TE OGH 1993/1/13 9ObA320/92

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Veröffentlicht am 13.01.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Roman Merth und Amtsrat Winfried Kmenta in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** K*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M***** GmbH, ***** vertreten durch Mag.DDr.Ingeborg Schäfer-Guhswald, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung und Unwirksamerklärung einer Kündigung (Streitgegenstand im Revisionsverfahren: Unwirksamerklärung einer Kündigung, Streitwert 31.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.September 1992, GZ 32 Ra 49/92-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3.September 1991, GZ 23 Cga 158/90-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 603,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Nichtigkeit wird wohl zitiert, die dazu erstatteten Ausführungen richten sich jedoch gegen die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung; ein Nichtigkeitsgrund wird nicht erkennbar geltend gemacht.

Da die beklagte Partei vor dem Erstgericht anwaltlich vertreten war, sind Neuerungen im Berufungsverfahren gemäß § 63 Abs. 1 ASGG jedenfalls unzulässig. Es bildet daher keinen Mangel des Berufungsverfahrens, wenn das Berufungsgericht die Auseinandersetzung mit dem von der beklagten Partei erstmals in der Berufung erstatteten Vorbringen ablehnte.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Nach den Feststellungen wurde die Tätigkeitsdauer des Betriebsrates, dem auch die Klägerin angehört hatte, zufolge Rücktrittes mehrerer Mitglieder wegen Funktionsunfähigkeit gemäß § 62 Z 2 ArbVG vorzeitig beendet. Mit gerichtlichem Urteil wurde in der Folge die Nichtigkeit der Wahl des anschließend gewählten Betriebsrates festgestellt. In dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin gekündigt wurde, hat daher im Betrieb der beklagten Partei ein Betriebsrat nicht bestanden. Der Zustimmung des Personenkreises, dessen Wahl als Betriebsrat als nichtig festgestellt wurde, zur Kündigung der Klägerin kommt keine Wirkung zu; anders als die Ungültigerklärung der Betriebsratswahl auf Grund einer Anfechtung (§§ 59, 61 Abs. 3 ArbVG) zieht die Nichtigkeit der Wahl die Rechtsunwirksamkeit aller Rechtshandlungen, die der als Betriebsrat bezeichnete Personenkreis zwischen der "Wahl" und Feststellung der Nichtigkeit getätigt hat, nach sich (Floretta-Strasser, Handkomm z ArbVG 344, 347). Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Anfechtung der Kündigung durch die Klägerin gemäß § 107 ArbVG vor (Floretta-Strasser aaO 678).

Die Ausführungen der Revision, mit denen die beklagte Partei einen grundsätzlichen Unterschied der Anfechtung der Kündigung nach der Bestimmung des § 105 ArbVG einerseits und des § 107 ArbVG andererseits aufzuzeigen versucht, sind verfehlt. § 107 ArbVG regelt das Selbstanfechtungsrecht des Arbeitnehmers in betriebsratspflichtigen Betrieben, in denen keine Betriebsräte bestehen. Auch in diesem Fall kommt - entgegen der von der beklagten Partei vertretenen Auffassung - das materielle Anfechtungsrecht der Belegschaft zu. Nur das formelle Anfechtungsrecht entsteht - weil ein Betriebsrat nicht (rechtswirksam) gebildet wurde - sofort beim betroffenen Arbeitnehmer (Floretta-Strasser, Handkomm z ArbVG 677 f; Floretta-Strasser, ArbVG2, Anm. 3 zu § 107 ArbVG). § 107 ArbVG normiert nur das unmittelbare Anfechtungsrecht des einzelnen Arbeitnehmers; liegen die dort genannten Voraussetzungen vor, so kann der betroffene Arbeitnehmer die Kündigung nach Maßgabe des § 105 ArbVG anfechten. Unabhängig davon, ob die Kündigung unmittelbar im Rahmen des § 105 ArbVG oder durch den betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 107 ArbVG angefochten wird, hat die Anfechtung mittels Rechtsgestaltungsklage zu erfolgen. Durch die erfolgreiche Anfechtung der Kündigung bei Gericht wird diese als rechtsunwirksam aufgehoben (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 417). Diese Entscheidung ist in jedem Fall auf Grund der Anfechtungsgründe des § 105 ArbVG zu treffen, zumal - wie dargestellt - § 107 ArbVG nur die Anfechtungslegitimation regelt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E32179

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00320.92.0113.000

Dokumentnummer

JJT_19930113_OGH0002_009OBA00320_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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