TE OGH 1993/1/28 8Ob599/92

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Veröffentlicht am 28.01.1993
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** K*****, vertreten durch Dr.Walter Utz, Rechtsanwalt in Kremsmünster, wider die beklagte Partei A***** W*****, vertreten durch Dr.Erich Bernögger, Rechtsanwalt in Windischgarsten, wegen Rechtsunwirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses (richtig: Vaterschaftsfeststellungsurteils) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr als Berufungsgericht vom 9.Juni 1992, GZ 6 R 39/92-55, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Windischgarsten vom 17.März 1992, GZ C 428/90b-51, sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird insoweit bestätigt, als damit das Urteil des Erstgerichtes und das ihm vorangegangene Verfahren für nichtig erklärt wurden.

Im übrigen wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Rechtssache von amtswegen an das gemäß § 532 Abs 2 ZPO zuständige Bezirksgericht Neuhofen an der Krems überwiesen.

Die Entscheidung über die bisherigen Verfahrenskosten wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Der 1953 außer der Ehe geborene Beklagte brachte nach seiner Geburt, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter, im Verfahren C 52/53 des BG Neuhofen an der Krems eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft und Unterhaltsleistung gegen den nunmehrigen Kläger ein. Im dortigen Verfahren bestritt dieser zwar das Klagebegehren, gestand aber in der Folge einen Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Kindes zu, anerkannte in der mündlichen Streitverhandlung vom 30.9.1953 seine Vaterschaft zu diesem Kind und erklärte sich mit einer bestimmten Unterhaltszahlung einverstanden. Der Kläger stellte keinen Antrag auf Fällung eines Anerkenntnisurteils. Das Gericht stellte hierauf mit Urteil vom 30.9.1953 die Vaterschaft des nunmehrigen Klägers zum nunmehrigen Beklagten aufgrund dieses Anerkenntnisses ohne weitere Beweisaufnahmen fest und verurteilte ihn zu der zugestandenen Unterhaltsleistung; dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.

Mit der vorliegenden, am 5.11.1990 eingebrachten Klage behauptet der Kläger, er habe erst in diesem Jahr aufgrund einer Ähnlichkeit des Beklagten mit einem bestimmten anderen Mann, die Überzeugung gewonnen, daß dieser der Vater des jetzigen Beklagten sei. Diese Ähnlichkeit sei ihm bei der Anerkennung seiner Vaterschaft nicht bekannt gewesen. Im übrigen sei er davon überzeugt, daß ein Vaterschaftsgutachten unter Einbeziehung des anderen Mannes in die Untersuchung das Ergebnis zeitigen werde, daß dieser und nicht er, der Kläger, der Vater des Beklagten sei. Er beantragte das Urteil, es werde festgestellt, daß sein Vaterschaftsanerkenntnis betreffend den Beklagten rechtsunwirksam sei.

Der Beklagte beantragte die Klageabweisung; der Kläger habe seiner Mutter in der gesetzlichen Vermutungsfrist beigewohnt; es sei ihm der Beweis eines sicheren Vaterschaftsausschusses nicht gelungen.

Nach Einholung von Sachverständigengutachten gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt, weil aufgrund der Verteilung der Erbmerkmale sowohl der Kläger als auch der von diesem als wahrer Vater des Beklagten bezeichnete andere Mann als leiblicher Vater des Beklagten auszuschließen sei. Der Kläger habe glaubhaft gemacht, daß er rechtzeitig binnen der Jahresfrist des § 164 b ABGB die Klage eingebracht habe; sie sei deshalb zuzulassen und die entsprechenden Beweise aufzunehmen gewesen; diese hätten den Vaterschaftsausschluß des Klägers erbracht, weshalb die Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses auszusprechen gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil und das vorausgegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.

Im vorangegangenen Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft im Jahre 1953 sei kein Antrag auf Fällung eines Anerkenntnisurteils gefällt worden. Es sei vielmehr nach der Erklärung des damaligen Beklagten, seine Vaterschaft anzuerkennen, weiterverhandelt und das Anerkenntnis als Sachverhaltselement beurteilt worden; die damalige Erklärung des Klägers sei auch nicht als Willenserklärung, sondern als bloße Wissenserklärung aufzufassen gewesen, mit der er lediglich die Beiwohnung innerhalb der kritischen Zeit zugestanden habe.

