TE OGH 1993/1/21 6Ob506/93

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Veröffentlicht am 21.01.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Maximilian S*****, in der Verfolgung seiner Unterhaltsansprüche vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, ***** wegen Leistung des gesetzlichen Unterhaltes durch a) den mütterlichen Großvater Mag.Helmut K*****, vertreten durch Dr.Michael Hiller, Rechtsanwalt in Wien, b) die mütterliche Großmutter Anna S*****, c) den väterlichen Großvater Kurt O*****, und d) die mütterliche Großmutter Aloisia O*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des mütterlichen Großvaters gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8.Juli 1992, GZ 8 P 44/92-10, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29.September 1992, AZ 43 R 577/92 (ON 16), den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der angefochtene Beschluß wird in seinem bestätigenden Teil und der erstinstanzliche Beschluß in seinem den mütterlichen Großvater betreffenden Ausspruch aufgehoben; die Pflegschaftssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen, nach Verfahrensergänzung zu fällenden Entscheidung an das Gericht erster Instanz rückverwiesen.

Text

Begründung:

Das pflegebefohlene Kind kam am 13.Juni 1991 als Sohn einer im November 1972 geborenen Schülerin zur Welt. Ein im August 1973 geborener Schüler anerkannte am 2.Juli 1991 seine Vaterschaft. Das Kleinkind wächst in der Obsorge seiner bei ihrer Mutter wohnhaften Mutter heran. Vermögen des Kindes und seiner Eltern sind nicht aktenkundig und wurden auch nicht behauptet. Beide Elternteile, die im Zeitpunkt der Geburt des Kindes 18jährige Mutter wie auch der damals noch 17 Jahre alte Vater, standen noch in Schulausbildung. Der Vater besuchte im Schuljahr 1991/92 die Maturaklasse und beabsichtigte, ab Oktober 1992 seinen Präsenzdienst beim Bundesheer abzuleisten. Die Mutter widmet sich der Betreuung ihres Kleinkindes. Sie besuchte im Schuljahr 1991/92 die 4.Klasse einer Höheren Bundeslehranstalt für Mode, ging keiner Erwerbstätigkeit nach und lebte im Haushalt ihrer Mutter; ihr Vater ist verpflichtet, zu ihrem Unterhalt einen monatlichen Betrag von 3.900,-- S zu bezahlen. Die Mutter bezieht die Familienbeihilfe für ihr Kleinkind.

Der väterliche Großvater des Kleinkindes ist angestellter Installateur und bezieht als solcher ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 30.000,-- S. Die väterliche Großmutter ist Kindergärtnerin und verdient ca. 16.000,-- S netto im Monat. Die mütterliche Großmutter ist Innenarchitektin. Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind nicht aktenkundig, keiner der Verfahrensbeteiligten stellte diesbezüglich Behauptungen auf.

Der mütterliche Großvater ist ebenfalls Innenarchitekt. Der gerichtlichen Festsetzung seiner Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Tochter, der Mutter des pflegebefohlenen Kleinkindes, war ein im Jahr 1989 erzieltes durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 17.732,-- S zugrundegelegt worden.

Das Bestehen weiterer gesetzlicher Sorgepflichten eines der vier Großelternteile neben der dem Unterhaltsfestsetzungsantrag des pflegebefohlenen Kleinkindes zugrundegelegten außer für den jeweiligen Elternteil sind weder aktenkundig noch wurden sie von einem der Beteiligten behauptet.

Das pflegebefohlene Kleinkind überreichte durch den Jugendwohlfahrtsträger am 9.März 1992 einen gegen alle vier Großelternteile gerichteten Unterhaltsfestsetzungsantrag. Nach dessen abgeändertem Begehren strebte das Kind die Verpflichtung jedes einzelnen Großelternteiles zur Zahlung eines bis zu 100 % reichenden Anteiles an einem monatlichen Gesamtbetrag von 3.000,-- S für die Zeit ab der Geburt des Kindes bis auf weiteres an. Über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie die sonstigen Lebensverhältnisse der vier Großelternteile unterließ das antragstellende Kind jede Behauptung.

Im Sinne des § 185 Abs 3 AußStrG zur Äußerung zu diesem Antrag aufgefordert, erklärten sich beide väterlichen Großelternteile zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 750,-- S ausdrücklich bereit. Die mütterliche Großmutter ließ die Äußerungsfrist fruchtlos verstreichen.

