TE OGH 1993/1/29 1Ob44/92

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Veröffentlicht am 29.01.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Gemeinde K*****, vertreten durch Dr. Herwig Grosch, Dr. Günter Harrasser und Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte und Gegner der gefährdeten Partei Johann M*****, vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Entfernung und Unterlassung (Streitwert 400.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 16. Oktober 1992, GZ 1 R 261/92-9, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. August 1992, GZ 12 Cg 1104/92v-2, dahin „abgeändert“ wurde, daß der Sicherungsantrag zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der beklagten und Gegner der gefährdeten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 7. Oktober 1971, Zl IIIa1-892/2, bewilligte der Landeshauptmann von Tirol der klagenden und gefährdeten Gemeinde (im folgenden: klagende Partei) die Fassung und Ableitung der „U*****“-Quellen als Gemeindewasserleitung. In der Begründung ist ua ausgeführt: „Zur Ausführung und Instandhaltung der Anlagen müssen gemäß § 72 WRG auch die Eigentümer der benachbarten Grundstücke gegen Ersatz der ihnen hiedurch verursachten vermögensrechtlichen Nachteile das Betreten und die Benützung ihrer Grundstücke im unbedingt nötigen Ausmaß gestatten. Diesbezügliche Ersatzansprüche sind bei sonstigem Verluste binnen drei Monaten nach dem Tag, an dem der Betroffene von dem Schaden Kenntnis erlangt hat, bei der Wasserrechtsbehörde geltend zu machen.“ In der Folge wurden nur die Quellen 3, 6 und 7 gefaßt; die Quelle 8 soll noch gefaßt werden. Nach Anzeige der Fertigstellung und infolge eines Ansuchens um Überprüfung und Anordnung von Schutzmaßnahmen beraumte der Landeshauptmann von Tirol für den 16. Jänner 1992 eine mündliche Verhandlung gemäß §§ 34, 112 WRG 1959 an, bei der der anwesende Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden nur Beklagter) bestritt, daß das Benutzungsrecht für die Quelle 8 noch bestehe. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 28. April 1992, Zl IIIa1-3491/70, sprach der Landeshauptmann von Tirol die Teilkollaudierung der Wasserversorgungsanlage in Ansehung der „U*****“-Quellen 3, 6 und 7 unter Bewilligung geringfügiger Änderungen aus und trug der klagenden Partei die Behebung von Mängeln auf, nämlich bis spätestens 31. Oktober 1992 den an der Oberfläche sichtbaren Teil der Ableitung der Quelle 6 (Länge rund 1 m) durch eine Betonabdeckung dauerhaft zu sichern, die Ableitung der Quelle 3 im Bereich der Verschneidung Hang/Forstweg auf die vorgeschriebene Tiefe von 0,65 m zu verlegen, und bestimmte die Bauvollendungsfrist für die Arbeiten an der Quelle 8 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 27 Abs 1 lit f WRG bis 31. Oktober 1993. Im Bescheid wird darauf hingewiesen, daß der klagenden Partei in Ansehung der vorzunehmenden Sanierungs- und Vollendungsmaßnahmen die Legalservitut nach § 72 WRG zugute komme.

Die Quelle 8, die es zu fassen gilt, liegt auf einem im Alleineigentum des Beklagten stehenden Grundstück, die Ableitung der Quellen 3 und 6 liegt auf einem, dem Beklagten zur Hälfte gehörigen Grundstück. Die Zufahrt zu den Ableitungen der Quellen 3 und 6 sowie zur Quelle 8 erfolgt über den vom Beklagten errichteten Forstweg „U*****“; dieser stellt die einzige befahrbare Verbindung zwischen der Bundesstraße B 312 zu den Quellen dar und verläuft teilweise über Grundstücke des Beklagten. Der Beklagte versperrte das am Beginn des Forstweges auf seinem Grundstück befindliche Gatter mit einem massiven Vorhangschloß. Trotz Ankündigung der klagenden Partei, daß sie im August 1992 die ihr bescheidmäßig aufgetragenen Arbeiten durchführen wolle und um Aufsperrung des Tores während der Tätigkeiten ersuchte, weigerte sich der Beklagte, einer Benützung des Forstweges, der für das Zufahren von Fahrzeugen für den Transport der für die Arbeiten benötigten Geräte erforderlich ist, zuzustimmen und das Gatter aufzusperren, trotz der Androhung einer Zwangstrafe durch die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 7.August 1992, Zl. 3-3097/2. Bei Nichteinhaltung der von der Wasserrechtsbehörde gesetzten Frist droht der klagenden Partei nicht nur eine Zwangsmaßnahme und ein Verwaltungsstrafverfahren (§ 137 WRG), sondern auch die Gefahr einer Beschädigung der Leitung und damit eine Gefährdung der Wasserversorgung der Gemeindebevölkerung.