Die Voraussetzungen und das Verfahren für die Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind und für dessen Anfechtung richteten sich gemäß Art X § 2 UeKG nach bisher geltendem Recht, wenn die Vaterschaft vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (1.7.1971) anerkannt worden sei. Das vom nunmehrigen Kläger erklärte Anerkenntnis der Vaterschaft sei auf der Basis eines bloßen Tatsachengeständnisses verblieben. Die Tatsache der Beiwohnung innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist führte zur rechtlichen Schlußfolgerung, daß der nunmehrige Kläger als außerehelicher Vater des jetzigen Kindes anzusehen sei. Würde dem vorliegenden Klagebegehren stattgegeben, liefe das darauf hinaus, daß ausgesprochen würde, daß der Kläger nicht als außerehelicher Vater des Beklagten anzusehen sei. Die neue Entscheidung würde die Wirkungen der bereits rechtskräftig ergangenen Entscheidung aufheben. Dies sei zufolge der Wirkungen der materiellen Rechtskraft des Urteils aus dem ersten Verfahren ausgeschlossen.

Gegen dieses Urteil richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

Wird die Klage vom Berufungsgericht gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO aus formellen Gründen (hier Rechtskraft einer entgegenstehenden Entscheidung) zurückgewiesen, ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof stets und ohne Einschränkung zulässig. Eine Zurückweisung des Rechtsmittels mangels erheblicher Rechtsfrage ist in diesem Fall nicht vorgesehen, obwohl sie systemkonform ohne Gefahr für die Rechtssicherheit auch hier hätte eingeführt werden können (Petrasch, ÖJZ 1979, 750).

Durch die Neuregelung der "Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde" (§§ 163-164 d ABGB) wurden das Vaterschaftsanerkenntnis und das Vaterschafts-Feststellungsurteil gleichwertige und gegenüber jedermann gleichwirksame Rechtsakte (§ 163 b ABGB). Wie den Materialien zum UeKG deutlich entnommen werden kann (RV 6 der BlgNR 12. GP, 20), lag der auf Feststellung der wahren, biologischen Vaterschaft ausgerichteten Regelung (s S 12 und 13 aaO) deshalb auch die Absicht zugrunde, die Möglichkeit zur Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses dem Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO anzupassen, um den Anerkennenden nicht schlechter zu stellen als denjenigen, dessen Vaterschaft durch ein Urteil festgestellt wird; eine Rechsungleichheit in dieser Beziehung hielt der Gesetzgeber für nicht gerechtfertigt. Zutreffend wurde die Besorgnis geäußert (aaO S 20), eine Rechtsungleichheit könnte dazu führen, daß sich ein Mann, der sich als Erzeuger eines unehelichen Kindes betrachtet, wegen der ungünstigen Möglichkeiten, ein Anerkenntnis anzufechten, scheuen könnte, ein solches zu erklären, und statt dessen es vorzöge, sich auf Feststellung der Vaterschaft klagen zu lassen; eine solche Entwicklung wurde als vom Standpunkt der unmittelbaren Betroffenen und der Allgemeinheit unerwünscht bezeichnet. Gleiches muß aber auch dann gelten, wenn vermieden werden soll, daß wegen ungünstigerer Anfechtungsmöglichkeit eines Vaterschaftsfeststellungsurteiles dem Vaterschaftsanerkenntnis der Vorzug gegeben werden müßte. Tatsächlich stünde nämlich der Herstellung der vom Gesetzgeber offenkundig gewünschten Gleichheit bei der Bekämpfung beider gesetzlicher Instrumente der Vaterschaftsfeststellung die - für die Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses nicht vorgesehene - objektive Befristung der Wiederaufnahmeklage durch § 534 Abs 3 ZPO mit 10 Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung entgegen; damit wäre aber die vom Gesetzgeber der Neuregelung der "Vaterschaft zu einem unehelichen Kind" zielbewußt angestrebte Feststellung der wahren, biologischen Vaterschaft im Wege der Wiederaufnahmeklage gegen ein Vaterschaftsfeststellungsurteil nach Ablauf von 10 Jahren ab Rechtskraft des Urteils im Unterschied zur objektiv unbefristeten Bekämpfung des Vaterschaftsanerkenntnisses nicht möglich. Der Oberste Gerichtshof ist nach sorgfältiger Prüfung zur Überzeugung gelangt, daß eine derartige Ungleichheit, wie sie sich bei rein formaljuristischer Betrachtung des in Betracht kommenden verfahrensrechtlichen Normenbestandes ergibt, weder verständlich noch in irgendeiner Weise sachlich gerechtfertigt ist und deshalb auch nicht in der wahren Absicht des Gesetzgebers begründet sein kann. Bei der in diesem Falle gebotenen verfassungskonformen Gesetzesanwendung kann die vom Gesetzgeber der Neuregelung des Rechts der "Vaterschaft zu einem unehelichen Kind" erklärtermaßen angestrebte Gleichheit der Anfechtungsmöglichkeiten beider Instrumten der Vaterschaftsfeststellung (§ 163 b ABGB) nur im Wege der teleologischen Reduktion der Vorschriften zur Wiederaufnahmeklage durch Nichtanwendung des § 534 Abs 3 ZPO auf Wiederaufnahemklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde festgestellt wurde, herbeigeführt werden.

