TE OGH 1993/1/12 4Ob88/92

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Veröffentlicht am 12.01.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei LSG - Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Willi W*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt; 2) Radio Tele UNO s.r.l., Coccau, Via Friuli 39, wegen 40.000 S sA, Rechnungslegung und Beseitigung, Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 500.000 S), infolge Revisionsrekurses der erstbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 7.April 1992, GZ 5 R 21/92-15, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13.Dezember 1991, GZ 27 Cg 217/91-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in Ansehung der erstbeklagten Partei aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung über den Sicherungsantrag an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Provisorialverfahrens.

Text

Begründung:

Die klagende LSG ist eine mit Bescheid des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 12.4.1983, 24.325/15/41a/83, in der Fassung des Bescheides vom 3.6.1983, 24.325/21/41a/83, genehmigte Verwertungsgesellschaft (siehe Dittrich, Urheberrecht2, 880 ff). Auf Grund von Wahrnehmungsverträgen mit der B***** Gesellschaft mbH und der G***** Markus S***** Gesellschaft mbH ist sie mit der treuhändigen Wahrnehmung der Rechte und Vergütungsansprüche dieser Gesellschaften als Schallträgerhersteller betraut. Die beiden Gesellschaften sind (ua) die Hersteller eines Schallträgers mit dem Lied "Wir brauchen Männer" von Stefanie Werger.

Der Erstbeklagte ist Inhaber eines Werbebüros in Klagenfurt. Als Werbekaufmann obliegt es ihm auch, Werbeaufträge für den italienischen Privatsender "Radio UNO" zu vermitteln. Dieser Privatsender wird von der Zweitbeklagten betrieben und strahlt seine Sendungen nach Oberitalien sowie an die obere italienische und jugoslawische Adria aus; er kann aber auch in Teilen Kärntens, die etwa einem Fünftel seines Sendegebietes entsprechen, empfangen werden.

Am 18. und 19.6.1991 wurde im Radioprogramm der Zweitbeklagten ein Werbespot gesendet, mit dem auf eine am 19.6.1991 um 20.00 Uhr von der FPÖ bzw von einem Personenkomitee veranstaltete Kundgebung des damaligen Landeshauptmannes von Kärnten, Dr.Jörg Haider, aufmerksam gemacht werden sollte. Im Rahmen dieses Werbespots wurden auch Teile des Musikwerkes "Wir brauchen Männer" von Stefanie Werger gesendet, die dem oben genannten Schallträger entnommen waren. Der Erstbeklagte hatte diesen Werbeauftrag für "Radio UNO" zumindest akquiriert und ihn an die Senderleitung der Zweitbeklagten weitergeleitet. Weder die Klägerin noch die Schallträgerhersteller hatten die Zustimmung zur Sendung des Liedes im Rahmen des Programms von "Radio UNO" oder für den Werbespot erteilt; es gibt mit den Beklagten auch keine Pauschalvereinbarung über die Verwertung von Tonträgeraufzeichnungen.

Noch am 19.6.1991 forderte der Münchener Rechtsanwalt Helge S***** in Vertretung Stefanie Wergers die FPÖ und Dr.Jörg Haider auf, die Ausstrahlung des Werbespots zu untersagen und eine vorbereitete Unterlassungserklärung abzugeben. Letztere wurde dem Erstbeklagten zur Kenntnis gebracht, von ihm unterfertigt und wie folgt rückgefaxt:

"Radio UNO verpflichtet sich hiermit gegenüber Frau Stefanie Werger, es zu unterlassen, das Musikwerk 'Männer', dessen Urheberin Frau Werger ist, im Zusammenhang mit einem Rundfunkspot, der die Veranstaltung 'Wir halten zu Jörg' der FPÖ am 19.6. um 20.00 Uhr in Klagenfurt, Neuer Platz, bewirbt, zu nutzen.