Die klagende Partei begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, 1) das am Gatter des Grundstückes ... (des Beklagten) angebrachte Schloß zu entfernen und solange entfernt zu halten, bis sie die im Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28.April 1992, Zl. ... aufgetragenen Arbeiten beendet habe - wobei sich der Beklagte von dieser Verpflichtung durch Übergabe eines Schlüssels zu diesem Schloß an die klagende Partei befreien könne - in eventu, der klagenden Partei einen Schlüssel zu dem am Gatter ... angebrachten Schloß auszuhändigen; 2) es zu unterlassen, die Ausübung der der klagenden Partei auf Grund des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 7.Oktober 1971, Zl. ... zukommenden Legalservitut in Ansehung des in der Natur bestehenden Forstweges „U*****“, der über die Grundstücke ... führt, zu stören.

Zum Begehren 1) stellt die klagende Partei den Sicherungsantrag, zur Sicherung des ihr zukommenden Fahrrechtes auf dem in der Natur vorhandenen Forstweg „U*****“ über die Grundstücke ..., dem Beklagten bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Rechtsstreites aufzutragen, der klagenden Partei die Zufahrt zu den Quellen 3, 6 und 8 über den Forstweg „U*****“, welcher über die Grundstücke ... führt, durch Entfernung des Schlosses, welches an dem Gatter auf (dem) Grundstück ... (des Beklagten) angebracht ist, bzw durch Aushändigung eines Schlüssels zu diesem Schloß zu ermöglichen.

Das Erstgericht erließ, den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als bescheinigt annehmend, die einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Beklagten. Es bejahte die Zulässigkeit des Rechtsweges zufolge der Generalklausel des § 1 JN, weil die klagende Partei ihren Anspruch auf die Verletzung einer ihr zustehenden Legalservitut stütze. Auch die Bescheinigung des Anspruches und die Gefährdung der klagenden Partei nahm der Erstrichter an.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahingehend ab, daß es wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges den Sicherungsantrag zurückwies. Rechtlich ließ sich das Rekursgericht im wesentlichen von folgenden Überlegungen leiten:

Auch wenn Legalservituten dinglich Servituten gleichzuhalten seien und der nach § 72 WRG Berechtigte gegen den verpflichteten Grundstückseigentümer, der die Ausübung der Legalservituten verhindere oder störe, einen allfälligen Schadenersatzanspruch im ordentlichen Rechtsweg geltend machen könne, sei für auf § 72 WRG gestützte Unterlassungsklagen die actio confessoria des § 523 ABGB nicht gedacht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen, bei deren Erfüllung das Klagebegehren berechtigt wäre, gehöre dem öffentlichen Recht an. Wenn auch im § 98 WRG expressis verbis nicht die Durchsetzung des Anspruches nach § 72 WRG angeführt sei, so sei die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde hiefür schon daraus abzuleiten, daß auch die übrigen Zwangsrechte, soweit sie durch Bescheid zu begründen seien, von der Wasserrechtsbehörde zu erlassen seien. Denn es gehöre auch zu den gesetzlichen Verpflichtungen der Wasserrechtsbehörde, in dem von ihr durchzuführenden Verfahren dafür Sorge zu tragen, daß das Eigentumsrecht nur nach den Voraussetzungen der §§ 12 Abs 4, 19 Abs 1, 40 Abs 2 und 60 bis 72 WRG beeinträchtigt werden könne, weil dies eine Voraussetzung für die öffentlich-rechtliche wasserrechtliche Bewilligung sei (vgl EvBl 1979/184 mwN). Darüber hinaus sei die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde auch aus § 111 Abs 1 und Abs 4 WRG abzuleiten, weil nur die Bewilligungsbehörde die Voraussetzungen hiefür zu prüfen und den für das Verwaltungsvollstreckungsverfahren notwendigen Titelbescheid oder einstweilige Verfügung (§ 122 WRG) zu erlassen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der zulässige Revisionsrekurs der klagenden Partei ist berechtigt.