Der mütterliche Großvater sprach sich in einem anwaltlich verfaßten Schriftsatz gegen jede Verpflichtung zu einer Unterhaltsleistung für seinen Enkelsohn aus. Er machte geltend, der Unterhaltsantrag enthalte ein relativ unbestimmtes Begehren, mangels konkreter Behauptungen über wesentliche Voraussetzungen für die bloß subsidiär eintretende Unterhaltspflicht der Großeltern sei der Antrag unschlüssig. Beide Elternteile wären erwerbsfähig und müßten demgemäß vor einer Inanspruchnahme großelterlicher Unterhaltspflichten entsprechend angespannt werden. Das Kleinkind habe es bisher unterlassen, gegen seine Eltern einen Unterhaltstitel zu erwirken und Vorschüsse (auf die von den Eltern zu leistenden Unterhaltsbeträge) nach dem Unterhaltsvorschußgesetz zu beantragen. Der angemessene Bedarf des Kleinkindes liege weit unter dem begehrten Monatsgesamtbetrag von 3.000,-- S. Der Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter des Kindes sei als Fonds einer teilweisen Bedürfnisbefriedigung zu berücksichtigen. Ebenso sei zu veranschlagen, daß die Mutter aus den ihr vom mütterlichen Großvater geleisteten Unterhaltszahlungen in der monatlichen Höhe von 3.900,-- S zumindest auch teilweise die Unterhaltsbedürfnisse des Kindes mitdecken könne. Mit Rücksicht auf die erwähnte Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter sei der mütterliche Großvater bei einem zugrundezulegenden monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkommen von 17.732,-- S überhaupt nicht weiter belastbar. Die anderen Großelternteile verfügten aber über ein höher belastbares Einkommen. Eine Unterhaltsfestsetzung für Zeiträume ab der Geburt bis zur Antragstellung sei unzulässig.

Das Pflegschaftsgericht erster Instanz erkannte in Rechtspflegerbesetzung über den Unterhaltsfestsetzungsantrag des pflegebefohlenen Kindes. Es verpflichtete den mütterlichen Großvater - ebenso wie die übrigen Antragsgegner - zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 750,-- S ab Geburt des Kindes bis auf weiteres. Dabei verneinte es eine der Mutter oder dem Vater des Kindes zumutbare Erwerbstätigkeit, bejahte die grundsätzliche Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Großelternteiles, anteilig zum Unterhalt des Kleinkindes beizutragen und sprach seine Ansicht aus, "daß der monatliche Unterhaltsbetrag von 750,-- S der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aller Beteiligten zumutbar" sei.

Nur der mütterliche Großvater erhob Rekurs.

Das Rekursgericht wies dieses Rechtsmittel, soweit es die Abweisung des gegen die übrigen Großelternteile erhobenen Unterhaltsbegehrens anstrebte, zurück, verwarf - zwar nicht spruchmäßig, aber nach der Entscheidungsbegründung unzweifelhaft - die auf den Vorwurf unrichtiger Gerichtsbesetzung (Rechtspfleger statt Richter) gegründete Anfechtung wegen Nichtigkeit und gab dem Rekurs im übrigen nicht statt. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht wertete die Beurteilung der Voraussetzungen für das Vorliegen der subsidiären Unterhaltspflicht der Großeltern bei unbestritten feststehenden Verwandtschaftsverhältnissen als eine nicht den Grund des Unterhaltsanspruches betreffende Frage und folgerte daraus, daß die Entscheidung über den Unterhaltsfestsetzungsantrag in den Wirkungsbereich des Rechtspflegers gefallen wäre. Das Rekursgericht befand es als zutreffend, weder die ihr Kleinkind betreuende Mutter noch den unmittelbar nach dem Ende der Maturaklasse befindlichen Vater zu einer nachhaltigen, eine Unterhaltspflicht auslösenden Erwerbstätigkeit anzuspannen, erachtete weder die eigenen Unterhaltsempfänge der Mutter noch deren Bezug der Familienbeihilfe für ihr Kleinkind als hinreichende Gründe, von einer Unterhaltsverpflichtung der Großeltern abzusehen, wertete den begehrten Unterhalt von 3.000,-- S monatlich für das Kleinkind zwar als überdurchschnittlich, aber den Lebensverhältnissen der Großeltern angemessen, erkannte einen Unterhaltszuspruch für die Vergangenheit ab Geburt des Kindes für zulässig und bekannte sich zum Grundsatz, daß die vier Großelternteile Unterhalt für ihr Enkelkind nicht nach Köpfen, sondern nach dem Maß ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit schuldeten. Es erachtete den Rechtsmittelwerber trotz seiner konkurrierenden Sorgepflicht für die Mutter des Kleinkindes als belastbar, unterließ allerdings einen Vergleich mit der Belastbarkeit der übrigen Großelternteile und folgerte, daß die Festsetzung eines monatlich zu zahlenden Unterhaltsbetrages von 750,-- S im Rahmen des durch die gesetzlichen Kriterien eröffneten Ermessens gelegen wäre.