Radio UNO verpflichtet sich darüber hinaus auch, es zu unterlassen, das vorbezeichnete Werk in jeder anderen denkbaren Weise in Zusammenhang mit politischer Werbung für die FPÖ oder die Person Jörg Haiders zu nutzen.

Für den jeden Fall der Zuwiderhandlung ab Unterzeichnung dieser Urkunde verpflichten sich die Unterzeichnenden zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 700.000 S.

Datum 19.6.1991

Uhrzeit: 13.30 Uhr

Ort: Klagenfurt

Radio UNO

Vertreten durch Willi W***** eh."

Mit der Behauptung, die Beklagten, und zwar der Erstbeklagte durch die Gestaltung des Werbespots und die Zweitbeklagte durch dessen Sendung, hätten in die von ihr wahrzunehmenden "Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte" der Schallträgerhersteller eingegriffen, beantragt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, Schallträger, die im Rahmen des Leistungsschutz-Bestandes (Repertoirs) der Klägerin stehen und von ihr wahrgenommen werden, ohne vorherige Zustimmung der Berechtigten dadurch zu nutzen, daß die dort aufgezeichneten Musikwerke vervielfältigt, öffentlich aufgeführt, gesendet oder sonst verbreitet werden; das gelte insbesondere für Schallträger der B***** Gesellschaft mbH und der G***** Markus S***** Gesellschaft mbH und den Musiktitel "Wir brauchen Männer" von Stefanie Werger.

Die Zweitbeklagte hat sich am Provisorialverfahren nicht beteiligt.

Der Erstbeklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Er sei weder Geschäftsführer noch Gesellschafter der Zweitbeklagten. Als Werbekaufmann akquiriere er nur Werbeaufträge für "Radio Uno" und leite die Einschaltungsaufträge an die Leitung des Senders weiter, habe aber mit der inhaltlichen Gestaltung, insbesondere mit der musikalischen Umrahmung derartiger Aufträge, nichts zu tun. Die Anfertigung und Ausgestaltung der Werbespots erfolge in Italien. Auch der beanstandete, von der FPÖ in Auftrag gegebene Werbespot sei inhaltlich von Mitarbeitern der FPÖ einerseits und Mitarbeitern der Zweitbeklagten andererseits gestaltet worden. Der Erstbeklagte habe darauf keinen Einfluß genommen; die inhaltliche Gestaltung sei ohne sein Wissen und in seiner Abwesenheit erfolgt. Im Hinblick auf die von ihm unterfertigte Unterlassungserklärung gegenüber Stefanie Werger und den Umstand, daß der Zweck des Werbespots am 19.6.1991 erfüllt war, weshalb seine Wiederholung widersinnig wäre, fehle der Klägerin, welche zur Verfolgung von im Ausland begangenen Urheberrechtsverletzungen gar nicht legitimiert sei, auch jegliches "aktuelles Schutzinteresse".

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der beanstandete Werbespot sei nach dem 19.6.1991 nicht mehr ausgestrahlt worden, weil er ausschließlich auf eine an diesem Tag stattfindende Veranstaltung abgestellt gewesen sei. Der Erstbeklagte habe überdies auf anwaltliche Aufforderung hin eine Unterlassungserklärung abgegeben. Damit sei aber die Wiederholungsgefahr als unabdingbares Erfordernis eines Unterlassungsanspruches nach § 81 UrhG weggefallen.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung gegen beide Beklagten und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Da der beanstandete Rundfunk-Werbespot von Italien aus gezielt nach Österreich gesendet wurde, finde auf die geltend gemachte Urheberrechtsverletzung das UrhG Anwendung. Danach sei aber die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen, weil die Abhaltung der mit dem beanstandeten Slogan beworbenen Veranstaltung am 19.6.1991 noch nicht ausschließe, daß die Beklagten weiterhin geneigt sein würden, in die Leistungsschutzrechte der betroffenen Schallträgerhersteller einzugreifen; die bloße Behauptung einer künftigen Abstandnahme schließe die Wiederholungsgefahr nicht aus. Auch sei das Verhalten des Erstbeklagten zwiespältig und die von ihm gegenüber der Urheberin des Liedes - überdies nur namens der Zweitbeklagten - abgegebene Unterlassungserklärung wesentlich enger als der hier in Rede stehende Unterlassungsanspruch.

