagwort der Klägerin unverändert in ihre Firma aufgenommen, deren Zusatz "Liegenschaftsvermittlungsgesellschaft" sich mit dem Zusatz "Realitätenvermittlungsgesellschaft" in der Firma der Klägerin sinngleich deckt. Die Firma und die von beiden Parteien verwendeten Kurzbezeichnungen unterscheiden sich demnach nur dadurch, daß dem Zeichen der Beklagten das Wort "BAU" vorangesetzt ist. Eine solche rein beschreibende und allgemein gebräuchliche Dienstleistungsbezeichnung ist aber auch in Verbindung mit der Wortkombination "INVEST-REAL" noch keine eigenartige sprachliche Neubildung; das Firmenschlagwort der Beklagten wird vielmehr weiterhin von der unverändert übernommenen charakteristischen Kurzbezeichnung der Klägerin geprägt. Auf Grund der Ähnlichkeit der Bezeichnungen kann somit der Eindruck entstehen, daß das als "BAU-INVEST-REAL" bezeichnete Unternehmen mit dem unter der Bezeichnung "INVEST-REAL" bekannten älteren Unternehmen der Klägerin wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden und insbesondere im Rahmen dieser Verflechtungen auf Baugeschäfte spezialisiert sei.

Da somit das Erstgericht das Vorliegen zumindest einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne mit Recht bejaht hat, verstößt die Vorgangsweise der Beklagten gegen § 9 Abs 1 UWG. Dem Revisionsrekurs war deshalb Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstrichters wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 402 Abs 4, 78 EO und §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E31214

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0040OB00086.92.0112.000

Dokumentnummer

JJT_19930112_OGH0002_0040OB00086_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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