Der mütterliche Großvater ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit einem auf Abweisung des ihn betreffenden Unterhaltsantrages zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an. Seine Zulässigkeitsbeschwerde gründet er auf eine behauptete Hintansetzung des Grundsatzes der amtswegigen Sachverhaltsermittlung in Ansehung der Leistungsfähigkeit der Eltern und der Umstände, nach denen die Anteile der einzelnen Großelternteile zu bestimmen wären. Er macht eine unrichtige Lösung der Frage nach der richtigen Gerichtsbesetzung des Pflegschaftsgerichtes erster Instanz geltend und rügt eine unrichtige Beurteilung der Fähigkeit der Eltern zu ausreichenden Unterhaltsleistungen, der angenommenen Belastbarkeit des Rechtsmittelwerbers sowie der inhaltlichen Vernachlässigung des vom Rekursgericht selbst als richtig anerkannten Grundsatzes einer an der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Beteiligung der einzelnen Großeltern an den Unterhaltsleistungen für ihr Enkelkind.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil die vom Rekursgericht zwar abstrakt zutreffend gelöste Frage einer Heranziehung der einzelnen Großelternteile nach ihren jeweiligen Kräften, d.h. ihrer individuellen Leistungsfähigkeit, nach dem vorliegenden Abgang von Behauptungen und Feststellungen über die für die Leistungsfähigkeit der mütterlichen Großmutter bestimmenden Umstände konkret nicht beantwortbar war.

Der Revisionsrekurs ist aus diesem Grund auch im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt. Im aufgezeigten Sinn liegen Feststellungsmängel vor, die eine abschließende Beurteilung über die Höhe der Unterhaltsverpflichtung des mütterlichen Großvaters nicht zulassen.

Für das daher vom Erstgericht zu ergänzende Verfahren seien mit Rücksicht auf die Rechtsmittelausführungen des mütterlichen Großvaters folgende Rechtsansichten festgehalten:

Bei der Gerichtsbesetzung ist der Wirkungskreis des Rechtspflegers in Pflegschaftssachen zu beachten, wie er sich aus § 19 des seit Jahresbeginn 1986 in Kraft stehenden Rechtspflegergesetzes, BGBl 1985 Nr 560, ergibt. Die auf dem aus dem Jahr 1962 stammenden Rechtspflegergesetz beruhende Rechtsprechung ist insoweit überholt. Nunmehr fallen alle nicht nach der Aufzählung des § 19 Abs 2 RPflG ausgenommenen Geschäfte in Pflegschaftssachen in den Wirkungskreis des Rechtspflegers.

Unter dem Gesichtspunkt des relativ unbestimmten Begehrens ist jedenfalls nunmehr nach eingetretener Rechtskraft der Unterhaltsfestsetzung gegenüber den übrigen drei Großelternteilen eine Antragsüberschreitung ausgeschlossen.

Im Sinne der nunmehr einheitlichen, auf der in SZ 61/142 veröffentlichten Entscheidung eines verstärkten Senates beruhenden Rechtsprechung ist auch die Festsetzung eines Unterhaltes für Zeiträume vor der Antragstellung grundsätzlich möglich.

Für die Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung haben die Vorinstanzen die Leistungsfähigkeit beider Elternteile ohne Rechtsirrtum verneint. Damit fehlt es aber auch an einer denkmöglichen Bevorschussung nach dem Unterhaltsvorschußgesetz. Die Familienbeihilfe mindert auch nicht über eine angenommene Erhöhung der Leistungsfähigkeit der primär unterhaltspflichtigen Mutter den Bedarf des Kleinkindes. Die dem Rechtsmittelwerber zur teilweisen Deckung des Unterhaltsbedarfs seiner Tochter, der Mutter des pflegebefohlenen Kleinkindes, auferlegten Unterhaltsleistungen sind ausschließlich zur Deckung der höchstpersönlichen Unterhaltsbedürfnisse der Mutter und nicht auch zur Befriedigung der Unterhaltsbedürfnisse deren Kindes bestimmt. Die Angemessenheit des Unterhaltsbedarfes des Kleinkindes bestimmt sich im vorliegenden Fall beim Verbleib beider Elternteile im Haushalt ihrer Eltern nach den Lebensverhältnissen der in Anspruch genommenen Großeltern. Der Beitrag jedes einzelnen Großelternteiles ist im Verhältnis der Leistungsfähigkeit sämtlicher subsidiär unterhaltspflichtigen Großeltern zu bestimmen. Dazu wird das erstinstanzliche Verfahren zu ergänzen sein.

In diesem Sinn war die Pflegschaftssache in Ansehung des gegen den mütterlichen Großvater gestellten Unterhaltsbegehrens unter Aufhebung der diesbezüglichen vorinstanzlichen Entscheidungen an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen, nach Verfahrensergänzung zu fällenden Entscheidung rückzuverweisen.

Anmerkung

E33036

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0060OB00506.93.0121.000

Dokumentnummer

JJT_19930121_OGH0002_0060OB00506_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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