Die Wiederaufnahmeklage ist auch nicht subjektiv verfristet, weil der im vorliegenden Fall nur auf vage Vermutungen gegründet gewesene Wiederaufnahmegrund, daß der wahre Vater eine namentlich bezeichnete andere Person sei (nach den Ergebnissen der in den Akten erliegenden wissenschaftlichen Gutachten sind sowohl der Kläger als auch der von ihm als Vater bezeichnete Dritte von der Vaterschaft klassisch ausgeschlossen), offenbar gar nicht vorliegt, sodaß die Klage als Wiederaufnahmeklage verfrüht erhoben wurde und in Wahrheit mit der sich aus den wissenschaftlichen Gutachten erst ergebenden Begründung des klassischen Vaterschaftsausschlusses des Klägers gerechtfertigt erscheint.

Das für eine Wiederaufnahmeklage erforderliche Klagebegehren im Sinne des § 536 Z 5 ZPO liegt zwar nicht förmlich, wohl aber in dem erkennbaren Sinn vor, daß der Kläger mit seiner Klage die vorhandene Vaterschaftsfeststellung beseitigt haben will (tatsächlich ist das Urteil des Bezirksgerichtes Neuhofen an der Krems vom 30.9.1953, GZ C 52/53-11, unter Abstandnahme "weiterer Beweisaufnahme" ausschließlich auf das Anerkenntnis des damals beklagten nunmehrigen Klägers gegründet und demnach in Wahrheit ein Anerkenntnisurteil), sodaß diesbezüglich ein verbesserungsbedürftiger Mangel des Klagebegehrens vorliegt, auf dessen Behebung das zuständige Erstgericht zu dringen haben wird.

Die absolute Unzuständigkeit des bisher mit der Klage befaßt gewesenen Bezirksgerichtes Windischgarsten hat die (schon vom Berufungsgericht ausgesprochene) Nichtigkeit des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO zur Folge, führt aber dennoch nicht zur Zurückweisung der Klage, weil der erkennende 8. Senat des Obersten Gerichtshofes in Abkehr von der - nicht auf § 474 Abs 1 ZPO Bedacht nehmenden - älteren Rechtsprechung (SZ 44/145 ua, aber unveröffentlichte Entscheidungen) der überzeugenden Ansicht Faschings (LuHB2 Rz 2076) zustimmt, daß auch für die Wiederaufnahmeklage als (in Form einer Klage zu führendem) Rechtsmittel im weiteren Sinne der - gemäß § 513 ZPO auch im Revisionsverfahren anzuwendende - allgemeine Grundsatz (§ 474 Abs 1 ZPO) gilt, das angerufene unzuständige Rechtsmittelgericht darf nicht zurückweisen, sondern muß die Sache an das zuständige Gericht amtswegig überweisen.

Aus den dargelegten Gründen mußte in teilweiser Stattgebung des Rekurses des Klägers der Zurückweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes (ersatzlos) aufgehoben und die Rechtssache von amtswegen an das gemäß § 532 Abs 2 ZPO zuständige Bezirksgericht Neuhofen an der Krems zur Durchführung des gesetzlichen Verfahrens überwiesen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO und auf die Erwägung, daß die durch die Nichtigkeit des bisherigen erstinstanzlichen Verfahrens gebotene Entscheidung nach § 51 ZPO in Hinblick auf die jetzt noch nicht abzuschätzende Verwertbarkeit der dort gewonnenen Erkenntnisse der Sachverständigen dem Erstgericht überlassen werden muß.

Anmerkung

E38546

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0080OB00599.92.0128.000

Dokumentnummer

JJT_19930128_OGH0002_0080OB00599_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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