Gehört ein zu sichernder Anspruch nicht auf den Rechtsweg, so kann auch eine einstweilige Verfügung zu seiner Sicherung nicht erlassen werden (EvBl 1983/138; EvBl 1961/308; 1 Ob 652/90 ua). Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptung) maßgebend. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches (JBl 1992, 108; SZ 62/108; SZ 61/88 = JBl 1988, 594; 1 Ob 13/92 = ecolex 1992, 630 ua) an. Danach richtet sich, ob ein privatrechtlicher Anspruch nach § 1 JN erhoben wird, über den die Zivilgerichte - hier im streitigen Verfahren - zu entscheiden haben (JBl 1992, 108; SZ 61/88; SZ 58/156; Fasching I 62 f und Lehrbuch2 Rz 101). Für die Zuordnung von Ansprüchen zum Privatrecht oder zum öffentlichen Recht ist primär die Beteiligung gleichberechtigter oder aber über- und untergeordneter, rechtsunterworfener Rechtssubjekte maßgebend (JBl 1991, 514; JBl 1985, 240; SZ 51/161; Fasching I 48 und Lehrbuch2 Rz 100). Im Einzelfall wird die Zuweisung zum Bereich des öffentlichen oder des Privatrechts in der Regel durch gesetzliche Bestimmungen getroffen, die entweder das betreffende Rechtsgebiet ausdrücklich als öffentliches Recht bezeichnen oder eine Zuweisung an die Verwaltungsbehörden oder die Gerichte zum Ausdruck bringen (SZ 62/108, SZ 56/33 ua). Soweit im Bereich des Wasserrechtsgesetzes nichts anderes verfügt ist, sind für seine wasserrechtlichen Bestimmungen die Wasserrechtsbehörden, für seine anderen Bestimmungen die Gerichte bzw die nach den einschlägigen Bestimmungen berufenen Behörden zuständig (SZ 51/41; SZ 46/82; Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 382 f). Ein- und derselbe Konflikt kann freilich auch Gegenstand eines wasserrechtlichen und eines gerichtlichen Verfahrens sein (SZ 51/41, SZ 50/109; 1 Ob 13/92 ua; Krzizek aaO, 388). Daß daher nach Krzizek (aaO 294) die Hilfe der Wasserrechtsbehörde in Anspruch genommen werde könne, wenn sich der Eigentümer der Ausübung des Rechtes nach § 72 WRG widersetze, sagt noch nichts darüber, ob ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird.

Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung SZ 46/47 = JBl 1974, 318 ausgesprochen, daß der Wasserbauunternehmer (als Berechtigter iS des § 72 WRG) nur dann gehalten ist, sich iS des § 62 WRG an die Wasserrechtsbehörde zu wenden, wenn ihm nicht unmittelbar die durch das Gesetz eingeräumte Benutzungsbefugnis des § 72 WRG zustatten kommt. In der Entscheidung SZ 45/95 = EvBl 1973/5 wurde erkannt, der dem Grundeigentümer durch § 13 stmk. BauO eingeräumte privatrechtliche Anspruch auf Benützung des Nachbargrundstücks zur Vornahme von Erhaltungsarbeiten an seinem Haus, könne mit Klage im ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden. Ausgesprochen wurde weiters bereits, daß die aus dem Titel der Besitzstörung erhobene oder auf Freiheit von einer Dienstbarkeit gerichtete Klage ebenso in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte falle wie die aus dem Nachbarrecht abgeleiteten Ansprüche sowie die Ansprüche auf Schadenersatz (1 Ob 13/92).

Das nur auf § 72 WRG gestützte Sicherungsbegehren der wasserrechtsberechtigten klagenden Partei ist zur Ermöglichung einer Zufahrt zu drei Quellen darauf gerichtet, daß der beklagte Grundeigentümer ein Schloß an einem Gatter am Zufahrtsweg entfernt oder einen Schlüssel zu diesem Schloß aushändigt, somit der klagenden Partei die Mitbenützung des Weges gestattet.

