TE OGH 1993/1/27 9ObA309/92

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Veröffentlicht am 27.01.1993
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Alfred Mayer und Helmut Mojescick als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Walter P*****, Lüftungstechniker, ***** vertreten durch Dr.*****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei H*****, *****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.***** und Dr.*****, Rechtsanwälte *****, wegen S 356.192 brutto sA (Revisionsstreitwert S 130.846 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.September 1992, GZ 8 Ra 15/92-26, womit infolge Berufungen der klagenden und beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. März 1991, GZ 31 Cga 186/89-14, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.789,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bis 26.9.1989 bei der Beklagten als Montageinspektor - zuletzt mit einem Monatsbruttogehalt von 27.000 S - beschäftigt.

Im Revisionsverfahren ist im zweiten Rechtsgang nur mehr strittig, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Entlassung oder durch unbegründeten vorzeitigen Austritt endete und daher dem Kläger die noch streitverfangene Kündigungsentschädigung (§ 29 AngG; § 9 UrlG) von S 130.486 - alle anderen Ansprüche sind bereits rechtskräftig erledigt - gebührt.

Die Streitteile gehen von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn auch unter Behauptung unterschiedlicher Beendigungsgründe aus.

Der Kläger behauptete ungerechtfertigte vorzeitige Entlassung.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe den Kläger am 26.9.1989 vom Dienst suspendiert, weil er Montageinspektionen auf Baustellen als am 25.9.1989 durchgeführt gemeldet habe, ohne diese Arbeiten verrichtet zu haben. Er sei am 25.9.1989 schon um 14.00 Uhr nach Hause gefahren. Der Aufforderung zu einer Aussprache über sein Fehlverhalten habe der Kläger nicht Folge geleistet; er sei unberechtigt vorzeitig ausgetreten.

Das Erstgericht sprach dem Kläger die gesamte Kündigungsentschädigung in Höhe von S 130.846 sA zu.

Das Berufungsgericht wies das Begehren auf Kündigungsentschädigung im zweiten Rechtsgang ab und traf dazu nach Beweisergänzung und teilweiser Beweiswiederholung nachstehende wesentliche Feststellungen:

Der Geschäftsführer der Beklagten hatte vom Monteurbaustellenpersonal sowie einem anderen Montageinspektor in der Zeit vor dem 25.9.1989 mehrmals die Mitteilung erhalten, daß der Kläger zum Zweck der Kontrollen und "Aufmaßnahmen" (Messungen) nicht auf die einzelnen Baustellen komme, so daß Monteure selbst die von ihm zu verrichtenden Arbeiten vornehmen mußten. Nachdem sich der Kläger am 25.9.1989 um 14.00 Uhr in der Zentrale zu den Baustellen Raiffeisenhof und Thalerhof abgemeldet hatte, fuhr ihm Ing.H***** mit dem PKW nach. Der Kläger fuhr nicht zu den gemeldeten Baustellen, sondern direkt nach Stübing zu seinem Wohnhaus.

Am 26.9.1989 forderte der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger auf, schriftlich einen Tätigkeitsbericht für den Vortag abzugeben. In diesem Bericht für den 25.9.1989, 14.00 Uhr, führte der Kläger Baustellenkontrollen am Raiffeisenhof und am Thalerhof an. Der Geschäftsführer der Beklagten hielt ihm vor, daß dies nicht stimmen könne, weil er ihn selbst kontrolliert und nach Stübing fahren gesehen habe. Der Kläger entgegnete, daß er am Vortag am Thalerhof und am Raiffeisenhof gewesen sei; dann kam es zu einem Wortwechsel, bei dem der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger erklärte, daß er sich von ihm belogen fühle und daß er den Kläger ab sofort vom Dienst suspendiere. Er suspendierte den Kläger nur deshalb, weil er der Ansicht war, daß er über eine Kündigung oder Entlassung ohne Beiziehung des Betriebsrates nicht hätte entscheiden können. In der Folge trug er dem Kläger auf, den Schlüssel des von ihm benützten Firmenautos einem Mitarbeiter zu übergeben; dem kam der Kläger nach. Für den nächsten Tag vereinbarte der Geschäftsführer der Beklagten mit dem Betriebsratsvorsitzenden ein Gespräch, das im Beisein des Klägers erfolgten sollte. Da der Kläger nicht mehr im Betrieb anwesend war, schickte er ihm gegen 10.15 Uhr ein Telegramm, in dem er festhielt, daß der Kläger vom Dienst suspendiert sei und zur Aussprache mit dem Betriebsrat für den 27.9.1989 um 12.00 Uhr bestellt werde.