Der Erstbeklagte hafte aber schon als Akquisiteur und Vermittler des beanstandeten Werbeauftrages für den Urheberrechtsverstoß der Zweitbeklagten. Nach seiner eigenen Behauptung habe er auf die Zweitbeklagte insofern Einfluß gehabt, als auf sein Betreiben der Werbespot nicht mehr gesendet wurde; er habe auch die Unterlassungserklärung ausdrücklich als Vertreter von "Radio Uno" unterfertigt.

Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Erstbeklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Die Klägerin stellt den Antrag, dem Rechtsmittel des Erstbeklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Sinne einer - vom Abänderungsantrag umfaßten - Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Das Rekursgericht hat zunächst zutreffend erkannt, daß im vorliegenden Fall, da der Werbespot eine von Italien aus nach Österreich gezielte Rundfunksendung war, über das Bestehen und den Schutz von Immaterialgüterrechten nach dem Recht des Schutzlandes, also nach österreichischem Urheberrecht, zu entscheiden ist (ÖBl 1991, 181 mwN).

Ebenso zutreffend hat das Rekursgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes den Wegfall der Wiederholungsgefahr verneint. Die Rechtsmittelausführungen des Erstbeklagten sind in diesem Punkt nicht stichhältig (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

In der Sache selbst kann die Klägerin als Verwertungsgesellschaft auf Grund der mit den beiden Schallträgerherstellern abgeschlossenen Wahrnehmungsverträge nur solche Leistungsschutzrechte mit Erfolg geltend machen, die den Schallträgerherstellern nach dem UrhG zustehen. Der zu sichernde Unterlassungsanspruch besteht demnach gemäß § 81 Abs 1 UrhG nur dann, wenn die Schallträgerhersteller in einem auf das UrhG gegründeten Ausschließungsrecht verletzt worden sind oder eine solche Verletzung zu besorgen ist. Gemäß § 76 Abs 1 UrhG hat aber ein Schallträgerhersteller nur das ausschließliche Recht, den von ihm hergestellten Schallträger zu vervielfältigen und zu verbreiten. In Ansehung rechtmäßig hergestellter (verbreiteter) Schallträger ist ihm daher weder das ausschließliche Senderecht noch das ausschließliche Recht der öffentlichen Wiedergabe eingeräumt; anstelle solcher Ausschließungsrechte ist zugunsten der Schallträgerhersteller lediglich ein Vergütungsanspruch nach § 76 Abs 3 UrhG vorgesehen (M.Walter in MR 1989, 149). Soweit daher im Rahmen des beanstandeten Werbespots aus dem Schallträger der Gesellschaften entnommene Teile des Liedes "Wir brauchen Männer" von Stefanie Werger gesendet wurden, ist ein Ausschließungsrecht der Schallträgerhersteller nur dann verletzt, wenn dabei nicht ein rechtmäßig hergestellter (verbreiteter) Schallträger unmittelbar zur Rundfunksendung (§ 17 UrhG) benutzt worden ist, sondern ein dem § 76 Abs 1 UrhG zuwider vervielfältigter, also ein eigens mit Hilfe der Schallplatte hergestellter gesonderter Schallträger. Letzteres war aber hier der Fall, ist es doch offenkundig, daß der mehrmals gesendete Werbespot auf ein MAZ-Band überspielt und insoweit Teile des Schallträgers der Wahrnehmungsberechtigten vervielfältigt worden sind. Gemäß § 76 Abs 2 UrhG durfte aber ein solcher, dem Abs 1 zuwider vervielfältigter Schallträger (das MAZ-Band) zu einer Rundfunksendung nicht benützt werden. Es liegt daher ein Eingriff in das den Schallträgerherstellern ausschließlich zustehende Vervielfältigungsrecht in bezug auf den Schallträger "Wir brauchen Männer" Stefanie Wergers vor; nicht verletzt wurde hingegen das den Schallträgerherstellern an den Schallträgern ausschließlich zustehende Verbreitungsrecht; auch eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 18 UrhG liegt nicht vor.