Der VI. Abschnitt (§§ 60 bis 72) des WRG behandelt die Zwangsrechte. Nach § 60 Abs 1 WRG sind Zwangsrechte in diesem Sinn a) die Öffentlicherklärung von Privatgewässern (§ 61); b) die Verpflichtung zur Duldung von Vorarbeiten (§ 62); c) die Enteignung (§§ 63 bis 70) und d) die Benutzungsergebnisse nach den §§ 71 und 72. Diese Maßnahmen sind nur gegen angemessene Entschädigung (§ 117) und nur dann zulässig, wenn eine gütliche Übereinkunft zwischen den Beteiligten nicht erzielt werden kann (§ 60 Abs 2 WRG). Zwangsrechte nach § 60 Abs 1 lit a bis c werden durch Bescheid der Wasserrechtsbehörde begründet (§ 60 Abs 3 erster Satz WRG). Gemäß § 72 Abs 1 WRG (Rossmann, Wasserrechtsgesetz 1959 idF der Wasserrechts-Novelle 1990, Anm 1 zu § 72; Grabmayr-Rossmann, Das österr. Wasserrecht2 350 f; Krzizek aaO, 265, 294; Kaan Wasserrechtsgesetz 19592 Anm 1 zu § 72 WRG) steht dagegen die dem Wasserberechtigten durch die WRG-Novelle 1990 erheblich ausgeweitete Möglichkeit zu, gegen Entschädigung fremde Grundstücke im Umfang des Kataloges dieser Gesetzesstelle (... b) zur Ausführung und Instandhaltung von Wasserbauten und Anlagen, ...(f) zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, insbesondere zur Zu- und Abfuhr und Ablagerung von Baustoffen, Geräten, Werkzeugen ect zu betreten und zu benützen. Zweck der Bestimmung war es schon vor der WRG-Novelle 1990, die möglichst rasche und reibungslose Durchführung der Wasserbauarbeiten zu sichern, die wegen vorübergehender und verhältnismäßig geringfügiger Eingriffe in das Eigentumsrecht Dritter nicht aufgehalten werden sollen (Grabmayr-Rossmann aaO, 350 f). Zur Duldung verpflichtet ist dabei jedenfalls der - hier belangte - Grundeigentümer, Berechtigter ist jedenfalls auch der Eigentümer der Anlage (Krzizek aaO, 295). Beim Recht zum Betreten und Benutzen fremder Grundstücke nach § 72 Abs 1 WRG handelt es sich um ein aktives öffentliches Nachbarrecht, das kein Enteignungsfall, sondern eine Eigentumsbeschränkung (Krzizek, aaO, 258, 294) ist, um eine sogenannte Legalservitut (SZ 46/47; VwGH ZfVB 1991, 1865; VwGH ZfVB 1990, 2445). Das in § 72 Abs 1 WRG behandelte Recht, das sich aus dem alten „Schaufelschlagrecht“ - das den Müller berechtigt, beim Räumen des Mühlbaches den Schlamm auf das fremde Ufer zu werfen (Klang in Klang2 II 166) - entwickelt haben mag (Krzizek aaO, 294; SZ 46/47) stellt eine - auch als Legalservitut bezeichnete - Eigentumsbeschränkung privatrechtlicher Natur (vgl Klang aaO) dar und ist einer dinglichen Verpflichtung gleichzusetzen (vgl JBl 1986, 782). Solche von einer Eintragung im Grundbuch in der Regel unabhängige Einschränkungen des Eigentums (JBl 1986, 782; Petrasch in Rummel2 Rz 1 zu § 472 ABGB; Koziol-Welser Grundriß9 II 161) wirken ähnlich wie Dienstbarkeiten (Koziol-Welser aaO) und gewähren dem Berechtigten die Sacheinwendung gegen die Eigentums-Freiheitsklage (actio negatoria; Petrasch aaO, Rz 1 zu § 472 ABGB; Krzizek aaO, 294). Die Legalverpflichtung des jeweiligen Grundeigentümers nach § 72 Abs 1 WRG, die freilich nicht gegenüber jedermann, sondern bloß gegenüber dem Personenkreis, der iS des WRG zur Setzung der angeführten Maßnahmen berechtigt oder verpflichtet ist, besteht (Oberleitner, WRG Anm 1 zu § 72 WRG), muß daher auch entgegen der Auffassung der zweiten Instanz als Anspruchsgrundlage für die sinngemäße Anwendung der Servitutenklage (actio confessoria) nach § 523 ABGB angesehen werden. Inhaltlich macht die klagende Partei einen solchen Anspruch geltend.