Der Kläger wollte zu dieser Aussprache nicht hingehen und bat seine Frau, sein Nichterscheinen bei der Beklagten zu melden. Die Ehefrau des Klägers rief den Geschäftsführer der Beklagten an und teilte mit, daß der Kläger zu dem Besprechungstermin nicht kommen werde. Tatsächlich erschien der Kläger zu dieser Aussprache nicht. Aus diesem Grund erteilte der Geschäftsführer der Beklagten der Buchhaltungsangestellten den Auftrag, den Kläger wegen vorzeitigen Austritts rückwirkend abzumelden. Rund eine Woche nach dem 26.9.1989 wurden dem Kläger nach Erhalt der Abrechnung die Arbeitspapiere übergeben. Er unterfertigte eine Urkunde, in der er bestätigte, die Arbeitspapiere (Lohnsteuerkarte, Familienbeihilfenkarte, Arbeitsbescheinigung und Krankenkassenabmeldung) erhalten zu haben. Der Kläger erklärte, daß ihm keine weiteren Ansprüche, welcher Art immer, zustünden. Die Urkunde und die Krankenkassenabmeldung enthielten den Vermerk "vorzeitiger Austritt".

In rechtlicher Hinsicht wertete das Berufungsgericht die Erklärung, die die Gattin des Klägers im Auftrag ihres Mannes abgegeben hat, als vorzeitigen Austritt.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, die Entscheidung dahin abzuändern, daß ihm ein weiterer Betrag von S 130.846 brutto sA zugesprochen werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, mit dem vermeintliche Feststellungsmängel geltend gemacht werden, liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Rechtsrüge ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Für die vorzeitige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses bedarf es einer darauf gerichteten Willenserklärung, die bestimmt, deutlich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise mündlich, schriftlich, ausdrücklich oder konkludent erfolgen muß. Es muß die ernsthafte und zweifelsfreie Absicht zum Ausdruck gebracht werden, das Arbeitsverhältnis sofort für die Zukunft zu beenden. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (Martinek-M. und W.Schwarz, AngG7, 547; Arb 10.489, 10.890 ua).

Daß der vom Dienst suspendierte Kläger durch seine Gattin der Beklagten mitteilen ließ, daß er zu dem von der Beklagten festgesetzten Aussprachetermin mit dem Betriebsrat am 27.9.1989 um 12.00 Uhr nicht kommen werde und letztlich auch nicht erschien, läßt seinen Austrittswillen nicht erkennen. Die Weigerung des Klägers, zu diesem Termin zu erscheinen, läßt nicht zweifelsfrei darauf schließen, daß er keine Dienstleistungen mehr für die Beklagte erbringen oder das Arbeitsverhältnis beenden wollte, da er vor der Aufhebung der Suspendierung oder mangels einer sonstigen Aufforderung, zur Arbeit zu erscheinen, nicht zu einer Arbeitsleistung verpflichtet war. In der Einladung zu einer Besprechung mit dem Betriebsrat ist aber eine Aufforderung, die Arbeit wieder aufzunehmen, nicht zu erblicken.