Der Erstbeklagte hat den Auftrag für den von der Zweitbeklagten im Wege einer Rundfunksendung ausgestrahlten Werbespot akquiriert. Ob er auch für deren Eingriff in das ausschließliche Vervielfältigungsrecht der Schallträgerhersteller haftet, hängt somit davon ab, ob er in Ansehung der Verletzung des Leistungsschutzrechtes der Schallträgerhersteller Mittäter war, den Eingriff also adäquat veranlaßt hat, indem er ihn im Hinblick auf einen engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Zweitbeklagten auch selbst vornehmen oder veranlassen wollte; das wäre insbesondere dann der Fall, wenn er einen wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung des Werbespots in bezug auf die musikalische Umrahmung genommen hätte (ÖBl 1991, 181 mwN). Das ist von der Klägerin auch behauptet worden. Demgegenüber brachte aber der Erstbeklagte vor, daß er den Werbeauftrag lediglich akquiriert und an die Senderleitung der Zweitbeklagten weitergeleitet habe; die inhaltliche Ausgestaltung des Werbespots sei jedoch ohne sein Wissen und Zutun von der Auftraggeberin und der Zweitbeklagten selbst ausgehandelt und festgelegt worden. Hiezu fehlen aber jegliche Bescheinigungsannahmen. Daß der Erstbeklagte nach seiner eigenen Behauptung noch am 19.6.1991 die Einstellung der Weitersendung des Werbespots durch die Zweitbeklagte erreichte und die Unterlassungserklärung gegenüber Stefanie Werger im Namen der Zweitbeklagten unterfertigt hat, läßt für sich allein noch nicht den Schluß zu, daß zwischen seiner Werbeakquisition und der Sendetätigkeit der Zweitbeklagten - wie in dem der Entscheidung ÖBl 1991, 181 zugrunde liegenden Fall - ein so enger wirtschaftlicher Zusammenhang bestanden hätte, daß der Erstbeklagte schon deshalb als Mittäter der in Rede stehenden Leistungsschutzrechtsverletzung anzusehen wäre. Entscheidend sind vielmehr seine rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Zweitbeklagten sowie die Frage, ob schon bei der Akquirierung des Werbeauftrages die nähere Gestaltung des Werbespots erfolgte und dabei insbesondere der Wunsch des Auftraggebers nach Unterlegung mit Ausschnitten aus dem Lied Stefanie Wergers an ihn herangetragen worden ist. Bejahendenfalls wird auch zu klären sein, ob es in diesem Zusammenhang die Aufgabe des Erstbeklagten war, der Zweitbeklagten hiefür die notwendigen Lizenzen zu verschaffen.

Eine Aufhebung in die erste Instanz ist demnach schon deshalb unerläßlich, weil dort die zur Klärung der erheblichen Tatumstände erforderliche Vernehmung des Erstbeklagten als Auskunftsperson unterblieben ist. Das Erstgericht wird somit die erforderlichen Bescheinigungsannahmen nachzuholen haben und - falls danach eine Mittäterschaft des Erstbeklagten zu bejahen ist - im Sinne der obigen Ausführungen das Verbot der einstweiligen Verfügung auf das Vervielfältigen und Senden zum Repertoire der Klägerin gehöriger Schallträger einzuschränken haben.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 402 Abs 4, § 78 EO und § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E30828

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0040OB00088.92.0112.000

Dokumentnummer

JJT_19930112_OGH0002_0040OB00088_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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