Zu prüfen bleibt, ob der Gesetzgeber ausnahmsweise die Entscheidung über die von der klagenden Partei erhobenen bürgerlich-rechtlichen Ansprüche den ordentlichen Gerichten entzogen und ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen hat (JBl 1992, 108; JBl 1987, 791; SZ 56/33, je mwN). Immer dann, wenn von der Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung über bürgerliche Rechtssachen (§ 1 JN) eine Ausnahme geschaffen werden soll, muß dies in dem hiefür erforderlichen „besonderen Gesetz“ klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden (JBl 1990, 450; SZ 59/107; 1 Ob 13/92 ua) Weder § 72 WRG noch § 60 WRG noch § 98 WRG enthält eine ausdrückliche oder unzweifelhaft schlüssige Regelung, daß die Wasserrechtsbehörde über die Durchsetzung der Legalservitut nach § 72 Abs 1 WRG zu entscheiden habe. Im Gegenteil wird in § 60 Abs 3 WRG anders als für die übrigen Zwangsrechte des § 60 Abs 1 gerade die Legalservitut nach § 72 Abs 1 nicht durch Bescheid der Verwaltungsbehörde begründet. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, welche die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist aber nicht zulässig. Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher oder unzweifelhaft schlüssiger anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden (JBl 1992, 108; JBl 1991, 53; SZ 59/107 ua). Der Hinweis des Rekursgerichtes und des Beklagten auf § 111 WRG ist deshalb nicht zielführend, weil sich die Bestimmung auf den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid bezieht und nicht auf die Durchsetzung der Legalservitut. Die Entscheidung des erkennenden Senates EvBl 1979/184 bezieht sich gleichfalls nicht auf die Durchsetzung einer Legalservitut, sondern auf die einer privatrechtlichen Verpflichtung vor der wasserrechtsbehördlichen Zustimmung. Im übrigen wurde in dieser Entscheidung zum Ausdruck gebracht, daß zwar das Gesetz die Behauptung der Verletzung des Grundeigentums zu einer öffentlichrechtlichen Einwendung im wasserrechtsbehördlichen Verfahren erhoben und den Schutz des Grundeigentums der Wasserrechtsbehörde übertragen hat, welche darüber auch in ihrem Verfahren eine Sachentscheidung zu treffen habe; die Wasserrechtsbehörde habe aber, wenn die Nichtverletzung von Eigentumsrechten nicht geklärt sei, keine Möglichkeit, die beantragte Bewilligung zu erteilen und müsse die Austragung der privatrechtlichen Einwendungen dem Rechtsweg vorbehalten. Daraus kann daher die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde für die Durchsetzung der Legalservitut nach § 72 Abs 1 WRG nicht abgeleitet werden.

Dazu kommt noch folgender Aspekt: Nach Art 6 Abs 1 erster Satz MRK hat jedermann Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das - ua - über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat. Wie der Verfassungsgerichtshof mit seiner Entscheidung VfSlg 11591/1987 ausdrücklich festgestellt hat, müssen nicht bloß im Bereich des Strafrechts, sondern auch über „civil rights“ im engeren Sinn (Kernbereich) aufgrund der Anordnungen des Art 6 Abs 1 MRK „Tribunale“ unmittelbar in der Sache selbst entscheiden; eine bloß nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts reicht insoweit nicht aus (VfSlg 12470/1990). Das Eigentumsrecht des durch die Legalservitut des § 72 Abs 1 WRG Belasteten stellt jedenfalls ein derartiges „civil right“ - iS eines im materiellen Recht begründeten subjektiven Rechtsanspruches (oder einer solchen Rechtsverpflichtung) - dar (vgl dazu auch Geuder, Baurecht und Civil Rights in ÖJZ 1990, 265 ff, 269 zu Anrainerpflichten im Baurecht), sodaß bei verfassungskonformer Interpretation des WRG, jedenfalls im Zweifel, die Kompetenz des Gerichtes anzunehmen ist, zumal die in § 117 WRG angeordnete sukzessive Kompetenz hier nicht Platz greift und die Verfassungskonformität einer Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde jedenfalls zweifelhaft wäre.

Die meritorische Berechtigung des Anspruches hat bei Beurteilung der Rechtswegzulässigkeit außer Betracht zu bleiben. Das Rekursgericht wird daher über den Rekurs des Beklagten gegen die einstweilige Verfügung der ersten Instanz, der inhaltlich auch die erstgerichtliche Sachverhaltsgrundlage in Frage stellt, neuerlich zu entscheiden haben.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 78, 402 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E31151

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0010OB00044.92.0129.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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