Aus der vom Kläger rund eine Woche nach dem 26.9.1989 unterfertigten, vom Arbeitgeber vorgelegten Erklärung (Beilage 14), daß das Arbeitsverhältnis durch vorzeitigen Austritt geendet habe und er auf weitere Ansprüche welcher Art immer verzichte, ist nicht auf einen Austrittswillen des Klägers zu schließen, da nicht festgestellt wurde, daß diese Vermerke vom Kläger beigesetzt wurden. Auch die Krankenkassenabmeldung enthält diesen Vermerk (vorzeitiger Austritt) und war von der Beklagten veranlaßt worden. Aus der Unterschrift des Klägers läßt sich mangels weiterer Erklärungen auch kein Rechtsgestaltungswille im Sinn eines Einverständnisses zu einer Auflösung des Dienstverhältnisses erblicken. Der Kläger hat nach seinen Angaben die Arbeitspapiere in der Annahme abgeholt, entlassen worden zu sein (AS 75, 191, 195). Ein unbegründetes Verlangen nach Ausfolgung der Arbeitspapiere, das allenfalls auf einen Austritt schließen hätte lassen, steht nicht fest; dazu kommt, daß der Kläger zum Zeitpunkt der Abholung der Arbeitspapiere bereits bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet war. Der Arbeitgeber hatte daher zu diesem Zeitpunkt bereits einseitig eine Handlung vorgenommen, die auf den Willen, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden, schließen ließ.

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war davon abhängig, daß die darauf gerichtete Willenserklärung auch dem anderen Teil zuging (Arb 10.145). Da der Kläger die Arbeitspapiere einschließlich der Gebietskrankenkassenabmeldung mit dem Vermerk "vorzeitiger Austritt" rund eine Woche nach dem 26.9.1989 erhielt und der Geschäftsführer der Beklagten den Auftrag erteilt hatte, den suspendierten Kläger wegen vorzeitigen Austritts rückwirkend abzumelden, der Kläger aber keine, eine Austrittserklärung bildende Äußerung abgab, war bei Übergabe der Arbeitspapiere an den Kläger objektiv erkennbar, daß die Beklagte das Arbeitsverhältnis durch Entlassung beenden wollte (9 Ob A 28/92). Der Kläger konnte daher bei objektiver Betrachtung der ihm zugegangenen Erklärungen von einer Entlassung durch die Beklagte ausgehen.

Für den Kläger ist aber damit nichts gewonnen, da er berechtigt entlassen wurde.

Der Kläger meldete sich am 25.9.1989 in der Zentrale zu Baustellenbesuchen ab, fuhr aber nach Hause und erstattete wahrheitswidrig den Tätigkeitsbericht, am 25.9.1989 um 14.00 Uhr Baustellenkontrollen am Raiffeisenhof und Thalerhof durchgeführt zu haben. Die Erstattung dieses bewußt unrichtigen Tätigkeitsberichtes begründet Vertrauensunwürdigkeit. Als auch im Außendienst tätiger Angestellter, der dabei nicht exakt überwacht werden konnte, stand der Kläger in einer Position, die eine besondere Vertrauenswürdigkeit voraussetzte (RdW 1986, 250; RdW 1988, 105; Arb 10.017; 9 Ob A 104/92).

Der Arbeitgeber war im wesentlichen auf die Richtigkeit der Berichte und Angaben des Klägers angewiesen. Auch wenn - nach vorherigen Verdachtsmomenten - nur der Vorfall vom 25.9.1989 erwiesen ist, begründete dieses Verhalten des Klägers, der zudem die auf eigener Wahrnehmung beruhenden Vorhaltungen des geschäftsführenden Gesellschafters leugnete, die gerechtfertigte Befürchtung, daß die Interessen und Belange der Beklagten durch den Kläger gefährdet seien. Dem Kläger gebührt daher die begehrte Kündigungsentschädigung nicht.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E32427

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00309.92.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19930127_OGH0002_009OBA00309_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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